Ingrid Klimke: „Lasst uns optimistisch bleiben und dankbar für das, was wir haben!“

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Longines FEI Eventing European Championships 2019

Ingrid Klimke hat die EM-Titelverteidigung in Avenches fest im Visier. (© Oliver Hardt/Getty Images für die FEI)

Die FEI hat sich mit Ingrid Klimke zum Gespräch verabredet, und während die Olympiasiegerin und Doppel-Europameisterin für die Familie Abendessen kochte, hat sie über Idole, Lieblingspferde, ihre Philosophie und Ziele gesprochen.

Die Erfolgsliste von Reitmeisterin Ingrid Klimke ist quasi endlos. Zweimal war sie Mannschaftsolympiasiegerin, außerdem Mannschaftswelt- und -europameisterin. 2017 und 2019 gewann sie jeweils Einzelgold bei den Europameisterschaften der Vielseitigkeitsreiter. Und dank des Hannoveraner Hengstes Franziskus gehört sie nicht nur dem Bundeskader Vielseitigkeit, sondern auch dem der Dressurreiter an.

Zu dem Thema sagte sie gegenüber der FEI: „Mit drei Pferden (Franziskus, Hale Bob und Asha P, Anm. d. Red.) in zwei Disziplinen, da ist schon ein Traum in Erfüllung gegangen! Ich hoffe nun sehr, dass sie alle gesund bleiben für das nächste Jahr!“

Das Interview

FEI: Was hat sie dazu bewegt, zu versuchen, sich in zwei olympischen Disziplinen zu qualifizieren?

„Ich habe Mark Todd zugesehen, wie er in zwei Disziplinen (Springen und Vielseitigkeit) bei den Olympischen Spielen in Barcelona an den Start gegangen ist. Deshalb war es einer meiner Träume, eines Tages dasselbe zu schaffen. Mein Vater hat an den Olympischen Spielen 1960 in Rom in der Vielseitigkeit teilgenommen und wurde später Dressurreiter.“

Wer war neben Ihrem Vater ein Vorbild für Sie?

„Lucinda Green habe ich wirklich bewundert und all ihre wunderbaren Bücher gelesen. Sie war Welt- und Europameisterin. Als sie hier in Luhmühlen gewann (Mannschaftsgold für Großbritannien bei der WM 1982 bin ich ihr auf dem Kurs hinterher gerannt. Sie war so mutig und die Pferde haben alles für sie getan. Ich mochte die Art, wie sie über ihre Pferde sprach, sehr. Und ihre Höflichkeit – sie war lustig, offenherzig und hatte eine liebenswerte Persönlichkeit.“

„Und Mark Todd war immer schon eine Legende. Als ich 2000 in Sydney zum ersten Mal bei Olympischen Spielen dabei war, hatten weder ich noch mein Pferd (Sleep Late) je eine Vier-Sterne-Vielseitigkeit geritten. Als ich das Gelände sah, dachte ich: ,Oh mein Gott!‘ und bin hinter Mark Todd hergegangen als er die Strecke abging, in der Hoffnung, etwas von ihm zu lernen.“

Hat es Sie unter Druck gesetzt, die Tochter von Reiner Klimke zu sein?

„Als ich noch jung war, sagten die Leute wenn es gut gelaufen war ,Oh, ein typisches Klimke-Ergebnis‘. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, hieß es: ,Eine Klimke sollte das besser machen‘. Von daher sage ich immer zu meinen Töchtern (Greta und Philippa), macht euch keine Sorgen, ihr könnt es anderen Menschen nicht recht machen. Aber ihr macht es auch nicht für andere, sondern für euch selbst, weil ihr den Sport und die Pferde liebt.“

Sind Ihre Töchter ehrgeizig?

„Die ältere, Greta, ist nun 18 und wird kommendes Jahr bei den Jungen Reitern an den Start gehen. Sie ist sehr ehrgeizig und zielstrebig. Die jüngere ist fast zehn und sie liebt es, mit den Pferden herumzuspielen, ohne Sattel zu reiten.  Sie kommt in die Halle und ist so ,Ok, ich habe jetzt eine Runde Dressur geritten und jetzt bye bye, Mama!‘ Sie hat viel Spaß und sie hat ein liebes Pony, mal sehen, wohin ihre Reise gehen wird!“

Was gefällt Ihnen am Zusammensein mit den Pferden am besten?

