Wir schreiben das Jahr 2015. Die Ära eines schwarzen Hengstes geht zu Ende, Scott Brash wird erster (und bislang einziger) Gewinner des Rolex Grand Slam of Showjumping, der erste zweieinhalbjährige Hengst kommt für einen siebenstelligen Betrag unter den Hammer kommt usw. Und das ist erst das vor-olympische Jahr. Mit anderen Worten: Da kommt noch was! Viel Spaß!
2015
Das traurige Ende der Ära Totilas
Seit den Europameisterschaften 2011 haben Matthias Alexander Rath und Totilas kein Championat mehr bestritten. 2012, bei den Olympischen Spielen in London, fällt Rath selbst wegen Pfeiffer’schen Drüsenfiebers aus. Danach hatte Totilas immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.
Doch 2015 ist es nun so weit. Europameisterschaften zuhause, in der Aachener Soers. Totilas, der gehypte „Wunderhengst“, soll wieder für Deutschland gehen – ungeachtet der Tatsache, dass der Reiter mit Sjef Janssen trainiert, dessen Methoden äußerst umstritten sind, und ebenfalls ungeachtet der Anstellung vom an der Nominierung beteiligten Dressurausschussvorsitzenden Klaus Röser bei der Firma PST, die wie Totilas im Besitz von Paul Schockemöhle steht.
Schon beim Abreiten reiben einige Umstehende sich staunend die Augen: Geht der Hengst ungleich? Dann Auftritt Grand Prix. Das Viereck wurde wie auch schon bei den Weltreiterspielen 2006 für das Championat im großen Stadion aufgebaut. Totilas betritt die Soers. Bei aller Kritik, die man an dem Rappen hat oder hatte, eines kann ihm niemand absprechen: Er hatte eine Ausstrahlung wie kein Zweiter! Wie ein König kommt er herein, sich seiner Erscheinung und seiner Wirkung offensichtlich voll bewusst. Mucksmäuschenstill ist es in der Soers.
Doch schon nach dem ersten starken Trab ein Raunen im Publikum: Der Hengst tritt hinten ungleich. Deutlich. Um nicht zu sagen, er lahmt. Es ist ein Bild des Jammers. Rath reitet die Prüfung zu Ende, marschiert auf, grüßt. Totilas senkt den Kopf, schont das Hinterbein, das zuvor deutlich kürzer trat. Es mag vermenschlicht klingen, aber dieses stolze, selbstbewusste Pferd sieht aus wie gebrochen. Was für ein unwürdiges Ende der Karriere eines Pferdes, das so viele Menschen bewegt hat!
Die Richternoten sagen mehr als 1000 Worte – Bewertungen von über 80 Prozent sind dabei. Aber zwei der Unparteiischen brechen aus aus dem reflexhaften Höchstnoten-Hinterhergeschmeiße: Katrina Wüst gibt 72,9 Prozent, Jean-Michel Roudier aus Frankreich 71,6 Prozent. Platz 20 und 21. Da hat man keine Fragen mehr. Wie gesagt, ein in jeder Hinsicht trauriges Ende der Karriere dieses Pferdes, dessen Namen auch Menschen kennen, die ansonsten Isabell Werth nicht von Ludger Beerbaum unterscheiden können (und hartnäckig von „Tortilla“ oder ähnlichem sprechen).
Erfreulich allerdings das Video kurz vor Weihnachten vergangenen Jahres, das einen topfitten nun 20-jährigen Totilas unter dem Sattel zeigt. Wenigstens das.
Der silberne Desperados
Es gibt aber auch Erfreuliches von den Europameisterschaften in Aachen zu berichten. Zwar ist auch dieses Jahr kein Vorbeikommen an Charlotte Dujardin und Valegro, aber Kristina Bröring-Sprehe und Desperados sind ganz nah dran! Der De Niro-Sohn ist in der Form seines Lebens. Im Grand Prix wirkt er noch etwas matt. Aber dann steigert er sich von Prüfung zu Prüfung. Am Ende wurde es sowohl im Special als auch in der Kür jeweils Silber hinter dem britischen Dreamteam. Wobei insbesondere die Entscheidung in der Kür, wo Bröring-Sprehe und Desperados bis auf 0,25 Punkte an die Goldmedaille herankamen, strittig war. Das Publikum quittierte die Notenvergabe für Dujardin, die Fehler in den Einerwechseln hatte, mit Buhrufen – sportlich fair gegenüber der Siegerin ist das nicht. Aber es gab einige, die in der Kür Kristina Sprehe an der Spitze gesehen hätten.
Überraschungsgold für Holland und letzter Auftritt Undercover
Deutschland gewinnt Bronze in der Mannschaftswertung bei den Europameisterschaften. Man hatte sich mehr erhofft. Aber die Medaillenfarbe ist ohnehin irrelevant angesichts des Dramas um Totilas und der Frage, wieso ein lahmes Pferd für Deutschland geht, die sich die Verantwortlichen gefallen lassen müssen.
Das Gold geht in die Niederlande, die im Vorfeld zögerlich zugegeben hatten, auf Bronze zu hoffen. Nun ließen sie nicht nur die Deutschen hinter sich, sondern auch die Briten, für die neben Dujardin auch deren Mentor Carl Hester auf Nip Tuck, dessen andere Schülerin Fiona Bigwood mit Orthilia und Michael Eilberg mit Markov.
Punktbestes Paar für die Niederlande waren Edward Gal und Undercover. Der Ferro-Sohn ging im Grand Prix die Prüfung seines Lebens und war eigentlich das einzige Pferd, das ganz ohne Patzer blieb. An seiner Seite in der Mannschaft unter der Führung des gut ein Jahr später an einem Gehirntumor verstorbenen Wim Ernes: Gals Lebensgefährte Hans Peter Minderhoud mit Johnson, Diederik van Silfhout auf Arlando und Patrick van der Meer mit Uzzo.
Diese Medaille, dieser Grand Prix war auch die letzte Heldentat von Undercover. Der Ferro-Sohn war im Grand Prix Special über die Uhr. Gal saß auf einem Pulverfass, eine Sekunde vor der Detonation. Die Richter gaben zwar dennoch Höchstnoten für den Beginn ihrer Aufgabe, aber dann war es in gewisser Hinsicht Undercover selbst, der dem unwürdigen Schauspiel ein Ende bereitete: Er begann aus dem Maul zu bluten. Disqualifikation. Danach war die Saison für den Rappen beendet. Und seine Karriere schlussendlich auch. Gal versuchte zwar noch ein Comeback auf einem Drei-Sterne-Turnier im Frühjahr darauf, musste aber feststellen, dass die Pause nicht dazu geführt hatte, dass Undercovers Nerven sich beruhigen. Seitdem war er nie wieder ein Turnier gegangen, wurde aber auch nie offiziell verabschiedet. Das geschah erst 2018 – aber auch das ohne TamTam.
One Gold-Wonder
Die Vielseitigkeitseuropameisterschaften wurden im schottischen Blair Castle ausgetragen. Und wie sagen die Briten so schön? No matter the weather! In der Tat war die EM eine ziemliche Schlammschlacht. Aber die Deutschen kann das nicht aufhalten. Erneut gewinnen sie Mannschaftsgold und Michael Jung verteidigt seinen Titel. Dazu gibt es noch Silber für die Weltmeister Sandra Auffarth und Opgun Louvo.
Dabei sitzt Michael Jung auf einem quasi „grünen“ Pferd, dem damals erst achtjährigen Takinou. Vor der EM war das Ausnahmetalent gerade mal zwei Drei-(heute Vier-)Sterne-Prüfungen gegangen. Lang in Strzegom (Platz eins) und kurz in Aachen (Rang fünf). Dann folgte die EM-Nominierung, wo Takinou seinem Reiter mit seinem Dressurergebnis souverän aufs oberste Treppchen und zu einem Handschlag der Queen verhilft.
Doch so viel versprechend die Karriere des heute 13-jährigen Fuchses beginnt, bislang ist es das erste und letzte Championat für ihn geblieben. Im Jahr darauf siegt er in Aachen und ist Zweiter in Pau. 2017 geht er nur zwei CIC2*-Turniere, von denen er bei einem direkt nach der Dressur zurückgezogen wird. 2018 stellte Michael Jungs italienischer Stallreiter Pietro Grandis ihn beim CIC1* Arville vor, zieht ihn aber vor dem Springen zurück. 2019 geht der Wallach zwei Turniere, von denen er eines beendet.
Für Ingrid Klimkes Hale Bob ist Blair Castle übrigens das erste Championat, das er auf Rang fünf abschließt. Seine Zeit kommt noch!
Der fliegende Schotte und sein Wunderpferd
2015 findet der CHIO Aachen früher statt als gewohnt, weil im Sommer die Soers im Sommer auch Gastgeber der Europameisterschaften ist. Scott Brash hatte im Dezember den Großen Preis von Genf gewonnen, einen der damals noch drei Rolex Majors, also Etappen des Grand Slam of Showjumping. Dahinter verbirgt sich eine Serie, bei der den Reitern ein Millionen-Bonus winkt, so sie die drei Großen Preise von Genf, Aachen und Spruce Meadows in Folge gewinnen. Reihenfolge egal. Wer zweimal hintereinander siegreich ist, bekommt schon mal 500.000 Euro. Brash hat also alle Chancen in der Hand.
Natürlich sattelt er für den großen Tag sein Paradepferd, den Belgier Hello Sanctos, der einst auch von der Deutschen Katharina Offel geritten wurde. Seine größten Erfolge feiert der Quasimodo van de Molendreef-Sohn allerdings mit Brash im Sattel – angefangen mit Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen im eigenen Land und ein Jahr später bei der EM in Herning, wo es auch noch Bronze in der Einzelwertung gab. Hinzu kommen unzählige Große Preise und Global Champions Tour-Etappen, die Hello Sanctos für sich entscheidet. Kurz: Brashs Chancen, auf einen Schlag um 500.000 Euro reicher zu werden, stehen gut, als er in der Soers für das Stechen um den Großen Preis einreitet. Er ist letzter Starter. Zu schlagen sind 48,37 Sekunden, die Daniel Deußer und Cornet d’Amour vorgelegt hatten.
Brash galoppiert an. Atemlose Stille in der Soers. Nur Hello Sanctos‘ Atem und Hufschlag sind zu hören. Sie überwinden ein Hindernis nach dem anderen. Daniel Deußer zittert draußen, macht sich aber keine Illusionen: „Wenn Scott null bleibt, wird es schwer, ihn zu schlagen.“ Nicht nur schwer, sondern in der Tat unmöglich. Nach 48,04 Sekunden kommen Brash und Hello Sanctos ins Ziel – Sieg. Der Lohn für die Mühe: 830.000 Euro. 330.000 sofort, den Rest, wenn er auch in Spruce Meadows an den Start geht.
Der wartet alljährlich im September auf die Reiter. Scott Brash hatte mit seinen Besitzern und der Mannschaftsführung ausgehandelt, dass Hello Sanctos nicht bei der EM in Aachen für Großbritannien startet, sondern dass er ihn gezielt auf Rolex Major Nummer drei vorbereiten kann.
Da sind sie nun. Spruce Meadows gilt als der schwierigste Große Preis der Welt. Noch anspruchsvoller als Aachen. Am Ende sind Brash und Sanctos das einzige Paar, dem zwei fehlerfreie Umläufe gelingen. Sowohl Pieter Devos (BEL) auf Dylano als auch Pedro Veniss (BEL) mit Superstar Quabri de L’Isle leisten sich zwar keinen Abwurf, kassieren aber je einen Zeitstrafpunkt.
Damit steht fest: Scott Brash ist der erste Reiter, der den Rolex Grand Slam of Showjumping gewinnt. Und bisher auch der einzige.
Die Pferdesteuer ist da
2014 wurde sie angekündigt, 2015 wird sie eingeführt: die Pferdesteuer. Ähnlich wie auch für Hunde werden Pferdehalter mit der Bagatellsteuer zur Kasse gebeten. Gerade in Hessen kämpfen die Gemeinden ums Überleben. Die Pferdesteuer soll dabei helfen. Bad Sooden-Allendorf, Schlangenbad, Kirchheim und Weißenborn sind die Vorreiter in Sachen totaler Irrsinn. Inzwischen haben alle festgestellt: Die Erhebung der Pferdesteuer schafft Verwaltungsaufwand, hilft den Gemeinden aber auch nicht aus ihrer finanziellen Misere heraus. Sie wurde wieder abgeschafft – und in Schleswig-Holstein gleich ganz verboten.
Isegrims Erben
Lange Zeit galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. Nun gibt es wieder wilde Rudel. Die müssen essen und bedienen sich erstmals auch bei Haus- bzw. Nutztieren. Mehrere Schafe werden gemeldet. Noch gibt es keine Nachrichten von Angriffen auf Pferde. Aber die Pferdehalter, insbesondere die Züchter, sind in Sorge. Was, wenn sich ein Wolf an ihren Fohlen vergeht? Sowohl Wolfsexperten als auch Politik wiegeln ab – Wölfe vergriffen sich nicht an Pferden, heißt es meist. Doch es kommt inzwischen auch zu Begegnungen zwischen Reitern und Wölfen beim Ausreiten, etwa in der Lüneburger Heide.
Und Mitte Mai findet ein Islandpferdezüchter aus Niedersachsen den Kadaver eines seiner Fohlen – abgenagt bis auf Kopf und Halswirbelsäule. Es gebe keinen Beweis dafür, dass dies das Werk eines Wolfes war, heißt es von den Behörden. Die DNA-Probe hatte diesbezüglich keine Ergebnisse geliefert. Füchse oder wildernde Hunde werden verantwortlich gemacht.
Der Weltmeister
2015 finden die Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde zum vorerst letzten Mal in Verden statt. In den kommenden Jahren werden sie nach Ermelo in den Niederlanden verlegt. Ein dänisches Pferd in deutschem Beritt tritt als Titelverteidiger an: Sezuan vom Gestüt Peterhof unter Dorothee Schneider. Mit einer Gesamtnote von 9,72 wird Sezuan zum zweiten Mal Weltmeister, diesmal der sechsjährigen Dressurpferde. Galopp und Gesamteindruck sind den Richtern die 10 wert.
Die Silbermedaille sichern sich mit 9,5 Isabell Werths damalige Bereiterin Beatrice Buchwald und der wunderbare Schimmel Belantis v. Benetton Dream.
Der Millionen-Hengst
Hannoveraner Hengstmarkt 2015. Der Freitag der Hannoveraner Körung ist ein langer Tag. Es ist schon lange dunkel draußen als die Katalognummer 102, ein schlicht brauner, langbeiniger Westfale, die Halle betritt. Optisch ist er erst einmal ein recht normales Pferd. Aber als er antrabt, bringt er die zuvor zunehmend unruhigen Zuschauer zum Schweigen. Da schaut man hin! Elastizität, Mechanik, Takt, Takt und nochmals Takt zeigt dieser Hengst v. Rocky Lee, der auf einen Vollblutstamm zurückgeht. Großer Applaus.
