Nein, auf dem Kriegspfad ist sie nicht, auch wenn Springreiterinnen ja gerne als Amazonen beschrieben werden. Aber Janne Friederike Meyer-Zimmermann will es noch einmal wissen. Gerade jetzt, wo sie sich mit vielen neuen Rollen konfrontiert sieht und ein Pferd im Stall weiß, um das sie die Welt beneidet. Wir haben Sie für die November-Ausgabe 2022 daheim auf Hof Waterkant besucht.
Wenn die sattgrünen Blätter des das weiße Schild umrankenden Kirschlorbeers im Wind nach dem Schriftzug „Hof Waterkant“ zu greifen scheinen, weiß man, wie passend die Namensgebung ist. Die „Waterkant“ ist nicht weit, in einigen Kilometern Entfernung fließt die Elbe gen Nordsee. Und wo Waterkant ist, da ist Wind nicht weit. Der spielt mit den Wipfeln der alten Bäume am Springplatz und vertreibt die Regenwolken an diesem bedeckten Tag. Der September kann golden sein, hier in Pinneberg bei Janne Friederike Meyer-Zimmermann, an der nordwestlichen Stadtgrenze von Hamburg. Heute aber zeigt er sich eher von seiner grauen Seite.
Der Sand des großen Springplatzes, umrahmt von einer Rennbahn, leuchtet dennoch strahlend hell. So als wolle er daran erinnern, was hier Anfang August los war, als das CSI4* Pinneberg das am besten besetzte Springturnier Europas war in der Woche vor den Weltmeisterschaften in Herning. Spätestens seit der zweiten Auflage des Turniers, das im Sommer 2021 als eine Idee gegen den Coronafrust ein Zeichen zu setzen aus der Taufe gehoben wurde, ist es ein Begriff. Tausende kamen schon zur Premiere 2021 als ein heftiger Regen am Vortag die Stallzelte flutete – Waterkant eben … In diesem Jahr waren es noch mehr. Das war nicht nur den Topreitern geschuldet, sondern auch dem Umstand, dass 2022 Johannes Oerding ein Konzert zum Ausklang des ersten Turniertages gab. „An guten Tagen“ scholl es über das Areal am Forst Klövensteen, dem großen, angrenzenden Waldgebiet. Auch Oerding bekam übrigens eine Dusche ab, konnte erst eine Stunde verspätet zur Gitarre greifen.
Als selbstständige Springreiterin behauptet sich Janne Friederike Meyer-Zimmermann nun schon seit gut 20 Jahren in der Szene. 2010 wurde „Janne“, die im Sattel des von ihren Eltern gezogenen Callistro in die Weltspitze aufstieg und mit Lambrasco, „Mops“, unvergessen emotional im Jahr 2011 den Großen Preis von Aachen gewann, Mannschaftsweltmeisterin. Das Bild der in der Landung nach dem letzten Oxer jubelnden Janne landete auf dem Cover des St.GEORG, Fotografin Ludwiga von Korff erhielt für das ikonografische Motiv die Silberne Kamera. Und für Janne ist der Moment ihres bislang größten Erfolgs zum Markenzeichen geworden, zum Logo von Hof Waterkant, dem Turnier und der Geschäftsfrau Janne Friederike Meyer-Zimmermann. Denn Janne ist nicht nur Reiterin, sie mischt gemeinsam mit ihrem Ehemann Christoph auch im Pferdehandel mit. Pferde entdecken, ausbilden, in den Sport bringen und dann irgendwann verkaufen, oder in Partnerschaft mit Sponsoren für die eigene Karriere halten, das nimmt einen großen Teil ihres Lebens ein. Ein Leben, an dem sie viele Menschen auf Social Media gerne teilhaben lässt.
Janne, Christoph, Friedrich: Aus Power-Duo wird Trio
Und ein Leben, das seit Januar einen ganz neuen Schwerpunkt hat. Sohn Friedrich ist im Januar zur Welt gekommen. Er sitzt strahlend mit einer Schiebermütze auf Ponydame Mausi, die „bereits Urgroßmutter ist“, und quietscht vor Vergnügen. Das Leben ist ein anderes seit der Geburt. Drei bis vier Pferde reitet sie am Tag, auf Turnieren oder vorher auch mal ein paar mehr, schätzt die Mannschaftsweltmeisterin von 2010. „Das ist meine ,Me Time‘, in der ich mich ganz auf die Pferde konzentriere“.
