Vier Jahre nach ihrem ersten Start bei Deutschen Meisterschaften ist Para-Dressurreiterin Melanie Wienand (Grade III) zum ersten Mal bei FEI Europameisterschaften Dressur und Para-Dressur dabei – und gewann gleich die Bronzemedaille. Diesen Erfolg errang sie mit ihrem Pferd Lemony’s Loverboy, einem Pferd, mit dem sie eine ganz besondere Geschichte verbindet.
Dazu muss man zunächst etwas in die Vergangenheit schauen: Vor ihrem Reitunfall bei einer Auktion im Jahr 2011 war Melanie Wienand als Auktionsreiterin viel beschäftigt und durfte dort in den Sattel eines ganz besonderen Pferdes steigen: Lemony’s Nicket, der Vater von Wienands EM-Pferd Lemony’s Loverboy. Lemony’s Nicket avancierte auf der späteren Auktion zur Preisspitze mit einem Zuschlagspreis von 900.000 Euro. Wenige Wochen später scheute ein Auktionspferd von Melanie Wienand, sie stürzte schwer. Nach diesem Unfall lag die Reiterin vier Wochen im Koma. Danach musste sie jede Bewegung im Alltag neu erlernen. Das hielt sie aber nicht davon ab, wieder aufs Pferd zu steigen. Noch während ihrer neun Monate andauernden Reha fand sie wieder den Weg zurück in den Sattel und der Wunsch nach einem eigenen Pferd wuchs. Sie wusste: „Wenn, dann soll es ein Nachkomme von Lemony’s Nicket sein.“
Große Gelassenheit und Übersicht
Ihr Geburtstag vor zehn Jahren wurde dann zu einem Glückstag. Sie besuchte an diesem Tag ein Hengstfohlen v. Lemony’s Nicket, auf das sie in einem sozialen Netzwerk aufmerksam geworden war. „Zu dem Zeitpunkt hatte Loverboy den Kiefer gebrochen nach einem Tritt durch seine Mutter, was auch operiert werden musste.“ Trotzdem war es Liebe auf den ersten Blick und heute ist sich Melanie Wienand sicher, dass Lemony’s Loverboy sich durch die Behandlung seines Kieferbruchs so nachhaltig dem Menschen zugewandt hat. „Er ist einfach menschenverliebt“, sagt die 43-Jährige über ihren „Flauschi“, wie Lemony’s Loverboy liebevoll genannt wird. Und er achtet auf seine Menschen: „Er würde dich niemals umrempeln.“ Zudem bringe Lemony’s Loverboy von Hause aus eine große Gelassenheit und Übersicht mit, erzählt Melanie Wienand. Zwei Attribute, die für die leidenschaftliche Reiterin essenziell waren, um den Weg in den Para-Sport zu finden. „Er möchte mir immer gefallen. Ich habe schon viele Pferde geritten, aber sowas habe ich noch nie erlebt“, so Wienand. So konnte sie den dann bereits angerittenen Lemony’s Loverboy nach der Kastration und einer Weide-Auszeit vom Fleck weg alleine bedienen – trotz ihrer körperlichen Einschränkungen. „Vierjährig habe ich ihn schon alleine verladen, konnte mit ihm ganz alleine zum Training woanders hinfahren.“ Auch die reiterliche Ausbildung von dem Hannoveraner übernahm Wienand ab da allein.
Introvertiert, aber jederzeit bereit, alles für seine Reiterin zu geben
Um die ausgeglichene Art von Lemony’s Loverboy beizubehalten, legte Wienand von Anfang an großen Wert auf eine artgerechte Haltung mit viel Zeit auf der Weide. Heute weiß sie, dass ihr Wallach ein sehr introvertierter Typ ist. Wenn er Stress hat, macht er das mit sich selbst aus und gibt er für seine Reiterin alles. Wenn dann ein anstrengender Turniertag hinter ihm liegt, braucht er aber auch mal seine Ruhe. „Dafür sind die Bedingungen hier in Riesenbeck ideal. Wenn mal Ruhe im Stall ist – hier gibt es zum Glück eine dezidierte Stallruhe – dann legt er sich sofort hin und kann dann richtig abschalten.“ Es gibt also auch die sensible Seite an dem heute zehnjährigen Wallach. Weder mit physischem, noch mit psychischem Druck kann Melanie Wienand bei ihrem Pferd die gewünschte Reaktion hervorrufen. „Manchmal vertraue ich ihm noch zu wenig, möchte selber zu viel kontrollieren. Da innerlich noch mehr loszulassen und meinen Muskeltonus niedrig zu halten, ist meine große Aufgabe, da sonst auch er etwas die Luft anhält und dann die Bewegungen weniger fließend sind.“ Wenn das gelingt, wird es vielleicht nicht bei einer Medaille für Melanie Wienand und Lemony’s Loverboy bleiben bei den FEI Europameisterschaften Dressur und Para-Dressur in Riesenbeck.
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