Am Tag danach dann die Versteigerung der Youngster. Besagter Brauner steht ebenfalls zum Verkauf. Detlef Ruddat aus Kirchlinteln ist sein Aussteller. Gezogen wurde er von der jungen Yasemin Yanik, das erste selbst gezüchtete Pferd der Essenerin. Die Gebote schnellen in die Höhe. Zwei Dänen wetzen die Messer: Andreas Helgstrand und Esben Møller, der den Hengst gerne fürs Gestüt Blue Hors haben wollte. Doch Helgstrand hat den längeren Atem. Bei sagenhaften 1,2 Millionen Euro fällt der Hammer.
So lautet der Zuschlagspreis. Gerüchten, dass der Hengst bereits vor der Auktion für die Hälfte verkauft gewesen sein soll, setzte der damalige Zuchtleiter und Geschäftsführer in Personalunion, Dr. Werner Schade im St.GEORG-Interview entgegen:
„Leider sind diese Gerüchte im Auktionsgeschäft immer wieder zu hören. Ich kann nur für Verden sprechen und hier läuft die gesamte Abwicklung des Geschäfts korrekt. Die Abrechnung inklusive der anfallenden Gebühren orientieren sich am veröffentlichten Zuschlagspreis. (…) Die komplette Summe ist bei uns direkt nach dem Hengstmarkt eingegangen und das ist im Gegensatz zu Gerüchten belegbar.“
Man wird in den nächsten Jahren noch von dem Millionenhengst hören, der den Namen Revolution bekommt.
Initiative für Talente: die DBRA
DBRA – vier Buchstaben, die für die „Deutsche Bank Reitsport-Akademie“ stehen. 2015 ist das Geburtsjahr dieser Initiative, die von der Deutschen Bank ins Leben gerufen wurde, um den Dressurnachwuchs Deutschlands sowohl auf dem Pferd als auch in beruflicher Hinsicht auf den richtigen Weg zu bringen. Zehn Talente gehören zum Pool der DBRA-Debütanten: Annabel Frenzen, Nadine Husenbeth, Kathleen Keller, Florine Kienbaum, Hendrik Lochthowe, Victoria Michalke, Svenja Peper, Juliette Piotrowski, Sanneke Rothenberger und Charlott-Maria Schürmann.
2016
Die Olympischen Spiele in Rio werfen ihre Schatten voraus! Werden die Dressurreiter nach der Enttäuschung bei der EM wieder zu großer Form auflaufen (Kristina Bröring-Sprehe beginnt das Jahr jedenfalls schonmal auf Platz eins der Weltrangliste, Isabell Werth übernimmt die Stute Weihegold, die von ihrer Stallreiterin Beatrice Buchwald bis Grand Prix ausgebildet und zum Sieg im Louisdor-Preis geritten wurde)?
Können die Buschis erneut glänzen? Und wie werden die Springreiter sich schlagen? Es wird noch ein bisschen dauern, bis diese Fragen beantwortet sind. Doch Rio war auch nicht das einzige einschneidende Ereignis dieses Jahres.
Sporttest für Hengste
Am Regelwerk für die Hengstleistungsprüfungen wird ja seit jeher gerne herumgedoktert. Nun wird erneut reformiert. Kern der Verwandlung diesmal ist die Einführung sogenannter Sporttests für die vier- und fünfjährigen Hengste, bei denen sie disziplinspezifisch im Rahmen einer Aufgabe bzw. einem Parcours-Springen sowie unter dem Fremdreiter auf Herz und Nieren getestet werden. Die ersten Sieger heißen Fürst William und Santo Dottore bei den vier- und fünfjährigen Dressurpferden. Flic Flac und Magic Max dominieren die Springpferdekonkurrenzen. Sandra Auffarths späterer Bundeschampion Gentleman wird erster Sieger in der Kategorie „Vielseitige Veranlagung“.
Sam und der Grand Slam
Für die deutsche Vielseitigkeit bzw. in persona für Michael Jung beginnt das Olympiajahr mit einem sportlichen Paukenschlag. Er hat in Badminton die Chance auf den Rolex Grand Slam der Vielseitigkeit, den fetten finanziellen Bonus, der jenen Buschreitern winkt, die hintereinander die schwersten Prüfungen der Welt gewinnen, Kentucky, Badminton und Burghley. Reohenfolge egal.
In Kentucky trug die unverwüstliche Rocana Michael Jung 2015 zum Sieg. In Burghley war es Superstar Sam. Der soll auch in Badminton gehen. Jungs bestes Pferd, um das zu schaffen, was vor ihm nur einer Reiterin gelang: Pippa Funnel im Jahr 2003.
Sam gewinnt nicht nur, er bricht sämtliche Rekorde. Noch nie konnte die Prüfung in Badminton – die ja als die schwierigste der Welt gilt – mit 34,4 Minuspunkten gewonnen werden. Sam galoppierte mit neun Punkten Vorsprung ins Ziel. Und verhalf seinem Reiter zu mehr als einer halben Million Euro in Summe.
Es war aber nicht nur die Tatsache dass, sondern vor allem das Wie, mit dem das Dreamteam einmal mehr begeisterte. Wie an der Schnur gezogen flitzte der Dreiviertelblüter Sam durch den Park des Duke of Beaufort und sah im Ziel so aus, als könnte er direkt noch eine Runde dranhängen. Das ist Werbung für den Sport!
Den deutschen Erfolg perfekt machen Andreas Ostholt und sein Westfale So is et, die sensationell Rang zwei belegen.
Der „Pferde-Tsunami“ in Balve
Verliefen die Europameisterschaften 2015 aus Sicht der deutschen Dressurreiter noch eher enttäuschend, kündigt sich bei den Deutschen Meisterschaften im Olympiajahr eine neue Zeitrechnung in der deutschen Vierecksszene an. Von einem „Tsunami toller neuer Pferde“ spricht Fünf-Sterne-Richterin Katrina Wüst, die in der Kür bei C als Chefrichterin am Tisch sitzt.
Auf dem Kamm der Tsunami-Welle: Dorothee Schneider und Showtime. Jener Sandro Hit-Sohn, den sie schon seit dreijährig unter dem Sattel hat. Mit einer Weltklasse-Vorstellung auf Basis grundsolider Ausbildung tanzt „Showi“ in der Kür zu einem Medley von Freddy Mercurys „The Show must go on“ zum ersten Deutschen Meister-Titel für Schneider. Das Ergebnis: 86,725 Prozent. Silber geht an die zweifachen EM-Silbermedaillengewinner von 2015, Kristina Bröring-Sprehe und Desperados (86,075). Bronze holt bei seiner Kür-Premiere ein neuer Star im Stall von Isabell Werth: Emilio. Und er ist nur einer von zwei heißen Eisen, die Isabell Werth neu im Feuer hat.
Die Konkurrenz aus dem eigenen Stall für Werths Emilio heißt Weihegold. Das Comeback von Werths WM-Stute Bella Rose lässt weiter auf sich warten. Doch mit „Weihe“ und Emilio braucht sie keine Konkurrenz zu fürchten. Die einstige Oldenburger Siegerstute Weihegold (v. Don Schufro) sichert der erfolgreichsten Dressurreiterin aller Zeiten den DM-Titel im Grand Prix Special (84,294 Prozent), gefolgt von Dorothee Schneider und Showtime (83,176) und Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados (81,922).
Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Richter bei nationalen Meisterschaften vor einem Championat (erst recht vor Olympischen Spielen) immer noch einmal ein bisschen höher in die Notenkiste greifen, sind das Ergebnisse, die für Rio Großes Versprechen. Zumal nicht nur diese drei Ergebnisse mit der magischen 8 vor dem Komma erzielen. Werths Ehrenpreis-Sohn Emilio wird Vierter mit 81,098 Prozent. Dahinter landet ein Paar, das gerade erst dem Junge Reiter-Lager entwachsen ist und von dem man noch viel hören wird: Sönke Rothenberger und Cosmo mit 80,235 Prozent.
Verlobung und Großer Preis von Aachen für Philipp Weishaupt
Sieben Null-Fehler-Ritte in acht Runden – der Sieg der deutschen Mannschaft beim Nationenpreis auf heimischem Boden, dem CHIO Aachen, ist eine klare Sache. Es ist der erste seit acht Jahren. Die Helden des Donnerstag Abend heißen Christian Ahlmann auf Epleaser van’t Heike, Marcus Ehning auf Pret a Tout, Meredith Michaels-Beerbaum auf Fibonacci und Ludger Beerbaum auf Casello.
Der Held des Sonntags ist aber keiner dieser vier, sondern einer, von dem man es am wenigsten erwartet hätte – er selbst übrigens auch nicht: Philipp Weishaupt und der erst neunjährige Convall. Schon ihr Startplatz ist eher keiner, den man freiwillig haben möchte: erstes Paar. Und als sie dann auch noch ohne Spring-, aber mit zwei Zeitfehlern aus dem Parcours kommen,
Olympia 2016 – das erste deutsche Gold dank Michael Jung, Querelen bei den Buschis, Dressur-Durchmarsch und Beerbaums Bronze-Ritt
Auf und ab und wieder auf im Busch
Die ersten Medaillen der Reiter bei den Olympischen Spielen in Rio werden in der Vielseitigkeit verteilt. Die Deutschen sind die Favoriten, halten aktuell alle Titel und haben mit Michael Jung und Sandra Auffarth den Einzel-Olympiasieger 2012 und die Weltmeisterin 2014 in ihren Reihen. Doch noch ehe der erste Reiter das Dressurviereck betreten hat, knirscht es im Gebälk. Eigentlich waren die Badminton-Zweiten Andreas Ostholt und So is et neben Michael Jung auf Sam, Sandra Auffarth mit Opgun Louvo und Ingrid Klimke auf Hale Bob als Paar Nummer vier des Teams vorgesehen. Doch dann wird Ostholt gegen Julia Krajewski und Samourai du Thot ausgetauscht, für die es das erste Championat ist und die eigentlich als Reservisten vorgesehen waren.
Das Ganze ist nebulös. Begründung ist, dass So is et sich vor dem der Abreise vorgeschalteten Trainingslager ein Vordereisen abgetreten hatte und deshalb fühlig ging. Team-Tierarzt Karsten Rohde erklärt, der Wallach habe „beim Vortraben getuckt“. Auf welchem Bein, das weiß er nicht mehr. Andreas Ostholt bestreitet das auch gar nicht. Nur dass das Pferd schnell wieder klar ging und ganz normal trainiert wurde. Auch beim Vortraben in Rio gibt es nichts zu beanstanden. Dabei hat die Mannschaftsleitung Andreas Ostholt schon direkt nach der Ankunft in Rio darüber informiert, dass er nicht reiten wird. Nur sagen darf er davon nichts.
Wieso man „Soey“ dann überhaupt nach Rio fliegen ließ, erklärt Co-Bundestrainer Chris Bartle. Das Pferd sei zu Trainingsbeginn deutlich lahm gewesen, aber vor Abflug wieder fit. Ein Restrisiko habe dennoch bestanden. Dass man ihn dennoch mitgenommen hat, ist Kalkül: „Wenn wir einen richtigen Ausfall gehabt hätten, hätte man den Einsatz des Pferdes riskieren können.“
Doch dazu kommt es nicht. Ostholt muss zuschauen. Teil eins der olympischen Prüfung läuft halbwegs nach Plan: Führung für die Deutschen nach der Dressur – allerdings ist der Abstand zu den Verfolgern aus Frankreich denkbar knapp: 122 zu 122,2 Minuspunkten. Auf Bronzekurs liegen die Australier (126,4). Ingrid Klimke erreicht mit Hale Bob das beste Ergebnis des deutschen Teams, Rang vier. Direkt dahinter dann die Titelverteidiger Michael Jung und Sam, Sandra Auffarth und „Wolle“ auf Platz acht und die Championatsnewcomer Julia Krajewski und Samourai du Thot auf Rang 18. Klar ist jedoch: Diese olympische Vielseitigkeit wird nicht auf dem Viereck entschieden werden.
Steiniger Weg zu zwei Medaillen
Die Weltmeister machen den Anfang für Deutschland. Sandra Auffarths kleiner französischer Fuchs, der ja auch schon Dritter der Olympischen Spiele in London war, ist hoch motiviert. Etwas zu viel, wie seine Reiterin später sagen wird. So kommen zwei für das Paar völlig untypische Vorbeiläufer zustande, einer an Hindernis 4, dem ersten von drei Wasserkomplexen, und einer am Ende der Strecke im letzten Wasser. Wobei der am letzten Wasser später gestrichen werden wird.
Alle Hoffnungen ruhen nun auf den nachfolgenden Reitern. Michael Jung und Sam sind die nächsten. Was die beiden demonstrieren, ist Reitkunst vom Feinsten. Es gibt viele gute Reiter auf der Welt. Auch viele sehr gute. Aber es gibt nur ein Paar wie Michael Jung und Sam. Der Begriff „Harmonie“ mag in Verbindung mit Geländereiten komisch klingen. Aber bei diesen beiden passt es einfach! Auch wenn sich Sam beim Abreiten von den lautstark applaudierenden Zuschauern etwas aus der Ruhe bringen ließ. Doch als es ernst wurde, war er voll da! Am Ende kommen Jung und sein Superstar 15 Sekunden unter der erlaubten Zeit ins Ziel. Das beschert den beiden in der Einzelwertung vorläufig den zweiten Platz hinter Chris Burton auf dem neunjährigen, dem Pedigree nach eher im Dressurviereck beheimateten Santano II (v. Sandro Hit-Brentano II), denen eine ähnliche Bilderbuchrunde glückt.
Die Stimmung im deutschen Lager steigt wieder. Was macht nun das Küken? Julia Krajewski und Samourai du Thot nicht ihren besten Tag. Am Ende kassieren sie drei Verweigerungen an drei verschiedenen Hindernissen. Ausgeschieden. Die enttäuschte Warendorferin nach ihrem Ritt: „Mein Pferd war mit dem Kopf nicht im Gelände, ich kann mir das nicht erklären. Normalerweise gibt er mir ein Supergefühl, ich bin unheimlich enttäuscht, überzeugt, dass wir der Aufgabe gewachsen waren, wir waren gut vorbereitet, haben alle Aufgaben schon geritten. Es war klar, dass das hier schwer werden würde, Die Aufgaben kamen sehr gehäuft, das hat die Sache nicht leichter gemacht.“
Nun liegt es an Ingrid Klimke, die Führung der Deutschen zu erhalten. Außerdem hat sie gute Chancen auf eine Einzelmedaille. Hale Bob, „Bobby“, scheint zu wissen, worum es geht. 75 Prozent der Strecke liegen bereits hinter ihnen. Ein Hindernis nach dem anderen lassen sie ohne Probleme hinter sich. Doch am letzten Wasser, dort, wo es auch Sandra Auffarth und Opgun Louvo erwischte, kommen sie ganz leicht von der Linie ab. Das Ergebnis: ein Vorbeiläufer, 20 Strafpunkte und zusätzlich noch welche für Zeitüberschreitung. Bitter! Das deutsche Team fällt zurück, kann jetzt nur noch auf die Fehler der anderen beim abschließenden Springen hoffen – und das, wo sie nur noch zu dritt sind.