„Ich bilde gerade wieder einen Vierjährigen aus und ein Freund fragte mich, warum ich das mache, ich solle das doch meine Bereiterinnen machen lassen. Aber genau das ist es, was mir so viel Spaß macht, zu sehen, wie die Pferde die Welt entdecken, wie sie dir vertrauen und eine Verbindung zu dir aufbauen. Der andere Teil, den ich genieße, ist der Bereich Horsemanship, ohne Sattel zu reiten, mit Halsring zu reiten. Da habe ich das Gefühl, dass ich wieder mit meinen Ponys spiele!“

Gibt es etwas, das Ihnen am Zusammensein mit Pferden nicht gefällt?

„Nein, wobei mein Vater früher nicht wollte, dass ich Berufsreiterin werde. Er dache, es würde meine Einstellung zu den Pferden verändern, weil ich sie verkaufen muss. Er wollte, dass die Pferde mein Hobby bleiben und es hat eine Weile gedauert, bis ich ihn überzeugen konnte, dass ich einen anderen Weg finden könnte. Aber ich habe es geschafft und ich liebe es.“

„Wir verkaufen die Pferde nicht, wir behalten sie und reiten sie auf Turnieren. Ich bin sehr froh, sehr gute Sponsoren zu haben und versuche, mich gut um sie zu kümmern. Asha hätte für so viel Geld verkauft werden können, aber ihr Besitzer sagte, sie verkaufen keine Familienmitglieder.“

Welches war ihr Lieblingspferd?

„Pinot, mein erstes Pferd, ein kleiner Trakehner Hengst. Mit ihm habe ich meine erste Dressurprüfung, mein erstes Springen und meine erste Vielseitigkeit geritten. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was ich da tue und während meiner ersten Geländeprüfung habe ich mich nur umgeschaut und gedacht, wie wunderbar das alles ist, so dass ich fast zwei Minuten zu langsam war.“

„Er war klein und sein Vermögen begrenzt, aber mit so viel Herz und er war ein großartiger Lehrmeister. Wegen ihm habe ich mich entschieden, alle drei Disziplinen zu reiten.“

Welches war das Pferd, das Sie am wenigsten mochten?

(Zögern bei der Antwort, sie will nicht schlecht über eines ihrer Pferde reden und nennt auch keinen Namen) „Es gab da ein Pferd, das war nicht mein Liebling. Aber ich wusste, da ist etwas in ihm, das er mir nicht gezeigt hat. Ich sagte mir, ,Ingrid, Du bist eine Reitmeisterin und Du musst in der Lage sein, jedes Pferd zu reiten, also sieh zu, dass Du einen Weg findest!‘ Am Ende haben wir uns zusammengerauft und er hat mir eine Menge darüber beigebracht, dass man Geduld haben muss, und später hat er mein Herz erobert. Aber es war ganz sicher nicht die Liebe auf den ersten Blick.“

Das beste Pferd, das Sie je geritten sind?

„Das war die Stute Escada, mit der ich zur siegreichen Mannschaft bei den Weltreiterspielen in Caen 2014 gehörte. Sie hatte alle Qualitäten, die man sich nur wünschen kann. Sie war eine einzigartige Springerin, vorsichtig, kraftvoll, so viel Vermögen und dazu noch schöne Grundgangarten, und im Gelände konnte sie ewig unterwegs sein. Eben weil sie immer zu viel gegeben hat, konnten wir sie unglücklicherweise nicht gesund halten. Sie und Hale Bob sind zusammen groß geworden und Bobby war immer die Nummer zwei, als sie auf dem Zenit war.“

Wie haben Sie Ihre Meisterschaft in drei schwierigen Disziplinen erlangt?

