Zum Abschied aus dem Sport von Showtime, mach’s gut „Showi“

Von
pvh-190824-kuer-6002

It's Showtime, ähh, Piaffe-Time! Dorothee Schneider, Kür EM Rotterdam 2019 (© Pauline von Hardenberg)

Dorothee Schneider hat den Abschied aus dem Sport von Showtime angekündigt. Damit endet eine Karriere eines besonderen Pferdes.

Es gibt Pferde, die einen festen Platz in den Sportgeschichtsbüchern haben, an die man sich aber dennoch nicht sofort erinnert, wenn sie erst einmal ihren Abschied aus dem Sport genommen haben. Showtime ist da anders. Er war ein grandioser Athlet und ein tragischer Held. Seine Durchlässigkeit war beispielhaft, seine Passage noch heute kaum von einem anderen Pferd im internationalen Sport erreicht. Und dann dieser Schritt! Souveränes Schreiten statt trippeln, taktmäßig, durch den Körper. Ein Highlight, zelebriert auch in der Kombination mit Piaffen in der Kür seines Lebens, der zu Queen-Melodien, eingeleitet durch die Stimme eines Conférenciers, „Ladies and Gentlemen, it’s showtime!“ Die Traversalen, die Schwungentfaltung – Showtime denken, heißt schwärmend schreiben.

„Showis“ Weg nach ganz oben

Showtime war schon früh ein Thema im St.GEORG. 2011 hat meine Kollegin Laura Becker, damals noch Volontärin, eine Reportage über Dorothee Schneider beim Bundeschampionat geschrieben. „Das fleißige Schneiderlein“ hieß die Titelgeschichte, der Laura die Auszeichnung als beste Nachwuchsjournalistin im Pferdesegment verdankt.

„Showi“ war in dem Jahr Finalist beim Bundeschampionat und der Weltmeisterschaft der Jungen Dressurpferde. Keiner, der Schlagzeilen macht. Die Stars von damals sind längst vergessen. Dass der Sandro Hit-Sohn aus der Zucht von Heinrich Wecke fünf Jahre später Olympiagold in Rio gewinnen würde, darauf hätte zu dem Zeitpunkt niemand getippt. Nur eine hat fest an ihn geglaubt, immer: Dorothee Schneider. Nie ließ sie etwas auf ihn kommen, immer hat sie mit verklärtem Gesicht von „Showi“ gesprochen, von dem besonderen Gefühl, dass eben nur er ihr vermitteln konnte (hier auch im Podcast 2021). Showtime FRH, der immer schüchtern war, sich immer „verstecken“ wollte, wie „Doro“ es gesagt hat. Und dem die Zeit gegeben wurde, innerlich zu wachsen, um dann zu strahlen wie kaum ein anderer.

Eher introvertiert zu sein, kann eine Tugend sein. Man macht sich damit aber vielleicht auch selbst Dinge schwerer, als sie eigentlich sind. Das weiß auch Dorothee Schneider und möglicherweise hat dieses Paar gerade auch wegen dieses gemeinsamen Charakterzugs so viel Strahlkraft entwickelt.

In seiner Glanzzeit guckten alle, die aufs Treppchen wollten in der internationalen Dressur genau hin, wenn Doro und Showtime im Viereck waren. Es ist schon beinahe tragisch zu nennen, dass niemals der ganz große Sieg, das Gold, das oft zum Greifen nah war, dabei herausgesprungen ist. Nicht in Aachen und nicht bei den Europameisterschaften in Rotterdam 2019. Im grandiosen rein deutschen Finale in den Niederlanden hätten alle Pferde das Einzelgold, das Bella Rose vor Showtime und Dalera schlussendlich gewann, verdient gehabt. Was waren das für Ritte!