Was dann geschah, bringt Sandra Auffarth am besten auf den Punkt: „Wir hatten das Glück, dass die anderen Pech hatten.“ Nach fehlerfreien Runden der Deutschen und diversen Netzrollern der Konkurrenz wird es Silber für die Mannschaft und Gold für Michael Jung und Sam in der Einzelwertung. Sie sind das zweite Reiter-Pferd-Paar der Nachkriegsgeschichte, das zweimal hintereinander Olympiasieger in der Vielseitigkeit wird. Was für eine Leistung, was für ein außergewöhnliches Team!
Die Reiter sind übrigens die ersten Sportler, die Medaillen für Deutschland holen.
Dressur – bestellt und geliefert, denkwürdiger Abschied
Die Europameisterschaften in Aachen liegen erst ein Jahr zurück. Mannschaftsbronze war für die Dressurnation Deutschland eine Enttäuschung. Was würde nun in Rio passieren? Aus dem 2015er EM-Team ist nur das beste Paar mit zu den Olympischen Spielen gereist, Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados. Ansonsten setzt Deutschlands Dressur-Equipe sich aus drei Vertretern des „Pferde-Tsunamis“ der Deutschen Meisterschaften zusammen (siehe oben): Weihegold unter Isabell Werth, Showtime mit Dorothee Schneider und Cosmo unter Sönke Rothenberger. Die vier hatten zuvor auch schon den Nationenpreis beim CHIO Aachen überlegen mit dreimal über 80 Prozent für sich entschieden. Das war eine Kampfansage an die Konkurrenz.
Am Ende gab es auch in Rio überlegen Mannschaftsgold. Mit einem durchschnittlichen Ergebnis von unfassbaren 81,936 Prozent der vier Reiter in zwei Prüfungen (Grand Prix und Special) siegte das Quartett unter der Ägide von Monica Theodorescu vor den Briten (78,595) und den USA (76,667).
Es war aber nicht so sehr, die Tatsache dass die Deutschen gewonnen haben, sondern vielmehr wie sie es getan haben. Der Hippologe Paul Stecken, der kurz vor Olympia seinen 100. Geburtstag feierte, trifft den Nagel auf den Kopf: „Richtig reiten reicht!“ Alle vier Paare demonstrierten Dressur, wie man sie sich wünscht: Harmonie nahe der Vollendung als Ergebnis solider, klassischer Ausbildung von Pferden, die Vertrauen zu ihren Reitern haben und freudig mitarbeiten.
An dieser Stelle muss allerdings gesagt werden, dass das nicht nur im deutschen Lager der Fall ist, sondern dass die Mehrheit der Paare schönes Reiten demonstriert.
Traurig hingegen der Auftritt des einst strahlenden Parzival unter Adelinde Cornelissen (NED). 2012 gab es noch Silber. 2016 gibt die Reiterin im Grand Prix auf. Der 19-jährige Parzival lässt die Zunge heraushängen, wirkt nicht wie er selbst. Tatsächlich hatte ihn ein Insekt gestochen. Der Jazz-Sohn bekam Fieber und konnte nur eingeschränkt behandelt werden. Da die als Ersatz vorgesehene Madeleine Witte-Vrees ihrem Cennin die Reise nach Rio nicht zumuten wollte, muss Cornelissen reiten. Ergebnis, siehe oben.
Valegros letzter Auftritt
Die Einzelentscheidungen von Rio sind spannender, als man im Vorfeld vielleicht erwartet hatte. Haushohe Favoritin ist – natürlich – Charlotte Dujardin mit Valegro. Die beiden halten sämtliche Weltrekorde und Titel, die dieser Sport zu vergeben hat. Im Grand Prix sind sie eine Klasse für sich. Es ist wieder der alte Valegro, der sich hier präsentiert – voller Energie und Eifer, nicht so wie bei der EM in Aachen, wo man das Gefühl hatte, die Luft sein ein wenig raus. Im Special, der in Rio ja Teil zwei der Mannschaftsentscheidung war, passieren den beiden Fehler. Die sind teuer. Es wird „nur“ Rang zwei für die beiden hinter einer Weihegold in bestechender Form. Das verspricht spannend zu werden in der Kür, wenn es um die Einzelmedaillen geht!
Isabell Werth macht sich allerdings keine Illusionen: „Charlotte (Dujardin) hat heute einen Fehler gemacht, das wird ihr am Montag nicht nochmal passieren. Sie bleibt die Favoritin.“ Dieser Rolle werden die Britin und der nun 14-jährige Valegro gerecht. Fast 94 Prozent. „Blueberry“ hat noch einmal alles gegeben, seine Reiterin alles gewonnen. Sie weinte und strahlte gleichzeitig, als sie und Valegro sich auf ihrer letzten gemeinsamen Ehrenrunde frenetisch feiern ließen. Ihre Zukunft hat erst einmal zwei Beine und heißt Dean. Dujardins Verlobter, Dean Golding, hatte sich ein Schild umgehängt mit der Frage: „Können wir jetzt heiraten?“ Geheiratet haben die beiden übrigens bis heute nicht. Denn dann kam ja „Mrs. Valegro“, die Stute Freestyle, mit der Dujardin Dritte bei den Weltreiterspielen in Tryon wurde. Doch davon später.
Isabell Werth, die mit der Mannschaftsgoldmedaille endgültig die erfolgreichste Reiterin aller Zeiten ist, holt auch noch Silber in der Einzelwertung. Bronze wird es für Kristina Bröring-Sprehe und Desperados. Dorothee Schneiders Showtime, damals ja erst zehnjährig, wirkt in der Kür schon etwas müde. Rang sechs. Seine Zeit wird noch kommen. Genau wie die des vierten deutschen Paares, Sönke Rothenberger auf Cosmo. Die beiden sind mit ihren 21 und 9 Jahren nicht nur die Küken des deutschen Teams, sondern auch des Turniers. Innerhalb ihrer Equipe bilden sie bei ihrer Championatspremiere im Seniorenlager das Streichergebnis. In den meisten anderen Mannschaften wären sie mit ihren 77,329 Prozent im Grand Prix und 76,261 Prozent im Special bestes Paar gewesen.
Springen – Beerbaums letzter Streich
Der erste Schock für die Springreiter kam schon, da hatte das Zeitspringen noch nicht mal angefangen: Marcus Ehnings Cornado ging nach dem Trainingsspringen unklar, musste zurückgezogen werden. Meredith Michaels-Beerbaum und Fibonacci rückten nach. Ehning, ganz Sportsmann, ließ sich die Enttäuschung nicht anmerken und unterstützte seine Kollegen, wo er konnte. Neben MMB ritten im Team Christian Ahlmann auf Taloubet Z, Ludger Beerbaum mit Casello und als einziger Olympia-Neuling Daniel Deußer im Sattel des Supertalents First Class.
Die vier arbeiteten sich bis auf den Bronzerang vor. Da waren sie allerdings nicht allein. Ein Stechen mit den Kanadiern musste über die Medaillenvergabe entscheiden. Den Sack zu macht Ludger Beerbaum mit Casello, die die dritte fehlerfreie Runde für Deutschland liefern, während bei den Kanadiern schon zwei Stangen fielen. In den vorherigen Runden wollte einstigen Leitwolf und seinem Casall-Sohn keine Nullrunde glücken. Doch als es darauf ankam, waren sie da. „Schön, dass ich noch mal gebraucht wurde“, so sein Fazit.
Es ist seine Abschiedsvorstellung im roten Rock mit Bundesadler auf der Brust. Die Championate will er jetzt den jüngeren überlassen. Einmal wird er noch im Nationenpreisteam antreten, beim Finale der FEI-Serie in Barcelona. Aber dann ist Schluss. Eine Ära geht zu Ende. Das ist keine Überraschung, aber dennoch ein Grund, etwas wehmütig zu sein. Classic Touch, Ratina Z, Goldfever, sie alle haben mit Ludger Beerbaum unzählige Meriten für Deutschland geholt. Vier Olympiasiege stehen auf seinem Konto, insgesamt acht goldene Championatsmedaillen. Doch Beerbaum hat nicht nur als Reiter außergewöhnliches geleistet, sondern auch als Manager und Trainer. Marco Kutscher, Philipp Weishaupt, Henrik von Eckermann, Christian Kukuk – sie alle sind durch die Beerbaum’sche Schule gegangen bzw. tun dies noch. Dabei lern(t)en sie nicht nur Reiten, sondern auch alles drum herum, etwa wie man die Pferde so einsetzt, dass sie am Tag X in Bestform sind. So, wie Casello, als es in Rio um die Medaille ging. Gold geht übrigens nach Frankreich, Silber in die USA.
Mit 58 Olympiasieger
Da steht er, Nick Skelton, 58, neben seinem großartigen Big Star und kann die Tränen nicht zurückhalten. Für ihn geht in Rio ein Lebenstraum in Erfüllung: Olympiasieger! Im siebten Anlauf. Nachdem er in Folge eines Genickbruchs von den Ärzten schon abgeschrieben worden war. Jetzt darf er ganz allein aufs oberste Treppchen steigen. Das ist schon ein bisschen mühsam. Schließlich hat er sich auch ansonsten schon so ziemlich jeden Knochen im Leib gebrochen, der brechen kann. Aber das alles ist in diesem Moment vergessen, als die britische Nationalhymne erklingt und Skelton von den anderen beiden auf dem Podium, Peder Fredricson (SWE) auf dem Silberrang und Eric Lamaze (CAN) mit der Bronzemedaille um den Hals, in den Arm genommen wird. Und wieder ist es der großartige Big Star (v. Quick Star), der ihn zum Sieg trägt, das Pferd, das wiehert, wenn es springen darf. Es ist der letzte große Erfolg der beiden, die auch in London zum Goldteam gehört hatten (und den Einzelsieg nur aufgrund eines einzigen Fehlers verpassten, weil Big Star vor den Zuschauern erschrak). Nick Skelton und Big Star verabschieden sich gemeinsam aus dem Sport. „Ich habe immer gesagt, wenn er geht, gehe ich auch.“ Sie gehen als Olympiasieger.
Abschied von Paul Stecken
Ende Juni hatte Paul Stecken noch in großem Rahmen seinen 100. Geburtstag gefeiert. Freunde, Schüler, Weggefährten kamen zusammen, um dem großen Hippologen zu gratulieren. Wenige Wochen später starb Stecken in seiner Heimatstadt Münster. Er war ein Gralshüter der klassischen Reiterei. Sein Wissen gab er an der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster weiter, die unter seiner Führung zu einer der wichtigsten Ausbildungsstätten Deutschlands wurde.
Dr. Reiner Klimke und dessen Kinder, allen voran die Doppel-Europameisterin der Vielseitigkeit, Ingrid Klimke, sowie Vielseitigkeitstrainer und -Parcoursbauer Rüdiger Schwarz sind sicherlich die bekanntesten Stecken-Schüler, stellvertretend für Generationen, die mit dem Credo „Richtig Reiten reicht“ groß geworden sind.
Doch Paul Stecken war weit mehr als ein herausragender Reitlehrer. Er war als Richter im Einsatz und als Prüfer für angehende Pferdewirte, Richter und Pferdewirtschaftsmeister. Er gehörte dem Deutschen Reiter- und Fahrer-Verband (DRFV) an und war Gründungsmitglied der Bundesvereinigung der Berufsreiter (BBR). Und und und. Für all seine Verdienste rund um die Reiterei und die Pferde erhielt Stecken zahlreiche Auszeichnungen wie das Deutsche Reiterkreuz in Gold etc.
Noch kurz vor seinem Tod hat Paul Stecken seinen Wissensschatz niedergeschrieben in dem Büchlein „Bemerkungen und Zusammenhänge – Erkenntnisse eines Pferdemannes“, erschienen im FN-Verlag.
Frauenpower an der Hofreitschule
Auch Traditionsinstitutionen wie die Spanische Hofreitschule in Wien müssen irgendwann mit der Zeit gehen. 2016 ist Hanna Zeitlhofer die erste Bereiterin in der 450-jährigen Geschichte der „Spanischen“, die in der Männerdomäne Fuß fassen kann. Ihr „Meisterstück“ heißt Siglavy Batosta. Vier Jahre lang hat sie ihn ausgebilde, darf sich nun Bereiterin nennen und selbst Hengste und Eleven ausbilden. Es gratulieren Bundesminister Andrä Rupprechter und Frauenministerin Sabine Oberhauser.
#FlyingNino
Steve Guerdat hat sich den CHI Genf ausgesucht, um seinen Olympiasieger Nino des Buissonnets in gebührendem Rahmen aus dem Sport zu verabschieden. Tausende Zuschauer halten Plakate hoch mit der Aufschrift Merci Nino. Steve Guerdat ist in Tränen aufgelöst, als das Licht ausgeht und er zum letzten Mal mit seinem großen Erfolgspferd in die Arena des Palexpo einreitet. Von all dem, was zu dem Ausnahmepferd zu sagen hat, bleibt vor allem dieser Satzim Gedächtnis: „Je t’aime, Nino“, „Ich liebe Dich, Nino!“ Mehr braucht es nicht. Außer dies: „Merci, encore!“ „Danke nochmal!“
Nino verbringt seine Rente bei ihm im Stall bzw. vor allem auf der Weide und im Gelände.
Les adieux de Nino des Buissonnets
Les adieux de Nino des Buissonnets #CHIGeneve
Gepostet von CHI de Genève am Sonntag, 11. Dezember 2016
Blueberrys letzter Tanz
2016 ist nicht nur das Jahr der Olympischen Spiele. Es ist auch das Jahr der Abschiede der Olympiasieger. Nicht nur Nino des Buissonnets zeigt sich ein letztes Mal dem großen Publikum. Kurz nach Genf findet das Weltcup-Turnier in London statt, wo Valegro seinen letzten großen Auftritt hat.
Er und Charlotte Dujardin waren DAS prägende Paar des Dressursports in den 2010er-Jahren. Alle Titel, alle Weltrekorde haben die Britin und KWPN-Wallach mit dem Stallnamen Blueberry zusammen geholt. Zuletzt wiederholten sie in Rio ihren Olympiasieg.
