Auch in diesem Jahr 2023 haben uns Pferde, Pferdemenschen und ihre Geschichten begleitet. Sie haben uns aufgewühlt, begeistert oder auch in Schrecken versetzt. Wir blicken zurück auf einige der wichtigsten Ereignisse dieses Jahres – Teil eins von Januar bis Juni.
Der erste Teil des Rückblicks auf 2023. Ein Jahr, das sportliche Highlights bereiten halten sollte, aber auch die ein oder andere Problematik mit sich brachte, Stichwort steigende Kosten für die Pferdehaltung generell. 2023 sah außerdem große Helden von der (Sport- und Zucht-)bühne abtreten, vier- und zweibeinige. Und neue Stars kündigten sich an.
JANUAR
Das Jahr startete mit einem Paukenschlag: Reitmeister Hubertus Schmidt entschloss sich aus gesundheitlichen Gründen dazu, seine aktive Karriere zu beenden. Zunächst stand es teils noch nicht fest, wie es mit den Pferden des Ausbilders, der mittlerweile über 80 Pferde bis Grand Prix-Niveau ausgebildet hat, weitergeht. (Im Podcast hat er uns davon ausgiebig erzählt). Und wohl die wenigsten wussten zu diesem Zeitpunkt, wie sehr Schmidts Bereiterin Katharina Hemmer mit seinem bis dato Top-Pferd Denoix PCH in den kommenden zwölf Monaten noch glänzen sollte. Hubertus Schmidts Engagement rund um den Reitsport bleibt aber bestehen, er wird im Mai zum Präsidenten des Deutschen Reiter- und Fahrer-Verbandes gewählt.
2023 – Pferde und der Wolf, das Problem besteht weiterhin
Weniger schön begann das Jahr für eine Familie im Heidekreis in Niedersachsen. Dort war es noch an einem der letzten Tage des alten Jahres zu einem Wolfsangriff auf ein Pferd in einem Offenstall gekommen. Waren es bisher meist Ponys oder sehr alte, eher schwache Pferde, die Wölfen zum Opfer fielen, handelte es sich im Heidekreis um einen sechsjährigen Wallach, 1,73 Meter groß und 600 Kilogramm schwer. Der Wolf und der Schutz der Weidetiere vor diesem Raubtier wurde auch im Jahr 2023 wieder ein emotionales Thema.
Wenige Wochen nachdem ein Sohn von ihm zum Siegerhengst der Hannoveraner Körung 2022 ausgerufen wurde, trat der großartige Vererber Conthargos ab. Er wurde 19 Jahre alt und hinterlässt neben erfolgreichen Zuchthengsten vor allem zahlreiche im Sport brillierende Pferde.
Farewell to „Petie“ – Shutterfly lebt nicht mehr
Ein Pferd, das im Sport begeisterte und Erfolge verbuchte wie nur ganz wenige, war Meredith Michaels-Beerbaums Shutterfly. Der Wallach schlief im Januar im Alter von 30 Jahren für immer ein. „Wir werden den so freundlichen und warmherzigen Petey vermissen, der seine Nase vorsichtig in den Kinderwagen steckte und meine Tochter Brianne wenige Tage nach ihrer Geburt zärtlich mit dem Nüstern begrüßte. Ich bin mir sicher, dass sie dieser sanften Berührung die leidenschaftliche Liebe für Pferden verdankt“, schrieb MMB auf Instagram zum Abschied.
Diese magische Altersgrenze überschritt auch der Hannoveraner Hengst Stakkato. Nicht weniger als 64 seiner Söhne sind aktuell ins Hengstbuch I eingetragen. Der Spartan-Sohn trat ebenfalls noch im Januar von der Bühne des Lebens ab.
