FEI-Strategie pro Pferdesport nimmt Formen an – Tierwohl-Diskussion über Nasenriemen und mehr

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Reithalfter und Gebisse waren Teil der Diskussionen auf der FEI Vollversammlung 2024 in Abu Dhabi. (© www.toffi-images.de)

Wie sieht die FEI-Strategie für die Zukunft des Pferdesports, gerade auch in Hinblick aufs Tierwohl aus? Die FEI, der Weltreiterverband, hat bei der Vollversammlung darüber diskutiert. Einige Änderungen davon wurden von Reitervertretern kritisch gesehen. Vor allem, was den Nasenriemen anbelangt. Und: Missbrauch von Pferden kann anonym gemeldet werden.

Eine Welfare Strategy, also eine FEI-Strategie, die das Tierwohl verstärkt in den Mittelpunkt stellt, soll dem Pferdesport die Zukunft sichern. Wie das aussehen soll, haben Vertreter der nationalen Verbände auf der Generalversammlung der FEI in Abu Dhabi in mehreren programmatischen Redebeiträgen vorgestellt bekommen.

Das Thema „Animal Welfare“, Tierwohl, sei immer schon ein Thema auf Vollversammlungen gewesen, hieß es. Aber nie wurde dieser wichtige Bereich derart intensiv vorgestellt und diskutiert. Um die Zukunft des Pferdesports zu sichern, muss sich die Geisteshaltung ändern, forderte der Schwede Göran Akerström. „Wir sind die Wächter über unsere Pferde“, betonte der Veterinär Direktor der FEI. Damit bezog er sich auf die Kampagne „Be a Guardian“, die die FEI am 19. Juli 2024 veröffentlicht hatte. Neben hübschen Zeitlupenbildern in Videoclips auf Social Media stehen grundlegende strukturelle Maßnahmen hinter dem Programm.

FEI-Strategie für Tierwohl im Pferdesport: Umdenken erforderlich

Die Vorhaben sind komplex. Die Zeit drängt, vor allem in der Dressur. Denn gerade diese Disziplin steht nach den Skandalen des vergangenen Jahres – Helgstrand, Para, blaue Zungen, Dujardin – unter besonderer Betrachtung. Auch wenn die Öffentlichkeit gerade ihr Interesse auf das Geschehen im Dressurviereck (und dem Abreiteplatz) konzentriert, heißt das nicht, dass andere Disziplinen sich zurücklehnen können. Die Zukunft des Pferdesports treibt die Führungsetage der FEI um.

Deswegen hat der Verband einen „Welfare Hub“ als Teil der FEI-Strategie eingerichtet, also einen Knotenpunkt, an dem das Tierwohl im Pferdesport im Zentrum steht. Somesh Dutt, der bei der FEI das Amt des „Managers Events Classification & Sustainability“ bekleidet, stellte diesen „Hub“ vor. Das Ziel ist es, effizienter mit Forschung und anderen Informationsquellen zu arbeiten. Wo vorhanden, sollten Synergieeffekte genutzt werden. Forschungsergebnisse rund um das Tierwohl im Pferdesport zu veröffentlichen, soll helfen, dessen Zukunft zu sichern. „Wir haben schon jetzt 19 coole Wissenschaftler und Forscher, die ihre Arbeiten zur Verfügung gestellt haben.“ Die Rede ist von Studien, wissenschaftlichen „Papers“ oder Abstracts wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Während es sich hierbei um abgeschlossene Forschungsprojekte handelt, kommt auch der aktuelle Stand der Forschung nicht zu kurz: Unter „Ongoing Research“ wird über aktuell laufende Forschungsvorhaben berichtet, so der Plan.

Zusätzlich eine Million Schweizer Franken für die Zukunft des Pferdesports

Wie wichtig dem Weltreiterverband die Maßnahmen sind, lässt sich an den finanziellen Aufwendungen ablesen: Eine Million Schweizer Franken sind im FEI-Budget für diesen Bereich zusätzlich eingestellt worden. Das Ziel bringt Göran Akerström als „oberster FEI-Tierarzt“ so auf den Punkt: Man möchte „science informed decision making“, also Beschlussfassung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert. Derzeit würden die meisten Entscheidungen, die sich letztendlich dann im Reglement niederschlagen, auf evidenzbasiertem Wissen fußen. Sprich: Die Gefahr besteht, dass die Direktive, „das haben wir doch immer so gemacht“, bzw. „das macht man halt so“, zur Handlungsmaxime wird.

Missbrauch melden, auch anonym

In der Wirtschaft ist es gängige Praxis, dass Unternehmen eine Whistleblower-Funktion auf ihren Webseiten haben. Diese bietet die Möglichkeit, etwaige Verstöße aufzuzeigen. Mit dem „FEI-Reporting Hub“ gibt es nun so etwas auch für den Reitsport, eine weitere Maßnahme, die Zukunft des Pferdesports zu gestalten. Unter der E-Mail-Adresse [email protected] gibt es ein Formular, in dem mutmaßliche Verstöße gegen das Tierwohl eingetragen werden können. Es besteht die Möglichkeit, diese Eintragung komplett anonym vorzunehmen. Allerdings, so Göran Akerström, wäre es hilfreich bei Nachfragen einen Kontakt zu haben. Dass dieser streng vertraulich behandelt wird, sei selbstverständlich.