Jetzt ist Schluss. Ein letztes Mal zeigt er noch seine Siegeskür der Olympischen Spiele 2012 zu den Klängen von „Land of Hope and Glory“ mit dem Klang der Glocken von Big Ben als Einspieler. Erst auf der letzten Mittellinie kommen Charlotte Dujardin dann doch die Tränen. Eigentlich hatte sie sich fest vorgenommen, nicht zu weinen. „Blubs“ verdiene es, mit einem Lachen verabschiedet zu werden. Als es so weit ist, ist es Wechselbad der Gefühle. Valegro hat sie groß gemacht. Es gibt sehr viele sehr gute Pferde im internationalen Dressursport. Aber Valegro hatte praktisch keine Schwächen und war mit seiner Reiterin und anderen Paaren wie z. B. auch Helen Langehanenberg und Damon Hill Begründer einer neuen Ära der Dressurreiterei. Das Zuschauen machte wieder Spaß.
So ist es auch bei Valegros letztem Auftritt. Wobei es nur ein Abschied vom Sport ist. Valegro liebt das Bad in der Menge und das genießt er – neben ausgiebigem Weidegang und Ausritten, die sowieso immer zum Standard-Wellnessprogramm gehörten – nun bei Show-Auftritten, Lehrstunden etc. Eben wie der Popstar, der er ist. Oder wie sein Entdecker Carl Hester sagt:
Er hatte den Hintern einer Köchin und das Gesicht einer Herzogin!
2017
Die Post-Valegro-Ära mit neuen Wunderpferden, Ingrid Klimkes erster Einzeltitel, Dopingrätsel Samourai du Thot und mehr.
Weltcup für Weihegold
Erstes sportliches Highlight 2017 waren die Weltcup-Finals der Dressur- und Springreiter in Omaha, USA. Erstmals sind Isabell Werth und Weihegold zusammen dabei. Seit Valegros Verabschiedung haben sie die Spitze der Dressurreiterwelt erobert und siegen nach Belieben. So auch in Omaha.
Mit 90,704 Prozent lassen sie die Publikumslieblinge und US-Lokalmatadoren Laura Graves und Verdades ziemlich locker hinter sich. Die bringen es auf 85,307 Prozent. Rang drei geht an Carl Hester und Nip Tuck, der nachher vor allem ein Problem hat: Sein Drei-Tage-Bart klebt – zu viel Champagner drin, den Werth in bester Formel 1-Manier über ihren Kollegen auf dem Podium entleert hat.
Die Guido-Überraschung
Was Werth und „Weihe“ auf dem Viereck vereitelt haben, klappt im Parcours: ein US-Sieg. McLain Ward und die geniale BWP-Stute Azur sichert er sich mit dem Idealergebnis von null Fehlern den Titel. An zweiter Stelle steht der Schweizer Romain Duguet auf dem Podium. Henrik von Eckermann holt den Teller für Platz drei nach Schweden.
Und die Deutschen? Von denen schneidet ausgerechnet der Jüngste (übrigens nicht nur innerhalb des deutschen Aufgebots, sondern des gesamten Starterfeldes) am besten ab und sorgt für eine faustdicke Überraschung. Der 21-jährige Guido Klatte und sein selbst ausgebildeter Qinghai werden bei ihrem ersten Weltcup-Finale Sechste.
Die Routiniers Marcus Ehning und Pret a Tout belegen Rang zwölf. Markus Brinkmann und Dylon werden 22. direkt vor dem in den USA beheimateten Christian Heineking auf Caruso. Ludger Beerbaum belegt mit Chiara Rang 28.
Rocana, die Kämpferin
Sie finden, wir gebrauchen den Namen Michael Jung etwas inflationär? Tut uns leid, geht aber nicht anders! Schließlich galoppiert er nicht nur im Sattel von Sam in die Geschichtsbücher. Auch die DSP-Stute Rocana v. Ituango xx hat ihren Teil zur reitenden Legende Michael Jung beigetragen.
2017 gewinnt sie zum dritten Mal in Folge den CCI4* (heute CCI5*-L) von Kentucky. Wahnsinn! Und echte Teamarbeit, wie Michael Jung betont. Denn unfehlbar ist auch er nicht: „Wir sind ein Team. Wir kennen uns. Mal macht der Reiter einen Fehler, mal reagiert das Pferd nicht sofort – die Kurse sind so schwer, da kann man nicht viel ausgleichen.“ Aber das Teamwork funktioniert. „Wir vertrauen uns gegenseitig und sie kämpft für mich – Wahnsinn!“
Angriff der Tigermücken
Bislang war das Thema Klimawandel immer mal wieder ein Thema, aber doch irgendwie recht weit weg. Nun kommen die Probleme auch bei uns an. 2017 werden erstmals Exemplare der Asiatischen Tigermücke in Deutschland gefunden, die das für Menschen und Pferde lebensgefährliche West-Nil-Virus überträgt. 2019 gibt es die ersten Todesfälle. 2020 wird die Impfung empfohlen.
Who the f*** is Alice?
Deutsche Meisterschaften in Balve 2017 – die Geburtsstunde eines neuen Springsport-Traumpaares: Simone Blum und Alice. Ein großes Erbe trete Simone Blum an, schreiben wir zum Überraschungserfolg der Bayerin bei den Deutschen Meisterschaften in Balve, wo sie als erste Frau nach Meredith Michaels-Beerbaum im Jahr 2008 den Titel bei den „Herren“ gewinnt. Ein Erbe, dessen Simone Blum sich mehr als würdig erweisen wird. Doch an diesem Juni-Wochenende ist alles, was danach kommt, noch sehr weit weg. Alle sehen aber: dieses Pferd, diese Askari-Tochter springt phänomenal! Und zusammen mit ihrer Reiterin bildet sie ein Superteam, das die alten Hasen Holger Hetzel („Vier schwere Kurse an einem Nachmittag! Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste …“) auf Legioner und Ralf Moormann mit Samba de Janeiro auf die Plätze verweist.
Wegweisend auch der Sieg bei den Amazonen: Der geht an Laura Klaphake. Es ist der dritte DM-Titel der 23-Jährigen, aber der erste bei den Senioren. Die anderen beiden gab es im Ponylager. Dabei hat sie in Balve noch nicht mal ihr bestes Pferd gesattelt. Von Catch Me If You Can wird noch an anderer Stelle die Rede sein. Das Erfolgspferd von Balve heißt Silverstone G.
Auf dem Dressurviereck gibt es hingegen keine Überraschungen. Isabell Werth gewinnt beide Titel im Sattel des Westfalen Emilio, die „Nummer 1a im Stall“ neben der Nummer 1, Weihegold. Dahinter platzieren sich jeweils Sönke Rothenberger und sein Van Gogh-Sohn Cosmo, der auf den Zenith seiner Karriere zuzusteuern scheint. Bronze im Special sichern sich Reitmeister Hubertus Schmidt und Imperio, Bronze in der Kür Dorothee Schneider und Sammy Davis Jr., der den verletzten Showtime vertritt – und das würdig!
Luhmühlen mit alten und neuen Gesichtern
Die anspruchsvollste deutsche Vielseitigkeit in Luhmühlen in der Westergellersener Heide hat einen neuen Geländechef: Ab sofort zeichnet nicht mehr Captain Mark Phillips für den Aufbau des Kurses verantwortlich, sondern Mike Etherington-Smith. Zum Auftakt macht er es den Reitern nicht allzu schwer. Das schmälert aber nicht die Leistungen der Siegerinnen.
Deutsche Meisterin wird unangefochten Bettina Hoy mit dem Westfalen Seigneur Medicott („Micky“), der später an Hoys indischen Schüler Fouaad Mirz verkauft werden wird. Das Starterfeld der Vier-Sterne-Prüfung ist international. Nur sechs deutsche Paare sind am Start, von denen sich zwei unter die Top drei mischen können. Bettina Hoy hat auch hier den Sieg in der Hand, diesmal auf ihrem eigenen Designer. Doch drei Zeitfehler im Parcours machen den Traum vom Doppelerfolg zunichte. Hoy selbstkritisch: „Ich bin einfach schlecht geritten.“ Eines will sie aber nicht hören: das Wort „Comeback“. „Ich war nie weg“, betont sie. Ihre außergewöhnliche Karriere haben wir übrigens hier noch einmal Revue passieren lassen.
Ihren ersten Vier-Sterne-Sieg holt in Luhmühlen 2017 Julia Krajewski mit Samourai du Thot. Mit einer blitzsauberen Geländerunde, die mehr nach Gymnastikspringen als nach Vier-Sterne aussah, machen die beiden das Olympia-Trauma von Rio vergessen.
Schreckgespenst Infektiöse Anämie
Die ansteckende Blutarmut der Einhufer (Equine Infektiöse Anämie, EIA) ist der Schrecken eines jeden Pferdehalters. Erkrankte Pferde sterben früher oder später. Doch nicht alle Pferde, die das Virus in sich tragen, werden krank. Und dennoch müssen sie von Amts wegen getötet werden, weil sei das Virus ein Leben lang übertragen können. Mitte 2017 sterben darum 15 Polopferde in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz.
Tod eines Olympia-Helden
Immer diese Koliken 🙁 … Mit nur zwölf Jahren stirbt Daniel Deußers Olympia-Bronzepartner First Class van Eeckelghem, ein herber Verlust – für den Reiter, den Springsport, besonders auch für First Class‘ Pfleger Sean Lynch, dem Daniel Deußer nach dem Tod des Charakterpferdes über Wochen jeden Morgen das Frühstück bringt, um sicherzugehen, dass er aufsteht. Deußer selbst sagt: „Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, welche Gefühle gerade mein Herz bewegen.“
Cassidy – einer nur für die kleine Tour?
Die dänische Dressurreiterin Cathrine Dufour war schon als Juniorin Europameisterin und stellte als Junge Reiterin einen U21-Notenrekord im Prix St. Georges auf (83,6 Prozent). Partner war dabei stets der fuchsfarbene Caprimond-Sohn namens Cassidy. „Als wir ihn gekauft haben, wurde uns gesagt, er sei ein Pferd für die kleine Tour, aber nicht für den Grand Prix-Sport“, erinnert sich seine Reiterin. Vermittler war übrigens der Pferdehändler Andreas Helgstrand. Nun, er irrte gewaltig. 2015 reitet Dufour ihren ersten Grand Prix mit „Cassy“. 2016 gehören sie zum dänischen Aufgebot bei den Olympischen Spielen, sind zwar noch weit entfernt von einer Medaille, gäbe es aber eine für die harmonischsten Paare, hätten sie schon damals zum engsten Kandidaten-Preis gezählt. 2017 starten sie so richtig durch, werden in Aachen Vierte in allen Prüfungen der CDIO-Tour und trumpfen später bei den Europameisterschaften auf. Von wegen „Pferd für die kleine Tour“ …
Die Aachener Wiederholungstäter
2016 feierte Otto Becker mit seinen Reitern den Sieg im Nationenpreis der Springreiter beim CHIO Aachen, 2017 machen sie’s nochmal! Und das mit dem Idealergebnis von null Fehlern. Im roten Rock unterwegs sind Marcus Ehning mit Pret a tout, Maurice Tebbel auf Chacco’s Son und die Vorjahressieger im Großen Preis, Philipp Weishaupt und Convall (der damit seinem Geburtstag ein Krönchen aufsetzte). Marco Kutscher und Clenur machen das Quartett komplett, liefern aber das Streichergebnis.
Für den 23-jährigen Maurice Tebbel ist es der erste Nationenpreis-Einsatz bei den Senioren. Ganz nebenbei sichert er sich auf Don Dirado auch noch das Finale in Deutschlands U25-Springpokal.
Endlich der Titel! Klimke ist Vielseitigkeits-Europameisterin
So viel hat Reitmeisterin Ingrid Klimke in ihrer glanzvollen Karriere im Sattel schon erreicht – zweimal Mannschaftsolympiasiegerin, zweimal Mannschaftsweltmeisterin, dreimal Mannschaftseuropameisterin! Aber ein Einzeltitel, der fehlt noch in der Sammlung. Bei den Europameisterschaften im polnischen Strzegom bestätigt sich das, was sie und ihr Oldenburger Hale Bob aka „Bobby“ bereits zu einem Start-Ziel-Sieg in Aachen beflügelte: Bei ihnen kommen reiterliches Können, unbedingter Wille des Pferdes, gegenseitiges Vertrauen und Spaß an ihrem Job zusammen!
So brillieren die beiden im Gelände von Strezegom. Mit Platz zwei hatten sie sich eine gute Ausgangsbasis in der Dressur geschaffen. Einmal nehmen sie die Alternative im Cross auf Geheiß des Bundestrainers Hans Melzer („No medals for heroes“), schaffen es aber trotzdem locker in die Zeit. Beim Abschlussspringen, für das Klimkes Springtrainer Kurt Gravemeier eigens aus Münster angereist war, lassen sie ebenfalls nichts mehr anbrennen. Geschafft! Endlich ganz oben! Dorthin geht bei der Medaillenzeremonie auch Klimkes Blick, zu ihrem Vater Dr. Reiner Klimke. Er wäre in diesem Moment sehr stolz auf sein Mädchen! Ihre Medaillen widmet Ingrid Klimke aber anderen: das Gold an Chris Bartle, weil „alles, was ich im Gelände kann, habe ich von Chris gelernt“, und das Mannschaftssilber ihrer Mutter Ruth, „weil sie mich immer so toll unterstützt“.
Apropos Mannschaft – darin reiten neben Klimke noch Michael Jung und Rocana, die Silber in der Einzelwertung gewinnen, Julia Krajweski und Samourai du Thot sowie Bettina Hoy mit Seigneur Medicott. Einzelstarterin Josefa Sommer gab mit dem von Papa selbst gezogenen Hamilton ihr Championatsdebüt, Rang zwölf. Ebenfalls toll unterwegs und ebenfalls ohne Mannschaftsdruck: Kai Rüder und Colani Sunrise (Tipps zum Geländereiten von dem Fehmarner Profi gibt es übrigens in unserer Serie „Rüber mit Rüder“!).
Julia Krajewski und Bettina Hoy enttäuschen. Sternstunden wie die in Luhmühlen wollen beiden Reiterinnen nicht glücken. Julia Krajewski und Samourai du Thot kassieren einen Vorbeiläufer. „Er war verunsichert, weil es so rutschig war“, berichtet Krajewski später, die den cleveren, kleinen Franzosen selbst ausgebildet hat.
Noch viel ärger erwischt es Bettina Hoy und Seigneur Medicott. Nach einer überragenden Dressur (24,6 Minuspunkte) gehen sie als Führende ins Gelände. Doch hier läuft es von Anfang an nicht rund. „Micky“ zieht nicht, verliert schon an Hindernis vier ein Vordereisen und kassiert dann an Element c des Sprungs einen Vorbeiläufer. Hoy reitet weiter. An Hindernis acht verliert der Westfalen-Wallach das zweite Eisen, an Sprung zehn stürzen die beiden. Aus der EM-Traum. Bitter!