Wegen der Möglichkeiten, unterschiedliche Dressur- und Lehrpferde anzufühlen, die meine Eltern mir geboten haben. und als ich bei Ian Millar war, hatte ich die Gelegenheit, die kanadische Art des Springreitens kennenzulernen. Und Fritz Ligges, der ja auch in der Vielseitigkeit und im Springen gestartet ist, war ein enger Freund meines Vaters. Als Jugendliche war ich dort in den Ferien und bin dort viel gesprungen. Ich denke, ich hatte von Jugend an die Chance, wunderbare Pferde in allen drei Disziplinen fühlen zu können.“

Welches ist Ihre Lieblingsdisziplin und warum?

„Das Gelände. Wenn ich da draußen bin, bin ich sehr ehrgeizig. Die Anspannung in der Startbox ist es, was ich am meisten Liebe.“

„Und in der Dressur die Kür. Mein Vater sagte immer zu mir, ich solle möglichst unsichtbare Hilfen geben, so dass die Zuschauer nicht sehen, was ich tue und es nach außen so wirkt, als mache das Pferd alles von allein. Wenn man das hat, und das ist nicht allzu oft, dann mag ich auch das Dressurreiten wirklich sehr!“

„Das hängt aber auch vom Pferd ab. In meinem nächsten Leben würde ich vielleicht gerne ein Spitzenspringreiter!“

Welche Geländeritte sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

„In Sydney war die Geländestrecke so lang – 13 Minuten und fünf Sekunden mit Rennbahn und Wegestrecken und es war so heiß. Ich war echt nicht sicher, ob ich dafür schon bereit sein würde. Ich musste ganz zum Schluss reiten und vor mir gab es so viele Stürze und auch für das deutsche Team war es nicht gut gelaufen. Als ich in die Zehn-Minuten-Box ging, hörte ich jemanden sagen: ,Ich glaube nicht, dass Ingrid es schafft‘ …

„Ich habe zu Blue (Sleep Late) gesagt, dass wir nun etwas tun müssen, was wir noch nie zuvor getan haben und das wir niemals vergessen werden und dass er zeigen soll, dass er ein Vollblüter ist, der ewig galoppieren kann! Am zweiten Wasserkomplex musste man auf eine Bank springen und dann tief runter, gefolgt von einem Buschhindernis. Beim Tiefsprung hatte ich mich zu weit nach vorne gelehnt. Aber er ist einfach alles auf direktem Weg gesprungen, ohne darauf zu achten, dass ich versuchte, mich auf seinem Rücken zu halten. Er galoppierte die letzte Minute bergauf, behielt seinen unglaublichen Rhythmus und wir waren in der Zeit. Ich konnte es nicht glauben!“

„Und dann war da mein letzter Ritt mit Braxxi, als er 16 war. Es war in Burghley und ich konnte nicht glauben, wie hoch die Hindernisse waren! Er hat mir alles gegeben. Auf dieser Geländerunde, habe ich mich zweimal gefragt, ob ich nicht besser anhalten soll. Aber als wir ins Ziel kamen, war das so berührend! Ich habe Braxxi gesagt, dass dies unser letztes gemeinsames Turnier ist und dass er mir nicht mehr geben kann. Er ist über sich selbst hinaus gewachsen, zeigte mehr Talent und mehr Vermögen, als er eigentlich hat. Ich hatte das nicht geplant, aber das war der Moment, in dem ich ihn in Rente geschickt habe.“

Wie verbringt er seine Rente?

„Greta war damals elf und er war ein großartiger Lehrmeister für sie. Er ist nun 23 und immer noch bei mir im Stall. Ich hatte ihn auf eine Rentnerweide mit anderen Pferden gestellt, aber er hat beschlossen, dass er da nicht bleiben wollte und sprang immer wieder aus der Weide raus. Er wollte bei uns bleiben, also habe ich ihn zurückgeholt und es bereitet mir täglich Freude, ihn mit den Ponys auf der Weide zu sehen. Er ist immer noch die Nummer eins im Stall, was er auch verdient hat.“

Wie gehen Sie damit um, wenn etwas schief läuft?

