Moment mal extra – Erinnerungen an Reiter-Olympia: Seoul 1988

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Die „Gucci“-Tücher vom Straßenmarkt in Seoul, Südkorea, verblassten daheim schnell. Die Erinnerungen von St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer an die Olympischen Spiele 1988 sind hingegen farbig und allgegenwärtig.

Vier Jahre später in der südkoreanischen Metropole Seoul war vieles anders als in Los Angeles. Keine Hollywood-inspirierte Party für die Athleten der Welt, sondern ein perfekt organisiertes Sportfest mit vielen Ordnern, die uns in ihrem gewöhnungsbedürftigen Englisch ihre Anweisungen zuzwitscherten und mit Spiegeln unter jedes Auto leuchteten. 10.000 Sicherheitskräfte, viermal so viel wie in Kalifornienles, sorgten dafür, dass das saubergefegte Gesicht der Olympiastadt in diesen zwei Wochen keine Falte bekam.

Das olympische Dorf glich einer Festung. „Der sicherste Ort der Welt, hier bleibt keine Ente unidentifiziert,“ sagte ein Athlet. Hotspot für touristische Ausflüge war eine Straße, in der, Laden an Laden, ausschließlich Fakes verkauft wurde, Uhren und Handtaschen edelster Marken, die für die sprichwörtlichen Peanuts zu haben waren. Auch wir, das bewährte SG-Team aus Los Angeles, Alexandra Jahr und ich, deckten uns schamlos ein von A wie Armani, über C wie Chanel, G wie Gucci und H wie Hermes und brachten alles heil nach Hause, wo es dann bald komisch aussah. Irgendwie unecht. Die kanadischen Springreiter hatten übrigens weniger Glück: Sie sollten bei der Wiedereinreise alle Fake-Uhren zu Originalpreisen verzollen, was dann am Flughafen in einer großen Vernichtungsorgie endete.

Goldregen für die deutschen Teams

Das nagelneue Reitstadion in Kwachon war eine Kopie des Santa-Anita-Stadions in L.A. und wird ebenfalls inzwischen als Rennbahn genutzt. Für die deutschen Reiter-Teams war Seoul ein einziger Triumphzug: alle drei Goldmedaillen gingen nach Deutschland und es gab Leute, die kundtaten, sie könnten diese Hymne nicht mehr hören. Die größte Überraschung waren die vier Buschreiter, Claus Erhorn mit Justyn Thyme, Thies Kaspareit mit Sherry, Matthias Baumann mit Shamrock und Ralf Ehrenbrink mit Uncle Todd, die mit sieben Abwürfen Vorsprung ins Springen gingen, eine Goldmedaille mit Ansage also – der Grund, weswegen auf einmal in Kwachon deutsche Journalisten-Kollegen aufliefen, von denen man dachte, außer Fußball hätte kein Sport in ihrem Kopf Platz. Aber besser spät als nie.

Leider durfte Ralph Ehrenbrink nicht mehr am Springen teilnehmen, wegen einer Druckstelle im Gurtbereich von Uncle Todd hatte er die Verfassungsprüfung nicht passiert. Da halfen auch keine Kompromissvorschläge: Ehrenbrink war sogar bereit, ohne Sattel (und damit ohne Gurt) das Springen zu reiten, aber so flexibel war das Reglement dann doch nicht. Der souveräne Wiederholungssieg von Mark Todd und Charisma in der Einzelwertung war hochverdient und wurde ihm von niemandem geneidet. War er in L.A. noch der Newcomer aus Down Under, so kam er jetzt bereits als Star, mit seiner blonden Frau Caroline und dem wenige Monate alten Töchterchen.

Und dann das deutsche Springreitergold, das auch keiner so auf dem Zettel hatte. Es war eine interessante Truppe, die sich um die deutschen Parcoursspezialisten scharte. Es gab einen Equipechef, der hieß Hans Günter Winkler, einen Bundestrainer, der hieß Herbert Meyer, einen allseits präsenten FN-Präsidenten Graf Landsberg, zugleich FEI-Vizepräsident. Und es gab einen, der sagte, wo es lang ging, der hieß Paul Schockemöhle.