Der erste Monat des Jahres 2023 war zudem der, in dem der Schweizer Springreiter Paul Estermann rechtskräftig wegen Tierquälerei verurteilt wurde. Der Schweizer Pferdesportverband sperrte den Reiter daraufhin zunächst für sieben Jahre. Dagegen legte Estermann mit Erfolg Berufung ein. Wie jüngst bekannt wurde, ist Estermann nun für vier Jahre gesperrt. Die Sperre trat im Juni 2023 in Kraft.
Als Reaktion auf die neue tierärztliche Gebührenordnung veröffentlichte die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) ein erstes Statement von Generalsekretär Soenke Lauterbach, der die GOT scharf kritisierte. Darüber hinaus wurde der Verkauf von Cathrine Laudrup-Dufours Bohemian bekannt. Die Suche nach einem langfristigen neuen Zuhause für das Olympiapferd sollte sich schließlich über das ganze Jahr hinziehen.
FEBRUAR
Zwei Fälle von Tierquälerei trieb die Pferdesportgemeinschaft im Februar um. Der Privatsender RTL veröffentlichte Recherchen, nach denen in einem Ausbildungsstall zweier Pferdewirtschaftsmeisterinnen zu „Ausbildungsmethoden“ gegriffen wurde, die kein Pferdefreund gutheißen kann. Die Art der Darstellung des Falls und Versuch der Verallgemeinerung für den gesamten Dressursport durch RTL stand der Einstellung des Verfahrens durch das zuständige Veterinäramt gegenüber. Hier können Sie den Fall und den Kommentar von Chefredakteur Jan Tönjes dazu noch einmal nachlesen.
In einem anderen Stall, im Landkreis Oelde-Lette, kam ein Fall von Tierquälerei ans Licht, der mit seinen Bildern schockierte. Ein Stallbetreiber misshandelte seine Pferde systematisch, stach sie mit Mistgabeln, schlug auf die längst verängstigten Tiere immer wieder ein. 15 Pferde wurden nach Bekanntwerden der Bilder, die von einer mutigen Reitlehrerin mit fest installierten Kameras angefertigt wurden, aus dem Stall gerettet.
Von Springreiter Martin Fuchs aus der Schweiz wurde ein Video viel diskutiert, das den Schweizer bei einem Großen Preis im spanischen Vejer de la Frontera zeigt. Darin sah man Martin Fuchs, wie er sein Pferd mit der Gerte schlug, um es zum ersten Sprung hinzubewegen. Wenige Wochen später erklärte der Weltreiterverband den Springreiter wegen eines sogenannten „Minor Offence“ (geringfügiges Vergehen) schuldig.
Als Exempel dafür, was passieren kann, wenn es nicht gerecht und demokratisch zugeht in der Pferdesportwelt, sondern wenn man auf die Gunst des Bundestrainers und seine Art zu Reiten angewiesen ist und diesen nachkommen muss, ist Parzival. Der große Fuchs von Hollands Adelinde Cornelissen verstarb im Februar mit 26 Jahren.
MÄRZ
Die Diskussionen rund um die neue GOT rissen über die Monate nicht ab. Im Gegenteil – Gegner der GOT bekamen Rückenwind von einem juristischen Gutachten, das vom Rennsporverband „Deutscher Galopp“ in Auftrag gegeben worden war. Das Gutachten schätzte die Hausbesuchsgebühr der GOT als rechtswidrig ein.
Zwei schöne Nachrichten aus der Pferdewelt erreichten uns im März. Isabell Werths Herzenspferd und langjähriges Erfolgspferd Bella Rose brachte ein gesundes Hengstfohlen zur Welt. Dessen Vater Valdiviani ging wenige Monate später übrigens seine erste Turnierprüfung, eine S-Dressur für junge Pferde. Diese konnte der Hengst prompt für sich entscheiden.
30 Jahre und topfit
Seinen 30. Geburtstag beging der Springpferdevererber Sandro Boy, zu aktiven Zeiten erfolgreich unter Marcus Ehning, bei bester Gesundheit. So kann es weitergehen!
