Bella Rose: die außergewöhnliche Karriere eines außergewöhnlichen Pferdes – Ciao, Bella!

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Ziemlich beste Freundinnen: Isabell Werth und Bella Rose (© Toffi)

Mit einer olympischen Gold- und einer Silbermedaille hat sich Isabell Werths westfälische Belissimo M-Tochter bei den Olympischen Spielen in Tokio aus dem großen Sport verabschiedet. Wir lassen die Karriere des außergewöhnlichen Pferdes Revue passieren.

2004 kommt im Züchterstall von Heinrich und Wilhelm Strunk ein Stutfohlen zur Welt: Fuchs, Blesse, viermal weiß an den Beinen. In der Hinsicht kann die Kleine ihren Vater Belissimo M nicht verleugnen. Es ist das siebte Fohlen ihrer Mutter Cedra II v. Cacir AA-Frühlingsball. Fast alle ihrer zehn Geschwister sind im Parcours zuhause, zum Teil bis zur schweren Klasse. Aber an ihre Schwester sollte keines heranreichen, der Name: Bella Rose.

Dreijährig soll Matthias Bouten die Stute anreiten. Bouten arbeitet auch für Isabell Werth. Sein Gefühl: Bella ist eine für Isabell! Er sollte sich nicht täuschen. Werth war von Anfang an fasziniert von dieser Stute, die auf der einen Seite eine fast zerbrechlich wirkt, auf der anderen Seite jedoch so viel Power, Energie und Ehrgeiz mitbringt, dass sie selbst die Höchstschwierigkeiten, die der Dressursport mitbringt, aussehen lässt wie ein Kinderspiel. Das konnte damals freilich noch niemand sicher wissen. Aber diese Leichtfüßigkeit und dieser Wille, das war damals schon da.

Werth: „Als ich ankam, konnte ich schon in die Halle linsen und habe sie schon an der Longe dort traben gesehen und hatte schon gleich so einen richtigen Hype, so eine kleine Gänsehaut, und dachte, ,Boah, wenn das jetzt im Galopp gleich geht, dann ist das Deine!'“ Das ging im Galopp auch so. Dementsprechend war der nächste Griff der zum Telefon, Anruf in Wedemark bei Madeleine Winter-Schulze, ihrer langjährigen Mäzenin und engen Freundin: „Maddo, ich habe ein super Pferd gesehen! Die müssen wir unbedingt haben.“ Und „Madeleine, wie sie dann so ist“, habe nur gesagt, dann solle sie sie halt kaufen. Gesagt, getan. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Ritt auf dem Vulkan

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Der erste Auftritt vor großem Publikum: Bella Rose bei der Equitana 2011, damals mit Matthias Bouten im Sattel. (© www.sportfotos-lafrentz.de)

In den nächsten Jahren wird es Isabell Werths größte Aufgabe sein, diese überschäumende Energie und diesen brennenden Ehrgeiz dieser Stute in geregelte Bahnen zu lenken. Für Isabell Werth ein klarer Fall von: „Wer das Feuer liebt, darf den Rauch nicht scheuen.“

Die Jungpferde-Tour mit Bundeschampionat etc. erspart Werth dem Temperamentsbündel. Sechsjährig geht sie eine Dressurpferdeprüfung Klasse M in Hünxe, also quasi vor Werths Haustür, und wird Zweite. Siebenjährig der erste Start in Klasse S – Sieg.

2011 ist auch das Jahr, in dem Isabell Werth Bella Rose bei der Equitana für eine Ausbildungsdemonstration dabei hat. Im Sattel sitzt allerdings hier nicht sie selbst, sondern Matthias Bouten. Schon damals lassen Elastizität, Mechanik und Schulterfreiheit der schönen Stute den Betrachter einfach nur staunen. Was damals nur angedeutet wird, kann die Stute ein Jahr später voll ausspielen: ihr überragendes Talent für Piaffe und Passage.

Bella Rose – das Grand Prix-Pferd

Toffi

Die damals siebenjährige Bella Rose und Isabell Werth daheim beim Training. (© Toffi)

2012 stellt Isabell Werth Bella Rose erstmals auf S***-Niveau vor. Sie gewinnen ihre erste Intermédiaire II ebenso wie den ersten Kurz-Grand Prix.

In Hagen 2013 präsentiert Isabell Werth Bella Rose in der Louisdor-Preis Qualifikation und wird Zweite hinter Dresden Mann und Ingrid Klimke. Kein Sieg, aber Worte von Christoph Hess, die mehr wert sind als das: „Sie bringt alles mit, was ein Olympiapferd braucht.“ Isabell Werth weiß das längst. Mit Tränen in den Augen erklärt sie im öffentlichen Interview am Viereck nach ihrem Ritt, dieses Pferd sei ein Geschenk.

Im Mai 2013 dann der erste internationale Grand Prix in München und der erste Special. Auch hier: zweimal siegreich. Im selben Jahr erhält Isabell Werth den Otto Lörke-Preis als Ausbilderin des besten Nachwuchs-Grand Prix-Pferdes für Bella Rose.

