Heiße Entscheidungen im Dressurviereck gab das Wetter vor. Knapp 30 Grad im Talkessel am Schloss Wocklum im Sauerland. Da gab es das ein oder andere rote Gesicht zu sehen in der ersten Wertungsprüfung zur Deutschen Meisterschaft 2015 der Dressurreiter. Kristina Sprehe siegte mit Desparados, vor Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl.
Die Europameisterschaften in Aachen sind noch ganz weit weg, und aus der „Sichtung Deutsche Meisterschaft“ wurde nur die Deutsche Meisterschaft. Isabell Werths Bella Rose ist noch nicht fit fürs Turnier nach einer Knieverletzung und der große schwarze Unbekannte, Totilas, hat sich ja auch schon einmal im Trainingslager in den Niederlanden besuchen lassen. Er bekam nicht etwas Dispens, sondern ist ein Nichtstarter. Für den Dressurausschuss ist das ein bemerkenswerter Unterschied, für die Zuschauer ist es egal. Besagte Pferde sind nicht da. Und: Sie werden auch nicht in der Mannschaft gehen können, die für Deutschland beim CDIO Hagen startet, denn dazu müssten sie ja schließlich in Balve gegangen sein, sagt der Dressurausschuss. Dressur ist eben nie ganz einfach zu verstehen. Ob nun Nichtstarter oder Dispens oder vor Ort am Start. Für gleich mehrere Reiter geht es in Balve darum, sich für den vierten Platz im Aachen-Team zu empfehlen. Als gesetzt muss Isabell Werth gelten, im Idealfall mit Bella Rose, sonst aber wohl auch mit Don Johnson, der heute eine gehorsame Runde ging und den man vielleicht schon frischer in den fliegenden Wechseln von Sprung zu Sprung gesehen hat. Aber es war heiß, alle Pferde kamen durchgeschwitzt in die Bahn, die Reiter – fast – alle mit rotem Kopf. 78,16 Prozent waren Platz zwei für Werth und ihren Hannoveraner Don Frederico-Sohn.
Sollte Totilas fit sein, dann wird wohl auch er in Aachen gehen. Und schließlich dürfte auch Kristina Sprehe und Desperados v. De Niro der Teamplatz sicher sein. Im vergangenen Jahr gewann Sprehe in Balve ihren ersten Deutschen Meistertitel bei den Senioren und krönte die Saison mit Mannschaftsgold und Einzelbronze bei der Weltmeisterschaft in Caen. Heute ging der Rapphengst konzentriert. Er ist gut in Form, sieht sportlich aus. Am Ende der ersten Passage schlichen sich im Hinterbein kurzfristig wieder unregelmäßige Tritte ein, aber die letzte Mittellinie mit Passage, Piaffe und Passage bis zum Gruß, waren Weltklasse: Der Hannoveraner zog voll durch, war immer konzentriert. Knapp 80 Punkte Vorsprung, das sind mehr als drei Prozent, betrug der Vorsprung auf die Zweitplatzierte. Sieg mit 81,3 Prozent, der nächste Meistertitel ist in Reichweite.
Auf den Plätzen drei bis sechs diejenigen, die zumindest mit der Hoffnung nach Balve gefahren sein dürften, dass der Dressurausschuss genau hinsieht und sie auf der Aachen-Liste berücksichtigt. Allen voran Jessica von Bredow-Werndl. Die Weltcupdritte und ihr Rappe Unee haben eine Saison hinter sich, die in jeder anderen Nation einen Platz im Championatsteam garantieren würde. Allerdings haben sie schon oft sich auf Turnieren allmählich gesteigert, Grand Prix ordentlich, Grand Prix Special klar besser, Kür brillant. Für die Mannschaftsmedaille aber zählt allein der Grand Prix. Das scheinen die beiden heute berücksichtigt zu haben. Der Niederländer Unee, über seinen Vater Gribaldi ein Halbbruder zum seit Aachen 2014 nicht gesehenen Totilas, war frisch, ließ kaum einen Punkt liegen. „Er war an,“ sagte Jessica von Bredow-Werndl, die sich den Frack vom Leib riss, kaum dass sie das Viereck verlassen hatte. „Aber, boah, war das heiß da drin.“ Mit ziemlich konstanten Bewertungen zwischen 7,5 und 8 in fast allen Lektionen wurde das Paar aus Südbayern mit 76,84 Prozent Dritte.
20 Punkte dahinter, 76,04 Prozent und damit jenseits der 1900er Schallgrenze, rangierten Dablino und Anabel Balkenhol auf Platz vier. Der Hannoveraner begann schwungvoll, punktete in den Passagen. Lediglich im starken Schritt kam er nicht maximal zum Schreiten. Auf die Serienwechsel zu ein und zwei Tempi gab es durchgängig Achten. Da dürften die Richter auch noch generöser sein, gerade bei den Einerwechseln. Eine gute letzte Piaffe bei X setzte den Schlusspunkt unter die Vorführung.
Fünfter wurde der Hengst Imperio unter Hubertus Schmidt mit 75,82 Prozent. Der in der Vergangenheit immer wieder von Verletzungspech verfolgte, wunderhübsche Rechteck-Trakehner schwankt noch deutlich in den fliegenden Galoppwechseln zu zwei Sprüngen. Das Piaffieren hat er nun verstanden, passagieren konnte er schon immer. Im versammelten Schritt sieht er im Vorderbein wie ein Schlittschuhläufer aus. Die Richter, die das erkannten, ahndeten es entsprechend, es waren zwei der fünf Juroren. Aber den Sprung den der ehemalige Reservsiegerhengst und Bundeschampion gemacht hat, ist beeindruckend. Gut Ding will halt Weile haben. Das zahlt sich jetzt aus für den Reitmeister aus Borchen-Etteln, der Anteile an dem Connery-Sohn hält.
Mit 74,84 Prozent landete Mannschaftsweltmeisterin Fabienne Lütkemeier mit D’Agostino v. De Niro auf Rang sechs. Die Piaffen werden nie seine Leiblingslektionen, aber trabartig auf der Stelle im Takt, das hat er nun verstanden. Heute war er dabei im Hinterbein – die Hitze? – selbst für seine Verhältnisse manchmal etwas mau. Reinhard Richenhagen, der bei B richtete, sah das Paar auf Platz zehn (72,4 Prozent), Chefrichterin Dr. Evi Eisenhardt hatte von ihrer Position bei C einen ganz anderen Eindruck (76,5 Prozent/Platz drei).
Gleichrangiert an Position sieben mit jeweils 73,8 Prozent: Ulla Salzgeber und Herzruf’s Erbe – beiden sah man die Hitze an – und Dorothee Schneider mit ihrer Nachwuchshoffnung St. Emilion v. Sandro Hit. Den beiden unterliefen mehrere kleinere Fehler in der Galopptour, am Ende fehlte in der Passage noch die Kraft für den ganz dynamischen Abdruck. Aber: Den Wallach muss man sich für die Zukunft merken!
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