Einen gesundheitlichen Rückschlag erlitten hingegen Ludger Beerbaum und sein Teamreiter Philipp Weishaupt. Beerbaum stürzte vom Pferd und musste operiert werden, Weishaupt brach sich einen Knöchel im Fuß und musste ebenfalls unters Messer und im Juni erwischte es dann auch noch Eoin McMahon. Das Jahr verlief für das Team Riesenbeck International dennoch höchst erfolgreich und endete mit dem Gesamtsieg in der Global Champions League sowie dem Triumph im Supercup in Prag, dem Jahreshöhepunkt der hochdotierten Springserie.
In der Deutschen Reitschule in Warendorf wurde zu März ein neuer Leiter ins Amt berufen, Jannik Bode. Der 30-Jährige verließ den Posten auf eigenen Wunsch im Sommer wieder. Ab dem 1. Januar 2024 übernimmt nun die Pferdewirtschaftsmeisterin und internationale Richterin Renate Wassing- Schumann die Leitung in Warendorf.
Schließlich gab es mal wieder Schlagzeilen aus dem Distanzsport. Bei den Weltmeisterschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten kam ein Pferd zu Tode. Die Goldmedaillen von Bahrain wurden wenige Monate nach der WM wegen eines Dopingfalls aberkannt. Frankreich rückte nach auf den Goldrang.
APRIL
Traditionell nimmt das reitsportliche Geschehen im Monat April so richtig an Fahrt auf. Beim Weltcup-Finale in Omaha konnten sich Jessica von Bredow-Werndl und Dalera BB ihren zweiten Finalsieg in Folge. Ingrid Klimke hatte ihren Hengst Franziskus vor der Kür zurückziehen müssen. Richard Vogel war bester Deutscher im Parcours, mit United Touch S ritt er auf Platz acht im Gesamtranking, nachdem er die zweite Qualifikation sogar für sich hatte entscheiden können. Den Gesamtsieg sicherte sich das geniale Weltmeisterpaar, Henrik von Eckermann mit King Edward. Der Erfolg von Vogel und seinem Untouched-Sohn United Touch S in den USA war ein Ausrufezeichen dieses Paares, das in den Folgemonaten noch für weitere Höhepunkte im Springsport sorgen sollte.
Verheißungsvoller Saisonauftakt für Fendi
Zu Beginn der grünen Saison in Hagen brillierte Fendi unter Sönke Rothenberger in seinem ersten internationalen Grand Prix – und das wenige Monate nach seinem Sieg mit Rekordergebnis im Louisdor-Preis Finale. Das Paar schürte damit bereits Hoffnungen für die kommende Saison mit den anstehenden Europameisterschaften (hier gibt’s den Podcast dazu).
Während uns die schöne Nachricht von Janne Meyer-Zimmermann erreichte, dass ihr Holsteiner Erfolgspferd Callistro seinen 30. Geburtstag auf der Weide genießt, gab es auch Meldungen aus den unschöneren Kategorien. So trat der Celler Landbeschäler Rotspon ab. Außerdem gab Andreas Dibowski das Karriereende seiner Stute Corrida bekannt. Das Verletzungspech traf im April Springreiter Christian Ahlmann. Im Rahmen der Global Champions Tour-Etappe von Mexico City stürzte er vom Pferd und zog sich einen Bruch im Handgelenk zu.
MAI
Während die Maisonne hierzulande das Hamburger Derby und das Wiesbadener Pfingstturnier beglückte, kam in Großbritannien wie gewohnt viel Regen herunter in diesem Monat. So viel, dass das CCI5*-L von Badminton zu einer regelrechten Schlammschlacht geriet. Dort setzte sich ein Paar durch, das nach diesem Jahr ganz klar das zu schlagende sein könnte, wenn es um die Einzelmedaillen bei Olympia in Paris 2024 gilt: Lordships Graffalo, „Walter“, unter Rosalind Canter aus Großbritannien. Badminton hinterließ jedoch nicht nur gute Eindrücke.