Ich mag das Gefühl über dem Sprung, ich mag diesen Moment, durch die Luft zu fliegen.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann.
„Die Arbeit auf und am Pferd verstehen wir auch nicht als Arbeitszeit“, sagt die Springreiterin. Der Rest des Tages gehört nicht nur Friedrich, aber natürlich fordert der Sohnemann seinen zeitlichen Tribut. Wobei Vater Christoph schon schnell nach der Geburt verkündet hat, er sei jetzt „die Nanny“. Janne und Christoph, die beiden sind ein Paar, das sich gut ergänzt. Es ist mehr als nur Reiterin und Pferdewirtschaftsmeister, was die beiden eint. Es ist auch die Freude am „Machen“, am „Dinge anpacken“ und auch mal etwas wagen, gemeinsam Dinge gestalten. Sie reflektieren ihr Handeln und wissen, dass man ein schlechteres Leben führen könnte als eines wie das ihrige in der Welt des Springsports. Das CSI Hof Waterkant sei auch entstanden, weil man dem Sport etwas zurückgeben wolle, sagen beide. Ein Wagnis, aber keine hohle Phrase. Auch wenn Janne offen sagt, sie sei eher die Skeptikerin in der Familie.
Janne relativiert das schnell mit einem für sie so typischen Lachen. Als sie die Idee erstmals „Partnern, Sponsoren und Förderern“ mitgeteilt hatten, hätten viele grinsend ihre Unterstützung zugesagt: „Wenn ihr das hinbekommt, sind wir dabei“, war die erste Reaktion. „Manche haben uns auch für verrückt erklärt, haben gesagt, ,das wird ja sowieso nichts‘, und dann haben wir gesagt, ,nee – aber wenn’s was wird, bist du dabei?‘“. Es wurde was. Etwas Besonderes. Nicht nur, weil Fernseh-Köchin Cornelia Poletto, deren Tochter lange bei Janne und Christoph geritten ist, höchstpersönlich weißbeschürzt im Gästebereich kochte und bediente. „Mein Mann ist einfach wahnsinnig gerne Gastgeber“, sagt Janne. Ein bisschen zieht sie nach dem Satz die Stirn kraus, „und Perfektionist“.
Gastfreundschaft, die international großes Interesse nach Startplätzen weckte. Einigen, „die wir gerne bei uns begrüßt hätten“, musste abgesagt werden. Die, die kamen und in einer Warteschlange vorm Stallzelt oder beim Vetcheck standen, bekamen einen Kaffee vom Hausherrn persönlich. Nicht von Gastfreundschaft reden, sondern sie leben. Christoph Zimmermann packte auch beim Aufbau 2022 zwar tatkräftig mit an, hatte aber auch noch Friedrich auf dem Arm. Prioritäten wollen gesetzt sein, zwischendurch telefonieren geht auch einhändig.
ZUR PERSON: Janne Friederike Meyer-ZimmermannIhre Eltern waren pferdebegeistert, Pony Mücke entfachte die Leidenschaft der damals sechsjährigen Hamburgerin, mit zwölf Jahren ritt sie ihre erste Deutsche Meisterschaft. Mit dem selbstausgebildeten Holsteiner Callistro aus elterlicher Zucht gewann sie Bronze bei der EM der Jungen Reiter und schloss damit eine erfolgreiche Karriere im Nachwuchsbereich ab. Callistro hat 22 Siege und 106 Platzierungen in Klasse S erzielt. Mit Lambrasco, „Mops“, gewann sie Teamgold bei der WM 2020 und der EM 2011. Das Paar ging 2012 in London bei den Olympischen Spielen an den Start. 2011 gewannen beide den Großen Preis von Aachen. Janne Friederike Meyer-Zimmermann und ihr Mann Christoph sind seit Januar 2022 Eltern von Sohn Friedrich. |
Oldersum, Opglabbeek, Oliva