Auf dem Weg zum ersten Championat

von Korff

Isabell Werth und Bella Rose, CHIO Aachen (© von Korff)

2014 ist Weltmeisterschaftsjahr. Isabell Werth hat mit Don Johnson den Mannschaftseuropameister des Vorjahres im Stall und mit El Santo, Ernie, ein weiteres Grand Prix-Pferd. Aber keiner der beiden Wallache hat das Zeug, sie erneut zur Weltmeisterin zu machen. Bella Rose aber, die vereine all jene Talente und Eigenschaften, die Werths großen Erfolgspferde mitgebracht haben, in sich – das Beste von Gigolo, Satchmo und Weihegold in einer „Person“ bzw. Persönlichkeit. Denn eine solche ist diese Fuchsstute.

Die Saison beginnt viel versprechend mit einem Auftritt in München, in dem sie schon an der 80 Prozent-Marke kratzen. Mit Platzierungen beim CHIO Aachen, wo die Stute jüngstes Pferd des Teams ist und gegen die damaligen Größen Valegro, Damon Hill und Totilas bestehen muss, sichert sich das Duo Bella & Bella einen Startplatz bei der WM in Caen.

Dieser CHIO war es auch, auf dem Bella Rose ihre erste Kür geht und Dritte mit über 85 Prozent wird – noch vor einem Desperados.

Weltmeisterin – und dann?

Toffi

Isabell Werth und Bella Rose bei den Weltreiterspielen 2014 (© Toffi)

Bei den Weltreiterspielen in Caen, in der Normandie liefert Bella Rose wie bestellt: 81,529 Prozent im Grand Prix, Platz zwei hinter Valegro, bestes Pferd der deutschen Mannschaft. Das Team (in dem außerdem Helen Langehanenberg mit Damon Hill, Kristina Sprehe und Desperados und Fabienne Müller-Lütkemeier auf D’Agostino reiten) holt Gold. Für den Special hatte sich Isabell Werth vorgenommen, noch eine Schippe draufzulegen. Doch dazu sollte es nicht kommen.

Vor dem Grand Prix Special, der ersten Chance, eine der zwei möglichen Einzelmedaillen zu gewinnen, wird Bella Rose zurückgezogen. Sie habe sich eine Huflederhaut zugezogen, meldet die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN). Für die damals zehnjährige Bella ist das Turnier zu Ende.

In Stuttgart meldet sie sich zurück und beschert ihrer Reiterin den elften German Master-Titel. Was damals noch niemand ahnt: Es ist für lange, lange Zeit das letzte Turnier des Paares.

Geduldsprobe

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Isabell Werth mit Bella Rose im Sommer 2017. Damals befand sie sich im Aufbautraining. (© www.toffi-images.de)

Dreieinhalb Jahre lang sieht man nichts mehr von Bella Rose. Mehrfach kündigt Werth ein Comeback an, muss dann aber immer wieder einen Rückzieher machen. Viele haben Bella Rose schon abgeschrieben. Doch Isabell Werth lässt sich nicht unter Druck setzen. Sie wartet auf den richtigen Moment.

Der kommt 2018 auf dem Schindlhof in Fritzens. Wieder ist es ein Weltmeisterschaftsjahr. Am 29. Juni hat Bella Rose ihren ersten Turnierauftritt nach dreieinhalb Jahren. Und gewinnt. Isabell Werth kann ihre Tränen nicht zurückhalten. Wohl ein Moment ihrer langen Karriere, an den Werth sich immer erinnern wird. Ihr Herzenspferd ist wieder da. Übrigens pünktlich zum Geburtstag ihrer Besitzerin Madeleine Winter-Schulze, die sagt, ein schöneres Geschenk habe sie sich gar nicht vorstellen können.

Weltmeisterin

Pauline von Hardenberg

Mit Freudentränen in den Augen zelebrierte Isabell Werth die Schlusslinie im Grand Prix auf Bella Rose. (© Pauline von Hardenberg)

Werth und Bella Rose dürfen beim CHIO Aachen an den Start gehen. In der I-Tour haben sie die Chance, sich für einen Start bei den Weltreiterspielen zu empfehlen. Das gelingt. Auch wenn Bella Rose sowohl im Grand Prix als auch im Special noch arg „an“ ist. Wie Bundestrainerin Monica Theodorescu sagt: „Das ist echt ein Geschoss!“

Doch schließlich hat das Paar die WM-Nominierung in der Tasche und im September geht’s nach Tryon, zusammen mit Sönke Rothenberger auf Cosmo, Dorothee Schneider im Sattel von Sammy Davis Jr. und Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera, für die dies ihr erster Championatseinsatz für Deutschland ist.

Dass Bella Rose anstellte der damaligen Europameisterin und schon zweifachen Weltcup-Siegerin Weihegold mit in die USA reisen soll, stieß zum Teil auf Unverständnis. Aber in Tryon macht Bella Rose dann das, was sie am besten kann: Tanzen. Und zwar zum Titel, mit der Mannschaft und in der Einzelwertung. St.GEORG-Chefredakteur Jan Tönjes hat Bella damals so verzaubert, dass er der Fuchsstute quasi eine Liebeserklärung gemacht hat.

