Es ist vielleicht eine der schönsten Geschichten rund um die Weltmeisterschaften Voltigieren für U18- und U21-Athleten. Die ukrainischen Voltigiererinnen Polina Shovkova und Kateryna Panasenko feiern im schwedischen Flyinge ihren bisher größten internationalen Auftritt. Ein Erfolg, der einige Premieren mit sich zog und nur durch das Verlassen der Heimat möglich wurde.
Um dem Krieg zu entkommen, verließen Polina und Kateryna zusammen mit ihrem Voltigierteam im März 2022 ihre ukrainische Heimatstadt Poltova. Mehrere Monate lang lebten sie zu fünft in Bernolákovo, einem Vorort von Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei. Ein örtlicher Voltigierverein nahm sie bei sich auf, finanziell unterstützt wurden sie dabei von Solidaritätsfonds der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI).
Bereits im Mai nahm das Team bei einem Ein-Sterne-Wettbewerb in Kaposvár, Ungarn, teil. Damit waren sie die erste Mannschaft überhaupt, die die Ukraine im internationalen Voltigiersport vertrat. Polina und Katya gelang es im Juni dieses Jahres beim CVIJ1* in Samorin in der Slowakei sogar auf dem Podium zu landen.
Eine weitere Premiere, denn das war das erste Mal, dass die ukrainische Nationalhymne bei einer internationalen Voltigier-Preisverleihung gespielt wurde. Dieser Erfolg galt ein erster wichtiger Meilenstein auf ihrem Weg zu den Weltmeisterschaften in Flyinge. Das Training hierfür erwies sich für die Voltigiererinnen als besonders hart und schwierig. Zurück im heimischen Poltova, im Osten der Ukraine, übten sie vieles auf dem Pferd, denn eine Turnhalle hatten sie dort nicht. Ihr Ausbilder, der ehemalige französische Weltmeister Anthony Bro-Petit, sagt, dass sie sich im Wesentlichen selbst trainiert hätten. Die Internetverbindung sei so unregelmäßig gewesen, dass Online-Trainingseinheiten nicht möglich waren. Intensives Training unter Aufsicht von Anthony Bro-Petit fand in Bratislava und Mailand statt. „Mit 15 Jahren mussten Polina und Kateryna eine enorme Belastbarkeit und mentale Stärke zeigen, um alles was in der Ukraine passiert, zu verdrängen und sich auf das Training zu konzentrieren, das alles andere als beständig war“, so der Trainer. Schon vor der Nachwuchs-WM stellten die beiden Athletinnen ihr Können bis auf Zwei-Sterne-Niveau international unter Beweis.
Leidenschaft und neue Aufgaben
Während die beiden ihre Vorbilder diese Woche bei den Weltmeisterschaften live erleben können, erhalten sie einen ersten Vorgeschmack darauf, wie ihre Zukunft im internationalen Voltigiersport aussehen kann. Die Mädchen berichten: “Wir wurden erst ruhig, als wir mit dem Training begannen. Das half uns dabei, uns zu konzentrieren.“
Polinas Mutter Ekaterina Shabelnikova begleitet die beiden auf ihrer Reise. Sie erzählt, dass das Selbstvertrauen von allen durch den Krieg erschüttert worden wäre. Jeder von ihnen wäre zu Beginn verängstigt und gestresst gewesen. Das Training für die Weltmeisterschaften war für die Mädchen besonders wichtig. Es war ein Ziel, auf das sie hinarbeiten konnten. Ekaterina Shabelnikova ergänzt: „Ich kann den Krieg nicht kontrollieren, aber ich kann jetzt etwas tun, um Polina und Katya zu helfen, in diesem Sport weiterzukommen.“ Bei der Voltigier-Weltmeisterschaft der Junioren im schwedischen Flyinge belegten die Nachwuchsathletinnen in der ersten Prüfung nun die Plätze 23 und 53.
Ingmar De Vos, FEI-Präsident und Vorsitzender des FEI-Solidaritätskomitees, schätzt das Engagement und die Ausdauer von Polina und Katya bei der Voltigier-Weltmeisterschaft. „Sie haben ihr Land stolz gemacht und es ist uns eine Ehre, sie auf dieser Reise zu begleiten und ihnen die notwendige Unterstützung zu geben, damit sie ihre Träume verwirklichen können.“
Annemieke Schuldt
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