Auch die US-Amazone setzte auf die Stärken ihres Florett As-Sohns in Passagen und starkem Trab. In der Piaffe schien sie etwas weniger Druck zu machen als noch im Grand Prix, dadurch gelangen diese besser. Untermalt von tiefen Bläsern, dezenten Pauken, gestrichenem Bass ritt die 29-Jährige eine schwere Kür mit vielen Höhepunkten, etwa herrlich gesprungenen fliegenden Galoppwechseln zu zwei Sprüngen auf einer halben Zirkellinie, an die sich sofort schnurgerade Einerwechsel anschlossen. Insgesamt eine genau so schwere wie kontrollierte Runde, absolute Weltklasse. Mit Standing Ovations und Riesengeschrei feierte das amerikanische Publikum „seine“ Laura, Baseballfeeling am Dressurviereck. Es gab 85,307 Prozent, Platz zwei. Der Fünf-Prozent-Abstand zu Isabell Werth schien der US-Amerikanerin wohl etwas hoch.
Der Brite Carl Hester war als Dritter hochzufrieden. „Mein Pferd ist seine beste Prüfung gegangen, er hat sein Maximum gegeben, ich kann nur glücklich sein.“ An kaum einem Pferd scheiden sich derart die Geister wie an dem KWPN-Wallach Nip Tuck. Der große Don Ruto-Sohn hat eine große Schwäche, die Trabverstärkung. Das sieht jeder, das lässt sich nicht kaschieren, auch wenn Hester in seinem sehr komplexen Kürprogramm zu Musik aus der englischen TV-Serie „Mr. Selfridge“ geschickt genug ist, die geforderten Meter starken Trabs erst kurz vor Schluss zu zeigen. Er beginnt mit Passagen und Piaffen. Das Pferd dabei stets in wunderbarer Anlehnung und einer gleichmäßigen Silhouette. Auch er zeigt die 360-Grad-Piaffe und 19 Einerwechsel. Am Ende passagiert er in Zickzack-Traversalen und kommt perfekt zur Musik bei X zum Schlussgruß. „Heute war jeder Galoppsprung, jeder Übergang perfekt zur Musik, besser geht es nicht.“
Mit Toast auf Platz drei
Carl sagt, seine Musik sei bewusst etwas deftiger. „Mal ehrlich, wenn wir beiden dahinein galoppieren, da wäre doch etwas Tänzerisches fehl am Platz. Das sieht doch mehr wie Kavallerie aus, und so soll sich das auch anhören.“ Das Musikarrangement stammt von Tom Hunt, der auch die Küren von Olympiasiegerin Charlotte Dujardin zusammengestellt hat. Glücklich ist Carl Hester vor allem, dass „Barney“ wieder gefressen hat. Zunächst hatte der Wallach lediglich Heu gefressen, Kraftfutter nur aus der Hand. „Stell dir mal vor, wir würden nur weißen Toast essen, ich meine, man braucht ja auch etwas Benzin“. Der Grund ist schnell erklärt: Niemals zuvor ist Nip Tuck ohne seinen Kumpel Valegro geflogen, „ihm fehlte einfach jemand, der ihm das Händchen hält“, sagte Hester. „Glücklicherweise war Alan da und hat Barney stundenlang mit der Hand gefüttert“. Alan Davies ist dank Valegro der berühmteste Pfleger der Welt, „er kennt Barney ja schon als Jährling, seitdem er bei uns ist.“ 83,757 Prozent erhielt Hester für seinen Ritt.
Knapp an den 80 Prozent schrammte Judy Reynolds mit Vancouver v. Jazz vorbei. Die in Hünxe lebende Irin hat ein Programm, in dem eigentlich alle zehn Sekunden etwas anderes geschieht, Tempiwechsel, Piaffen, Passagen, Übergänge, Pirouetten, im Seitwärts im Vorwärts, der Betrachter kann kaum so schnell folgen, wie der kompakte Vancouver die Höchstschwierigkeiten zeigt. Dazu gibt es Musik, vornehmlich von farbigen Sängerinnen, „I’m so exited“ von den Pointer Sisters, Gloria Gaynors Klassiker „I am what I am“, „It’s raining men“ von den Weather Girls und als bestimmendes musikalisches Motiv „If I could turn back time“ von Cher. Das erklingt zur Piaffepirouette. Es ist ein Feuerwerk und es gab keine groben Fehler. Platz vier mit 79,571 Prozent – nie zuvor hat ein Dressurreiter aus Irland vergleichbares geschafft.
Reynolds kommentiert auf Facebook „Was soll ich sagen über das Pony, das es immer wieder schafft, die auf ihm ruhenden Erwartungen zu übertreffen?“
Ein Lob für die Reiterinnen und Reiter gab es von der Chefrichterin Anne Gribbons, nicht nur an die Veranstalter, sondern vor allem an die Top-Reiter, die alle eine wunderbare Beziehung zu ihren Pferden hätten, was sich in den harmonischen Runden gezeigt habe. Insgesamt gingen die Pferde deutlich besser als noch im Grand Prix, sicherer in der Anlehnung, weniger gespannt.
Kann Weltcupfinale und mehr: Cennin
Dass der niederländische Hengst Cennin ein Pferd mit Zukunft ist, ist nicht ganz neu. Er war neunjährig schon Ersatzpferd für die Olympischen Spiele von Rio, damals hatte seine Reiterin Madeleine Witte-Vrees auf den Flug verzichtet und so den Zorn des Niederländischen Verbandes KNHS auf sich gezogen. Mit seiner heutigen Leistung hat er aber schon jetzt klar gemacht, dass er ein potenzielles Teampferd für die Europameisterschaften in Göteborg ist. Es war der Ritt eines talentierten Pferdes, das in der Hinterhand noch an Kraft, Abdruck und Geschwindigkeit im Ablauf – vor allem in der Passage – gewinnen muss. Anfangs scheute der zehnjährige Vivaldi-Sohn kurz, aber dann machte er einen guten Job. Das Vorderbein ist ausdruckstark, da ist noch viel drin, zumal der gekörte Fuchs einen super Schritt geht. Und das direkt nach den Zweierwechseln.
Wenn es dem Paar gelingt, insgesamt etwas selbstverständlicher durch die Prüfung zu kommen, dürften sogar die 80 Prozent in der Kür irgendwann zu knacken sein. 79,046 Prozent waren noch mehr als Teamkollege Edward Gal. Der ritt seinen Voice v. De Niro heute mit Höhepunkten in den Passagen, Traversalen und im starken Trab, eine überdrehte Linkspirouette kostete Punkte. Der Rappe wirkte frisch und erhielt 78,921 Prozent, Platz sechs.
Einen herrlich harmonischen Ritt zeigte die zweitbeste US-Amerikanerin, Kasey Perry-Glass mit dem Dänen Dublet v. Diamond Hit. Das Paar, das in Rio mit dem US-Team Bronze gewann, besticht durch unauffällige Hilfengebung, eine rhythmische und ausdruckstarke Passagen-Piaffe-Tour und zeigte fliegende Galoppwechsel mit Gänsehaut-Effekt. Die Zunge, die manchmal ein Problem des Braunen ist, war heute kaum zu sehen. Wenn er sie zeigt, dann bestimmt nicht wegen grober Zügelhilfen, die ruhige feine Hand der Reiterin zu sehen, macht einfach Spaß.
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