Drei Reiter kamen aus seinem Stall, Franke Sloothaak mit Walzerkönig, Ludger Beerbaum mit Landlord und Dirk Hafemeister mit Orchidee. Das ganze Team hatte vor Abflug bei ihm in Mühlen trainiert. Schockemöhle setzte durch, dass nach dem Ausfall des lahmenden Landlord nicht Reservereiter Karsten Huck mit Nepomuk zum Einsatz kam, sondern Beerbaum mit Hafemeisters Zweitpferd The Freak mit dem ihm im ersten Umlauf eine tadellose nullrunde gelang. Es lief auch sonst gut im ersten Nationenpreisumlauf, es roch allmählich nach Gold. Nur Pedro von Wolfgang Brinkmann, dem einzigen Amateur im Team, hatte 9 Fehler, zwei Abwürfe und einen Zeitfehler. Das durfte nicht nochmal passieren.

Und siehe da, in der zweiten Runde flog der braune Pilot-Sohn wie ein Vögelchen über den Kurs, ekelte sich geradezu vor den Stangen, kein Abwurf. Dazwischen hatte die Mittagspause gelegen. Da muss jemand Pedro gesagt haben, dass es heute wichtig ist. Offenbar hatte er verstanden. Auf dem Weg zum Bus trafen wir abends Graf Landsberg, völlig grau im Gesicht und nicht so gut drauf, wie man es nach so einem Sieg vom Verbandsvorsitzenden hätte erwarten können. Der Grund: die Franzosen, Silbermedaillengewinner, hatten Protest eingelegt gegen Beerbaums Einsatz auf The Freak. Das Paar hätte sich nicht gemeinsam qualifiziert. Der Protest wurde abgeschmettert, aber die Euphorie war irgendwie weg.

Weitgehend hinter den Kulissen, aber doch so, dass wir es alle mitkriegten, tobte der Kampf um die drei Plätze im Einzelspringen. Ersatzmann Karsten Huck, der in den beiden vorgeschalteten Qualifikationsspringen bester Deutscher gewesen war, erkämpfte sich seinen Start. Es wurde sehr laut in der Sattelkammer und tagelang sprachen einige Ehefrauen kein Wort mehr miteinander. Für Huck und Nepomuk gab’s Bronze hinter dem Franzosen Pierre Durand auf Jappeloup und dem US-Reiter Greg Best auf Gem Twist, Ende gut alles gut, Hafemeister und Sloothaak weit aus den Medaillenrängen.

Werner Ernst

Karsten Huck und Nepomuk (© Werner Ernst)

Dressur bekommt junges Gesicht

Zum letzten Mal übrigens wurde das olympische Einzelspringen im großen Olympiastadion ausgetragen, zu nachtschlafener Zeit, weil schon für die Schlussfeier aufgebaut werden musste. Und zum letzten Mal kamen die Hindernisse von Olaf Petersen zur Geltung, kunterbunte Folklore wie rosa Fächer, Löwen, Drachen und Schildkröten. Monatelang war er dafür durch koreanische Museen und Archive gepilgert. Manchen fanden’s kitschig, wir fanden’s wunderbar.

Die zwei Goldmedaillen in der Dressur waren fest eingeplant, die Überraschung war, dass die 21-jährige Nicole Uphoff auf dem bildschönen Rembrandt auch in der Einzelwertung die erfahreneren Konkurrentinnen Margit Otto-Crépin auf Corlandus und Christine Stückelberger auf Gauguin de Lully hinter sich ließ. Mit Monica Theodorescu auf Ganimedes und Ann-Kathrin Linsenhoff auf Courage waren zwei weitere junge Frauen im Team, begleitet von Altmeister Reiner Klimke, der sich als Streichergebnis zwar nicht für den Special qualifizierte, aber mit dem Team seine sechste olympische Goldmedaille gewann, und damit Hans Günter Winkler als erfolgreichsten Olympiareiter aller Zeiten ablöste, das war ihm was wert. (Inzwischen hat Isabell Werth die Herren längst abgehängt). Fazit aus Seoul: Die Dressur hatte auf einmal ein junges Gesicht bekommen – das war noch mal extra Gold wert.men’s jordan retro release dates | nike jordan outlet online

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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