Trotzdem, immerhin ist es ja noch Silber für das Team! Bis einige Monate später eine niederschmetternde Nachricht kommt.
Rätselhafter Dopingfall
Die Freude über Silber währte nicht lang. Bei Julia Krajewskis Samourai du Thot wird bei der obligatorischen Dopingkontrolle der Pferde aus den Medaillenteams die im Wettkampf verbotene Substanz Firocoxib entdeckt, ein Schmerzstiller und Fiebersenker. Nachdem die B-Probe das Ergebnis der A-Probe bestätigt hat, werden Julia Krajewski und Samourai du Thot nachträglich disqualifiziert. Damit verliert Deutschland die Silbermedaille bei der Europameisterschaft an Schweden. Bronze geht nach Italien.
Wie die Substanz in Sams Organismus gekommen ist, darüber rätselt Julia Krajewski bis heute. Sie akzeptiert schließlich die Strafe der FEI, weil sie ihre Unschuld nicht beweisen kann. Ihre Recherchen haben ergeben, dass die Substanz zwischen Dressur und Gelände ins Pferd gelangt sein muss. Aber die Reiterin weist „entschlossen jedes Zutun von sich“. Was ist dann passiert? Man weiß es bis heute nicht. Aber die Forderungen nach Überwachungskameras im Stallbereich werden lauter.
Im Nachgang stellt sich heraus, dass Mannschaftstierarzt Carsten Rohde ein Medikament dabei hatte, das Firocoxib enthält: Equioxx®. Er sagt, er könne sich nicht erklären, wie es in seine Medikamententasche gekommen ist. Aber es sei eine Insektionslösung gewesen, die Polen ungeöffnet wieder verlassen habe.
Dann wird eine Begebenheit bei der Vielseitigkeit in Badminton öffentlich, als Rohde einem Pferd das erlaubte Magenmittel Gastrogard verabreichen wollte, stattdessen aber zu Equioxx griff. Dibos Pflegerin bemerkte die Verwechselung und verhinderte Schlimmeres.
Carsten Rohde ist seit rund zehn Jahren als Mannschaftstierarzt der Buschis im Einsatz. Nun zieht er die Konsequenzen aus den Vorkommnissen und tritt zurück.
Unklar ist immer noch, wie das Mittel in den Körper von Samourai du Thot kam. Das DOKR glaubt Julia Krajewski, legt ihre Kaderzugehörigkeit dennoch für sechs Monate auf Eis. Das hat vor allem finanzielle Konsequenzen für sie, weil Fördergelder und Vergünstigungen wegfallen. Ihren Job als Junioren-Bundestrainerin darf sie aber behalten.
Durchmarsch auf dem Viereck
Monica Theodorescu kann sich nach der Dressur-Europameisterschaft in Göteborg auf die Schulter klopfen – alles richtig gemacht! Isabell Werth auf Weihegold, Sönke Rothenberger mit Cosmo, Dorothee Schneider im Sattel von Sammy Davis Jr. (das „Grand Prix-Baby„) und Helen Langehanenberg mit Damsey sichern sich Mannschaftsgold vor Dänemark und Schweden. Sie belegen im Grand Prix die Plätze eins, zwei vier und sechs. Selbst ohne den Sieg von Weihegold und Werth wäre dem Team der Titel sicher gewesen.
Isabell Werth schießt den Vogel ab mit den Titeln 15 bis 17 für weitere Siege in Special und Kür– wobei die nächste Generation mit den Hufen scharrt. Sönke Rothenbergers Cosmo ist seit Rio noch einmal deutlich gereift. Die beiden tanzen nur so übers Viereck und kommen sowohl im Special als auch in der Kür dicht dran an die Siegerinnen. „Diese Silbermedaille hat einen kleinen Goldrand“, so der 22-Jährige. Mit seinen Gedanken ist er wohl schon im Jahr 2018, wenn es in Tryon um den Weltmeister-Titel geht. Die zweite Vertreterin der nachrückenden Generation auf dem Treppchen ist Cathrine Dufour. Aus dem vermeintlichen Kleine Tour-Pferd Cassidy ist ein Medaillengewinner geworden.
Generationswechsel im Parcours
Die EM in Göteborg ist die Championatspremiere im Seniorenlager für gleich drei deutsche Teamreiter: Philipp Weishaupt, Maurice Tebbel und Laura Klaphake. Wobei Philipp Weishaupt ja eigentlich auch schon für die Olympischen Spiele 2012 nominiert war, aber aufgrund einer Verletzung seines Monte Bellini dort nicht antreten konnte. Eher Leitfuchs als Leitwolf ist Marcus Ehning, von dessen Erfahrung alle Teamkameraden profitieren und der zudem mit Pret a Tout einen absoluten Routinier unter dem Sattel hat. Er wird am Ende mit zwei leichten Fehlern Achter. Die Mannschaft belegt Rang fünf. Ludger Beerbaum kommentierte für St.GEORG: „Der fünfte Platz der Deutschen, zwei Abwürfe vom Podium entfernt, geht in Ordnung. Mehr war angesichts der Situation und der Gegner nicht drin.“
Zu den einzelnen Repräsentanten merkte er an: „Laura Klaphake mit Catch me if you can hat ihre Sache sehr gut gemacht. Auch Philipp Weishaupt auf Convall hat die drei Runden, die für die Mannschaft zählten, toll geritten. Maurice hätte ich weiter vorn gesehen, sein Pferd Chacco’s Son hat die Erwartungen nicht erfüllt. Aber wir sind mitten in einem Generationswechsel. Das kann nächstes Jahr schon ganz anders aussehen.“
„Die Gegner“ waren vor allem die Iren, die Mannschaftseuropameister werden, die Schweden, die Silber holen und mit Peder Fredricson auf All In auch den Einzeleuropameister stellen, und die Schweizer, die mit Martin Fuchs auf Clooney und Steve Guerdat im Sattel von Bianca zwei Paare in ihren Reihen haben, die den Springsport noch maßgeblich prägen werden.
Apropos – nachdem Simone Blums Alice sich während der Saison leicht verletzt hatte, wird sie als Reservistin fürs EM-Aufgebot nominiert, darf aber in den Rahmenspringen an den Start gehen. Sie gewinnt sie alle …
Deutschlands Dressur-Zukunft sieht gut aus!
Wie stets schließt das deutsche Pferdesportjahr mit zwei Dressur-Highlights in der Frankfurter Festhalle: den Finals des Louisdor-Preises für angehende Grand Prix-Pferde und des Nürnberger Burg-Pokals für die Talente auf Prix St. Georges-Niveau.
Der Nürnberger Burg-Pokal wird zur Beute von Flamboyant unter Isabell Werth, dem Oldenburger Fidertanz-Sohn, der fünfjährig Bundeschampion war und direkt nach Frankfurt an die Juniorin Valentina Pistner.
In den Augen des Publikums hätte der Sieg allerdings einem ganz anderen Paar gebührt: Hubertus Schmidt und dem Westfalen-Hengst Escolar v. Estobar. Er war drei- und vierjährig Bundeschampion mit Rekordnoten gewesen, damals noch unter Hermann Burger. Fünfjährig kam er zu Hubertus Schmidt, der viel Geduld in den Hengst steckte, der ihn anfangs ganz schön Nerven kostete, wie er zugibt:
„Er war ein Zappelphilipp, konnte nicht eine Sekunde stillstehen und musste alles anknabbern. Er war nie böse, er war einfach verspielt.“
Aber unter dem Sattel war er immer ein Knaller. Wie Hubertus Schmidt sagt: „So einen hatte ich noch nie!“ Und der Reitmeister hat Dutzende Grand Prix-Pferde ausgebildet.
In Frankfurt gelingt den beiden eigentlich eine Sternstunde. Aber die Richter setzen sie auf Rang zwei – Pfiffe, Buhrufe aus dem Publikum. Schmidt nimmt’s gelassen. Er weiß genau, die Karriere seines „großen Jungen“ ist erst ganz am Anfang.
Queen Dalera
Im Louisdor-Preis präsentiert sich ein Pferd, das die klassischen deutschen Jungpferde-Prüfungen ausgelassen hat: die Trakehner Stute Dalera BB v. Easy Game unter Jessica von Bredow-Werndl. Optisch nicht gerade die Pferd gewordene Poesie verzaubert Dalera, sobald sie sich in Bewegung setzt. Federleichte Piaffen und Passagen, in die sie so mühelos rein und wieder raus kommt, dass es aussieht wie ein Kinderspiel. Das ist jetzt schon Weltklasse! Schon viele Championatspferde sind aus Burg-Pokal und Louisdor-Preis hervorgegangen. Und man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass Dalera sich wohl in die Reihe einsortieren wird.
2018
Das WM-Jahr! Die Weltreiterspiele in Tryon werfen ihre Schatten voraus. Das Ereignis selbst gerät zu einer Mischung aus Belastungsprobe für alle Beteiligten, Negativbespiel für Turnierveranstalter, aber auch Sport-Highlight der Extraklasse mit besonderen Titelträgern.
Doch noch ehe das neue Jahr beginnt, tagt der Weltreiterverband FEI in Montevideo, Uruguay, und fasst Beschlüsse mit weitreichenden Folgen.
Alles anders bei Olympia, Schluss mit den „Zuckis“
Die wesentlichste Änderung für die Dressurreiter bei internationalen Grand Prix-Prüfungen ist die – umstrittene – Abschaffung der Fußnoten mit Ausnahme von der für Sitz und Einwirkung.
Bei den Springreitern geht es unter anderem um die Ausrüstung. Verboten werden sollen Hinterhandgamaschen mit speziellen Druckpunkten, die sogenannten „Zuckis“, die Pferde bei entsprechend kräftigem Anziehen der Schnallen veranlassen, die Beine höher zu reißen. Bei Ponys gilt das Verbot ab 201. Bei Junioren und Jungen Reitern tritt die Regel 2020 in Kraft, bei den Senioren 2021, also nach den Olympischen Spielen.
Stichwort Olympia – fest steht schon jetzt: In Tokio werden in allen drei Disziplinen, also Springen, Dressur und Vielseitigkeit nur noch drei Reiter pro Mannschaft zugelassen.
In der Vielseitigkeit wird ein neues Sterne-System eingeführt. Alle Formate nennen sich fortan CCI und bekommen einen Zusatz „-S“ für die Kurz- und „-L“ für die Langprüfungen. Was früher ein Ein-Sterne-Event war, wird Zwei-Sterne, aus zwei werden Drei-Sterne-, aus Drei- Vier-Sterne usw. Außerdem wurde der Faktor 1,5 aus der Dressur gestrichen, damit die Geländeergebnisse gegenüber denen aus der Dressur wieder mehr Gewicht erhalten. Die deutsche FN stimmt übrigens gegen die Neuerungen.
Taloubet Z – Tschüss mit Stil
Wenn Reiter sich etwas wünschen dürften zum Ende der Karriere eines erfolgreichen Pferdes, dann einen letzten Sieg. Nicht umsonst hat Christian Ahlmann sich das Weltcup-Turnier in Leipzig ausgesucht, um seinen langjährigen Erfolgspartner Taloubet Z ein letztes Mal vor großem Publikum zu springen.
Hier wurden die beiden 2011 Weltcup-Finalsieger. Das Turnier hat Ahlmann immer Glück gebracht. 2018 ist es nun so weit, ein letztes Mal reitet er noch Taloubet Z, seinen „Ferrari“, wie er sagt. Ein Pferd, das blitzschnell, vorsichtig, clever und mit unbegrenztem Vermögen ausgestattet ist. Kurz: ein Pferd, wie jeder Springreiter es sich wünscht.
Das demonstrierte Taloubet in Leipzig noch einmal. Er deklassierte die Konkurrenz im Weltcup-Springen geradezu und holte beinahe mühelos den Sieg, den letzten seiner großartigen Karriere, in der er zwei Millionen Euro zusammensprang. Christian Ahlmann fasst zusammen: „Er hat mich in eine andere Liga gebracht.“
Abschied vom „Chef“
Im Frühjahr 2018 stirbt im gesegneten Alter von 34 Jahren das Pferd, das Dorothee Schneider groß gemacht hat. Nein, beide haben sich gegenseitig groß gemacht: der Trakehner Hengst Van Deyk, „Deykie“ oder auch „der Chef“. Denn das war er Zeit seines Lebens auf dem Gestüt St. Stephan in Framersheim.
Er war Dorothee Schneiders erstes Grand Prix-Pferd, ein herrlicher Typ, trocken, blutgeprägt mit edel modelliertem Kopf und herrlich großem, wachen Auge, aus dem seine ganze Intelligenz und sein ganzer Charakter sprach.
Er überlebte 1996 einen furchtbaren Stallbrand mit schwersten Verletzungen. Die Tierärzte räumten ihm kaum Überlebenschancen ein, geschweige denn, dass sie eine Chance sahen, dass der Fuchs in den Sport zurückkehrt. Van Deyk belehrte sie eines besseren – dank seiner eigenen Willenskraft und der unendlichen Fürsorge seiner Menschen. Wie Dorothee Schneider sagt: „Er hat sich an mich gelehnt.“
Bis zu seinem Tod war Van Deyk bei ihr auf Gestüt St. Stephan, geliebt, gehegt und gepflegt.
Schreckgespenst WFFS
2018 ist plötzlich eine neue Krankheit in aller Munde: das Warmblood Fragile Foal Syndrom, kurz WFFS, eine Erbkrankheit, bei der die Fohlen mit einer angeborenen Bindegewebsschwäche zur Welt kommen. Die Haut reist bei der leichtesten Berührung, so dass die Fohlen schon in den ersten Lebensstunden zahlreiche Verletzungen haben. Gleichzeitig sind die Gelenke häufig stark angeschwollen und lassen sich deutlich überstrecken. Die Fohlen haben keine Überlebenschance.
Die Krankheit kann nur dann zum Ausbruch kommen, wenn zwei Träger des Gendefekts miteinander angepaart werden. Darum beschließen viele Pferdezuchtverbände und Hengsthalter, ihre Pferde testen zu lassen, ob sie Anlageträger sind. Die meisten informieren darüber, so dass die Züchter, die ihre Stuten ebenfalls haben testen lassen, darauf achten können, dass sie das Risiko ein lebensuntüchtiges Fohlen zu bekommen, von vornherein ausschließen.
Trotz des Namens hat man übrigens inzwischen herausgefunden, dass der Gendefekt über die Vollblüter eingebracht wurde. Die Dark Ronald xx-Söhne Herold xx und Son-in-Law xx sind jüngeren Erkenntnissen zufolge die Hengste, die den Gendefekt in die Warmblutzucht gebracht haben.
