Heute feiert eine besondere Persönlichkeit ihren 80. Geburtstag: Linda Tellington-Jones. Sie hat Generationen von Reitern inspiriert und so manchem Pferd ein glücklicheres Leben verschafft. Und sie tut das immer noch. Portrait einer Pferdefrau.
Linda Tellington-Jones hat in den 1980er-Jahren das Verhältnis zwischen Reitern und Pferden in Deutschland revolutioniert. Sie hat dazu beigetragen, eine neues Bewusstsein für die Pferde zu wecken. Heute feiert die große LTJ ihren 80. Geburtstag. Wir gratulieren von Herzen!
80 Jahre LTJ
Linda Tellington-Jones wurde am 30.6.1937 in Kanada geboren. Als Kind ritt sie täglich zur Schule. Was heute der Traum eines jeden Pferdemädchens ist, war damals in den kanadischen Wintern eine frostige Angelegenheit.
Linda: „Bereits mit vier Jahren ritt ich – wie alle meine Geschwister. Von meiner Einschulung an ritt ich täglich fünf Kilometer zur Schule hin und zurück … aber das war mir noch lange nicht genug. Mit elf Jahren begann ich im Stall meiner Reitlehrerin Alice Greaves ihre jungen Pferde zu reiten und ihre Schulpferde auf Trab zu halten. Alice war eine fantastische Pferdefrau und Reiterin, von der ich viel lernte.“
Neue Wege der Reiter- und Pferdeausbildung in den 1960er-Jahren
1964 gründete Linda Tellington-Jones mit damaligen ihrem Mann Wentworth Tellington das internationale Zucht- und Ausbildungszentrum „Pacific Coast Equestrian Research Center and School“ in Badger, Kalifornien.
Linda: „Mein erster Mann, Wentworth Tellington, war ein Kavallerie-Offizier. Er brachte mir alles bei, was er in seiner klassischen Kavallerieausbildung gelernt hatte. Gemeinsam leiteten wir zehn Jahre lang unsere Schule, in der wir in einem neunmonatigen Training Schüler aus neun Ländern und 36 US-Bundestaaten ausbildeten. Ich hatte mich jahrelang mit Massage für Sportpferde beschäftigt und schrieb 1965 gemeinsam mit Wentworth das Buch ,Massage und Physical Therapy for the Athletic horse‘. Mein Wissen basierte auf den Massage-Methoden meines Großvaters, die er in Russland gelernt hatte. Soweit ich weiß, war es das erste Buch über dieses Thema, das je geschrieben wurde. Die Massage half unseren Pferden, sich nach anstrengenden Ritten und Turnieren zu erholen, aber ich dachte damals noch nicht an die Möglichkeit, das Verhalten durch Körperarbeit zu beeinflussen.“
Das kam später…
Halsringreiten
1975 zeigte Linda Tellington-Jones auf der Equitana in Essen das Halsringreiten in einer Quadrille. Damals war es eine Sensation. Es wurde gemunkelt, ob sie mit einer unsichtbaren Trense reiten würde. Linda Tellington-Jones hat seitdem an allen Equitanas in Essen teilgenommen, nur zwei Mal konnte sie nicht dabei sein.
Linda: „Das Reiten ohne Zaumzeug ist weder neu noch ein Trick. Vor fast 50 Jahren zeigten wir mit unserer Pacific Coast School of Horsemanship eine Springquadrille, in der alle ohne Zaumzeug ritten. Die Zuschauer fanden es schier unglaublich, dass man ein Pferd allem Anschein nach mit so wenig Kontrolle reiten konnte. 1975 führte ich das Reiten ohne Zaumzeug erstmals in Europa vor, auf der Equitana in Essen. Mit drei weiteren Reitern sprang ich ohne Sattel und ohne Zaumzeug einen Parcours. Auch diese Zuschauer trauten ihren Augen nicht, und eine große deutsche Reiterzeitschrift schrieb, wie unmöglich und gefährlich diese Reiterei sei und dass dahinter irgendein Trick stecken müsse. Aber in den letzten Jahren haben Tausende Reiter in Europa und Nordamerika entdeckt, wie viel Freude das Reiten ohne Zaumzeug vermittelt und wie sehr es die Beziehung zwischen Reiter und Pferd vertiefen kann.“
Feldenkrais-Lehrerin
1975 begann Linda Tellington-Jones bei Moshe Feldenkrais die vierjährige Ausbildung zur Feldenkrais-Lehrerin am „Institute of Humanistic Psychology“ in San Francisco. Gleichzeitig beginnt sie mit der Entwicklung der Tellington-Methode für Pferde.
