Carl Hesters Nip Tuck, das Pferd ohne Grundgangarten, das Pokemons sah, ist tot

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Carl Hester und Nip Tuck bei den Europameisterschaften 2017 in Göteborg. (© Pauline v. Hardenberg)

Nip Tuck, in Dressurkreisen als „Barney“ bekannt, lebt nicht mehr. Der große Wallach, Olympiapferd und auf dem Podium beim Weltcup-Finale mit dem Briten Carl Hester, musste nach kurzer Krankheit eingeschläfert werden.

Nip Tuck hat vielleicht wie kein zweites Pferd die Meisterschaft im Sattel von Carl Hester dokumentiert. Der KWPN-Wallach, ein Sohn des Oldenburgers Don Ruto v. Don Gregory, war groß und das war es eigentlich auch schon. Besitzerin Jane de la Mare hatten den Braunen zu Carl Hester gebracht, damit er ihn ausbilden möge. Dass „Barney“, wie er schon bald im Stall des Mannschafts-Olympiasiegers heißen sollte, es einmal bis zu den Olympischen Spielen schaffen würde, wollte und konnte keiner zu dem Zeitpunkt glauben.

„Barney“ war zwar groß, Stockmaß deutlich über 1,80 Meter, aber seine Grundgangarten lagen eher im übersichtlichen Qualitätsbereich. Dazu war er ein eher ängstliches Pferd, das Gefahren vorausahnte und Gespenster an jeder Ecke lauern sah. Ein Talent für die versammelnden Lektionen Piaffen und Passagen hatte er, viel mehr aber auch nicht.

Carl Hester bildete Nip Tuck aus. Irgendwann bat ihn Besitzerin de la Mare inständig, den Wallach „nur ein einziges Mal“ auf einem Turnier zu reiten. Hester ließ sich überreden, wenngleich er nicht wirklich überzeugt von dem Gedanken war. Das Turnier lief besser als erwartet. Als „Barney“ zuhause alle Grand Prix-Lektionen – abgesehen von Trabverstärkungen, die konnte selbst „Carl der Große“ dem Hünen mit dem Hasenherz nicht beibringen – beherrschte, schlug erneut die Stunde der Besitzerin. Sie bekniete Hester, Nip Tuck „nur ein einziges Mal“ in einem Grand Prix an den Start zu bringen.

Wieder klappte es besser als erwartet. Aus dem „nur ein einziges Mal-Pferd“ wurde ein Grand Prix-Pferd, später ein Team-Pferd für Großbritannien. Carl Hester und Nip Tuck waren in Equipen am Start, die Großbritannien zur Mannschaftssilbermedaille bei den Olympischen Spielen 2016 (Einzel Platz sechs), den Weltmeisterschaften in Caen 2014 (Einzel Platz zwölf) und den Europameisterschaften 2015 führten. Bei den Europameisterschaften in Aachen 2015 und Göteborg 2017 landete das Duo Carl Hester/Nip Tuck in allen Prüfungen jeweils unter den Top 10. In Rio habe „Barney“ Pokemons im Viereck gesucht, bilanzierte Carl Hester in gewohnt launiger Betrachtungsweise den nicht ganz spannungsfreien Ritt.

Nip Tuck at his best: Platz drei für Barney und Carl Hester beim Weltcup-Finale 2017

Der größte Erfolg des Paars sollte aber das Weltcup-Finale in Omaha im Jahr 2017 werden. Hester hatte eine Kür erdacht, die die technischen Stärken des Wallachs an den Anfang stellte. Bereits auf der ersten Mittellinie nach dem Gruß ritt er so ziemlich alles, was man an Höchstschwierigkeiten zeigen konnte. Piaffe-Pirouetten, Serienwechsel, doppelte Galopppirouetten. Ganz zum Schluss erst hatte er dann die geforderte Meterzahl starken Trab eingebaut. Die deutsche Richterin Katrina Wüst, gern als Kürpäpstin bezeichnet, sagte einmal, dies sei die cleverste Kürchoreographie gewesen, die sie je gesehen hat.

In Omaha hatte Hester die Lacher bei der Pressekonferenz auf seiner Seite, als er nach der Musikauswahl, die ihm Platz drei hinter Isabell Werth und Weihegold sowie Laura Graves (USA) und Verdades beschert hatte, gefragt wurde. Die war eher altmodisch, nichts Verspieltes: „Mal ehrlich, wenn wir beiden dahinein galoppieren, da wäre doch etwas Tänzerisches fehl am Platz. Das sieht doch mehr wie Kavallerie aus, und so soll sich das auch anhören.“

Das Sensibelchen Nip Tuck hatte in Omaha zunächst kaum gefressen, weil sein Kumpel, Olympiasieger Valegro, erstmals nicht mitgeflogen war. So hatte „Barney“ niemand an seiner Seite, „der ihm die Hand hielt“, so Hester.

2019 verabschiedete sich Nip Tuck mit Platz zwei im CDI4*-Grand Prix von Windsor aus dem Sport. 54 internationale Prüfungen hat der Wallach bestritten. Seine Rente hat er bei Jane de la Mare verbracht.

In den letzten Wochen hatte sich sein Gesundheitszustand rapide verschlechtert. Am 25. September musste Nip Tuck eingeschläfert werden. Er sei auf ein Stück Gras gegangen, die Sonne schien und Barney legte sich hin, als wolle er signalisieren, dass es OK für ihn sei, nun zu gehen, schreibt seine Besitzerin Jane da la Mare auf Instagram. Der große Wallach mit dem kleinen Herzen wurde 19 Jahre alt.

 

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Tom Jones

    Das sind die herzerwärmenden Geschichten, die mir Mut machen, um weiter an das Gute im Dressursport zu glauben und mich heute erneut in den Sattel zu schwingen…

    Vielen Dank für den Artikel!


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