Wurde anfangs noch diskutiert, ob WFFS-positive Pferde (prominente Beispiele sind etwa Weihegold-Vater Don Schufro und Emmelie Scholtens‚ Apache) von der Zucht ausgeschlossen werden sollten, kommt man letztlich davon ab. Experten sind sich einig, dass es allein darum geht, zu vermeiden, zwei Anlagenträger anzupaaren.
Busch-Weltmeisterin wird Derby-Heldin
Zum Sieger des 89. Deutschen Spring-Derbys avancierte der Brite Matthew Sampson auf Gloria. Gewinnerin der Herzen und des Stilpreises war jedoch Vielseitigkeits-Weltmeisterin Sandra Auffarth, die mit der von Papa selbst gezogenen La Vista mit spektakulärer Leichtigkeit auf Rang drei sprang. Im Stechen wurden ihr die „Eisenbahnschranken“ zum Verhängnis, die recht eng gebaute zweifache Kombination. Hätte sie mal auf Paul Schockemöhle gehört! Der sagte ihr noch beim Einritt: „Vor dem Doppelsteil richtig auf die Füße holen!“ Also Reiterdeutsch für: Aufnehmen, auf die Hinterhand setzen. Doch Sandra und La Vista waren im Flow und nahmen beide Stangen mit. Acht Fehler, aber Standing Ovations!
Cosmo brillant in Balve
Drei Prüfungen, drei Siege, zwei Goldmedaillen – besser hätte es für Sönke Rothenberger und Cosmo bei den Deutschen Meisterschaften in Balve nicht laufen können! Es ist der erste DM-Titel bei den Senioren für den 23-Jährigen. Allerdings muss man sagen, dass seine stärkste Gegnerin, Isabell Werths Weihegold, weit entfernt von ihrer Bestform ist und dass die Starterliste überhaupt durch diverse Ausfälle im Vorfeld kürzer war als erwartet. So fehlen beispielsweise auch ein Showtime und ein Emilio.
Eben weil Emilio sich einen gelben Schein geholt hatte, muss Weihegold ran – früher als eigentlich geplant. Nach ihrem zweiten Weltcup-Titel hatte die Stute Zuchtpause (für Embryotransfer, eine Vereinbarung mit den Besitzern) und war von ihrer Bestform noch weit entfernt. Sie geht deshalb auch nur Grand Prix und Special, wird jeweils Zweite.
Das soll die Leistung von Cosmo aber keinesfalls schmälern, der über den Winter nach den Europameisterschaften noch einmal gereift ist.
Ihre ersten Deutschen Meisterschaften geht in Balve Louisdor-Preis Siegerin Dalera mit Jessica von Bredow-Werndl: Rang drei im Grand Prix, Vierte im Special, Bronze in der Kür – der zweiten ihres Lebens. Da geht noch was!
Krajewskis Rekord-Sieg
Julia Krajewski und Samourai du Thot haben es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, all das Schlimme von den Olympischen Spielen 2016 und den Europameisterschaften 2017 hinter sich zu lassen. Die beiden werden mit ihrem Dressurergebnis von sagenhaften 19,90 Minuspunkten Deutsche Meister vor Ingrid Klimke und Hale Bob.
Es ist übrigens schon der zweite Sieg mit einem Dressurergebnis unter 20 Minuspunkten für Krajewski. Den ersten schenkte ihr ihre Zukunftshoffnung Chipmunk beim CCI3* (ab 2019 CCI4*-L) in Bramham.
Das Comeback des Jahres
„Was ist eigentlich mit Bella Rose?“ Das ist wahrscheinlich eine Frage, die Isabell Werth in ihrem Leben nie wieder hören will. Die elegante leichtfüßige Fuchsstute trug 2014 maßgeblich zum Mannschaftstitel der Deutschen bei den Weltreiterspielen bei. Doch schon vor dem Special musste sie verletzungsbedingt zurückgezogen werden. Sie tauchte im Herbst noch einmal in Stuttgart auf. Danach ward sie nicht mehr gesehen. Immer wieder hieß es, ja, Bella kommt wieder; ja, Bella ist wieder im Training. Aber so richtig geglaubt hat es schließlich kaum noch jemand, dass dieses wunderbare Pferd, von dem Werth sagt, es vereine alle positiven Eigenschaften ihrer vorherigen Erfolgspferde (von denen es ja einige gab!) in sich, in den Sport zurückkehrt.
Doch dann kommt Fritzens 2018. Selbst Pferdebesitzerin Madeleine Winter-Schulze weiß nichts von Werths Plan, Bella Rose in Fritzens vorzustellen. Die beiden gewinnen den Grand Prix mit 77,522 Prozent. Isabell Werth ist in Tränen aufgelöst, als sie die Prüfung beendet, und Madeleine Winter-Schulze strahlt: „Ein schöneres Geburtstagsgeschenk hätte ich mir nicht vorstellen können!“ Zur Krönung gewinnen Werth und „Bella“ auch noch die Kür und die Reiterin macht keinen Hehl daraus, dass die Belissimo M-Tochter ihre Nummer eins für die Weltreiterspiele in Tryon ist.
Das Mega-Aachen
Marcus Ehning ist der große Gewinner des CHIO Aachen 2018. Erst gewinnt er mit der deutschen Equipe, in der außer ihm noch Simone Blum und Alice (ein Abwurf im ersten Umlauf), Laura Klaphake und Catch me if you can (sensationell Doppel-null) und Maurice Tebbel auf Chacco’s Son (ein Abwurf im zweiten Umlauf) reiten, zum dritten Mal in Folge den Nationenpreis, dann auch noch den Großen Preis. Sein Franzose Pret a Tout mag nicht unbedingt aussehen, wie ein quirliges Zeitspringpferd, aber wenn es darauf ankommt, ist er blitzschnell und weiß offenbar ganz genau, wie hoch die Stangen liegen. Dazu sein genialer Reiter im Sattel – das ist Springsport vom Allerfeinsten in der Soers!
Trubel auf dem Viereck
Die deutschen Dressurreiter gewinnen den Nationenpreis, allerdings nicht ganz so souverän wie sonst. Diesmal stehen sie nicht wegen, sondern trotz Isabell Werth ganz vorn in der Siegerehrung. Werths Emilio übt sich im Grand Prix in den Schulen über der Erde, steigt in den Piaffen, schüttelt immer wieder unwillig den Kopf in anderen Lektionen. Nach einer schlaflosen Nacht hat seine Reiterin die Lösung: Das Gebiss passte ihm nicht, sie hat eine normale statt der gewohnten Babykandare benutzt. Nach Austausch des Gebisses rehabilitiert Emilio sich in Special und Kür mit zwei Siegen.
Nachdem Sönke Rothenbergers Cosmo gesundheitsbedingt abgemeldet wurde (was genau er hat, erfährt die Öffentlichkeit nicht) springen Helen Langehanenberg und Damsey für die Mannschaft ein – vier Wochen und zwei Tage nachdem Helen Langehanenberg ihre zweite Tochter Finja zur Welt gebracht hat. Das muss man erstmal schaffen! Und dann auch noch mit persönlichem Special-Rekord.
In der I-Tour gehen sowohl Showtime mit Dorothee Schneider als auch Bella Rose mit Isabell Werth an den Start. Für beide geht es um die WM-Tickets. Bella Rose zeigt sich zunehmend sicher und gewinnt Grand Prix und Special.
Showtime wird nach einem Dreivierteljahr Pause Zweiter im Grand Prix, muss danach aber zurückgezogen werden, ein dickes Bein.
Stark unterwegs und schön anzuschauen sind einmal mehr die US-Reiterinnen, Laura Graves und Verdades, Sieger im Grand Prix, Kasey Perry Glass mit Dublet und Adrienne Lyle auf Salvino. Sie werden Zweite im Nationenpreis und empfehlen sich für die anstehenden Weltreiterspiele. Die Deutschen sind die Favoriten, aber wer soll fahren? Man darf gespannt sein!
Abschied von HGW
Wer genau hinsieht, erkennt bei den deutschen Reitern einen schwarzen Trauerflor über dem roten Rock in Aachen. Der Grund hat drei Buchstaben: HGW wie Hans Günter Winkler. Kurz vor Beginn des Weltfests des Pferdesport stirbt die Legende im Springsattel im Alter von 91 Jahren. Die Soers war sein Wohnzimmer. Hier wird er 2018 mit großem Bahnhof verabschiedet. Eine Ikone im Sattel, einer der nie aufgab, der immer hoch hinaus wollte und dem auf dem Weg dorthin nichts geschenkt wurde. Aber wie er und Halla 1956 olympisches Gold in Stockholm holten, das hat sich ins Gedächtnis nicht nur von Reitsportfreunden gebrannt.
Das SPIEGEL-Gate
Pünktlich zum Bundeschampionat erscheint die neue Ausgabe des SPIEGEL. Thema darin: Jugendliche Springreiter, die sich die Hucke vollsaufen und junge Mädchen sexuelle Gewalt antun. Der allgemeine Tenor ist Verwunderung darüber, dass das erst jetzt thematisiert wird. Die FN verspricht sofortige Maßnahmen, etwa stichprobenartige Alkoholkontrollen auf dem Turnier und Präventionsmaßnahmen für die Kaderreiter.
Ungeachtet dieser Vorkommnisse darf ein verurteilter Kinderschänder bei den Europameisterschaften 2017 für Deutschland reiten …
Die Chaostage von Tryon
Es ist so weit! Endlich ist es Zeit zu packen und sich auf den Weg nach Tryon in North Carolina (USA) zu den Weltreiterspielen zu machen. Die Vorfreude ist groß, die Ernüchterung auch.
Schon vor der Ankunft der deutschen Teilnehmer kursieren Fotos im Internet von Massenunterkünften für die Pfleger, die anscheinend unter unwürdigsten Bedingungen zusammengepfercht werden sollen. Vor Ort relativiert sich manches, vieles ist aber auch schlimmer als erwartet. Die Bedingungen für die Pferde sind gut, alles andere ist eine einzige Baustelle. Und dann kommt auch noch die Warnung vor Wirbelsturm Florence, die dazu führt, dass die Dressurkür gecancelt wird. Bitter!
Gefühlt immer Sonne war hingegen, wenn die Springreiter dran waren. Ganz besonders, wenn Simone Blum und Alice-Airlines zum Höhenflug ansetzten.
Springen – die Tage der Tage
In derselben Besetzung, in der sie in Aachen den Nationenpreis gewannen, holen die deutschen Springreiter sensationell die Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften. Um Gold und Silber wird gestochen. Am Ende haben die Gastgeber die Nase vorn und stehen auf dem obersten Treppchen. Fazit: Es ist nicht alles Gold was glänzt. Manchmal ist es auch Bronze!
Die Entscheidung in der Einzelwertung wird erstmals ohne das Finale mit Pferdewechsel ausgetragen. Gut so! Simone Blum ist die einzige Frau unter den Top und ihre Alice mag keine Männer. Und schließlich braucht es diese Extraprüfung auch nicht, um einen würdigen Champion zu ermitteln.
Der heißt 2018 Simone Blum. Seit Franke Sloothaak 1994 ist sie die erste deutsche Weltmeisterin und die erste Frau seit Gail Greenough (CAN) 1986 in Aachen. Ihre Wunderstute Alice hat sich während des gesamten Turniers nicht einen Fehler erlaubt. Es ist ein kleines Märchen, das da wahr wird, als die deutsche Nationalhymne für dieses außergewöhnliche Paar erklingt.
Ebenfalls ein Märchen, nämlich das vom Stehaufmännchen ist die Geschichte von Martin Fuchs und Clooney. Im April musste der Cornet Obolensky-Sohn des Schweizers wegen einer Kolik operiert werden. Fuchs trainierte ihn in aller Vorsicht wieder an und hatte ihn auf den Punkt fit: Silber.
Direkt dahinter hat Fuchs‘ Freund und Trainingskollege Steve Guerdat einmal mehr gezaubert. Die Kollegen, die ihm mit seiner Bianca bei der Arbeit zugeschaut haben, haben innerlich sicherlich drei Kreuze gemacht, dass sie dieses geniale aber schwierige Pferd nicht im Pferdewechsel vorstellen müssen. Doch Guerdat ist einer mit unendlich viel Gefühl – gerade für die heißen Sensibelchen. Und so holten die beiden Bronze.
Dressur – Werths Doppelerfolg
Am Ende sind es Isabell Werth mit Bella Rose, Sönke Rothenberger mit Cosmo, Dorothee Schneider auf Sammy Davis Jr. und Jessica von Bredow-Werndl im Sattel von Dalera BB, die die deutschen Farben auf dem WM-Viereck vertreten.
So viele Erfolge Isabell Werth auch auf dem Konto haben mag, ihre „Bella“ in Tryon reiten zu dürfen, ist etwas ganz besonderes für sie. Und Bella Rose dankt ihr das Vertrauen in sie auf ihre eigene Weise: Sieg in Grand Prix und Special, die Weltmeister-Titel Nummer acht und neun für Werth.
Silber gewinnen die USA und Laura Graves. Auf dem Bronzetreppchen der Einzelwertung findet sich eine alte Bekannte wieder: Charlotte Dujardin. Ihr Pferd kennt man in ihrer britischen Heimat unter dem Spitznamen „Miss Valegro“. Der richtige Name der Lady ist Mount St. John Freestyle und sie ist erst neun Jahre alt, als sie einen Großteil der besten Dressurpaare der Welt hinter sich lässt …
Vielseitigkeit – die verflixte letzte Stange
Aufgrund ihrer sportlichen Fairness hätte man Ingrid Klimke neben der Bronzemedaille für Platz drei in der Einzelwertung auch noch eine Tapferkeitsmedaille umhängen sollen! Als Führende ging sie ins abschließende Springen nach einer tollen Dressur Marke Bobby (nicht spektakulär, aber super korrekt) und fehlerfreiem Gelände. Im Parcours klappert es ein paar Mal, aber alle Stangen bleiben in ihren Auflagen. Bis auf die letzte. Die fällt. Der fast schon sicher geglaubte Titel ist dahin. Was bleibt, ist Bronze. Die Reitmeisterin lächelt tapfer. Strahlende Siegerin ist die Britin Rosalind Canter auf Allstar B, die „nebenbei“ auch noch Gold mit der Mannschaft gewinnt. Silber geht an den Iren Padraig McCarthy im Sattel von Mr. Chunky.
Die Iren holen auch Silber mit der Mannschaft, gefolgt von den Franzosen. Aus Sicht der Deutschen ist die Mannschaftswertung eine Enttäuschung. Julia Krajewski und Chipmunk setzen sich in der Dressur mit einer tollen Vorstellung an die Spitze. Auch in dem von Captain Mark Phillips toll aufgebauten Gelände brillieren sie zunächst. Doch dann kommt Sprung 14, eine Kombination. Die Distanz passt nicht, Chipmunk kann nicht abspringen, muss vorbeilaufen, um einen Sturz zu verhindern. Den Rest des Kurses absolvieren die beiden problemlos. Wahrscheinlich wären sie sogar in die Zeit gekommen.