Regeln immer wieder überprüfen und zeitnah reagieren

Auf einer Generalversammlung wird über Regeländerungen nicht nur gesprochen, sondern auch abgestimmt. 2025 steht beispielsweise die Überarbeitung des Spring-Reglements auf der Agenda. In diesem Zusammenhang wurde auf die FEI Tack App hingewiesen, in der Gebisse und Ausrüstungsgegenstände aufgelistet werden. Der Umgang mit dieser Datensammlung war nach deren Einführung nicht immer einfach. Manchmal wurde ein Gebiss, das am ersten Wochenende eines Monats noch erlaubt war auf dem Turnier am zweiten Monatswochenende als nicht erlaubt klassifiziert.

Die Reiter als verantwortliche Personen hätten zwar die Pflicht, sich kundig zu machen, wie die Gebisse, die sie einsetzen dort aufgeführt sind, aber in der Praxis sei dies schwer zu realisieren. Zukünftig soll die App am ersten Montag eines Monats aktualisiert werden. Nach diesem Update zum festen Termin können sich alle relevanten Personenkreise rechtzeitig informieren. In den einzelnen Disziplinen gibt es Arbeitsgruppen, die sich mit Ausrüstungsgegenständen beschäftigen.

Mentale Verfassung des Pferdes berücksichtigen

FEI Veterinär-Direktor Göran Akerström brachte einen weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Der mentalen Verfassung des Pferdes sei bei der bisherigen Einschätzung der Turniertauglichkeit, „Fitness to compete“, zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Dies betonte auch Roly Owers von der Tierschutzorganisation World Horse Welfare, der an der FEI-Strategie für den Pferdesport mitgearbeitet hat. Auch bei der Formulierung des „FEI Code of Conduct for the Welfare of the Horse“ haben Vertreter der Organisation mitgearbeitet. Im „Equine Welfare Strategy Action Plan“ sind 37 Maßnahmen (hier findet sich die Präsentation im englischen Original) aufgeführt, die eine Expertenkommission erarbeitet hat. Zu einer der prominentesten Ideen zählt die offizielle Registrierung als Trainer. Bis Ende des kommenden Jahres soll hier in Absprache mit den nationalen Verbänden Klarheit geschaffen werden, wie eine solche Registrierung aussehen könnte. Und damit, wer als Trainerin oder Trainer auf internationalen Turnieren agieren kann.

Künftig Sporen nicht mehr verpflichtend

Zu den bereits abgeschlossenen Maßnahmen zählt die Abschaffung der Sporenpflicht in allen Disziplinen. Bislang hatte es im Dressurreglement einen Paragrafen gegeben, laut dem die Reiterinnen und Reiter verpflichtet waren, Sporen zu tragen. Und seien sie noch so kurz. Außerdem kann der oder die Vorsitzende der Richtergruppe (Ground Jury) nun jederzeit während eines Ritts zur Glocke greifen und abläuten, sollte das Paar den Eindruck vermitteln, der gestellten Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Diese Regel war schon bei einer Teilnehmerin aus Thailand im Springen bei den Olympischen Spielen in Paris 2024 zum Einsatz gekommen.

Außerdem wurden die nationalen Verbände aufgefordert, ihr Reglement in Bezug auf das Tierwohl zu „harmonisieren“. Somit würden alle Verbände in Bezug auf den Missbrauch von Pferden mit einer Stimme sprechen. Der Wille, die FEI-Strategie für mehr Tierwohl im Pferdesport international zu verbreiten, war immer wieder spürbar in den Gesprächen.

Dressurreiter wollen Nasenriemen seitlich messen

Auf wenig Gegenliebe bei den Reiterinnen und Reitern scheint das neu entwickelte Kontrollinstrument für die Überprüfung der Nasenriemen zu stoßen. In Namen des internationalen Dressurreiterclubs (IDRC) fragte dessen Generalsekretär Klaus Roeser, warum die Messung auf dem Nasenriemen stattfinden müsse. Der Vorschlag des IDRC sei es, den von der FEI entwickelten Gummikeil seitlich zwischen Nasenriemen und Pferdekopf einzusetzen. Hintergrund: Die Reiterinnen und Reiter sorgten sich, dass die Pferde in der Atmosphäre rund um die Prüfung zu aufgeregt sein könnten. Das berge auch ein Risiko für die Stewards, die das 1,7 Zentimeter dicke Prüfinstrument auf dem Nasenrücken unter dem Reithalfter hindurchschieben müssen. Der Gummikeil ist 3 Zentimeter breit und 11,5 Zentimeter lang. Außerdem brachte Roeser an, man solle über das Richtsystem sprechen, nicht nur auf internationaler Ebene. „Auch national gibt es da Probleme“, so der Vorsitzende des DOKR-Dressurausschusses.

