Qualitativ reichten die Sechsjährigen heute in ihrer Qualifikation bei
der WM junge Dressurpferde 2014 in Verden nicht an das Feld der
Fünfjährigen heran. Und im Gegensatz zu gestern enttäuschten die
Deutschen ein wenig. Dafür schlug die Stunde der KWPN-Hengste, die mehr
gemein hatten als nur den Vater.
Und das schon ganz früh am Morgen. Um acht Uhr mussten Kirsten Brouwer und Dancer Forever aufs Viereck. Die beiden rüttelten die Richter schlagartig wach. Bis zur letzten Gruppe des 30-köpfigen Feldes (wobei es einige Ausfälle gab) führte es das Feld an mit seiner 8,82. Aber dann kam der schwarze Dream Boy mit Gerdine Maree im Sattel, der den beiden mit 0,02 Punkten den Sieg doch noch abnahm.
Zunächst zum Sieger. Der Vivaldi-Ferro-Sohn Dream Boy aus der Zucht und im Mitbesitz von T.J.M. Coomans (zusammen mit dem Stall Brinkman) ist ganz sicher das Traumpferd vieler ein lackschwarzer imposanter Hengst mit hübschem Gesicht. Ein gewaltiges Vorderpferd, das sich stets bergauf bewegte. Pluspunkt im Trab ist das elastische Federn durch den ganzen Körper, das auch in den Seitengängen erhalten blieb. Allerdings hatte man immer den Eindruck eines etwas verzögerten Bewegungsablaufes, es fehlte ein wenig der Fluss, die Umsetzung der Energie in die Vorwärtsbewegung. Wertnote im Trab: 8,7.
Der Schritt ist geregelt und sicher im Takt mit genügend Raumgriff. Aber auch hier wünschte man sich mehr Fleiß und Energie.
Nach dem Angaloppieren war der Dreitakt kurzzeitig gefährdet, das besserte sich aber. Der erste Wechsel war sicher mit Ausdruck auf die Hilfe. Den zweiten hat die Reiterin sehr geschickt mit einem kleinen Kreisbogen nach Abwenden auf die Diagonale eingeleitet, so dass er noch durchgesprungen war. Dafür punktete Dream Boy im Galopp mit unerschütterlicher Bergauftendenz und auch hier energisch abfederndem Hinterbein (9,5).
Die Durchlässigkeit zwei gelungene Wechsel, williges und diagonales, wenn auch etwas schleppendes Rückwärtrichten bewerteten die Richter mit einer 8,8 und dem Gesamteindruck mit 9,2. Machte insgesamt eine 8,84 und den hauchdünnen Sieg.
Dancer Forever, der unter Kirsten Brouwer knapp geschlagene Zweite, der ebenfalls von Vivaldi abstammt, aber eine Tango-Mutter hat, bekam die höhere Trabnote, eine 9,2. Sowohl er, als auch die dritt- und fünftplatzierten holländischen Hengste mit Anfangsbuchstabe D und Vivaldi als Vater gehören dem Hengstaufzüchter, -halter und Händler Ad Valk, der in den Niederlanden als Entdecker guter Pferde bekannt ist. Dancer Forever begeisterte gleich in der Früh als ein ganz eleganter Fuchs mit geschmeidigen elastischen Bewegungen im Trab. Allerdings hielt das Hinterbein nicht ganz, was die Vorhand versprach. Das schleppte der abzeichenlose Fuchs im Trab etwas hinter sich her. Das Umstellen in den doppelten halben Volten über die Mittellinie gelang geschmeidig. In den Seitengängen behielt der Hengst die Aufrichtung nicht nur bei, er kam zeitweise sogar etwas über den Zügel, was bei einigen Tritten zu Lasten der Rückentätigkeit ging. In der zweiten Trabverstärkung galoppierte er einmal an. Die Richter gaben eine 9,2 für den Trab.
Der Schritt ist fleißig, geregelt und mit ausreichendem Vortritt, 8,0. Auch im Galopp würde man Dancer Forever etwas mehr Durchsprung wünschen. Das zeigte sich dann auch in den Fliegenden Wechseln. Der erste war sicher auf die Hilfe, aber nicht zu Ende nach vorne gesprungen. Der zweite sicher, aber flach und ohne Ausdruck. Galoppnote: 9,2, Durchlässigkeit: 8,5, Gesamteindruck: 9,2, Gesamtnote: 8,82. Was noch erwähnt werden sollte: Dancer Forever machte während der gesamten Aufgabe und auch beim Applaus nach dem letzten Gruß einen äußerst zufriedenen und gelassenen Eindruck.