Im November stellt Werth ihre neue Weltmeisterin dann zum letzten Turnier der Saison in Stuttgart vor und gewinnt die Weltcup-Kür mit einem Auftritt, zu dem den Bundestrainern bloß einfiel: „Das war Kunst.“ Punkt.

Europameisterin

Pauline von Hardenberg

Dressur-Europameisterin 2019 Rotterdam: Isabell Werth und Bella Rose (© Pauline von Hardenberg)

2019 erleben die Zuschauer beim CHIO Aachen die wohl spannendste Kür-Entscheidung seit Jahren im Deutsche Bank-Stadion: Bella Rose vs. Showtime, beide in absoluter Spitzenform. Am Ende sichert Bella Rose ihrer Reiterin zu deren 50. Geburtstag den 13. Eintrag auf der ewigen Aachener Bestenliste. Und das Ticket zur EM in Rotterdam.

In Rotterdam wird es turbulent, als die bis dato zweitplatzierten Briten zurückfallen nachdem Charlotte Dujardin und Freestyle wegen einer blutigen Stelle an der Flanke der Stute disqualiziert werden. Aber das kann das deutsche Quartett mit Werth/Bella Rose, Schneider/Showtime, von Bredow-Werndl/Dalera und Rothenberger/Cosmo nicht kratzen. Selten hat man ein solch überlegenes Team im Dressursport gehabt.

Nach dem Mannschaftstitel vor den Niederlanden und Dänemark holen Isabell Werth und Bella Rose auch noch den Sieg im Special und in der Kür und Werth damit die EM-Goldmedaillen Nummer 19 und 20 (!). In der Kür gibt es ein rein deutsches Podium in exakt der Besetzung, die zwei Jahre später Olympiageschichte schreiben wird.

Olympia-Jahr

von Korff

Isabell Werth und Bella Rose, Deutsche Meisterschaften Balve 2021 (© von Korff)

2020 fällt Corona zum Opfer. 2021 aber sollen die Olympischen Spiele nachgeholt werden. Bella Rose ist nun 17 Jahre alt. Für Isabell Werth ist es keine Frage, mit welchem Pferd sie nach Tokio will. In Mannheim beschließt die Multichampionesse spontan, Bella Rose einzusetzen. Damit sichern die beiden schon mal ihre Rückkehr in den Olympiakader. Dann die DM in Balve.

Balve ist die erste offizielle Olympiasichtung. Jessica von Bredow-Werndl und Dalera demonstrieren schon die ganze Saison lang eine außergewöhnliche Form und lassen Werth und Bella Rose in allen drei Prüfungen hinter sich.

Dann die letzte Sichtung im Rahmen des CDI4* Kronberg auf dem Schafhof. Hier drehen Werth und Bella Rose den Spieß um: Sieg vor Dalera und Jessi. Fazit: Die Olympianominierung ist klar, das favorisierte Team auch. Aber spannend wird es in Tokio dennoch werden!

Abschied mit Silber

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Bella Rose und Isabell Werth in ihrer letzten gemeinsamen Grand Prix Kür, in der sie heute im Vergleich zu den Vortagen nochmal eine Schippe drauflegen konnten. Silber! (© www.sportfotos-lafrentz.de)

Ja, es war spannend! Am Ende gewinnen Isabell Werth und Bella Rose in Tokio Silber hinter Jessica von Bredow-Werndl und Dalera, nachdem sie zuvor zusammen mit Dorothee Schneider und Showtime das 14. olympische Mannschaftsgold für Deutschland klargemacht hatten.

Werth nach ihrem Ritt: „Es hat sich wirklich super angefühlt. Die Stute war fantastisch. Ich glaube wirklich, es war ihre beste Kür. Wenn man dann so über die Mittellinie geht nach zwei Wochen und bei diesem Wetter und Umständen, dieses Pferd noch so eine Mittellinie zelebriert und so Piaffe, Passage macht, dann war das einfach Gänsehaut pur. Und wenn du dann rausgehst und sagst, ich wüsste nicht, was ich hätte anders, besser machen können, dann bin ich total happy und zufrieden, dass es Silber ist. Ich habe gedacht am Ende, vielleicht hat’s gereicht, aber egal, ich war einfach nur glücklich über diese Prüfung!“

Es ist Bella Roses letzter Auftritt auf der ganz großen Bühne. Mit ihren 17 Jahren soll sie vielleicht noch ein Abschiedsturnier gehen. Aber dann wartet eine neue Aufgabe auf sie: Mama werden!

Babysitter hat’s ja genug bei Isabell Werth, die ihre Oldies bei sich am Hof auf der Weide behält. Satchmo steht dort, der dem Baby von seinem WM-Auftritt in Aachen erzählen kann, Don Johnson, der ihm verraten kann, wie man die Chefin am besten in Wohnungsnot bringt, El Santo usw.

Wir sagen: Ciao, Bella!

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Isabell Werth und Bella Rose (© www.toffi-images.de)

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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