„Rappel Dich auf und guck auf die positiven Dinge, selbst wenn es auf den ersten Blick keine gibt. Ein gutes Beispiel sind ich und Braxxi. Er war kein guter Springer und mein Leben lang habe ich alles mögliche mit ihm probiert. Aber am Ende musste ich akzeptieren, dass es Dinge gibt, die sich nicht ändern lassen. Als mir das gelungen war, konnte ich unsere wunderbaren Dressurprüfungen und Geländerunden genießen, obwohl ich wusste, dass ich niemals eine Einzelmedaille gewinnen würde, weil er niemals fehlerfrei springen würde. Aber ich war immer eine gute Mannschaftsreiterin.“

War das EM-Doppelgold in Luhmühlen im vergangenen Sommer besonders für Sie?

„Ja, ich habe mich besonders für Bobby gefreut, weil es schon in Strzegom eine so knappe Entscheidung zwischen Michael Jung und mir war und diesmal erneut. Bobby ging eine so wunderbare Geländerunde, es fühlte sich so einfach an. Ich schaute auf meine Uhr und wir waren so weit vor der Zeit, dass wir gemütlich nach Hause galoppieren konnten! Er ist ein super Springen gegangen. In Tryon hatten wir unseren letzten Springfehler und haben die (Gold-) Medaille verloren, aber diesmal haben wir wirklich gezeigt, was wir auch unter Druck leisten können.

Und es ist immer etwas Besonderes, wenn das Pferd älter wird. Er ist nun 16 und dies sind unsere letzten Jahre zusammen, daher genieße ich es noch mehr.

Ingrid Klimke über Hale Bob, Bobby

Wer sind die wichtigen Menschen in Ihrem Leben?

„Natürlich meine Familie. Und ich habe drei Mütter (zwei neben ihrer Mutter Ruth). Da ist auch Faith Berghuis (kanadische Pferdesportunterstützerin), die mir großartige Ratschläge gegeben hat und mir auch die Möglichkeit gegeben hat, mit Ian Millar zu arbeiten. Und da ist die Tante. Sie ist nicht meine wirkliche Tante, aber ihr gehört ein kleiner Bauernhof hinter dem Haus meiner Eltern und als Kind war ich oft da und habe viel über die Tiere, das Leben auf einem Bauernhof und die Natur gelernt.“

„Nachdem mein Vater gestorben war, wurde sein Ratgeber, Freund und Lehrer aus Jugendtagen, der ehemalige Kavallerieoffizier Paul Stecken, mein Mentor. Er ist erst vor vier Jahren gestorben. Er war ein liebenswerter Mann.“

„Und meine Freunde, von denen manche nichts mit Pferden zu tun haben, mit denen ich in Münster zur Schule gegangen bin, mit denen ich viel gemeinsam habe. Und dann sind da meine „Kulturfreunde“, die mich zu Kulturveranstaltungen mitnehmen, so dass sich nicht alles in meinem Leben um Pferde dreht.“

Was bringt Sie zum Lachen? 

„Kinder und junge Pferde – die Art, wie Sie die Welt sehen, kann wirklich lustig sein!“

Was bringt Sie zum Weinen?

„Wenn ich sehe, wie die Flüchtlinge in diesen Camps in Griechenland sitzen und niemand sie aufnehmen will. Wenn Menschen arm sind und in eine hoffnungslose Lage hineingeboren werden, das macht mich wirklich traurig. Ich bin Mitglied bei PLAN International, einer Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Rechte von Kindern zu verbessern und die sich für die Gleichstellung von Mädchen einsetzt, die in Armut leben. Wir müssen so viel helfen, wie wir können.“

„Und auch die Tiere. Wenn ich sehe dass Nashörner und andere schöne Tiere von Wilderern abgeschlachtet werden, macht mich das so wütend! Das bringt mich wirklich zum Weinen.“

Eine letzte Frage: Wie kommen Sie mit dem Leben in der Corona-Krise klar?

„Wenn man die Nachrichten hört, verliert man schnell die Zuversicht, weil da so viel Unsicherheit ist. Aber ich sage mir, dass ich in einer privilegierten Situation bin. Ich bin gesund und meine Familie auch, also müssen wie geduldig bleiben. Wir wissen nicht, wann es einen Impfstoff gibt, aber bis dahin müssen wir optimistisch bleiben und dankbar sein für das, was wir haben.“nike air force 1 uv color change da8301 100 101 release date | cheapest air jordan 1 lows

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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