Heidemarie Dresing schrammt knapp an Medaille zum Auftakt der Paralympics vorbei

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Heidemarie Dresing und Dooloop,. Vierte in Grade II bei den Paralympics Paris 2024. (© Kim Lundin)

Bei den Paralympics in Paris sind die ersten Medaillenentscheidungen gefallen. Für die Top-Favoritin Heidemarie Dresing verlief es nicht ganz so gut wie erhofft in der ersten Prüfung.

Keinen ganz idealen Start in das paralympische Turnier erwischten die deutschen Meister Heidemarie Dresing und Dooloop. Die beiden mussten als erste ins Stadion in der Individual Prüfung Grade II. Der Oldenburger Dressage Royal-Sohn war von Anfang an etwas irritiert in der Ecke bei H, dort wo auch Kiss and Cry Corner und Ausritt liegen. Im Schritt guckte er mehrfach in besagte Ecke. Heidemarie Dresing, die an MS leidet, schaffte es aber, den Rappen immer wieder zur Konzentration zurückzubekommen. Das Schenkelweichen wurde mit hohen Noten bewertet.

Teurer Patzer kostet Heidemarie Dresing eine Medaille

Doch vor einer Trabverstärkung, beziehungsweise „Tritte verlängern“, galoppierte der Europameister des Jahres 2023 an. Ein teurer Fehler, der sich trotz voller Konzentration und Losgelassenheit im weiteren Verlauf der Prüfung nicht mehr ganz ausbügeln ließ. Bundestrainerin Silke Fütterer-Sommer zollte Heidemarie Dresing Resepekt: „Es war einfach eine unruhige Kulisse, vor allem so für den ersten Starter. Das hat ,Dooly‘ schon nicht kalt gelassen. In der Ecke hatte ich den Eindruck, dass er etwas auf die Countdown-Anzeige schaut. Er hat sich aber im Verlauf der Prüfung sehr gut gefangen. Am Ende kam es dann halt leider dieses Missverständnis vor dem Mitteltrab, als er angaloppiert ist. Heide hat das gut gelöst, das hätte sie nicht besser machen können. Und so eine Situation wie hier im Stadion, das kann man vorher halt auch nicht trainieren.“

„Dooly“ ist übrigens ein Vollbruder des ehemaligen Weltmeisters junger Dressurpferde Desperado. Nadine Plaster, die Desperado zum Titel ritt, hat Dooloop bis Intermédiaire I siegreich vorgestellt. Sie und ihr Ehemann Simon Kohlenbrenner sind die Züchter, offiziell Pferd24, des Rappen. Mit 73,103 Prozent landeten Dooloop und Heidemarie Dresing schlussendlich auf dem undankbaren vierten Rang.

Heidemarie Dresing: „Nicht verrückt spielen“

Heidemarie Dresing ist zwar nicht glücklich mit Platz vier, aber auch nicht unzufrieden beim Blick auf die Gegebenheiten: „Ja, ich bin schon ein bisschen traurig, ein bisschen enttäuscht, aber auf der anderen Seite bin ich auch stolz, dass ich das trotzdem noch so hinbekommen habe. Es war hier sehr laut auf den Tribünen und mein Pferd hat schon auf dem Abreiteplatz das nicht so gern gehabt, war immer abgelenkt, sehr verspannt und nervös. Und dann galt es halt für mich, dass ich ganz, ganz ruhig bin und ihn unterstütze. Also, nicht verrückt zu spielen. Das ist mir ganz gut gelungen und deshalb bin ich eigentlich ganz zufrieden. Ich habe mir auch die Ritte angeguckt von denen, die vor mir sind. Sie haben wirklich sehr gut geritten und sie haben auch ihre Medaillen verdient. Pferde sind halt keine Computer, sondern sie sind auch Menschen und sie lassen sich auch beeindrucken von ihrer Umgebung oder von Geräuschen. Und das war jetzt der Fall – und deshalb kann ich meinem Pferd nicht böse sein.“

Gold für US-Amazone im Sattel eines Ostfriesen

Gold ging an die US-Amazone Fiona Howard, die direkt nach Heidemarie Dresing im Stadion war. Sie steuerte den mit einem großen Schritt ausgestatteten Hannoveraner Diamond Dunes v. De l’Or mit 76,932 Prozent souverän zum Sieg. Der Fuchs ist in Ostfriesland bei Klaus-Dieter Mansholt geboren und 2023 noch auf M*-Niveau in der Dressur erfolgreich in Niedersachsen gegangen.

