Charlotte Dujardin: Wer ist die Reiterin, die ein Pferd geschlagen haben soll?

Von
Bildschirmfoto 2018-09-15 um 00.35.03

Die WM-Dritten von 2018, Charlotte Dujardin und Freestyle. (© Pauline von Hardenberg)

Wer ist Charlotte Dujardin? Diese Frage stellt sich niemand, der sich für Reitsport interessiert, denn die Britin gehört zu den ganz großen Namen. Sie ist mehrfache Olympiasiegerin in der Dressur und galt bis vor wenigen Tagen als Vorzeigereiterin und Vorbild für viele andere. Aufgrund eines Videos, auf dem tierschutzrelevantes Verhalten durch die Britin zu sehen ist, wurde sie vom Weltreiterverband suspendiert und wird nicht an den Olympischen Spielen 2024 teilnehmen. St.GEORG blickt auf ihre Karriere.

Über zehn Jahre ist es her, dass der Stern von Charlotte Dujardin am Dressurhimmel im Sattel des KWPN-Wallachs Valegro aufging. Die 39-Jährige hat Rekorde gebrochen und Medaillen geholt. Charlotte Dujardins Stern leuchtete immer heller. Bis vor zwei Tagen als Dujardins Vorzeigekarriere schlagartig einen Tiefpunkt erreichte – kurz vor dem Start von Olympia 2024. 

Charlotte Dujardin von Carl Hester entdeckt

Charlotte Dujardin wurde 1985 im britischen Enfield geboren. Bereits im Alter von zwei Jahren begann sie das Reiten und sammelte später erste Dressurerfahrungen bei Debbie Thomas. Im Alter von 16 Jahren beendete Dujardin die Schule, arbeitete fortan als Praktikantin bei Judy Harvey und bildete erstmalig Pferde aus. 2006 wurde sie für die Europameisterschaften der Jungen Reiter nominiert.

2007, Dujardin war mittlerweile 21 Jahre alt, sollte sich ihr Leben ändern. Sie nahm an einer Unterrichtseinheit beim britischen Dressurreiter Carl Hester teil und der war von Charlotte Dujardins Talent begeistert. Hester bot der jungen Reiterin einen Aushilfsjob in seinem Stall an. Sie nahm das Angebot an und sie blieb.

Charlotte Dujardin und Valegro: eine steile Karriere

Als Angestellte bei Carl Hester bekam Charlotte Dujardin die Möglichkeit, einen 2002 geborenen KWPN Wallach v. Negro auszubilden: Valegro. 2010 folgte der erste größere Erfolg des Paares, Dujardin und Valegro gewannen die Britischen Meisterschaften.

Anfang 2011 ging Charlotte Dujardin erstmalig auf Grand Prix-Niveau an den Start. Im März folgten die ersten internationalen Auftritte mit Valegro im französischen Vidauban. Auf Anhieb siegte das Paar auf internationalem Parkett.

Ebenfalls noch im Jahr 2011 gehörten Charlotte Dujardin und Valegro zur britischen Equipe bei den Europameisterschaften in Rotterdam. An der Seite von Entdecker und Chef Carl Hester kürten sie sich zum Mannschaftseuropameister. Die erste Medaille für das Paar, viele weitere sollten noch folgen.

Beim Horses and Dreams in Hagen 2012 setzten Charlotte Dujardin und Valegro ein Ausrufezeichen. Im Grand Prix Special knackten sie den bis dato geltenden Weltrekord von Edward Gal und Totilas und setzten mit 88,022 Prozent das neue Maß.

Die ersten Olympischen Spiele 2012

Nur gut ein Jahr nach ihrem internationalen Turnierdebüt gehörten Charlotte Dujardin und Valegro zum britischen Aufgebot für die Olympischen Spiele 2012 in London. Vor heimischem Publikum knackte das Paar erneut Rekorde: 83,784 Prozent lautete die Wertung im olympischen Grand Prix, neuer Weltrekord. Als Mannschafts- und Einzelolympiasieger, es waren die ersten olympischen Medaillen für Großbritannien in der Dressur, kehrten Charlotte Dujardin und Valegro in den heimischen Stall zurück. Nach Olympia 2012 nahm Charlotte Dujardin als erste Britin überhaupt die Spitzenposition in der Weltrangliste ein.

