In China gilt Ludger Beerbaum als „Vater des deutschen Pferdesports“. Und Deutschland gilt weltweit noch immer als die Pferdesportnation Nummer eins, auch im fernen Osten. Kein Wunder also, dass Beerbaum als Botschafter des Reitsports in China unterwegs ist. Ein Interview.
Frage: Der Pferdesport ist in den letzten Jahren globaler geworden. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ludger Beerbaum: Unser Sport hat hier ohne Zweifel einen sehr großen Schritt in recht kurzer Zeit gemacht. Für uns Reiter war das wie ein großer Berg, der auf einmal vor uns lag: Weite Reisen, natürlich auch für die Pferde, große logistische Herausforderungen und wir mussten plötzlich viel mehr managen. Wenn ich jetzt zurückschaue auf die letzten Jahre, dann ist es vor allem eine Chance. Wir sind weder Fußball noch die Formel 1, daher können wir doch froh sein, dass wir die Möglichkeit haben, unseren Pferdesport international zu präsentieren. Viele Sportarten beneiden uns darum, dass wir global an den Wachstumsmärkten teilhaben können. Und für uns persönlich ist es eine große Erweiterung des Horizonts, eine tolle Erfahrung.
Frage: Das gilt nicht nur für die Sportler…
Beerbaum: Ganz genau. Wir Sportler verstehen uns als Botschafter des gesamten Pferdesports. Im Übrigen nicht nur Deutschlands, sondern sicherlich auch für andere Nationen. Aber unser Know-how ist in vielen Bereichen gefragt. Trainer, Richter, Schmiede, Tierärzte werden genauso benötigt wie Züchter, Veranstalter und Ausrüster. Dieser Transfer ist eine tolle Chance für den Sport – und natürlich mitunter auch lukrativ, ganz klar.
Frage: Wie erleben Sie die Entwicklung des „Longines Equestrian Masters“, das am Wochenende hier im Nationalstadion „Bird’s Nest“ in Peking ausgetragen wird, und dessen Mitveranstalter Sie sind?
Beerbaum: Seit der Premiere im Jahr 2011 ist bereits sehr viel passiert. Die gesamte Organisation ist professioneller geworden, das Turnier ist inzwischen recht bekannt und wird somit immer interessanter – für Zuschauer, Medien und Sponsoren.
Frage: Wo steht der Pferdesport in China?
Beerbaum: Auch hier ist in kurzer Zeit sehr viel passiert. Es entsteht langsam ein Unterbau mit vielen nationalen Turnieren, viele davon werden mit der Unterstützung europäischer Agenturen organisiert. Das Bewusstsein für den Sport ist sehr gewachsen, der Pferdesport wird immer bekannter. Inzwischen reisen auch viele Chinesen nach Europa, um dort zu lernen oder einfach dem Sport zuzuschauen.
Frage: Was sind die dringendsten Probleme?
Beerbaum: Wir werden sicherlich in absehbarer Zeit das Quarantäne-Problem gelöst haben. Derzeit dürfen Pferde aus Europa nur nach China ein-, nicht aber wieder ausreisen. Daher starten meine Kollegen und ich hier auf Leih-Pferden. Wenn das Problem gelöst ist, wird das den Austausch und natürlich insbesondere die Entwicklung des Spitzensports noch einmal beschleunigen.
Frage: Welches Potenzial liegt hier in China noch verborgen?
Beerbaum: Ein gewaltiges. Wie schnell sich der Sport hier aber entwickelt, lässt sich kaum prognostizieren. Ein Transfer von Wissen und Erfahrung dauert eben seine Zeit. Aber hier ist eine unglaubliche Energie hinter dieser Entwicklung, sodass ich mir sicher bin, dass sich der chinesische Pferdesport in Richtung des europäischen entwickeln wird. Und bei kommenden Championaten werden wir auch chinesische Reiter erleben, da bin ich mir ziemlich sicher – und diese Stars braucht der Sport, um sich in der Breite zu entwickeln.
Frage: Wie ist es für Sie als Pferdesport-Pionier, den Medien hier in China Ihren Sport zu erklären?
Beerbaum: (lacht) Mitunter sehr skurril. Mir sind Fragen gestellt, worden, die sind mir in meinem ganzen Leben noch nicht gestellt worden. Was mein „Fashion-Style“ ist, wollten sie wissen, was ich für Klamotten trage. Aber in diesem Jahr organisieren wir ja bereits das dritte Longine Beijing Equestrian Masters, und auch im Bereich der Medien ist eine Entwicklung feststellbar. Insbesondere die Vergleiche zu den europäischen Turnieren interessieren die Medien jetzt.
Frage: Wie ist es für Sie und die anderen Reiter hier in Peking? Haben Sie die Chance, auch kulturell etwas mitzunehmen?
Beerbaum: Auf jeden Fall. Verbotene Stadt, Große Mauer und Sommerpalast – diese kulturellen Stätten haben wir alle besucht. Es ist ja doch etwas anderes, als in Paris oder London im europäischen Kulturkreis unterwegs zu sein. In dieser Hinsicht ist es natürlich von Vorteil, dass wir hier in Peking noch nicht mit unseren eigenen Pferden starten können, um die wir uns kümmern müssen. So haben wir viel mehr Zeit.
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