Seit sechs Jahren ist Hof Waterkant das Domizil von Janne Friederike Meyer-Zimmermann und ihrem Mann Christoph. Aus drei Boxen wurden zwei geräumige gebaut, der große Springplatz angelegt. Allmählich entstand die Homebase, von der aus das Paar die Welt bereist, die großen internationalen Turniere. Aber auch die Springen in der Nachbarschaft, um junge Pferde mit dem Sport vertraut zu machen und eventuell läuft ja auch noch ein vierbeiniges Talent dort auf dem Abreiteplatz. Es sei, sagt Janne, „eine große Stärke von Christoph, die Pferde jung zu entdecken und von mir sie behutsam auszubilden“. „Ich muss den Laden am Laufen haben, ich habe Verantwortung meinen Mitarbeitern gegenüber, das steht schon im Vordergrund, aber reiten ist meine große Leidenschaft. Wir leben auch davon, Top-Pferde zu verkaufen.“
So sei die Entscheidung, den 16-jährigen Goja gehen zu lassen, ihr nicht einfach gefallen. Er ist nur eines von mehreren guten Pferden, das während der Schwangerschaft den Besitzer gewechselt hat. Nun hilft der Fuchs einem jungen Spanier im Sport Fuß zu fassen, muss dafür nicht mehr über 1,60 Meter springen, ein tröstlicher Gedanke. Beim Training setzt die Nummer 90 der aktuellen Weltrangliste auch auf Knowhow von außen: Nach wie vor trainiert sie Parcoursspringen mit Tjark Nagel und zum dressurmäßigen Arbeiten schaut auch Hartwig Burfeind regelmäßig vorbei. Der Laden muss laufen, die Pferde auch.
Vor zwei Tagen ist ein Konvoi gen Spanien aufgebrochen. Für die Top-Pferde Messi und Chesmu ging es nach Barcelona, für 13 Stallgenossen nach Oliva Nova, wo viele Springreiter aus aller Welt die grüne Saison ausklingen lassen. Ehemann Christoph und Bereiterin Henrike Ostermann, Deutsche Vizemeisterin ihrer Altersklasse, und natürlich „Sebi“, Sebastian Hasenberg, sind vor Ort. Sebi begleitet Jannes Pferde nun schon weit länger als ein Jahrzehnt. Er ist der Ruhepol, der Mensch, auf den sich alle verlassen und der Spaziergängern im Klövensteen schon mal im Sattel von „Mini“, Büttners Minimax, oder einem anderen der internationalen Cracks auf den vielen Reitwegen begegnet.
Das Team sei es, das so wichtig ist für ihren Erfolg, wird die 41-Jährige nicht müde zu betonen. Denn während sie und Henrike die Youngster in Oliva Nova reiten, muss es auch in Pinneberg weitergehen. Ohne eine Mannschaft, die weiß, was ansteht, geht das nicht.
„Speziell, nicht kompliziert“
In der katalanischen Metropole Barcelona war Messi beim Finale der FEI-Nationenpreisserie am Start. Ein ordentlicher Abschluss dieses so besonderen Jahres, wie sich vor Ort herausstellen sollte. Denn auch der Belgier, der als Reservepferd für die Weltmeisterschaften im August ins dänische Herning gereist war, lieferte nicht das, was sich Bundestrainer Otto Becker so sehnlich wünscht: Doppelnuller. Dabei war Messi, ein Sohn des Plot Blue, den Marcus Ehning in Kentucky in derselben Mannschaft wie Janne zum WM-Teamgold 2010 ritt, diesbezüglich einer, der ansonsten in diesem Jahr geliefert hat. Nur in Barcelona fielen zwei Stangen, zwei zu viel. Deutschland Platz sieben, das reicht einfach nicht. Dennoch ist klar, dass Janne vor allem auf den – unverkäuflichen – Messi setzt, wenn sie sagt, sie wolle nach der Geburt von Friedrich noch einmal richtig durchstarten. Paris, Olympia 2024 vor dem Schloss Versailles – verlockend!