Im April 2014 folgte das erste Weltcup-Finale in Lyon für die Britin. Auch hier war sie mit Valegro am Start und blieb unschlagbar.

Ein weiteres Highlight im Jahr 2014 war die Olympia London International Horse Show. Das Paar knackte seine eigenen Rekorde im Grand Prix (87,460) und in der Grand Prix Kür (94,300).

Zwei Jahre später, nach dem Dujardin und Valegro 2016 erneut olympisches Einzelgold und Mannschaftssilber gewannen, wurde der Wallach an selber Stelle aus dem Sport verabschiedet. 14 Jahre alt war er zu diesem Zeitpunkt und 14 Medaillen sammelte er im Laufe seiner Karriere bei Olympischen Spielen, Weltreiterspielen und Europameisterschaften.

Pauline von Hardenberg

Charlotte Dujardin und Valegro in der Dressurkür bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro. Es war das letzte Turnier des Negro-Sohnes. Als Olympiasieger verabschiedete er sich aus dem Sport. (© Pauline von Hardenberg)

Charlotte Dujardin und Valegro: Die Medaillenübersicht

Europameisterschaften

2011 Mannschaftsgold

2013 Einzelgold im Grand Prix Special und in der Kür, Bronze mit der Mannschaft

2015 Einzelgold im Grand Prix Special und in der Kür, Silber mit der Mannschaft

Weltreiterspiele

2014 Einzelgold im Grand Prix Special und in der Kür, Silber mit der Mannschaft

Olympische Spiele

2012 Einzel- und Mannschaftsgold

2016 Einzelgold und Mannschaftssilber

Charlotte Dujardin nach Valegro

Als Dujardins neuer Valegro galt die Fidermark-Tochter Mount St. John Freestyle. 2018 trat die damals neunjährige Stute erstmals in Erscheinung und gewann bei den Weltreiterspielen in Tryon Einzel- und Mannschaftsbronze.

Bei den Europameisterschaften im darauffolgenden Jahr lagen die Briten auf Silberkurs. Dann wurde allerdings Blut an der Flanke von Freestyle festgestellt. Dujardin wurde disqualifiziert, das britische Team fuhr ohne Medaille nach Hause. Die Stute wurde danach nur dosiert auf Turnieren eingesetzt bis es ganz still um sie wurde. Sie ging in die Zucht, wurde aber weiter fit gehalten. Mitte 2023 trat Freestyle mit neuer Reiterin wieder im Viereck auf.

Neben Freestyle hatte Charlotte Dujardin auch den Apache-Sohn Gio im Großen Sport. Er war Dujardins Pferd für die Olympischen Spiele 2021 in Tokio, wo sie Einzel- und Mannschaftsbronze gewannen. Kurz danach wurde Gio an die britische Nachwuchsreiterin Annabella Pidgley verkauft.

Die aktuelle Olympiahoffnung: Imhotep

An den Olympischen Spielen 2024 wollte Charlotte Dujardin mit dem Everdale-Sohn Imhotep teilnehmen. Wie auch Valegro steht auch der elfjährige Wallach zumindest teilweise im Besitz von Carl Hester. Der hat seine Kollegin zunächst nicht auf den wilden Wallach lassen wollen, zu groß sei die Gefahr gewesen. Mittlerweile wurde eine Lösung gefunden. Imhotep lebt 24 Stunden auf der Weide, das hält sein Temperament in Schach.

Im Mai 2022 hatten Dujardin und Imhotep ihren ersten internationalen Auftritt. Seitdem gehörte Imhotep zum britischen Team bei den Weltmeisterschaften 2022 in Herning und bei den Europameisterschaften 2023 in Riesenbeck, wo sich Mannschaftsgold und zweimal Einzelbronze im Special und in der Kür gewannen.

24. Juli 2024 – Der Tiefpunkt der Karriere

Bis vor wenigen Tagen galt die Karriere von Charlotte Dujardin als beispielhaft. St.GEORG berichtete bereits über die Chronologie der Geschehnisse, die die Britin an den bisherigen Tiefpunkt ihrer Karriere brachten.