Die Kollegen, Kai Rüder mit Colani Sunrise und Andreas Dibowski auf Corrida, haben Probleme am letzten Anstieg. Bei ihren Pferden ist der Tank leer. Sie kommen mit vielen Zeitfehlern ins Ziel. Das hatte Bundestrainer Hans Melzer – inzwischen ohne Chris Bartle an seiner Seite, der sein Engagement nach den Olympischen Spielen in Rio beendet hatte – sich anders vorgestellt. Immerhin Rang fünf bedeutet die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020.
Distanz-Bilanz: ein Desaster
Die Distanz-Weltmeisterschaften 2018 kurz zusammengefasst? Fehlstart, Chaos, Abbruch des Wettbewerbs, ein totes Pferd, 53 in Behandlung. Abgebrochen wurde der Ritt schließlich wegen extremer Witterungsbedingungen mit schwüler Hitze, die bei vielen Pferden zu Kreislaufproblemen führte. Das tote Pferd, der 20-jährige Routinier Barrack Obama, starb an Nierenversagen. Der Distanzsport ist ohnehin eine Disziplin, die massiv in der Kritik steht. In Tryon erlebte sie ihren Tiefpunkt.
Der deutsche Distanzreiter Bernhard Dornsiepen, dessen Pferd dank sorgfältigster Vorbereitung gut mit den Bedingungen zurecht kam, sagte später: „Unser Sport hat sich verändert. Wir müssen wieder dahin kommen, dass sich jeder Reiter selbst für sein Pferd verantwortlich fühlt. Das kann ihm keiner abnehmen, kein Tierarzt, niemand.“ Das setzt allerdings Gefühl fürs Pferd voraus. Und das ist vielen Reitern, für die ihre Distanzpferde anscheinend so etwas wie Einwegware sind, offenbar fremd.
Erste Medaille für die Reiner
Toller Erfolg aus Sicht der deutschen Reiner! Immer waren sie bislang Vierte. 2018 klappt es erstmals mit einer Mannschaftsmedaille – Bronze für Grischa Ludwig auf Ruf Lil Diamond, Markus Süchting mit Spotlight Charly, Julia Schumacher im Sattel von Coeurs Little Tyke sowie Robin Schoeller auf Wimpy Kaweah.
Mannschaftsweltmeister werden wie erwartet die US-Reiner, aber der Einzel-Titel geht überraschend nach Belgien – das erste Mal, dass die Europäer den Amis in „ihrer“ Disziplin einen Titel wegschnappen. Dies glückt Bernhard Fonck auf What a Wave.
Voltigierer? Abgesahnt!
Schwerelos zu dreimal Gold, zweimal Silber und einer Bronzemedaille – für Deutschlands Voltigierer sind die Weltreiterspiele ein einziger Triumphzug.
Bei den Damen holt die Hamburger Unfallchirurgin Kristina Boe den Titel. Es ist der letzte große Erfolg ihrer Karriere. Sie hängt die Schläppchen nach dieser Medaille an den Nagel. Silber geht an Janika Derks, die zusammen mit Johannes Kay auch noch Bronze im Pas de Deux gewinnt.
Die beiden weiteren Goldmedaillen für Deutschland holt der VV Köln-Dünnwald, zum einen bei den Gruppen, zum anderen im Nationenpreis – hier zusammen mit Jannik Heiland und Kristina Boe.
Bei den Herren ist der für Frankreich startende Lambert Leclezio das Maß der Dinge. Jannik Heiland gewinnt Silber, Thomas Brüsewitz Bronze.
Das Bronze-Quartett
Sehr zufrieden können die Para-Dressurreiter mit ihrer Tryon-Ausbeute sein! Das Ziel, die Qualifikation für die Paralympics, haben sie erreicht. Mehr noch, sie holen vier Medaillen, alle in Bronze. Dafür sorgen Regine Mispelkamp im Grade V, Dr. Angelika Traber mit Diamond’s Shine im Grade III, Elke Philipp im Grade I und alle zusammen in der Mannschaftswertung, für die auch Steffen Zeibig (Grade III) antritt, der als Vierter knapp an einer weiteren Medaille vorbei schrammt.
Was von Tryon übrig blieb
Der Weltreiterverband hat die Konsequenzen aus dem Chaos bei den Weltreiterspielen in Tryon gezogen. Weltmeisterschaften in sieben Disziplinen – damit sind die meisten Veranstalter überfordert. Darum wird es nun wieder möglich, sich auch nur für eine oder mehrere Disziplinen zu bewerben.
Kooperation Schockestrand
2018 ist auch das Jahr, in dem zwei der größten Pferdehändler weltweit eine Kooperation in Sachen Hengsthaltung beschließen: der Däne Andreas Helgstrand und Paul Schockemöhle. Erster gemeinsamer Coup: der Erwerb des 2,01 Millionen-Hengstes Vivino beim Hannoveraner Hengstmarkt.
2019
Das prä-olympische Jahr wirft seine Schatten voraus. In der Dressur braucht Deutschland sich keine Sorgen zu machen. Bundestrainerin Monica Theodorescu und der Disziplinausschuss am Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) können aus den Vollen schöpfen. Im Springen gibt es gute Nachrichten von zwei verlorenen Söhnen. Und in der Vielseitigkeit gibt es ein neues, viel versprechendes Paar und einen historischen Erfolg.
Schwacher Trost
Eine Hammer Nachricht zum Jahresbeginn! Julia Krajewskis Chipmunk geht zu Michael Jung. Von der Pike auf hatte die Bundestrainerin der Junioren den Wallach ausgebildet. Er kam als Youngster zu ihr direkt vom Züchter Dr. Hilmar Meyer-Kulenkampff. Julia Krajewski machte den Hannoveraner zum Bundeschampion und brachte ihn auf Vier-Sterne-Niveau. Doch nach den Weltreiterspielen in Tryon endete der Vertrag, den sie mit Meyer-Kulenkampff hatte. Chipmunk sollte verkauft werden. Michael Jung war auf der Suche nach einem Nachfolger für seine Toppferde Sam und Rocana, nachdem sowohl Halunke als auch Takinou nach ihrem EM-Erfolgen ein bisschen in der Versenkung verschwanden. Jung probierte Chipmunk aus und stellte fest: „Das ist das bestausgebildetste Pferd, das ich je geritten habe!“ Ein großes Kompliment an Julia Krajewski. Und doch nur ein schwacher Trost. Denn bald darauf ist es so weit, „Chip“ verlässt Krajewskis Stall auf dem DOKR-Gelände in Warendorf und zieht auf die schwäbische Alb zu Michael Jung.
Für mich ist das sehr schwer. Chip war immer ein bisschen unser Welpe im Stall. Ich bin sehr stolz darauf, was aus ihm geworden ist.
So Julia Krajewski.
Ein verheerender Tag
Den Morgen des 28. Februar 2019 wird die Dressurfamilie Rothenberger wohl nie vergessen. Das Gebell des Hundes weckte Sanneke Rothenberger. Sie war mit ihrem Bruder Sönke allein zuhause. Die Eltern waren mit der jüngsten Schwester Semmieke auf einem Turnier. Sanneke stand auf, um nachzuschauen, was nicht stimmte und entdeckte Rauch aus Richtung der Stallungen. Sie weckte ihren Bruder und gemeinsam versuchten sie die Pferde zu befreien. Der Stall brannte lichterloh. Die meisten Pferde konnten sie rechtzeitig herausholen, auch Championatspferd Cosmo.
Doch für fünf von ihnen kam jede Hilfe zu spät. Die beiden Rentner Paso Doble und Kid’s Gentleman, die Nachwuchspferde Zum Glück und Fayola sowie das Pony einer schwedischen Reiterin kamen in den Flammen ums Leben. Drei Pferde mussten in die Tierklinik gebracht werden. Die beiden Stuten Luna und Kantate sind immer noch in Behandlung.
Die anderen Pferde wurden interimsweise auf den benachbarten Schafhof zur Familie Rath/Linsenhoff gebracht und dort trainiert. Der Schaden wurde damals auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Schuld war wohl ein defektes Kabel an einem Wasserkocher im Stall.
Inzwischen konnten die Pferde wieder zuhause einziehen. Stall und Reithalle wurden neu aufgebaut.
Aus für die 10-Minuten-Regel
Sie war ohnehin ein Hohn: Anfang 2019 wird die 10-Minuten-Regel, nachdem Reiter ihre Pferde zehn Minuten lang auf dem Abreiteplatz à la Sjef Janssen drangsalieren dürfen, aus dem überarbeiteten Regelwerk der „Steward Manuals“ entfernt. Es gibt dazu weder Pressemitteilung noch sonstiges Statement der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI). Der Aufreger ist plötzlich einfach nicht mehr da. Stattdessen bekommen die Stewards detaillierte Beschreibungen an die Hand, welche Kopf-Hals-Positionen des Pferdes zulässig sind. Und das Regelwerk unterbindet explizit aggressives Reiten.
Nachdem es beim Dressurabreiteplatz des CHIO Aachen 2018 zu Kritik wegen mancher reiterlicher Einwirkung kam, die von den Stewards vor Ort angeblich nicht geahndet wurde, beschließt der Veranstalter 2019 erstmals sogenannte „Info-Stewards“ einzusetzen als Ansprechpartner für die Zuschauer. Der Sport soll noch transparenter werden. Darum stehen die Info-Stewards bereit, Fragen zu beantworten und Erklärungen zu geben.
Die dreifachen Champions von Göteborg
Einmal mehr ist das Scandinavium in Göteborg Schauplatz der Weltcup-Finals von Dressur- und Springreitern. Sowohl die Dressur-Championesse als auch der Sieger im Parcours feiern einen Hattrick. Für Isabell Werth und Weihegold wird es der dritte Titel in Folge, für die Reiterin der fünfte Sieg insgesamt.
Im Parcours ist einmal mehr kein Vorbeikommen am Schweizer Meisterreiter Steve Guerdat. Alamo trägt ihn zu seinem dritten Titel und dem zweiten in Göteborg. Davor war er hier 2016 mit Corbinian siegreich gewesen, ein Jahr nachdem er auf Paille de la Roque in Las Vegas gewann.
Die Tinte ist trocken!
Der Bundestrainer der deutschen Springreiter, Otto Becker, dürfte das Jahr 2019 in guter Erinnerung behalten. Zwei seiner besten „Jockeys“ sind wieder an Bord des Olympiakaders: Christian Ahlmann und Daniel Deußer. Beide hatten sich aus verschiedenen Gründen nach dem Olympiajahr 2016, wo sie ja noch zur Bronze-Mannschaft von Rio gehörten, geweigert, die Athletenvereinbarung des DOKR zu unterschreiben. Nach einigem Hin und Her stehen sie Deutschland nun wieder zur Verfügung und feiern ihr Comeback erst mit Platz zwei im Nationenpreis von Aachen – geschlagen um gerade mal einen Zeitfehler.
Christian Ahlmann später: „Hier rein zu reiten an diesem Abend, das gibt es nirgendwo sonst. Das gibt es auf keinem Championat.“ Und Teamkollege Marcus Ehning seufzte: „Ich bin heilfroh, dass die beiden wieder dabei sind! Kein Team der Welt kann es sich leisten, auf solche Reiter zu verzichten.“
Showis Comeback
Nachdem die Saison 2018 für Dorothee Schneiders Showtime vorzeitig beendet war, meldet der Hannoveraner Sandro Hit sich 2019 zurück. Und zwar besser denn je. Über Ebreichsdorf und München geht es nach Balve zu den Deutschen Meisterschaften. Hier trifft „Showi“ unter anderem auf Weltmeisterin Bella Rose. Die gewinnt den Grand Prix, aber im Special heißt es „It’s Showtime!“. Er lässt das gesamte Starterfeld ganz lässig hinter sich und sichert seiner Reiterin den zweiten Deutschen Meister-Titel ihrer Karriere – was ja innerhalb Deutschlands einer internationalen Championatsmedaille gleichkommt.
In der Kür haben Werths Bella Rose und Schneiders Showtime Dispens, Emilio und Sammy Davis Jr. dürfen ran. Der Sieg geht an Isabell Werth und Emilio, Silber holen Jessica von Bredow-Werndl und Dalera BB, Bronze Helen Langehanenberg und Damsey. Dorothee Schneider und Mannschaftsweltmeister Sammy Davis Jr. werden Vierte.
Stärker denn je …
… treten 2019 die deutschen Dressurreiter auf. Isabell Werth und Bella Rose, Dorothee Schneider auf Showtime, Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera und Helen Langehanenberg auf Damsey bilden das Team. Die Ergebnisse sprechen für sich.
Im Grand Prix, Teil eins des Nationenpreises, siegen Isabell Werth und Bella Rose mit 82,783 Prozent. Dorothee Schneider und Showtime werden Zweite (80,609), Jessica von Bredow-Werndl und Dalera BB Vierte (79,0), knapp geschlagen von Charlotte Dujardin und Erlentanz (79,152). Einzig Helen Langehanenberg und Damsey haben nicht ihren besten Tag – 71,239 Prozent.
Im Grand Prix Special ist der „Zieleinlauf“ beinahe derselbe – aber mit noch mehr Punkten. Werth und Bella Rose siegen mit 84,447 Prozent. Schneider und Showtime kommen auf 83,617 Prozent, Dujardin und Erlentanz auf 80,277. Bei Dalera werden es 79,021 Prozent. Helen Langehanenberg und Damsey steigern sich auf 75,043 Prozent.
Was die nackten Zahlen nicht verraten: Der Nimbus der Unschlagbarkeit des Weltmeister-Paares Werth/Bella Rose wackelt. Sie gewinnen auch die Kür – das perfekte Geschenk zum 50. Geburtstag für Isabell Werth –, aber Showtime präsentiert sich in einer Form, die für die anstehenden Europameisterschaften Großes verspricht. Wird Schneider Werth vom Thron stoßen?
Bobby, der Buschkönig
Europameisterschaften der Vielseitigkeitsreiter in Luhmühlen. Die Gastgeber treten mit zwölf Reitern in der Heide an, als Gastgeber dürfen sie das größte Kontingent stellen. Für einige Paare wird es Championatspremiere. Aber im Team haben Bundestrainer Hans Melzer & Co. auf die bewährten Kräfte gesetzt: Ingrid Klimke und Hale Bob, Michael Jung auf seinem neuen Star im Stall, Chipmunk, Andreas Dibowski und Corrida sowie Kai Rüder mit Colani Sunrise treten unter der Ägide von Equipechef Prof. Dr. Jens Adolphsen für Deutschland an.
