Die Wolfspopulation nahm auch im vergangenen „Wolfsjahr“ ungebremst zu. Erstmals forderte nun eine Mehrheit im EU-Parlament in einer Resolution die EU-Kommission auf, die Wolfsstrategie neu zu bewerten. Was dabei herauskam und was sich die FN für 2023 vorgenommen hat, lesen Sie hier.
Gibt man die Schlagworte „Wolfsriss“ und „Pony“ oder „Pferd“ an, enttäuschen die Ergebnisse in gängigen Suchmaschinen nie, wenn man von aktuellen Vorfällen lesen will. Ein angefressenes Reh hinter einem Seniorenheim hier, ein totes Pony dort, und zuletzt gab es in den Niederlanden einige Begegnungen zwischen Mensch und Wolf. Der Wolf war und ist ein emotionales Thema. Fakten helfen, die Sache einzuordnen.
Wolf: Ausbreitung steigt
Während sich im vergangenen Monitoring-Jahr die Risszahlen von Nutztieren, dokumentiert von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW), erhöht haben (nur rund 3,5 Prozent mehr Schäden bei Nutztieren, aber 28 Prozent mehr Übergriffe auf Pferde), beobachtet Bernhard Feßler eine andere problematische Entwicklung: Der Wolf erschließt sich in Deutschland immer neue Territorien, mittlerweile ist er auch in Nordrhein-Westfalen verbreitet. Die Ausbreitung des Wolfes mache ihm mehr Sorgen als die Konzentration.
Als Interessenvertreter der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ist Feßler die „Stimme des Pferdesports“ im politischen Berlin und setzt sich mit den anderen Verbänden des Aktionsbündnisses Forum Natur (AFN) für neue Regelungen des Wolfsmanagements ein, auch auf internationaler Ebene. Nach dem Riss ihres 30-jährigen Ponys „Dolly“ vor wenigen Monaten hat Ursula von der Leyen das Problem als EU-Kommissionspräsidentin Ende November nun auch politisch auf den Tisch bekommen.
Ständiger Ausschuss hat beraten
Das EU-Parlament hatte erstmals einen Änderungsantrag angenommen und damit die EU-Kommission aufgefordert, den Schutzstatus von Wölfen abzuschwächen, um Nutztiere zu retten.
Der Erhaltungszustand des Wolfes rechtfertige das. Jedoch wurde die nötige Mehrheit dafür im Ständigen Ausschuss am 29. November 2022 nicht erreicht. Gar nicht erst vom EU-Parlament angenommen wurde zudem der Antrag auf die Umstufung der Wolfsarten von Anhang IV (streng geschützt) in Anhang V (geschützt). Diese Änderung will die FN gemeinsam mit dem AFN erreichen, denn das würde den Weg frei machen für ein rechtlich abgesichertes Bestandsmanagement in Deutschland.
Pony Dolly: Wolfsriss bestätigt
Nur wenige Tage nach der Entscheidung im Ständigen Ausschuss zum unveränderten Schutzstatus des Wolfs wurden Neuigkeiten zum Fall des Ponys Dolly bekannt. Das 30-jährige Pony hatte der EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehört, als „Täter“ wurde genetisch nun der Rüde „GW 950m“ aus dem um Burgdorf bei Hannover angesiedelten Rudel.
Probleme bei Entschädigungen
Ein weiteres Problem ist darüber hinaus noch immer die unzuverlässige und/oder unzureichende Entschädigung für Verluste von Nutztieren, meint Feßler. Er selbst kenne einen Fall, in dem ein Fohlen gerissen wurde – nur noch der Kopf des Tieres wurde übrig gelassen. Doch anhand der entnommenen Probe, die im einzigen dafür offiziell zuständigen Labor, dem Senckenberg-Institut, untersucht wurde, konnten nicht eindeutig Wölfe als „Täter“ ermittelt werden. „Es gilt schon als ‚unklare DNA‘, wenn zum Beispiel der Fuchs als Aasfresser schon an dem Kadaver dran war“, so Feßler. Es entbehre aber jeder Logik, dass andere Tiere als Wölfe so etwas tun können.
Auch die Abgeordneten des EU-Parlaments fordern in ihrem Antrag bei der EU-Kommission eine angemessene Entschädigung für Verluste von Nutztieren. Denn entschädigt werden kann ausschließlich das, was vom Senckenberg-Institut klipp und klar als Wolfsriss nachgewiesen wurde. Der Züchter des Fohlens, das ein Vollbruder zu einem wertvollen Vererber der Rasse Edelbluthaflinger war und somit mehr als nur emotionalen Wert hatte, geht gegen die Nichtzahlung einer Entschädigung derzeit gerichtlich vor. Er züchtet auch weiterhin Pferde. Aber bei Menschen, die Pferdezucht nur im ganz kleinen Umfang betreiben, könnte sich das auch durch den Wolf ändern, meint Feßler: „Die Sorge der FN ist u. a., dass kleine Züchter mit nur zwei Stuten beispielsweise dann ihre Zucht ruhen lassen.“
Ziele der FN für den Wolf sind eher Wünsche
Die FN hat klare Ziele, was sie erreichen will. Aber man könnte sie auch als Wünsche bezeichnen, denn viele der Ziele bestehen schon seit mehreren Jahren und finden in der Politik nach wie vor wenig Gehör. Das könnte sich bei fortwährendem Wachstum der Population jedoch bald ändern. Feßler meint, der Druck auf die Politik wachse.