Am 22. Juli reichte ein niederländischer Anwalt ein Video bei der FEI ein. Darauf zu sehen: Charlotte Dujardin, die in der Funktion der Trainerin mit einer Peitsche mehrfach in Richtung der Beine eines augenscheinlich überforderten und unter Druck gebrachten Pferdes schlägt.

Am 23. Juli meldete sich Charlotte Dujardin zu Wort. Sie bestätigte, dass sie auf dem Video zu sehen ist, schrieb, dass das Video vor vier Jahren entstanden ist, und bedauerte den Vorfall. Die Britin ist von der FEI für die Dauer des Verfahrens suspendiert worden und wird erstmal an keinen weiteren reitsportlichen Wettbewerben teilnehmen. Darunter fallen auch die unmittelbar bevorstehenden Olympischen Spiele 2024 in Paris, an denen sie nun, anders als geplant, nicht teilnehmen wird. Wie lange das Verfahren dauern wird und wie lange Dujardin damit suspendiert bleiben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzusehen.

auch interessant

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Tina GummarVolontärin

Als Volontärin seit März 2023 in der Redaktion St.GEORG dabei. Kommt aus einer Pferdefamilie, hat die Fohlen ihres Großvaters aufwachsen gesehen, sie angeritten, ausgebildet, auf Turnieren vorgestellt und verkauft. Erfolgreich in Springprüfungen Klasse M2*. Ausbildungsmodul an der Akademie für Publizistik, Expertise in Jungpferdeausbildung und Trainingslehre.

stgeorg_newsletter_booklet
  1. A. Schramm

    Das wirklich Schlimme daran ist, dass Charlotte Dujardin sich selber immer als Jemanden dargestellt hat, der das Pferd als „Happy Athlete“ in den Mittelpunkt stellt. Mit den bestehenden Vorwürfen wird das alles komplett ad absurdum geführt, ist sie dann auch nur eine, für die der Sport über der Kreatur Pferd steht.
    Dabei ist es dann sogar egal, ob das Video tatsächlich die Vorwürfe in Gänze bestätigt, den Ruf wird sie (und auch Carl Hester?) nicht wieder herstellen können.
    Der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos durch Meneer Wensing ist extrem gut gewählt, um dafür zu sorgen, dass der Dressursport aus dem olympischen Programm gestrichen wird. Für mich ein Unding, wenn die Vorwürfe so drastisch sind, wie sie sich in den Medien darstellen, hätte die Veröffentlichung sofort und direkt nach dem Vorfall stattfinden müssen.

    • Jan Tönjes

      Das ist nicht einfach. Aus den Niederlanden wurde eine Dame aus Down Under als Urheberin benannt, die das aber in einem Statement strikt abgelehnt hat, wohl aber vor Ort war. Da wir uns an Fakten halten müssen, können wir deren Namen aber nicht nennen.

  2. Miriam

    „Dann wurde allerdings Blut an der Flanke von Freestyle festgestellt. Dujardin wurde disqualifiziert, das britische Team fuhr ohne Medaille nach Hause.“

    Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten die Alarmglocken schon schrillen müssen und die allgemeine Lobhuddelei über Dujardin beendet werden müssen.

    Aber natürlich sind solche Dinge immer nur „Einzelfälle“ und wenn dann – Jahre später! – mehr ans Tageslicht kommt, sind alle immer bass erstaunt.

    Erbärmlich. Ebenso wie die Tatsache, dass man dieses Video erst jetzt veröffentlicht hat. Ich möchte nicht wissen, wieviel Pferde in den letzten 4 Jahren ebenfalls in den Genuss dieses „Trainings“ kamen…

  3. Lisa

    Das ist doch Gang und Gäbe im Pferdesport, da werden noch viele sogenannte Pferdeliebhaber auffliegen. Oder es setzt sich endlich mal der gesunde Menschenverstand durch und man untersagt, dass Pferde als Sportgeräte benutzt und missbraucht werden. Selber laufen und springen, das wäre Sport!


Schreibe einen neuen Kommentar