Platz drei ging an Desperado, wie bereits erwähnt, auch dies ein Vivaldi-Sohn (Mutter v. Havidoff) aus dem Besitz von Ad Valk in Gemeinschaft mit der Züchterfamilie Andeweg. Vorgestellt wurde der Hengst von Emmelie Scholtens. Als er hereintrabte, musste man zweimal hinschauen, ob da nicht doch Kötenbehang zu erkennen ist. Denn vom Bewegungsablauf her mit viel Aktion und Aufwand, die Vorderbeine locker aus der Schulter heraus, könnte man den ebenfalls lackschwarzen Desperado auch für einen schwungvollen Friesen halten. In für die holländischen Reiterinnen typischer Weise stellte auch Scholtens Desperado mit imposanter Bergauftendenz vor, Hals und Genick stets vor sich fixiert, ab und zu mit unruhigem Schweif. Mitunter wurde der Schwarze recht eng, und vor allem in den Trabverstärkungen hätte man sich mehr Rahmenerweiterung gewünscht. Das wirkte sich auch auf die Hinterhand aus, die zeitweise etwas verzögert abfußte. Trabnote: 8,8.
Hervorragend ist Desperados Schritt: fleißig, taktsicher mit viel Raumgriff, 9,3.
Im Galopp zeigte der Hengst sich mit klarer Bergauftendenz und gutem Durchsprung, 9,5. Beide fliegenden Wechsel gelangen sicher, das Rückwärtsrichten willig. Trotzdem gab es für die Durchlässigkeit nur eine 7,2, was im Vergleich zu manch anderem Paar etwas verwunderte. Zusammen mit dem Gesamteindruck von 9,0 ergab das eine Wertnote von 8,76.
Solide, geschlossen, schwungvoll, elegant so könnte man die Runde des Viertplatzierten zusammenfassen, des dänischen Warmblutwallachs Rossetti v. Romanov Blue Hors-Midt-West Ibi Light aus der Zucht von Elsebeth Andersen und im Besitz des Stutteri Lykke. Jan Moeller Christensen stellte Rossetti korrekt, akzentuiert und geschickt vor (etwa beim Halten vor dem Rückwärtsrichten, als der Wallach nicht stehen bleiben wollte und er ihn vorzeitig rückwärts richten ließ). Beide Fliegenden Wechsel im ansonsten etwas schaukelndem Galopp gelangen sicher und schon mit recht viel Ausdruck. So gab es im Bereich Durchlässigkeit eine 8,5.
Im Trab mit viel Engagement der Hinterhand in allen Tempi, aber trotzdem teilweise etwas eng werdend, vergaben die Richter eine 9,2. Die Schrittnote von 8,2 spricht für sich. Im Galopp gab es eine 8,7 sowie die 8,9 für den Gesamteindruck. Machte insgesamt eine 8,70.
Auf Rang fünf landete Emmelie Scholtens mit ihrem zweiten Pferd, dem Fuchshengst Dorado, auch er ein KWPN, aber nicht von Vivaldi, sondern von dessen Vater, Krack C, aus einer Mutter v. Rousseau abstammend. Bei ihm wurde deutlicher, was sich bei Scholtens anderen Pferden auch andeutet: Der Hengst trabt imposant mit großer Mechanik. Das Genick ist in der Regel auch der höchste Punkt. Aber man hat den Eindruck, dass der Energiefluss nicht von hinten nach vorne über den Rücken in die Hand geht. Es fehlt die Verbindung von hinten nach vorne, was besonders in den Verstärkungen deutlich wird, in denen keinerlei Rahmenerweiterung zu erkennen ist. Trotzdem gab es im Trab eine 9,5 und im Galopp eine 9,2. Der Schritt wurde mit 7,8 bewertet, die Durchlässigkeit mit 7,9 und der Gesamteindruck mit 9,0. Machte insgesamt eine 8,68.
Ein Muster an Gerittensein war das Pferd auf Rang sechs: der für Österreich mit Stephanie Dearing angetretene Hannoveraner Auheims Del Magico v. Dimaggio-Feinbrand (Z.: Stefan Hermann, B.: Pferde von Auheim, Familie Pengg). Der Schimmel hat zwar nicht die ganz großen Bewegungen, bewegte sich aber stets losgelassen, ausbalanciert, sicher in der Anlehnung und mit guter Stellung und Biegung im Schulterherein. Lediglich in den Traversalen verlor er etwas an Schwung. Der Schritt ist sicher im Takt, fleißig und mit genügend Vortritt. Der Galopp ist etwas schaukelnd, aber beide Wechsel gelangen sicher auf die Hilfe mit gutem Durchsprung. Eine sichere Runde, für die der Schimmel verdienterweise überschwängliches Lob von seiner Reiterin kassierte.