Der günstige Erhaltungszustand des Wolfs ist längst erreicht, aber es spricht keiner aus. Wir wollen den Wolf aber nicht loswerden, wir wollen eine faire Koexistenz.
Bernhard Feßler, Interessenvertreter des Pferdesports für die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) in Berlin.
Er beschreibt die Ziele der FN wie folgt: „Oberstes Ziel ist die Umstufung des Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention (1992). Erst damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für das Bestandsmanagement geschaffen, das eine Wolf-Obergrenze vorsehen könnte. Wir brauchen zudem rasche Entscheidungsverfahren bei Nutz- und Hobbytierhaltern und schnellere Entschädigungsverfahren, die auf unabhängigen Labornachweisen fußen. Und wir brauchen Herdenschutzmaßnahmen in ungeahnter Höhe. Bisher wird lediglich die Erstinstallation bezahlt (und je nach Bundesland sehr unterschiedlich), aber auch die Instandhaltung kostet Geld.“
Kosten-Nutzen-Verhältnis: Bundesrechnungshof stellt Mängel bei DBBW festDie Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) hat in ihrem Jahresbericht zum Wolfsjahr 2021/22, (1. Mai 2021 bis 30. April 2022) verbindliche Zahlen geliefert zum Vorkommen von Wölfen, zu Übergriffen auf Weidetiere sowie geleisteten Entschädigungszahlungen. Der Bundesrechnungshof zweifelt die Daseinsberechtigung der DBBW mittlerweile an. Das berichtete zuerst das Jägermagazin. Es gebe als Alternative das „Nationale Monitoringzentrum zur Biodiversität“ (NMZB) beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) sowie das „Bundeszentrum Weidetiere und Wolf“, die wie das DBBW vom Bund finanziert werden und im Grunde die gleichen Aufgaben übernehmen (können). Zudem konnte das DBBW seine Leistungen und Kosten nicht detailliert nachweisen, was der Bundesrechnungshof bemängelte. Das und auch andere Bereiche wie Übergriffe auf Nutztiere trotz Herdenschutzzäunen sind für Bernhard Feßler Grund genug, sich zu fragen, ob das Budget zum Schutz des Wolfs noch gerechtfertigt ist. Eine Obergrenze der Population wäre aus seiner Sicht sinnvoller. |
Wem wäre denn mit einer „Wolfsobergrenze“ geholfen – uns Pferdehaltern ja wohl nicht.
Es sollte mittlerweile doch ausreichend bekannt sein, dass Wolfsrudel ein Territorium von 250km² – 350 km² besetzen und dort keine weiteren Wölfe dulden. Das bedeutet, dass die Anzahl der Wölfe in einem Territorium, in der der einzelne Pferdehalter seine Pferde hält, stets weitestgehend gleich bleibt, da die ein- bis zweijährigen Jungwölfe regelmäßig abwandern.
Liest man, dass die Zahl der Wölfe steigt, so tut sie dies nicht vor der eigenen Haustüre, sondern in der bundesweiten Fläche, wo bislang wolfsfreie geeignete Habitate neu besetzt werden. Es macht für mich als Pferdehalter in Niedersachsen aber keinen Unterschied, ob sich in Bayern oder Baden-Württemberg neue Wolfsrudel etablieren. Da von den Wolfsbejagungsforderern ja niemand zugibt, Wölfe eigentlich wieder ausrotten zu müssen, wenn eine Bejagung anstelle von Herdenschutzzäunen eine wirklich erfolgversprechende Methode sein soll, wird die Scheinlösung einer Wolfsobergrenze propagiert.
Das heißt für den Pferdehalter, dass sich bei 20% Abschussquote ggf. statt 10 Wölfen „nur“ noch 8 in der Region aufhalten. Aber auch diese werden das schlecht geschützte alte Pony oder das neugeborene Fohlen auch dann nicht zwangsläufig verschmähen, wenn diese Tiere weiterhin so leichtfertig – unzureichend geschützt – dargeboten werden. Wenn ich mein Pony um jeden Preis schützen will – und ich unterstelle den meisten Pferdehaltern, dass sie das gerne möchten – komme ich um einen wolfsabweisenden Zaun nicht drumherum. Dieser lässt sich mit vergleichsweise geringem Aufwand und Kosten aus einem normalen hütesicheren Zaun mit zusätzlichen Litzen, Isolatoren und Abstandsisolatoren umrüsten.