„Wo hast du den denn her?“ Die Frage hat Janne schon oft gehört. Es gibt Stimmen im internationalen Sport, die den Belgier Messi zum Besten zählen, was aktuell in globalen Springkursen unterwegs ist. „Speziell, nicht kompliziert“, sei der Wallach gewesen als er fünfjährig zu den „Zimmermännern“ kam. Der vorherige Reiter hatte ihn mit Scheuklappen geritten. Denn mit anderen Pferden hatte „Messi van’t Ruytershof“, es nicht so. Pferde, die ihm zu dicht kamen, verunsicherten den Wallach. Kleine, enge Abreiteplätze? Ging gar nicht! Messi bekam seine Zeit, ging anfangs nur mit zum Training aufs Turnier. Schritt für Schritt. „Ich habe mich an die erste Startposition setzen lassen, so konnte ich ihn auf großen Abreiteplätzen ruhig vorbereiten.“
Der Aufwand hat sich gelohnt. Und weil das Leben nicht immer ein Ponyhof ist, musste sich Messi im Frühjahr 2022 auf dem engen Abreiteplatz des Hamburger Derbyplatzes beweisen. Mission accomplished – auch unter diesen Bedingungen zeigte Messi, dass er gereift ist. Nach dem „wichtigen Sichtungsturnier“ rückten die beiden in den Kreis potenzieller Championatskombinationen auf. Ein großer Schritt für Janne und Bundestrainer Otto Becker. Jannes spontane Verkündung nach einem misslungenen Parcours bei den Olympischen Spielen in London 2012, dass ihr Lambrasco keine Championate mehr gehen werde, hatte den Bundestrainer damals „not amused“.
Dinge ansprechen, auch wenn man dann weniger stromlinienförmig ist als andere, das ist für Janne Friederike Meyer-Zimmermann eine Selbstverständlichkeit. So hat sie auf eine ungerechte Behandlung von Frauen nach der Schwangerschaft im Reglement des Weltreiterverbandes (FEI) hingewiesen. Unter dem Hashtag #EqualEquest hat sie aufgezeigt, dass was vielleicht gut gemeint ist, nämlich dass 50 Prozent der Weltranglistenpunkte im Fall einer Schwangerschaft nicht „verteidigt“ werden müssen – was den Absturz auf dem Ranking vermeiden soll – nicht wirklich funktioniert. „Dabei war ich immer so stolz, dass wir im Reitsport die Disziplin sind, in der wirklich Gleichheit herrscht, weil Frauen und Männer im selben Wettkampf gegeneinander antreten“.
Engagement kann Janne auch ganz plakativ: Der Initiative Pink Ribbon, die sich für Früherkennung von Brustkrebs einsetzt, leiht sie schon länger ihr Gesicht. Weil das Thema wichtig ist, und auch weil eine Freundin an Brustkrebs früh verstorben ist. Neuerdings gibt es eine eigene Reithosenkollektion. Am Knöchel prangt das Janne-Logo in pink. Pink Ribbon profitiert anteilig vom Verkauf, eine Herzensangelegenheit. Ein Herz, das für Holstein schlägt, ihre Heimat. Dort wo ihre Familie herstammt und die Pferde aufwachsen, die in den großen Arenen der Welt unterwegs sind. Mit dem von ihren Eltern gezogenen Callistro begann die Karriere. Den Schimmel, ihr erstes Großpferd, hat sie in Springpferdeprüfungen geritten, wurde mit ihm Deutsche Meisterin der Jungen Reier und gewann EM-Einzelbronze, ritt ihn im Derby. Das war der Karrierstart nach Vorarbeit von Pony Mücke. 29 Jahre alt ist Callistro mittlerweile, lebt mit „Mops“ (24) zusammen sein Rentnerleben umsorgt von Jannes Mutter. Ihre Eltern erlebten einen besonderen Moment, als der bei ihnen zur Welt gekommene Esmeraldo 2021 Holsteiner Siegerhengst wurde. Damit Training und Hengstkarriere zusammengehen, ist eine EU-Besamungsstation auf Hof Waterkant entstanden. Nicht, dass das Paar nun noch Hengsthalter werden möchte, aber die Serviceleistung anzubieten, ist in Zeiten, in denen viele Topsportler Hengste sind, fast schon Selbstverständlich. Ob Esmeraldos erster Start in Aachen ein Traum wäre für ihren Vater? Janne lacht, ihr Vater sei einer, der sich schon für eine Springpferdeprüfung in Elmshorn begeistern könne. Begeisterung liegt eben in der Familie.
Autor Jan Tönjes: „Gespräche mit Janne Friederike Meyer-Zimmermann und Ehemann Christoph könnten Stunden dauern, wäre die Zeit da. Beide machen sich viele Gedanken, weit über den nächsten Parcours hinaus. Themen gibt es immer. Die Zukunft des Sports, wohin geht die Zucht? Das Pferd in der Gesellschaft …“ Hier reinhören: st-georg.de/podcast
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