Als Siebte und damit bestes deutsches Paar reihten sich der Bundeschampion von 2013, der Oldenburger Fidertanz-De Niro-Sohn Flamboyant, unter seiner ständigen Reiterin Marita Pundsack ein. Die hatte den Rappen vor dem Einreiten noch einmal richtig flott gemacht. Leider verpuffte die Wirkung etwas, weil die Richter noch gar nicht geklingelt hatten als sie schon zum ersten Mal aufmarschierte. Schade eigentlich, denn die erste Grußaufstellung gelang besser als die zweite nach dem Startsignal. Der Wallach hat das, was man das ganz große Federn nennt im Trab. Vor allen Dingen in den Verstärkungen sucht das Paae seines Gleicheichen hinsichtlich der Schwungentfaltung. Die Trabnote von 9,5 spricht für sich.
Was sich negativ auf die Durchlässigkeitsnote ausgewirkt haben dürfte, die dann auch nur 6,9 war, waren weniger der geringfügige Schwungverlust in der Linkstraversale als vielmehr einMissgeschick im Galopp, als Flamboyant mit einem Hinterbein über die Vierecksbegrenzung trat. Zufall oder Balanceproblem?
Der Schritt ist sicher im Takt und mit genügendem Vortritt, 8,8. Der Galopp selbst ist bergauf und über viel Boden, vielleicht eine Idee langsam im Ablauf, 9,0. So lautete auch die Note für den Gesamteindruck. Unter dem Strich machte das eine 8,64.
Platz acht ging wieder nach Österreich, an Ulrike Prunthaller und den Quaterback-Rubinstern Noir-Sohn Quarz (Z.: Andreas Brune, B.: Edda und Wenzel Schmidt), der eine 8,54-Runde ging mit den Einzelnoten 8,2 für Trab und Schritt, 9,0 im Galopp, 8,5 für die Durchlässigkeit und 8,8 im Gesamteindruck.
Ein Sohn von Patrik Kittels Scandic landete auf Rang neun: der für Spanien angetretene Doctor de Encinasola (Mutter v. Monteverdi) unter Jose Antonio Garcia Mena. Optisch kann der Fuchs seinen Vater wirklich nicht leugnen. Er bewegte sich elastisch mit viel Energie, aber einem nicht immer flüssigem Bewegungsablauf. Gesamtnote: 8,46 (Trab: 8,3, Schritt: 7,8, Galopp: 8,9, Durchlässigkeit: 8,8, Gesamteindruck: 8,5).
Der Belgier Carl Cuypers stellte seinen eigenen schwedischen Warmblutwallach Bilan v. Bocelli-Donnerschlag aus der Zucht von Per Arne Persson vor und wurde Zehnter. Da hätte man sich sogar noch mehr vorstellen können. Den beiden gelang eine sehr sichere Runde, bei der besonders das gut herangeschlossene Hinterbein und die stete Anlehnung mit ausgezeichneter Stellung und Biegung in den Seitengängen gefielen. 8,3 im Trab, 7,5 im Schritt, 9,0 im Galopp, sowie jeweils 8,5 in Durchlässigkeit und Gesamteindruck ergaben eine 8,36.
Die letzten drei Paare, die sich auf direktem Wege für das Finale qualifizieren konnten, kommen aus Deutschland. Das ist zum einen Ingrid Klimke mit dem einstigen Bundeschampion der vierjährigen Hengste, dem hannoverschen Fidertanz-Alabaster-Sohn Franziskus aus der Zucht von Elisabeth Albers und im Besitz von Wilhelm Holkenbrink. Dabei könnte man sich vorstellen, dass Ingrid Klimke gar nichts dagegen gehabt hätte, noch eine weitere Prüfung zu reiten, ehe sie und der bildschöne Braune ins Finale gehen. Bei aller Qualität der Grundgangarten war der Hengst heute extrem abgelenkt und wieherte immer wieder nach den Kameraden. Mit ihrer ganzen Erfahrung und all ihrem Können gelang es Klimke, ihn in den wenigen Minuten vor dem Läuten der Glocke einigermaßen zu beruhigen. Einmal leichttraben durch die Diagonale, das verstand Franziskus offenbar: Entspann dich!