Wer aber, wie so oft zu sehen ist, schon Abstriche bei der Hütesicherheit macht – durch zu wenig Spannung, marode Zaunpfähle, gebrochene Leiter in alten verwitterten Litzen, Flickwerk etc., sollte den Mehraufwand nicht dem Wolf anlasten. Schon aus Gründen der Hütesicherheit ist jede Nachlässigkeit in dieser Hinsicht fahrlässig.
Nicht zuletzt sollten wir auf die Wissenschaft hören, nach der ein Abschuss von Wölfen die Häufigkeit von Weidetierrissen nicht nachhaltig senkt, sondern das Problem noch verschärfen kann.
Was also wollen wir? Eine Ideologie bedienen, die vor allem von Jagd- und Agrarlobby betrieben wird, oder Lösungen, die das Risiko von Wolfsangriffen effektiv minimieren? Dafür gibt es eine einfache Rechnung: Bei einem quotierten Wolfsabschuss verbleiben die übrigen Wölfe im Gebiet bzw. neue Zuwanderer besetzen zügig die vakanten Plätze und stellen weiterhin ein Risiko für unzureichend geschützte Equiden dar. Hat man selbst und im Idealfall auch benachbarte Pferdehalter einen funktionsfähigen wolfsabweisenden Zaun, bekommt nicht nur ein Wolf – wie durch Abschuss – sondern jeder Wolf eine negaitive Konditionierung in Form eines schmerzhaften Stromschlags bei jedem einzelnen Versuch, an Pferdefleisch zu kommen.
Und ich weiß nicht, wie es Euch geht – aber eine hitzige Wolfsjagd erhöht in meinen Augen auch nochmal das schon vorhandene Risiko, dass die eigenen Weidetiere versehentlich zu getöteten Jagdopfern menschlicher Jagdwaffen werden, wie z. B. das mit einem Wildschwein verwechselte Kaltblut im Wohratal 4/2022, die beiden Pferde in Wertheim 10/2021, die Stute Gina in der Südpfalz 9/2020, das Quarter Horse in Usingen 8/2021, das Islandpony in Ebersbach/Musbach 12/2020, den Haflinger in Hanroth 6/2020, der Esel in Bad Kreuznach 1/2020, das Pferd in Lützkampen 10/2019, das Islandpferd im Heidekreis 10/2019, das Islandfohlen in Blankenheim 9/2019 oder das Islandpferd in Weiskirchen 8/2019 etc. Da muss man sich schon fragen, ob man das Risiko eines Wolfsangriffs ausgerechnet mit dem viel höheren Risiko der Jagd senken will. Lasst Euch bitte keinen Bären aufbinden, es geht um Eure Pferde!
Es ist erschreckend, wie hier Sachverhalte falsch dargestellt werden und so falsche Erwartungen geschürt werden.
Die aktuellen Vorgänge in der EU im Oktober und November, sowie im Ständigen Ausschuss der Berner Konvention zeigen, dass auf absehbare Zeit nicht mit einer Änderung des Schutzstatus des Wolfs zu rechnen ist und die EU-Kommissionspräsidentin weist in ihrem Schreiben vom 25.11.22 ausführlich auf die bereits bestehenden Ausnahmeregelungen der FFH-Richtlinie hin.
Aktuell stellt das IUCN fest, dass der Wolf in Mitteleuropa vom Aussterben bedroht ist.
Unverantwortlich ist die Aussage von Herrn Feßler, dass der Wolf sich in einem günstigen Erhaltungszustand befände. Dazu gibt es keine qualifizierte Untersuchung, da es bis jetzt an den erforderlichen Standards fehlt, wie in der „Modellbasierte Populationsstudie über den Wolf in Niedersachsen, als Teilaspekt zum Erhaltungszustand in Deutschland“. (Projektbericht, Hrsg.: Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft (IWJ) Universität für Bodenkultur Wien) für das Land Niedersachsen ausführlich ausgeführt wird. In ihrer Resolution vom 24.11.22 fordert das EU-Parlament die Schaffung dieser wissenschaftlich basierten Standards.
Auch seine Einlassungen zu einem aktiven Bestandsmanagement stehen auf rechtlich tönernen Füßen, stehen sie doch im Widerspruch zur einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der daraus hervorgehenden Leitlinie zur Umsetzung der FFH-Richtlinien vom Oktober 2021.
Es gibt keine justitiable Obergrenze für ein Bestandsmanagement.
Das Bestehen und Gewährleisten eines günstigen Erhaltungszustands UND die Anwendung alternativer Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren sind Maßstab für die Anwendung von Ausnahmeregelungen.
Ober-, Unter- oder Akzeptanzgrenzen sind willkürliche Begriffe ohne eine juristische Durchsetzbarkeit.
Nein, hier werden den Weidetierhaltern, insbesondere den Pferdehaltern mit falschem Aktionismus falsche Hoffnungen gemacht!