Gerechtigkeit in Zeiten der Corona-Krise

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Der eine ist Profi und darf Turniere reiten, der andere darf nicht mal seine Reitabteilung unterrichten. Erst allmählich taut das eingefrorene Leben wieder auf, manchmal schneller, manchen viel zu langsam. Corona kennt keine Gerechtigkeit. Das betrifft nicht nur die Menschen, die von dem Virus befallen werden, es trifft auch die, denen die Pandemie Beschränkungen ihres Alltags auferlegt bis hin zum möglichen wirtschaftlichen Ruin.

Wir Reiter und Pferdefreunde sind bisher glimpflich davon gekommen, durften zu unseren Pferden fahren, um sie – unter strengen Auflagen –artgerecht zu versorgen, wozu auch das Reiten gehört. Da ging es uns besser als vielen anderen Sportlern, die überhaupt nicht mehr zu ihren Sportstätten kamen.

Bayern in Not

Am schlechtesten dran sind, wie ich schon in der vergangenen Woche berichtet habe, die Betriebe, die von Reitunterricht auf Schulpferden leben, denen das Einkommen vom einen auf den anderen Tag weggebrochen ist. Das wird sich in Bayern erst in der nächsten Woche ändern. Gestern erreichte mich ein verzweifelter Anruf des bayerischen Breitensportfunktionärs Dieter Rügemer, der von in Not geratenen Schulbetrieben berichtete, in denen über den Verkauf von Pferden nachgedacht wird, notfalls an den Schlachter.

Bayern ist mit 43.407 Infizierten, darunter fast 2000 Tote (Stand 5. Mai), das am stärksten betroffene Bundesland, stellt rund ein Viertel aller Infizierten in Deutschland, aber die Zahlen der Neuinfizierten sinken. Das Schlimmste scheint also auch hier überstanden.

Wie Ministerpräsident Markus Söder Dienstagmorgen in seiner Pressekonferenz verkündete, darf auch in Bayern ab nächster Woche endlich wieder regulärer Reitunterricht stattfinden, auch in der Halle. Ein Lichtblick also, der vielleicht manchem Schulpferd das Leben rettet.

Turnierplanungen im Norden

Am nördlichen Ende der Republik, in Schleswig-Holstein, wo zu Beginn der Pandemie sogar die Besitzer von Feriendomizilen aus ihren Wohnungen gejagt wurden (die Zweitwohnungssteuer durften sie weiter bezahlen), ist inzwischen Lockerung angesagt, einzelne Veranstalter planen schon wieder ein Turnier, wie der Reitverein Breitenburg vom 26. bis 28. Juni, dessen prominentestes Mitglied der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ist, Breido Graf zu Rantzau. Auf dessen Anlage wird das Traditionsturnier ausgetragen. Ein kleines Turnier mit Springpferde- und Amateurprüfungen, mit genauen Abstandsregeln und Einschränkungen.

Die 1000-Menschen-Regel muss eingehalten werden, auch bei Springreiter Jörg Naeve, der in Ehlersdorf vom 16. bis 19. Juli ein Turnier ausrichtet – nur national, denn wann und ob Reiter aus anderen Nationen zu deutschen Turnieren reisen können, steht noch in den Sternen. Auch hier werden Abstandsregeln in allen Bereichen geplant. Die Zuschauer sitzen nicht auf Bänken, sondern auf Gartenstühlen, gemütliche Runden im VIP-Bereich fallen weg. Wie die FN arbeitet auch der Landesverband Schleswig-Holstein an Konzepten, wie Turniere zu Corona-Zeiten möglich sind.

Pilotprojekt in Luhmühlen

Herbe Kritik fing sich der „Montagsclub“ unter Federführung von Karl Heinz Klasen ein, der in Luhmühlen am vergangenen Wochenende das erste Turnier unter Corona-Bedingungen veranstaltete (SG online berichtete). Es wurde genehmigt vom Landkreis Lüneburg nach Absprache mit dem niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, mit dem Reiterverband Hannover und der FN. Strenge Regeln waren einzuhalten, Masken für jeden, der nicht auf dem Pferd saß, nur fünf Reiter jeweils auf einem Abreiteplatz, wobei sich LKW, Pferde und Menschen auf der sieben Hektar großen Fläche verteilten. Polizei und Ordnungsamt kontrollierten täglich und waren offenbar so zufrieden, dass übermorgen die nächste Auflage startet. „Es hat ein gutes Hygienekonzept vorgelegen, und war ja kein Turnier im strengen Sinne“, sagt Katrin Holzmann, Pressesprecherin des Landkreises Lüneburg. Es habe sich um Berufsausübung von Profis gehandelt, und da habe es eine Tür gegeben. Man kann auch sagen ein Hintertürchen, das ausgenutzt wurde.

Eine Frage der Vernunft!

Profis sind nicht immuner gegen Corona als Amateure, an denen die Wirtschaft weit mehr verdient als an den Professionals. Es gibt nicht den geringsten Grund, Nicht-Profis zu benachteiligen. Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Vernunft, in jedem einzelnen Fall. Es ist nicht vernünftig, dem dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern mit nur wenigen Erkranken dieselben Restriktionen aufzubürden wie den Corona-heimgesuchten Bundesländern Bayern oder Nordrhein-Westfalen.

Es ist nicht vernünftig, Fußballmannschaften aufeinander loszulassen, aber einsamen Golfern oder Seglern ihren Sport zu verbieten, wie es bis vor kurzem geschah. Allein ausschlaggebend ist die Ansteckungsgefahr, sind die Gesetze der Pandemie.

Den Profis sei ihr Pseudo-Turnier gegönnt, aber auch alle anderen melden zu Recht Ansprüche auf ihren Turniersport an. Da darf es keinen Unterschied geben zwischen hochbezahlten Fußballstars, Pferdehändlern und der jugendlichen Starterin in einer Reiterprüfung, den macht das Virus auch nicht.

Verbote müssen zwingend notwendig und gut begründet sein. Alles andere ist ungerecht und der Widerwillen der bisher so braven Deutschen gegen Willkür von oben könnte sich so schnell verbreiten wie das Coronavirus.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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