In St.GEORG 1/2024 hatten wir über einen Richter aus Berlin-Brandenburg berichtet, der Anfang November 2023 im Rahmen eines Schiedsverfahrens für zwei Jahre von seinem Amt ausgeschlossen wurde. Nun hat sich eine weitere Betroffene gemeldet.
B. (67) hat viel Erfahrung als Richter bis Klasse S im Raum Berlin-Brandenburg. Außerdem ist er Vorsitzender des Fachbeirats Dressur und zusammen mit weiteren Kollegen zuständig für die Nominierung zu überregionalen Lehrgängen und Championaten.
Bei dem Verfahren gegen Richter B. vor dem Schiedsgericht des Pferdesportverbands Berlin-Brandenburg ging es um sexistische Äußerungen, Befangenheit und politisches Richten. Mehrere Zeugen hatten konkrete Beispiele vorgebracht, die in dem Verfahren zur Sprache kamen. So soll B. über eine 15-Jährige gegenüber deren Mutter gesagt haben, von ihrer Tochter würde er sich „auch gerne mal einreiten lassen“.
Schlussendlich hatte das Schiedsgericht beschlossen, B. für zwei Jahre als Richter zu suspendieren. Der Beschuldigte bestreitet die Vorwürfe und hat Widerspruch eingelegt. Das Ganze geht nun vor das Große Schiedsgericht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).
Schilderung einer Betroffenen
Nicht nur St.GEORG, auch die „Märkische Onlinezeitung“ moz hatte über B. berichtet – und mit weiteren Betroffenen gesprochen. Eine davon ist Marie Heidemann, heute Pferdewirtschaftsmeisterin mit eigener – 2013 von der Fachberatung für Pferdebetriebe Schade & Partner ausgezeichneten, SG berichtete – Anlage im Westhavelland und selbst Richterin. Sie hat uns noch einmal ihre Erfahrungen geschildert.
2015 wollte Marie Heidemann sich als Richterin für die Klasse M qualifizieren. Um die dafür nötigen Testate zu sammeln, reiste sie aus Berlin-Brandenburg nach Schleswig-Holstein, NRW und ins Rheinland. Bis Juli hatte sie fast alle beisammen. Den letzten Schliff wollte sie sich bei den eigenen Landesmeisterschaften in Neustadt/Dosse holen. Dafür hatte sie im Vorfeld mit Richtern telefoniert und diese gefragt, ob sie als Beisitzerin bei ihnen mitrichten dürfe. Mit den Zusagen in der Tasche, wandte sie sich an Richter B. als Vertreter des Landesverbands, um sich auch hier die Erlaubnis zu holen.
„Er hat mich abgekanzelt und gesagt, er sei der einzige, der sagen könnte, wer Testate ausstellt.“ Letztlich durfte Heidemann aber zum Turnier kommen und mitrichten. B. war ebenfalls vor Ort. Heidemann sagt, er habe sich in den vier Tagen ihr gegenüber mehrfach im Ton vergriffen, sie hätte sich diffamiert und vorgeführt gefühlt. Etwa, als sie auf Einladung der Richterkollegen mit zum Mittagessen ins VIP-Zelt ging und dort von Herrn B. mit der Begründung, sie habe dort „nichts zu suchen“, hinausgeworfen wurde.
Mit dem Ende des Turniers sei das Mobbing aber noch nicht zu Ende gewesen. B. habe das Gerücht verbreitet, Heidemann habe ihre Höherstufung nur erreicht, weil sie mit dem Richter, bei dem sie im Rheinland beigesessen hat, ein Verhältnis habe. „Diese Situation war für mich sehr belastend.“ Glücklicherweise habe ihr Mann ihr aber geglaubt, dass an dem Gerede nichts dran sei.
Konsequenzen?
Der von den Verleumdungen mitbetroffene Richter habe bei B. angerufen und ihn zur Rede gestellt, sei aber abgeblitzt. Das stimme doch, wurde ihm gesagt. Daraufhin haben sowohl der Richter als auch Heidemann sich mit einem Schreiben an den Landesverband gewandt und darum gebeten, für eine öffentliche Richtigstellung zu sorgen.
Sie hat daraufhin eine Antwort vom Geschäftsführer Sport bekommen, in dem zusammengefasst gesagt wird, dass es entsprechende Entscheidungen der zuständigen Gremien gegeben habe, nach denen sie „zukünftig von verbindlichen und reibungslosen Abläufen ausgehen können“. Passiert ist tatsächlich nichts. Die Schreiben liegen St.GEORG vor.
Im Gegenteil, B. verbreitete weiter Gerüchte, wie das, dass Heidemann mit Drogen handele und nur deshalb nicht im Gefängnis sitze, weil sie in kleines Kind hat. Heidemann sagt, sie habe sich mit der Situation inzwischen abgefunden. Ihr privates Umfeld wie auch die Einsteller in ihrem Betrieb würden darauf nichts geben. Als Richterin komme sie in ihrer Heimat allerdings auf „keinen grünen Zweig“.
Was sie besonders ärgert, ist das Verhalten des Verbandes. „Immer dieses Verheimlichen und Täuschen. Das ist zehn Jahre her … Ich würde dem Reitsport so gerne etwas geben, denn ich denke, wir brauchen gute Nachwuchsrichter. Dafür habe ich tausende Euro für Reisen und Hotels investiert, um mich bestmöglich weiterzubilden. Denn davon profitieren ja auch die ländlichen Turniere in Brandenburg. Dass das so wenig gewürdigt wird, ist frustrierend …“
Außerordentliche Präsidiumssitzung
Nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Die Vize-Präsidentin des Pferdesportverbands Berlin-Brandenburg, Martina Schünemann, erklärte gegenüber der moz, dass es am 22. Januar eine außerordentliche Präsidiumssitzung geben werde, in der es um die Verstöße des Richters einerseits und um den bisherigen Umgang damit andererseits gehen solle. Sie wird zitiert mit den Worten „Ich stehe in dieser Sache für eine lückenlose Aufklärung innerhalb des Verbands und für Transparenz.“
Auch die Politik ist inzwischen mit der Sache befasst. So zitiert die moz die Vorsitzende des Sportausschusses im Landtag Branden, Kristy Augustin (CDU): „Es muss klar kommuniziert werden, dass solche Äußerungen, solches Handeln keine Unterstützung im Pferdesport und im Sport ingesamt finden, dass sie nicht geduldet werden.“
Die Chance, ein Zeichen zu setzen, hat nicht nur der Pferdesportverband Berlin-Brandenburg. Die nächste Instanz, die sich nach dem Widerspruch von B. gegen das Urteil des Schiedsgerichts seines Heimatverbandes mit der Angelegenheit befassen wird, ist das Große Schiedsgericht der FN.
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