Linda: „Eine andere ganz wichtige Erkenntnis gewann ich schon am zweiten Tag meiner Feldenkrais-Ausbildung. Dr. Moshe Feldenkrais erzählte uns, dass Lernen seiner Meinung nach nichts mit Wiederholung zu tun habe. Er erklärte uns, dass ungewohnte Bewegungen neue Nervenbahnen öffnen und es dem Menschen ermöglichen, Neues in einer einzigen Übung zu lernen. Lernen ohne Wiederholung! Da spitzte ich die Ohren wie ein Pferd, das etwas höchst Interessantes entdeckt hat. Meine Gedanken überschlugen sich förmlich. Auch Pferde haben Bewegungsmuster, ein Nervensystem und sind intelligente Lebewesen, folgerte ich. Sollte es denn nicht auch möglich sein, dass Pferde in einer einzigen Lektion Neues lernen konnten? Vielleicht stimmte es nicht, dass Pferde, wie man überall lesen konnte, nur durch Wiederholung lernten. Das musste ich sofort ausprobieren!“
Die Erfinderin des Tellington-TTouch
1983 erfindet Linda Tellington-Jones den Tellington-TTouch, zunächst für Pferde, dann auch für alle anderen Tiere und für Menschen. Der erste TTouch war eine sanft kreisende Verschiebung der Haut in einem Eineinviertelkreis. Sie gründet „Animal Ambassadors International“, eine Stiftung, die sich zur Aufgabe macht, die Verbindung zwischen Mensch und Tier zu fördern und zu vertiefen.
Linda: „Der entscheidende Durchbruch gelang 1983, als der Tellington-TTouch geboren wurde. Die Frau eines Tierarztes bat mich, ihre Stute anzusehen, die weder geputzt noch gesattelt werden wollte, ihre Ohren anlegte und mit Schweif und Beinen schlug, sobald sie berührt oder gestreichelt wurde. Als ich die sanften Feldenkrais-Bewegungen an ihrem Körper machte, wurde die Stute ruhig und nachgiebig. Die Besitzerin war erstaunt, dass ihr Pferd plötzlich wie verwandelt war, und fragte mich, wie ich das geschafft hätte. Was war mein Geheimnis? Ich wusste, wie schwierig und komplex die Erklärung für das war, was ich tat, also sagte ich einfach: ,Kümmere dich nicht darum, was ich tue. Lege einfach deine Hand auf dein Pferd und bewege die Haut sanft im Kreis.‘
Sie müssen wissen, dass ich diese Bemerkung ohne nachzudenken machte. Als ich meine eigenen Worte hörte, war ich selbst überrascht und wunderte mich, warum ich das gesagt hatte. Es schien mir fast, als hätte jemand anderes für mich gesprochen.
Die Pferdebesitzerin folgte sofort meiner Anweisung und nach einigen Minuten sanfter Kreise entspannte sich die Stute, schloss halb ihre Augen und genoss den Kontakt. Ich war erstaunt über das Ergebnis und fing an, mit verschiedenen Kreisbewegungen zu experimentieren. Von diesem Tag an machte ich Kreise mit unterschiedlichen Handhaltungen und Druckstärken.
Im Laufe der nächsten Jahre dokumentierte meine Schwester Robyn, was ich tat. Sie klassifizierte und fasste zusammen, in welcher Weise ich meine Hände hielt. So entstanden die verschiedenen Tellington-TTouches.“
Dem Kalten Krieg begegnen
Von 1984 bis 1987 reist Linda Tellington-Jones mehrmals nach Moskau und berät die UdSSR-Dressur-Olympia-Mannschaft, junge Reiter sowie Tierärzte und den Direktor des Moskauer Zoos.
Linda: „Mitte der 1980er-Jahre wurde mein Traum Wirklichkeit. Auf den Spuren meines Großvaters kam ich nach Moskau, um dort mit Pferden zu arbeiten. Ich unterrichtete die sowjetische Reitermannschaft. Und außerdem wollte ich in jenen Tagen des Kalten Kriegs herausfinden, ob meine Arbeit mit Tieren eine Möglichkeit bot, auch mit Menschen zu kommunizieren – über alle sprachlichen, kulturellen und politischen Gräben zwischen den USA und der UdSSR hinweg. 1985 wurde ich vom kulturellen Austauschprogramm des Eselan Institute als Botschafterin in die Sowjetunion geschickt. Ich stellte fast sofort fest, dass Tiere die besten Botschafter der Welt sind und unsere eigene Menschlichkeit ans Tageslicht holen. Alles, was ich tun musste war, mit meinen Händen zu arbeiten – und wie durch ein Wunder verwandelte sich kühle Distanz in Lächeln und lebhaften Austausch.
1985 ergaben die Studien russischer Tierärzte am Bitza Olympia Center in Moskau eine Reduzierung von Stresshormonen unter der Anwendung von Tellington-TTouch an Sportpferden.“
Zusammenarbeit mit deutschen Olympiareitern
1995 startet die Zusammenarbeit mit deutschen Olympiareitern wie Nicole Uphoff, Klaus Balkenhol, Otto Becker und Claus Erhorn für die Videofilme „TTouch für Dressurpferde“ und „TTouch für Springpferde“.
