Frederic Wandres, 36, Silbermedaillengewinner mit der Mannschaft bei den FEI Europameisterschaften der Dressurreiter 2023 in Riesenbeck, war nie Teil eines Nachwuchskaders. Seine Eltern hatten mit Pferden nichts zu tun und konnten es sich auch nicht leisten, ihren Sohn teuer beritten zu machen.
Der Weg in die Weltspitze begann für Frederic Wandres an der Longe auf einem Schulpferd, das zu einem ländlichen Reitstall in seiner Baden-Württemberger Heimat gehörte. Aufgewachsen ist er in Kehl am Rhein zwischen Karlsruhe und Freiburg. Im Grundschulalter tat er sich mit einigen Freunden zusammen, die Reiten lernen wollten. Am Ende war Frederic der einzige, der dabei blieb. Und wie. „Ich war mehr im Stall als zuhause“, schmunzelt er. Seine Eltern hatten nichts dagegen, im Gegenteil. Sie haben ihn nach Kräften unterstützt. Mit 15 Jahren bekam Frederic sein erstes eigenes Pferd, einen dreijährigen Halbaraber aus einer Almé-Mutter namens Calypso W. Nicht gerade das Pedigree, das nach dem großen Viereck ruft. Aber Frederic und Calypso rauften sich zusammen, bestritten Dressur- und Springpferdeprüfungen der Klasse A. Die Karriere im Parcours fand allerdings ein frühes Ende im ersten Hindernis der ersten Springpferdeprüfung Klasse L. Da lagen beide drin und Frederic schwor sich: Nun nur noch Dressur. Und Calypso musste mitmachen. Denn ein teureres, geeigneteres Pferd war im Budget nicht vorgesehen.
Kasselmann, Bonhomme, Kasselmann
Dafür setzte Wandres Senior aber alles dran, seinem Sohn guten Unterricht angedeihen zu lassen, etwa bei dem damaligen Landestrainer Bertin Pötter, der dänischen Championatsreiterin Lone Jörgensen. Auch bei Mannschaftsolympiasiegerin Ulla Salzgeber hat Wandres auf Vermittlung seines Vaters ein Praktikum gemacht. Doch bei allem Verständnis für die Begeisterung ihres Sohnes, als es um die Berufswahl ging, beharrten seine Eltern auf ihrem Standpunkt: erst Abitur und eine Ausbildung. Es wurde die zum Industriekaufmann. Aber danach war der Weg frei. Die Pferde wurden auch beruflich zum Mittelpunkt in Wandres‘ Leben. Er begann seine Ausbildung auf dem Hof Kasselmann in Hagen und blieb auch danach noch dort. Nach sechs Jahren wechselte er auf das Gestüt Bonhomme vor den Toren Berlins. „Ich hatte das Gefühl, ich muss mir nochmal die Hörner abstoßen“, so Wandres. Er stellte dort einen jungen Fiderdance, der heute international Grand Prix erfolgreich mit mehreren Reitern ist, in ersten Jungpferdeprüfungen vor, siegte mit Grey Flanell im niederländischen Pavo Cup (Pendant zum Bundeschampionat) und war dabei, als Cadeau Noir seinen Weg nach Werder fand. Aber Bonhommes Fokus war zu dem Zeitpunkt ein anderer als der von Frederic, der sportlich weiterkommen wollte. Eines Tages erhielt er einen Anruf von Bianca Kasselmann, ob er sich nicht vorstellen könnte, zurückzukommen. Frederic konnte. Und innerhalb eines halben Jahres hatte er genug S-Siege beisammen, um sein Goldenes Reitabzeichen entgegennehmen zu dürfen. Irgendwann trat dann ein kleiner Fuchswallach mit Namen Duke of Britain in sein Leben.
Alles dank Duke
„Duke war ein Türöffner“, sagt Wandres heute. Als die beiden sich kennenlernten, war der Dimaggio-Sohn auf S-Niveau unterwegs. Schritt für Schritt arbeiteten sie sich in Richtung S***-Niveau vor, probierten mal eine Intermédiaire II und waren schließlich so weit, dass sie einen Start in einer Louisdor-Preis Qualifikation ins Auge fassen konnten. Dass sie schließlich Fünfte im Finale in Frankfurt wurden mit dem Kommentar von 5*-Richter Dr. Dietrich Plewa, dass der damals zehnjährige Fuchs eine „klassische Piaffe“ zeigt, war ein Meilenstein ihrer Karriere. Sie gipfelte in Mannschaftsbronze bei der WM 2022 in Herning. „Ohne Duke wäre ich ganz sicher heute nicht hier“, sagt Wandres. Er schulde aber auch den Besitzern, der Familie Kasselmann großen Dank. Schließlich unterhalten die einen Verkaufsstall und Duke of Britain war bzw. ist nicht nur talentiert, sondern auch rittig. Solche Pferde sind gefragt. Anfangs gab es auch Interessenten. Doch das passte nie und am Ende einigte man sich darauf, dass Duke bleiben darf.
Was lange währt …
Neben ihm baute Wandres das Pferd auf, mit dem er hier in Riesenbeck am Start ist: den Oldenburger Wallach Bluetooth. Der war ein bekanntes Pferd, das schon diverse prominente Reiter hatte. hundertprozentig überzeugt war Wandres nicht von ihm. „Aber nach dem ersten Mal Reiten war mir klar: Da ist viel mehr, als ich jemals dachte.“ Es war für beide ein Glücksfall. Sie fingen mit 70 Prozent im Grand Prix an und arbeiteten sich langsam nach oben. Die Wintermonate verbringen sie meist in Florida. „Das ist super, um Dinge auszuprobieren – die richtige Abreitezeit auszutüfteln usw.“, so Wandres. „Außerdem haben wir da Zeit, uns intensiver mit den Pferden zu beschäftigen, die das brauchen“, sagt Wandres. Das hat Bluetooth gutgetan. Ebenso wie die intensive Arbeit mit Bundestrainerin Monica Theodorescu, die wenigstens alle zwei Wochen Wandres in Hagen bei der Arbeit mit seinen Pferden hilft, nicht nur mit den Championatspferden, sondern auch mit dem Nachwuchs. Daran ist Wandres auch reiterlich gewachsen. Theodorescu ist äußerst überzeugt von den beiden: „Sie sagt, zuhause sei insbesondere die Piaffe-Passage-Arbeit nahe am Optimum“, so Wandres. Und: „Wir wollen irgendwann die 8 vor dem Komma haben.“ Auch das hält die Bundestrainerin für realistisch. Er selbst will den Ball da eher flach halten. „Ich weiß nicht, ob wir das schaffen. Aber ich weiß, wenn du dir selbst Grenzen setzt, dann hast du die im Kopf. Also halte ich es für möglich. Ein großer Teil, der da drin passiert, spielt sich im Kopf des Reiters ab.“
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