Als Richter im Einsatz zu sein, ist ein mit viel Verantwortung verbundenes Ehrenamt, für das man sich in Deutschland über mehrere Schritte qualifizieren muss. Das nimmt normalerweise mindestens ein Jahr in Anspruch. Nun gibt es unter bestimmten Voraussetzungen eine Abkürzung.
In Warendorf wurde ein eigentliches gar nicht so neues Projekt auf den Weg gebracht, bei dem auf höchstem Niveau erfolgreiche Dressurreiter sozusagen auf der Überholspur Richter werden können. Sieben prominente Dressurreiter sind diesen Weg gegangen und dürfen nun am Viereck sitzen: die Schwestern Hannah und Helen Erbe, Dr. Annabel Frenzen, Jasmin Schaudt, Katrin Burger, Charlott-Maria Schürmann und Hubertus Graf Zedtwitz.
Der normale Weg zum Richteramt
Normalerweise dauert es zwischen einem und vier Jahren, ehe man Dressur- und Springprüfungen der Klasse L richten darf. Dazwischen liegt zunächst eine Eingangsprüfung. Deren Aufbau ist je nach Landeskommission mehr oder weniger anspruchsvoll. In Westfalen muss man beispielsweise Stilspring- und Dressurprüfungen der Klasse A bewerten, die Zusammenhänge der Reitlehre erläutern, einen Parcours abnehmen, das Exterieur eines Pferdes beurteilen und seine Kenntnisse der LPO unter Beweis stellen.
Hat man das alles hinter sich gebracht, ist man Richteranwärter. Als solcher muss man nun Testate sammeln, sprich, bei einer vorgegeben Anzahl Dressur- und Springprüfungen mitgerichtet haben, einen Tag Parcourschef gewesen sein usw.
Hat man seine Testate beisammen, kann man sich zur eigentlichen Richterprüfung anmelden, der ein dreitägiger Vorbereitungslehrgang vorausgehen muss.
Nach bestandener Prüfung darf der frisch gebackene Richter Dressur- und Springprüfungen bis Klasse L richten, dazu Basis- und WBO-Prüfungen sowie den Pferdeführerschein Reiten abnehmen.
Wer mehr richten will, als Klasse L muss sich quasi „hochdienen“. Nach mindestens einem Jahr „Bewährung“ in der bereits erreichten Klasse, kann sich der Richter in den höheren Prüfungen als Assistent neben das eigentliche Richtergremium setzen. Hat man ausreichend häufig assistiert und zudem eine Bescheinigung der verantwortlichen Richter, die belegt, dass man in der Zeit als Beisitzer auch selbstständig Prüfungen dieses Niveaus beurteilt hat, kann man eine Höherstufung beantragen.
Nun geht’s auch schneller
Schon immer gab es für angehende Richter mit goldenem Reitabzeichen, Pferdewirte und Inhaber bestimmter Trainerscheine die Möglichkeit, gewisse Abkürzungen zu nehmen. Das Projekt jetzt in Warendorf bietet nun eine weitere Optionen.
Das Fast-Track-Verfahren bietet die Möglichkeit, die Grundprüfung abzulegen und zwei Wochen später sofort die Prüfung zum Richter der Klasse S – allerdings disziplinspezifisch. Das heißt, die sieben frisch gebackenen Richter aus Warendorf dürfen nun Dressurprüfungen bis Klasse S richten, jedoch keine Springprüfungen.
Voraussetzung ist, dass die angehenden Richter in mindestens drei internationalen Grand Prix-Prüfungen Ergebnisse von 68 Prozent und besser erzielt haben. Dann mussten auch sie eine gewisse Anzahl Dressurprüfungen von Klasse E bis S mitgerichtet haben, dazu Dressurpferde- und Dressurreiterprüfungen. Sie mussten zweimal bei der Aufsicht Abreiteplatz assistieren und eine Prüfung selbst richten, was dann von einem Gutachter bewertet wurde. Schließlich galt es auch für sie, Theorie zu lernen – bei Online-Seminaren und für sich. Denn in der Prüfung zum Richter Klasse S sei ihnen „nichts geschenkt“ worden, betonte Henning Lehrmann, der das Projekt als Vorsitzender der Deutschen Richtervereinigung (DRV) begleitet hat, gegenüber dressursport.kim.
Nun dürfen die sieben neuen Richter also Dressurprüfungen bis einschließlich Klasse S richten. Um sich für die Klasse S*** zu empfehlen, müssen sie nun den üblichen Weg weitergehen – ein Jahr am Tisch in S-Prüfungen, danach Assistenz und Schattenrichten, dann der nächste Schritt.
Im November soll es eine weitere Richter-Prüfung für Reiter mit oben genannten Erfolgen geben. Danach liege das Projekt aber erst einmal wieder auf Eis, so Lehrmann. Man könne das nicht jedes Jahr machen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir eine nächste Prüfung dieser Art in drei Jahren wieder anbieten“, so der Fünf-Sterne-Richter, der Deutschland bei den Olympischen Spielen in Paris repräsentieren wird.
Eigentlich kein Pilotprojekt
Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung und Wissenschaft bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), erklärte die Hintergründe der Aktion: „Es handelt sich um einen Sonderweg, eine Sondermaßnahme, die es auch in der Vergangenheit, wenn auch selten, schon gab. Und es wird auch eine Sondermaßnahme bleiben. Insofern ist es auch kein Pilotprojekt.
Ziel ist es, geeigneten Personen den Weg in das Richteramt zu erleichtern und so auch für Nachwuchs im Richteramt mit höherer sportlicher Perspektive zu sorgen.“
Dass es eine Fortsetzung der Maßnahme gibt, liege daran, dass nicht alle Interessenten und infrage kommenden Dressurreiter, zu diesen Terminen berücksichtigt werden konnten.
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