Das jüngste Derby ever
Im Derbypark von Hamburg Klein-Flottbek gelang dem 21-jährigen Sachsen Marvin Jüngel am Himmelfahrts-Wochenende die Sensation: mit Balou’s Erbin ritt er zum Sieg im 92. Spring-Derby von Hamburg – und das im Stechen gegen eine fast ebenso junge Dänin! Hier ist das Ereignis nochmal nachzulesen.
Die Springreitszene musste im Wonnemonat außerdem Abschied nehmen vom Springreiter „Kaiser“ Heinrich Wilhelm Johannsmann, der als Reiter wie Trainer hoch geschätzt war. Im Alter von 71 Jahren verstarb der Ostwestfale plötzlich.
Der Schlosspark von Wiesbaden bot Gelegenheit für Dorothee Schneider, die im Mai auch ihren Neuzugang Dayman vorstellte, ihren Altmeister Showtime wieder auf die sportliche Bühne zu bitten. Der Wallach präsentierte sich frisch und bestens aufgelegt, das Comeback in den Sport gelang. Es blieb jedoch der letzte Turnierauftritt des Sandro Hit-Sohns, dazu später mehr.
JUNI
Mal wieder Helgstrand. Waren es im Jahr 2022 noch Betrugsvorwürfe im Rahmen seines Geschäftszweiges Pferdehandel, ging es im Juni plötzlich konkret um die Ausbildungsmethoden bei Helgstrand Dressage. Der dänische TV-Sender TV2 gab erstmals bekannt, dass ein von ihnen eingeschleuster Reporter heimliche Filmaufnahmen des Trainingsalltags in den Stallungen und den Reithallen angefertigt habe und die Ergebnisse der Recherchen in der Investigativ-Sendung Operation X veröffentlicht werden sollen. Helgstrand reichte daraufhin Klage ein, das Thema ebbte zunächst wieder ab.
Richtig gegönnt wurde Marcus Ehning sein Erfolg in Balve. Bei den Deutschen Meisterschaften ritt der Stilist zum Sieg mit Priam du Roset vor Maurice Tebbel und Nachwuchshoffnung Chacco’s Light. Der ist mittlerweile im Stall von Irlands Cian O’Connor beheimatet.
Dalera wird – Zweite …!?
Im Dressurviereck der Deutschen Meisterschaften gab es im Grand Prix zunächst einen zweiten Platz des eingespielten Paares Jessica von Bredow-Werndl/Dalera hinter Jungstar Fendi unter Sönke Rothenberger. Als es im Special zählte, hatten die Damen der Schöpfung schließlich die Nase vorn. Die Grand Prix Kür wurde Fendi mit seinen neun Jahren erspart. Ingrid Klimke wurde mit Franziskus Dritte in der Kür. Doch die eigentliche Sensation im Sauerland kam durch Hubertus Schmidts Bereiterin Katharina Hemmer zustande. Sie zeigte mit Denoix PCH vielversprechende Runden mit tollem Reiten, in der Kür wurde es Platz vier für das Paar.
In Luhmühlen setzte Olympiasiegerin Julia Krajewski nicht mit ihrer Olympiastute Mandy ein Ausrufezeichen, sondern mit ihren Nachwuchsstars Nickel und Ero de Cantraie. Mit letzterem reichte es zum Titel Deutsche Meisterin der Vielseitigkeit in der Heide. Weniger erquicklich lief es dort für Ingrid Klimke. Sie stürzte im Gelände von Luhmühlen von Siena Just Do It und zog sich einen Schlüsselbeinbruch zu. Damit war nicht nur die Deutsche Meisterschaft zu Ende, sondern auch ihr Qualifikationsweg über den CHIO Aachen für die EM Dressur mit Franziskus, der sich inzwischen wieder erholt hatte, gefährdet.
Soweit Teil 1 unseres Pferde-Rückblicks 2023.
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