Showtime nimmt mit fünf Medaillen Abschied aus dem Sport

In Zahlen ausgedrückt, lässt sich die Karriere des jetzt 17-Jährigen so ausdrücken: 36 mal ein Podiumsplatz in internationalen Prüfungen auf Grand Prix Niveau, davon 17 Siege. Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Rio und Tokio, Gold mit dem Team auch bei der Euro in Rotterdam 2019. Dazu dort Silber in Grand Prix Special und in der Kür – mit über 90 Prozent, Deutscher Meister 2022. 266.000 Euro hat der Braune aus dem Besitz der Schwestern Gabriele Kippert und Eva Maria Mann in seinem Leben verdient. Als Dorothee Schneider 2021 nach einem schweren Sturz gesundheitlich stark eingeschränkt wieder in den Sattel stieg, um eines der drei Olympiatickets zu ergattern, hat Showtime sie behutsam genau dorthin getragen. Nach einem guten Grand Prix in Tokio, Platz fünf, und einem noch besseren Special, Platz vier, 80,6 Prozent, lief es dann in der Kür nicht ganz so gut wie erhofft. Aber Showtime hatte an zwei deutschen Olympiagold-Medaillen einen entscheidenden Anteil.

Wo Licht ist, ist Schatten

Dass Showtime auch als tragischer Held in Erinnerung bleibt, ist seiner Konstitution geschuldet. Immer wieder kam es zu Verletzungspausen. „WD“, withdrawn, also zurückgezogen, auch diese Buchstaben gehören zu seiner Karriere. Nach jeder Pause kam er wieder und knüpfte leistungsmäßig dort an, wo er aufgehört hatte. Seine letzten Prüfung ging er in diesem Jahr in Wiesbaden. Wieder einmal war es ein Comeback. Er gewann Grand Prix und Special mit jeweils knapp 77 Prozent. Ein würdiger Abschluss einer großartigen Karriere, im Viereck Showtimes Abschied aus dem Sport. Wo und wann der 17-jährige Wallach seinen Abschied begehen wird, will seine Reiterin noch gesondert ankündigen.

Eines noch

Wenn man über Dorothee Schneider und Showtime schrieb, dann kam man häufig nicht umhin, zu schreiben, dass der Wallach nicht immer mit der Nase an der Senkrechten war. Man konnte als Journalist schon merken, dass Doro diese Zeilen nicht zu gerne las. Sie wusste um das Problem, das schon beim ersten Auftrensen auf der Stallgasse sich gezeigt hatte, wie sie erzählt. Einmal ein Gebiss im Maul nahm der Sandro Hit eben jene Haltung ein, die in der Berichterstattung Erwähnung finden musste. Dabei war es offenkundig, dass Dorothe Schneider alles tat, die Nase von Showtime eben genau diese zwei, drei Zentimeter – mehr waren es selten – weiter nach vorn zu bringen.

Und auch deshalb wird Showtime immer ein Pferd bleiben, dass nie aus meiner Erinnerung verschwindet: Weil er zwar mitunter hinter die Senkrechte kam, aber niemals gewaltsam dorthin gezogen wurde. Das Gegenteil war der Fall. Ein Ausbund an Lockerheit und Durchlässigkeit, ein Paradebeispiel eines gut gerittenen Pferdes und einer intensiven Partnerschaft. Genau das unterschied ihn immer von so vielen anderen Pferden im großen Sport.

Mach’s gut, „Showi“!

Quelle: Instagram

Auch interessant

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

stgeorg_newsletter_booklet
  1. Quarks

    Showi wird mir fehlen auf den großen Bühnen…Wie gerne habe ich diesem Paar beim Tanz zugeschaut. In absoluter Harmonie. Ich hatte immer das Gefühl: Hier haben sich zwei gefunden, die einfach zusammengehören. Von Showi ging immer ein ganz besonderer Zauber aus. Ich hätte ihm und Dorothee Schneider so sehr einen großen Einzeltitel gewünscht. Aber was viel mehr zählt als jeder Titel sind dies besonderen Momente, die sie immer wieder geschaffen haben.
    Mach’s gut Showi. Ich hoffe du hast eine wunderschöne Rente auf der Wiese in der Nähe „deiner“ Doro.


Schreibe einen neuen Kommentar