Der sechsfache U25-Europameister Raphael Netz verlässt Aubenhausen

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Raphael Netz beim Training in Aubenhausen

Raphael Netz beim Training in Aubenhausen (© toffi-images.de)

Raphael Netz ist ganz sicher eines der größten reiterlichen Talente, die Deutschland hat. „Groß“ wurde er unter den Fittichen der Geschwister Werndl in Aubenhausen. Nun beschreitet er neue Wege.

Zusammen mit seiner Freundin, der U25-Reiterin Selina Söder, will Raphael Netz sich selbstständig machen. Am 1. Mai ziehen die Pferde auf das Gut Weiglschwaig in Moosburg an der Isar. Netz und Söder pachten eine Stallgasse.

Zu den Pferden, die mit umziehen, zählen Netz‘ aktuelle Toppferde, vor allem Great Escape Camelot, aber auch der Dante Weltino-Sohn Dieudonné, auf den Netz ganz große Stücke hält. Beide gehören Sonja Krall, die für sich den Edward-Sohn Exclusive BB von Beatrice Bürchler-Keller geleast hat und mit Netz trainiert. Ebenfalls mit umziehen wird Netz‘ alter Freund In2ition, den er einst selbst entdeckt und ausgebildet hat. Mittlerweile ist er verkauft an eine weitere Schülerin von Netz, Marie Antoinette Leviste, die ebenfalls mit nach Moosburg geht. Außerdem ziehen noch einige Nachwuchspferde mit um.

Raphael Netz hat den Stall also bereits voll. Selina Söder wird ihr eigenes Pferd Grey Lamberto mitnehmen. Zaire-E, die KWPN-Stute, die sie von Jessica von Bredow-Werndl geleast hatte, ist bei der EM 2023 ist ihr letztes Turnier gegangen und genießt nun ihre Rente. Auf Dauer möchten Söder und Netz den eigenen Stall zusammen führen. Allerdings ist die Mannschaftseuropameisterin des Vorjahres derzeit noch mit ihrem BWL-Masterstudium ausgelastet. „Das wird sich alles entwickeln“, ist Netz sich sicher.

Er schaut mit Vorfreude in die Zukunft. „Mir war immer klar, dass ich irgendwann etwas eigenes haben möchte, schon ehe ich überhaupt in Aubenhausen angefangen habe. Ich wusste, dass ich spüren würde, wenn der richtige Zeitpunkt da ist. Und der ist jetzt.“

Als er erfuhr, dass Max Wadenspanner Gut Weiglschwaig verlässt und dort ein Stalltrakt frei wird, setzte er sich mit Betreiber Philipp Mücke in Verbindung, den er von den bayerischen Turnieren bereits kannte. Man vereinbarte einen Termin, lernte sich kennen und die Chemie stimmte. „Ich finde es sehr wichtig, dass es auch menschlich harmoniert“, sagt Netz, denn „eine positive Atmosphäre ist wichtig für die Pferde“. Die finden auf Gut Weiglschwaig „alles, was das Pferdeherz begehrt“ so Netz, von großen Weiden und Boxen bis hin zu einem riesigen Außenplatz fürs Training.

Der Fokus liegt weiter auf der Ausbildung der Pferde vom Youngster bis Grand Prix. „Unterricht werden wir auch geben, aber nur selektiv“, so Netz. Einen Handelsstall will er keinesfalls haben. „Aber sicherlich werden wir ab und an auch mal ein Pferd verkaufen, das gehört ja auch dazu.“

Raphael Netz – Ausnahmetalent

Eine Ausbildung als Pferdewirt hat Raphael Netz nicht. Das passt zu seiner auch ansonsten eher unkonventionellen Karriere. Netz stammt gebürtig aus Wiesbaden. Keiner in seiner Familie hatte etwas mit Pferden zu tun. Aber Netz war schon als Zweijähriger kaum zu halten, sobald er ein Pferd erblickte. Mit vier durfte er erste Reitstunden nehmen. Viele Reitbeteiligungen und Pflegepferde später hatte er seine Eltern endlich überzeugt, dass es ihm mit der Reiterei ernst ist.

Sein erstes eigenes Pferd war ein dreijähriger, noch nicht angerittener Haflinger namens Aki. Netz war neun. „Aki und ich, wir waren wie Brüder“, sagte er mal. Ein bisschen Springen und ohne Sattel herumjuxen gehörte genauso dazu wie ernsthaftes Dressurreiten. Für die Welt zwischen A und C konnte Netz sich schon immer begeistern. Er war 13, Aki sieben als die beiden ihre erste Schleife in Klasse S holten.

Dabei hatten sie keine großen Trainernamen an ihrer Seite. Netz‘ Reitlehrerin hat ihm bis zur Klasse L geholfen, danach war er mehr oder weniger Autodidakt. Einmal im Jahr saß der Wiesbadener beim Pfingstturnier am Viereck und hat den Großen zugeschaut. Ansonsten dienten ihm Videos als Inspiration, um das Gesehene mit Aki nachzureiten. Die beiden waren erfolgreich, schafften es in den Landeskader und Netz durfte auch Ponys anderer Besitzer reiten.

So verging die Ponyzeit und es stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte mit der reiterlichen Karriere von Raphael Netz. Den finanziellen Background, der es einem Junior ermöglicht, ganz vorne mitzureiten, hatte er nicht. Gut, dass es Social Media gibt. Hier stieß nämlich keine Geringere als Jessica von Bredow-Werndl auf Reitvideos von Netz und war angetan. Sie schrieb ihm eine E-Mail und lud ihn zum Vorreiten ein. Netz, damals 17 Jahre jung, setzte sich in den Zug und fand in Aubenhausen eine neue Heimat, sportlich wie privat. Das ist nun acht Jahre und sechs U25-EM-Goldmedaillen her. Mit dem Johnson-Sohn Great Escape Camelot ist Netz in der Weltspitze angekommen, ist Nummer 20 der Weltrangliste.

Wem er das – von den Pferden mal abgesehen – zu verdanken hat, weiß er: „Jetzt beginnt für mich zwar ein neues Kapitel, aber die Erinnerung an diese wunderbare Zeit werde ich immer in meinem Herzen tragen. Ich freue mich, dass wir auch weiterhin so toll in Kontakt stehen werden, denn Freunde sind schließlich die Familie, die wir uns selbst aussuchen.“

 

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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