Nasenriemenkontrolle ab 1. Mai 2025

Die FEI sagt, dass es bei Tests zur Nasenriemenkontrolle mit 600 Pferden zu keinen Problemen gekommen sei. Veterinär Akerström verwies auf eine Studie von Biomechanik-Experten, die noch nicht veröffentlicht sei, aber aus der klar hervorginge, dass der weniger sensible Nasenrücken ein „guter Bereich für die Messung ist“.

Ab dem 1. Mai 2025 soll das Gerät zum Einsatz kommen, dann sei es auch sicher verfügbar. Damit hätten alle Beteiligten, Aktive wie Offizielle und Verbände, die Möglichkeit, das Prüfgerät zu erwerben und einzusetzen. Es soll von oben nach unten durch das Reithalfter geschoben werden.

Springreiter ebenso skeptisch gegenüber Nasenriemen-Kontrolle

Auch der internationale Springreiterverband (IJRC) hat Bedenken. Zwar konnte dessen Präsident, der Franzose François Mathy jr. bestätigen, dass bei den Tests keinerlei Probleme aufgetreten sein, aber es sei eben auch in Ruhe vorgegangen worden. „Nicht mit der Wettkampfsituation zu vergleichen“, so der Springreiter. Schließlich herrsche dort ein ganz anderes Stresslevel.

Warum die Reitervertreter so deutlich skeptische Töne anschlugen, erklärt sich aus dem Reglement: Wenn beim Abreiten überprüft wird, und der Nasenriemen zu fest verschnallt ist, kann er regelkonform weitergeschnallt werden. Fällt aber dem Richterkollegium während der Prüfung das Reithalfter negativ auf, wird nach Abschluss des Ritts kontrolliert. Sollte sich dabei herausstellen, dass der Nasenriemen zu eng war, droht dem Reiter nicht nur das Ausscheiden, sondern auch eine Verwarnung in Form einer Gelben Karte.

Jessica Kürten zu Nasenriemen-Diskussion: „Unglaublich, dass wir so weit gekommen sind“

Als Aktivenvertreterin ist die Irin Jessica Kürten teil des FEI-Vorstands. Mit einem Appell an die Anwesenden machte sie die Situation des Reitsports deutlich. Eine FEI-Strategie pro Tierwohl im Pferdesport sei angesagt. Und mehr Bildung. „Die Werte haben sich verwässert“, sagte die Irin. „Vielleicht haben wir im Sport ein bisschen vergessen, wo wir sind. Die Pferde gehen zu früh in zu schweren Prüfungen. Wenn sie von der Rittigkeit noch nicht so weit sind, wird beispielsweise der Nasenriemen enger geschnallt. Wir müssen uns fragen: Werden die Pferde jenseits ihrer Möglichkeiten auf Turnieren eingesetzt?“ Auch junge Reiter, die zu schnell durch die Klassen in Springen mit höchsten Anforderungen gelangten, seien problematisch. Der Sport stünde unter öffentlicher Beobachtung, ein Umdenken sei nun angezeigt. In Bezug der von den Club-Vertretern Roeser und Mathy jr. geäußerten Bedenken zum Nasenriemen-Check wurde Jessica Kürten deutlich: „Unglaublich, dass wir so weit sind“, sagte sie.

Der Reitsport verstößt schon jetzt gegen einige Gesetze

Wer die Dringlichkeit einer FEI-Strategie pro Pferdesport und Tierwohl immer noch nicht verstanden hat, bekam vom Schweden Göran Akerström noch eine Information, die aufhorchen ließ. In seinem Land, Schweden, so der Veterinär Direktor, würden gewisse FEI-Regeln für internationale Turniere gegen geltendes Recht verstoßen. Als Beispiel nannte er den Einsatz von Antibiotika. Und Schweden, eines der großen Pferdeländer Europas, sei nicht der einzige Staat, der bei internationalen Turnieren genau hinschaue. „Auch in Frankreich und Dänemark wird diskutiert“, warnte Akerström.

Die „Blutregel“ – Teil der FEI-Strategie für Tierwohl im Pferdesport

Der Ekel war Michael Rentsch, dem Vorsitzenden der FEI-Rechtsabteilung, deutlich anzusehen, als es um die sogenannte „Blutregel“ ging. Das Thema aufgebracht hatte Elisabeth, Sissy, Max-Theurer, Vorsitzende des Österreichischen Verbandes und Mitglied im Vorstand der Europäischen Pferdesportvereinigung (EEF). Warum, wollte die Olympiasiegerin in der Dressur von 1980 wissen, würde in Sachen Blut mit dreierlei Maß gemessen? Während in der Dressur jedwedes Blut am Pferdekörper zum Ausschluss führen würde, gäbe es für die Disziplinen Springen und Vielseitigkeit andere Regeln. Der Schwede Rentsch machte klar, dass auch er sich eine Vereinheitlichung im Regelwerk wünsche. „Wir brauchen Konsistenz“, so die Forderung des Direktors für rechtliche Belange bei der FEI. Veterinär Direktor Akerström ergänzte, dass im Rahmen der Regeländerungen angestrebt wird, dass zukünftig jeder Körperteil eines Pferdes und nicht nur gewisse Bereiche auf Turnieren untersucht werden können.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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