Das klappte auch ganz gut, zumindest während der Trabtour. Klar, da waren noch Unsauberkeiten in den Volten, die geschmeidiger sein müssten, in den Seitengängen links und in den Trabverstärkungen, in denen der Hengst hinten doch noch ziemlich breit wurde. Dann folgte ein perfektes Halten und Rückwärtsrichten Marke Klimke, für das es ein kurzes Klopfen gab. Die Schritttour war fleißig geregelt, mit guter Dehnung und Losgelassenheit. Aber ausgerechnet an der kurzen Seite am Ausgang wieherte draußen ein Pferd als Klimke gerade angaloppieren wollte. Vorbei war es mit Franziskus Konzentration. Die erste Hälfte der Galopptour litt unter Spannungen, der fliegende Wechsel gelang erst auf die zweite Hilfe und war dann hinten gleichzeitig gesprungen. Danach wurde es wieder besser, der zweite Fliegende war sicher. Im Mittelgalopp wurde Franziskus auf dem Mittelzirkel etwas eilig, an der langen Seite vor dem Durchparieren dann leicht schief. Die Richter mochten das Paar trotzdem und gaben eine 7,9 in der Durchlässigkeit. Die Trabnote lautete 8,9, die für den Galopp 8,4. Im Gesamteindruck fiel die 8,6 und unter dem Strich kamen die beiden mit 8,34 aus dem Viereck, Platz elf.
Platz zwölf teilten sich Jana Freund mit Cassiopaya und Charlotte Rummenigge auf Loveliness mit jeweils 8,32. Die rheinische Cassini Boy Junior-Lanciano-Tochter Cassiopaya aus der Zucht der ZG Büns und im Besitz des Ferienhof Stücker ging wie immer unter ihrer Ausbilderin Jana Freund, die die Stute auch schon zur Reitpferde-Bundeschampionesse gemacht hatte. Heute hatten allerdings auch diese beiden nicht ihren besten Tag. Die Stute hat alle Möglichkeiten, aber heute fehlte die Konstanz in der Anlehnung. Immer wieder tauchte sie ab und wurde eng. Das trübte besonders im Galopp das Gesamtbild, weil so die Bergauftendenz verloren ging. Im Trab gab es eine 8,8, im Schritt die 8,0, eine 8,5 im Galopp, 7,8 für die Durchlässigkeit und 8,5 für den Gesamteindruck.
Charlotte Rummenigges Loveliness macht ihrem Namen alle Ehre. Die Hannoveraner Rappstute v. Lord Loxley-Latimer aus der Zucht von Herbert Kruse und im Besitz Martina Rummenigges verfügt über drei solide Grundgangarten, wobei der recht flache Galopp die schwächste ist (7,8). Für Trab und Schritt gab es eine 8,8. Insgesamt war die Schwarze leicht und konstant im Kontakt, allerdings verwarf sie sich zeitweilig und ließ ein wenig an Stellung und Biegung in den Traversalen vermissen. Daraus resultierte wohl die Durchlässigkeitsnote von 7,7. Im Gesamteindruck erhielt sie eine 8,5.
Noch drei weitere Deutsche haben morgen die Chance, sich doch fürs Finale am Sonntag zu empfehlen. Das ist zum einen der zweifache Vize-Bundeschampion der vergangenen Jahre, der Oldenburger NRW-Landbeschäler Sir Heinrich v. Sir Donnerhall-Fürst Heinrich (Z.: ZG Wendeln) unter Anja Wilimzig. Sie Heinrich verfügt über ganz viel Elastizität und energischen Abdruck in den schwunghaften Bewegungen. Allerdings lässt er es etwas an Bergauftendenz vermissen. Man wünschte sich, dass die Hinterhand deutlicher Last aufnehmen würde. Da er einen fliegenden Wechsel auch noch in zwei Phasen sprang, musste er sich heute mit der Gesamtnote 8,08 und Platz 16 zufrieden geben.
Beatrice Buchwald, Bereiterin von Isabell Werth, stellte den westfälischen Diamond Hit- Florestan-Sohn Den Haag aus der Zucht von Dieter Kellermann und im Besitz von Dr. Manfred Hödl vor. Die Trabtour gelang dem schicken Braunen gut, wenngleich auch zeitweilig recht eng (8,8). Der Schritt ist geregelt mit ausreichendem Vortritt 7,5. Im Galopp reagierte Den Haag dann leider nicht auf die Wechselhilfe und fiel dann sogar in Trab. So gab es in der Durchlässigkeit eine 6,9, die die Gesamtnote auf 8,06 drückte.
Keinen guten Tag hatten Nicole Kirschnick und die Hannoveraner Don Frederico-Weltmeyer-Tochter Donna Rica erwischt. Dachte man zunächst noch, wie erfreulich offen und unter den Körper arbeitend die beiden unterwegs waren, wurde schnell deutlich, dass die Stute der weichen Hand beständig auswich und über den Zügel kam. Mitunter schüttelte sie sogar den Kopf und machte sich frei. So gab es nur eine 6,5 in der Durchlässigkeit und zusammen mit dem Abzug von 0,2 für Verreiten blieb unter dem Strich der vorletzte Platz mit 6,9.
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