Das Turnier läuft perfekt für die Deutschen, nicht nur die arrivierten Teamreiter, auch die Einzelreiter liefern gute Resultate, liegen nach dem Gelände zum Teil sogar vor den Mannschaftsreitern. An der Spitze halten sich mit gerade mal 20,90 Minuspunkten nach der Dressur Michael Jung und Chipmunk. Perfekter Einstand für die beiden! Aber die Titelverteidiger, Ingrid Klimke und Hale Bob, sind ihnen dicht auf den Fersen. Auch sie beenden das Gelände mit ihrem Dressurergebnis auf dem Konto: 22,2 Minuspunkte. Das verspricht ein spannendes Abschlussspringen!
Als Zweite der Gesamtwertung gehen Kimke und Hale Bob als vorletztes Paar in den Parcours. Mit der Unterstützung ihres eigens angereisten Heimtrainers Kurt Gravemeier gelingt Ingrid Klimke und Hale Bob eine perfekte Nullrunde. Für Michel Jung heißt das: Er kann sich maximal einen Zeitfehler erlauben, ein Abwurf ist nicht drin. Doch genau diesen handeln er und Chipmunk sich ein. Am Aussprung der zweifachen Kombination fällt das Gold in den Sand. Silber für ihn und erneut der Titel für Klimke und Hale Bob.
Zusammen mit dem 16. Platz von Andreas Dibowski und Corrida und Kai Rüder auf Colani Sunrise als 24. (Zu den Grundlagen des Geländereitens haben wir übrigens Lehrvideos mit Kai Rüder online in unserer Serie „Rüber mit Rüder„) gewinnt auch das Team Gold.
Fette Beute in Rotterdam
Marcus Ehning auf Comme il faut, Christian Ahlmann mit Clintrexo Z, Daniel Deußer auf Tobago Z und last but not least Weltmeisterin Simone Blum und Alice sind das starke deutsche Aufgebot im Parcours der Europameisterschaften von Rotterdam. Sie begannen super. Im Zeitspringen blieben alle vier fehlerfrei. Das Team übernahm vorerst die Führung. Musste sie in Runde eins des Nationenpreises aber gleich wieder abgeben. Zwar ließen Simone Blum/Alice und Daniel Deußer/Tobago alle Stangen liegen, aber sowohl bei Christian Ahlmann und Clintrexo als auch bei Marcus Ehning mit Comme il faut fielen je zwei Stangen. Das warf die Mannschaft zurück. Am nächsten Tag patzten in Runde zwei die „Nuller“ vom Vortag je einmal, Clintrexo und Comme il faut konnten glänzen. Summa Summarum machte das 16,22 Strafpunkte und Silber für die deutsche Mannschaft.
Der Sieg ging an die Belgier, die sich von Rang acht aufs oberste Treppchen vorkämpften und sich bereits in Olympia-Form präsentierten. Bronze holten die Briten, die unter anderem den unglaublichen Explosion W mit Ben Maher in ihren Reihen haben, der in der Saison zum zweiten Mal in Folge den Gesamttitel der Global Champions Tour sowie auch noch den sogenannten Super Grand Prix in Prag gewinnen werden.
Ben Maher und Explosion gelten als heiße Anwärter auf den Einzeltitel dieser EM. Während der gesamten EM haben sie sich noch keinen einzigen Fehler erlaubt. Nur noch ein Parcours liegt vor ihnen. Hindernis für Hindernis lassen die beiden hinter sich. Der fuchsfarbene Chacco Blue-Sohn scheint mehr zu fliegen als zu springen. So sehen Sieger aus! Bis zum vorletzten Hindernis dieser EM. Hier fällt die Stange. Aus der Traum vom EM-Gold.
Das wird schlussendlich zur Beute des Schweizers Martin Fuchs mit dem westfälischen Cornet Obolensky-Sohn Clooney. Bei der WM 2018 waren sie Zweite, im Weltcup-Finale waren sie Zweite, nun also der erste Titel bei den Senioren für den 27-Jährigen. Er weint vor Freude, als er der Schweizer Hymne lauscht, die ihm zu Ehren im Kralingse Bos angestimmt wird. Ben Maher hingegen sieht leicht angefressen aus. Der Reiter auf dem Bronzetreppchen hingegen freut sich mindestens so, wie der Sieger: Belgiens Jos Verlooy mit Igor, der altersmäßig auch noch in der U25-Tour mitreiten könnte.
Simone Blum und Alice werden mit zwei Abwürfen über die Tage Vierte, Ehning und Comme il faut mit insgesamt neun Fehlern Fünfte. Christian Ahlmann hatte seinen Clintrexo vom Einzelfinale zurückgezogen. Er wollte dem damals erst zehnjährigen Hengst nicht noch weitere Runden zumuten, sondern freute sich, ihn mit einem Null-Parcours nach Hause schicken zu können. Bei Daniel Deußers Tobago war nach den anstrengenden Tagen etwas Luft raus. Mit zwei Abwürfen verpassten sie das Finale der Top 12.
Bella versus Showi und die beste Dalera, Drama um Team-Silber
Was sich in Aachen schon angedeutet hatte, findet bei den Europameisterschaften der Dressurreiter seinen vorläufigen Höhepunkt: das Duell zwischen Bella Rose und Showtime. Womit nicht unbedingt zu rechnen war, sind die beiden Bronzemedaillen in der Einzelwertung. Am Ende werden es sechs von sieben möglichen Medaillen für Deutschland.
Doch zunächst zur Mannschaftsentscheidung. Allein der Grand Prix entscheidet über die Medaillenvergabe. Jessica von Bredow-Werndl und Dalera machen den Anfang. In der Trabtraversale muss die Stute äppeln. Das bringt Reiterin und Pferd aus dem Konzept, mit 76,894 und Rang neun bleiben sie deutlich unter ihren Möglichkeiten.
Ebenso ergeht es Sönke Rothenberger und Cosmo. Der Van Gogh-Sohn wirkt weniger frisch als sonst, landet im Grand Prix aber immerhin noch auf Rang drei mit knapp 80 Prozent.
Dorothee Schneider und Showtime erhalten über 80 Prozent, allerdings ist auch hier noch Luft nach oben. Der Sandro Hit-Sohn ist aufgeregt, der Vorstellung fehlt die nötige Ruhe. Trotzdem Rang zwei.
Bei Isabell Werth und Bella Rose hingegen läuft es allerbestens: fast 86 Prozent für die Weltmeister.
Was die Ergebnisliste nicht verrät: Zwischenzeitlich gehörte der zweite Platz Olympiasiegerin Charlotte Dujardin und Freestyle nach einer Vorstellung, für die sie fast 81,910 Prozent erhalten hatten. Das hätte Silber für Großbritannien bedeutet. Hätte, Konjunktiv. Denn plötzlich ändert sich das Bild auf der Anzeigentafel. Die Briten verschwinden, die niederländischen Gastgeber tauchen auf dem Silberrang auf, die Schweden dahinter. Nanu? Große Aufregung! Gerüchte machen die Runde. Charlotte Dujardin soll disqualifiziert worden sein. Das Wort „Blut“ fällt. Zunächst heißt es, die Stute habe aus dem Maul geblutet. Später wird klargestellt, dass sie eine offene Stelle im Bereich der Sporen hatte. Die Medaille ist futsch und Dujardin, sonst der Liebling der Facebook-User, erntet einen gewaltigen Shitstorm.
Dann der Grand Prix Special, jetzt geht es erstmals um die Einzelmedaillen. Am Ende holt Isabell Werth ihre achte EM-Goldmedaille mit starken 86,520 Prozent. Showtime sichert seiner Ausbilderin die erste Einzelmedaille bei einem Championat – Silber mit 85,465 Prozent trotz Fehlern in den Einerwechseln. Es war eine Wahnsinnsvorstellung des Paares, voller Harmonie und Schmelz und doch mit so viel Energie.
Bronze holen wie schon in Göteborg 2017 Dänemarks Cathrine Dufour und Cassidy – zu ihrer eigenen Überraschung. Sie hatte ihren Caprimond-Sohn schon halb ausgeflochten als die Nachricht kam, dass sie es aufs Treppchen geschafft hat.
Dann die Kür. Jessica von Bredow-Werndl und Dalera gelingt der Special besser als der Grand Prix, während sich bei Sönke Rothenberger und Cosmo die Fehler häufen. Damit sind die beiden raus, weil sich nur drei Reiter pro Nation für die letzte Medaillenentscheidung qualifizieren und Dalera hat noch einmal die Chance, sich zu präsentieren.
Sie nutzt sie. Es ist eine Gänsehautvorstellung der elastischen Stute mit ihrer elegant sitzenden Reiterin! Se beschert ihnen 89,107 Prozent und die Bronzemedaille. Es hätte aber auch jede andere Farbe sein können. Die drei Paare an der Spitze lieferten allesamt fantastische Vorstellungen, auch wenn Showtime am Ende etwas die Luft auszugehen scheint nach den Anstrengungen der letzten Tage. Für ihn und Dorothee Schneider wird es erneut Silber, diesmal mit 90,561 Prozent. Sie sind das sechste Reiter-Pferd-Paar der Dressurgeschichte, das je die 90 Prozent-Marke knacken konnte. Isabell Werth holt sich die 20. (!) EM-Goldmedaille ihrer phänomenalen Karriere und die neunte in der Einzelwertung. Die Richter geben Bella Rose 90,875 Prozent, persönlicher Rekord.
Sir Mark dankt ab
2019 geht als das Jahr in die Annalen der Vielseitigkeitsgeschichte ein, in dem der zweifache Olympiasieger Sir Mark Todd sich mit 63 Jahren aus dem aktiven Sport verabschiedet. Seine größten Erfolge, Gold bei den Olympischen Spielen 1984 und 1988, holte er im Sattel des genauso kleinen wie genialen Charisma. Zwischenzeitlich hatte er dem Sport auch schon einmal den Rücken gekehrt, kam aber pünktlich zu den Olympischen Spielen 2008 wieder zurück. Sein letztes großes Erfolgspferd, mit dem er 2016 an den Olympischen Spielen in Rio teilnahm, war der Holsteiner Leonidas v. Landos, gezogen von der St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer.
Stunk in Hannover
Mehr als zehn Jahre war Dr. Werner Schade Geschäftsführer und Zuchtleiter des Hannoveraner Verbands. Damit waren jedoch diverse Züchter unzufrieden. Im März beschließt der Vorstand, die Ämter fortan zu trennen.
Wobei es nicht nur um die Person Dr. Werner Schades, sondern auch innerhalb des Vorstands Kontroversen gibt. Und das auch schon länger.
Schlussendlich wird Dr. Werner Schade zunächst von seinen Ämtern freigestellt und am 13. Mai fristlos gekündigt. Schade geht gerichtlich dagegen vor. Seine Nachfolge als Zuchtleiter tritt Ulrich Hahne an. Neuer Geschäftsführer ist seit Dezember Wilken Treu.
Als Begründung für die fristlose Kündigung Schades wird schließlich eigenmächtiges Handeln bei der Reklamation eines 2018 gekörten Hengstes angegeben. Der Hengst war über den Hengstmarkt 2018 nach Norwegen verkauft worden. Da er jedoch an Shivering leidet, sollte er zurückgehen. Schade besprach die Angelegenheit mit dem Vorstand setzte ein Schreiben auf eine Faksimile Unterschrift des Verbandspräsidenten Hans-Henning von der Decken darunter. Der sagt, er habe den Vertrag sehen wollen. Schade gibt an, dies sei ein durchaus übliches Vorgehen gewesen, dass es auch schon zuvor gegeben habe.
Aktuell ist in dem Fall noch keine endgültige Entscheidung getroffen.
Auktions-Merkwürdigkeiten
Apropos Hannover – was war da eigentlich beim Hengstmarkt in Verden los? Bei satten 1,79 Millionen fällt der Hammer von Auktionator Bernd Hickert für den eleganten Cadeau Noir-Sohn, der bei der Hannoveraner Körung für Aufsehen sorgte. Den Zuschlag erhält das Gestüt Bonhomme, wo auch der Vater stationiert ist.
Doch in der ersten Reihe der Niedersachsenhalle regt sich Protest. Dr. Ulf Möller moniert, es gebe noch ein weiteres Gebot am Telefon. Hickert wendet sich an seinen Chef, Jörg-Wilhelm Wegener. Der signalisiert: Weitermachen! Also wird erneut geboten.
Schließlich schlägt Hickert den Hengst bei 1,89 Millionen erneut zu, wieder an Bonhomme. Und wieder protestiert das Team Helgstrand/Schockemöhle, diesmal jedoch vergeblich. Auktionsleiter Wegener beschließt, das Pferd ist verkauft. Die Schockestrand-Connection verlässt empört die Halle, macht ihrem Ärger mit einem offenen Brief Luft. Hannover entschuldigt sich, Hickert lässt „seine Auktionatorentätigkeit bis auf weiteres ruhen“.
Was auch immer die Beweggründe der Akteure waren, dem Hengst geht es gut! Er heißt nun Confess Color und wird auf Gestüt Bonhomme auf seine weitere Laufbahn vorbereitet.
Confess Color war übrigens nicht der teuerste Jüngling dieser Körsaison. Den monetären Vogel schießt in Münster-Handorf bei der Körung des Westfälischen Pferdestammbuch ein Sohn von Hans Peter Minderhouds Dream Boy ab. Für 1,9 Millionen Euro geht er in den gemeinschaftlichen Besitz von Helgstrand Dressage und der Familie Kasprzak. Sein Name ist übrigens Dynamic Dream.
80 Jahre Reitmeister Klaus und 50 Jahre MMB
Im Dezember 2019 feiern zwei große Reitsportpersönlichkeiten runden Geburtstag: Olympiasieger Klaus Balkenhol wird 80 Jahre alt, Meredith Michaels-Beerbaum 50. Wir gratulieren von Herzen!
Mit Klaus Balkenhol hat sich St.GEORG-Chefredakteur Jan Tönjes übrigens kurz vor seinem Geburtstag am Nikolaustag (dem er übrigens den Namen Klaus verdankt) getroffen. Das Ergebnis ist ein toller Podcast, in dem der große Pferdemann aus seiner eigenen Jugend erzählt und seine Karriere Revue passieren lässt. Hier geht es zu den St.GEORG-Podcasts.
Meredith Michaels-Beerbaum war eine der prägendsten Figuren des deutschen Springsports in den letzten zehn Jahren. Schade, dass die langjährigen Sponsoren von der Artemis Farm nun die besten Pferde der Beerbaums an Rodrigo Pessoa gegeben haben! Aber die große MMB findet Erfüllung im Training mit ihrer talentierten Tochter Brianne.
Für die Zukunft ist also gesorgt. Möge es für uns alle und vor allem die Pferde eine gute sein!womens air jordan 6 barely rose dh9696 100 release date | air jordan 1 high og university blue release date
Mir fehlt hier die Verabschiedung von Casall, wie auch der Aufstand der Holsteiner Züchter,
das waren auch sehr einprägende Momente.