Linda: „Im Lauf der Jahre hatte ich das Vergnügen, mit einigen Pferden von Klaus Balkenhol vor größeren Wettkämpfen zu arbeiten, darunter Gracioso und Garçon. Häufig habe ich sie an den Wettkampftagen morgens 30 Minuten lang gettoucht und dann, bevor sie gesattelt wurden, sieben Minuten, um sie zu beruhigen oder zu beleben.“
„Justin Thyme, ein Vollblüter, der unter Claus Erhorn zu der Vielseitigkeitsmannschaft gehört hatte, die 1988 eine olympische Goldmedaille gewann, war ein hervorragendes Buschpferd. Mit 13 Jahren aber ging er nicht mehr so frei und flüssig wie früher, und Claus dachte, Tellington-TTouch könnte ihm vielleicht helfen. Mit Geländesprüngen hatte er keine Probleme, aber Dressur war – typisch für viele Vielseitigkeitspferde – nie seine Stärke gewesen.
Ich fragte Claus, ob ich ihn selbst reiten könne, um zu sehen, ob Reiten ohne Zaumzeug helfen könnte. Ein paar Minuten ritt ich ihn mit dem Halsring und den Zügeln auf dem Hals, bis Justin verstanden hatte, wie und wann er anhalten und wenden sollte. Dann nahm ich das Zaumzeug vollständig ab, und sofort ließ das Pferd die Nase auf die Höhe des Karpalgelenks fallen und ging dann, als ich ihn etwas antrieb, in einem wunderbar raumgreifenden Trab locker vorwärts. Claus war verblüfft. Ich ritt das Pferd vielleicht fünf Minuten im Schritt, Trab und Galopp, ließ ihn über ein paar niedrige Sprünge gehen und gab ihn dann nur ungern wieder an Claus ab. Er hatte mir so viel Spaß gemacht!“
Erfolgreiche Distanzreiterin
1997 betreut Linda Tellington-Jones die Pferde der USA-Distanzreiter-Mannschaft bei den Weltmeisterschaften, auch in den Jahren 1987 und 2001. Linda Tellington-Jones selbst ritt erfolgreich Distanzrennen über 100 Meilen.
Linda: „Sowohl in Kanada als auch in den USA habe ich an unzähligen Turnieren teilgenommen, von Vielseitigkeitsprüfungen über Springturniere bis hin zu 100-Meilen-Distanzritten wie dem Tevis Cup, bei denen ich mehrere Rekorde aufstellte. Mein Rekord beim Jim-Shoulders-100-Meilen-Distanzritt wurde sieben Jahre lang nicht gebrochen.“
Ehrendoktorwürde
2008 erhält Linda Tellington-Jones die Ehrendoktorwürde der Wisdom Universität in Kalifornien, USA. Der Lehrstuhl „Interspecies Communication“ wird eingerichtet.
Zur Person von Linda Tellington-Jones schreibt die Wisdom University:
Linda Tellington-Jones ist eine international anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Gesundheit und des Wohlbefindens von Mensch und Tier. In den 1980er-Jahren entwickelte sie die Tellington-TTouch-Methode, eine sanfte Form von Körperarbeit für Tiere, welche die Gesundheit fördert, indem sie die Selbstheilungskräfte anregt und das Wohlbefinden erhöht.
Ihre Arbeit mit Menschen, genannt TTouch for You, die einen Einfluss auf Körper, Geist und Seele hat, basiert auf dem absichtsvollen Aktivieren der Zellfunktion und gehirngerechtem Lernen. Mit mehr als Tausend diplomierten Tellington-TTouch-LehrerInnen in 27 Ländern, 16 Büchern in 12 Sprachen und 12 Videos, der Zusammenarbeit mit der Universität von Minnesota, Fernsehsendungen und vielen Auszeichnungen, leistet Linda weltweit einen wertvollen Beitrag zum Wohlergehen und zur Gesundheit von Tieren und Menschen.“
Bestsellerautorin
Linda Tellington-Jones schreibt zwischen 1978 und 2017 17 Bücher, die in mehr als zehn Sprachen übersetzt wurden. Sie produzierte 19 Lehrfilme, davon sechs in Deutschland für den Kosmos Verlag. Außerdem senden verschiedene Fernsehsender Dokumentationen zum TTouch und zur Tellington-Methode in Österreich, Schweiz, Deutschland, in Kanada und in den USA, Australien und Südafrika.
Die Zitate wurden mit freundlicher Genehmigung des Kosmos Verlag aus folgenden Büchern entnommen:
Reiten mit Körper, Geist und Seele, KOSMOS, 2015
Tellington-Training für Pferde, KOSMOS, 2007
Tellington-Training für Hunde, KOSMOS, 2010
Pferde ausbilden mit dem Tellington-Training, KOSMOS 2012
TTouch for You!, KOSMOS 2003
Fotos: Archiv LTJ
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