Howard, die einen britischen Vater und eine US-amerikanischen Mutter hat, hatte zunächst Reining geritten. Als Teenager schälte sich heraus, dass irgendetwas mit ihrem Körper nicht in Ordnung ist. Bei ihr wurde Dystonie diagnostiziert. Sie leidet unter Bewegungsstörungen. Dazu versagten auch noch einige Organe, was die Ernährung erschwerte. Trotzdem entschied sie sich zu einem Psychologiestudium in den USA, um nah an ihren behandelnden Ärzten zu sein. Während ihres Studiums hat sie 800 Tage im Krankenhaus verbracht, oftmals im lebensbedrohenden Zustand. Dennoch hat sie das Studium abgeschlossen und arbeitet mit herzkranken Kindern.

Mehrfach im Jahr ist sie auf dem Hof Kasselmann zum Training. Ihre Trainerin ist dann Nicole Wego-Engelmeyer.

Lange Zeit hatten Dresing und Dooloop im Verlauf der Prüfung mit ihren neun Starterinnen noch an Position zwei gelegen. Doch dann kam die Britin Georgia Wilson, die mit der Oldenburger Stute Sakuara v. Supertramp, einer Sandro Hit-Urenkelin, letztendlich ein paar mehr Punkte bekam: 73,414 Prozent – das sollte letztendlich die Bronzemedaille sein.

Denn die letzten Starterin, die Dänin Katrine Kristensen beendete die Prüfung mit 73,966 Porzent. Ihr kecker brauner Quaterback-Sohn Goerklintgaards Quater ging in schöner Anlehnung durch die Prüfung. Die geschmeidig sitzende 28-Jährige hatte im vergangenen Jahr eine Babypause eingelegt. 2022 hatte die Juristin aus Roskilde bei den Weltmeisterschaften in Herning im Individual test und in der Kür Gold gewonnen. Sie leidet unter Muskelschwund, hat mit fünf Jahren zu reiten begonnen und erhielt mit zwölf Jahren ihr erstes Pony. Einen ganz großen Auftritt hatte sie bereits in Paris: Sie führte als Fahnenträgerin das dänische Team bei der Eröffnungsfeier an.

Erstes Para-Dressur Gold in die USA

Den Auftakt der Paralympics hatten die Reiterinnen und Reiter in Grade III gemacht. Gold gewann die US-Amerikanerin Rebecca Hart (USA) mit Floratina, einer 16 Jahre alten Hannoveraner Fidertanz-Tochter. Das Schloss von Versailles war da noch von Regenschauern verhüllt. Hart, 39, hatte bei den Paralympics in Tokio 2021 Mannschafts-Bronze gewonnen. Als vorletzte Athletin im Viereck setzte sie sich mit 77,900 Prozent vor die bis dahin in Führung liegende Niederländerin Rixt van der Horst (NED) mit Royal Fonq durch. Royal Fonq ist ein westfälischer Sohn von Fürst Fohlenhof. Das Paar gewann Silber (76,433). Es war die insgesamt sechste Medaille bei den Paralympics für die Niederländerin.

Ihre neunte Medaille gewann die Britin Natasha Baker bei der Rückkehr nach der Babypause. Im Sattel des Hannoveraners Dawn Chorus v. Dimaggio gewann sie Bronze mit 73,167 Prozent. Deutschland hatte in Grade III keine Starter zu den Paralympics entsendet.

Ergebnisse Grade III Paralympics 2024

In einer ersten Version hatten wir versehentlich aus Heidemarie Dresing Hannelore Dresing gemacht. Wir haben den Fehler korrigiert.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Doris

    Sehr schade! Dooloop ist ein Pferd, auf das sich auch jede Dressurreiterin ohne Handycap gerne setzen würde. An dieser Stelle möchte ich auch an Martina Benzinger erinnern, die kurz vor den O-Spielen ihre Nautika verloren hat. Die Stute war einfach eine Wucht. Ein ganz, ganz tolles Pferd und so ein tolles Paar, das es mehr als verdient gehabt hätte, in Paris dabei zu sein.


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