Deutschlands erste Reitmeisterin lebt nicht mehr. Dagmar Krech ist am 24. Januar gestorben. 1992 war sie als erste Frau mit dem Titel Reitmeister geehrt worden. Krech war im Oktober 2020 90 Jahre alt geworden.
Als Ausbilderin hat Dagmar Krech Geschichte geschrieben: Sie war die erste Frau, der der Titel Reitmeister verliehen wurde. Und lange Jahre war sie auch die einzige Reiterin mit dieser Auszeichnung. Dagmar Krech war Berufsreiterin mit Herz und Seele. Reiter und Pferde auszubilden – das war ihr Leben. Wer sie erlebt hat, als sie schon lange die 80 hinter sich gelassen hatte, konnte ihr Alter nicht glauben. Die grauen Haare, kurz und adrett, umrahmten ein Gesicht, aus dem einem blaue, wache, auch mal verschmitzte Augen entgegenstrahlten. Wach im Geist, präsent und immer an ihrer Passion, den Pferden und der Ausbildung interessiert, so trat sie stets auf.
Dabei war ihr Leben nicht immer einfach. Im zweiten Weltkrieg wurde ihre Familie aus Oberschlesien vertrieben. Kurz vor Rügen holten russische Soldaten den Treck ein und stahlen die Pferde. Für die damals 14-Jährige ein traumatisches Ereignis.
Dennoch, oder gerade deswegen, fasste Dagmar Krech die Entscheidung, Pferde zu ihrem Beruf zu machen. Das geschah zunächst auf dem Gut Ising am Chiemsee. Dort ritt sie vor allem Springpferde, etwas anderes gab es nicht. Eher zufällig, Schuld war – na klar! – ein Pferd, kam sie zur Dressur.
Ihre Reitlehrerprüfung legte sie bei Paul Stecken ab. Was sie dort erlernt hatte, die Prinzipien klassischen Reitens, gab sie fortan an viele Auszubildende weiter. Weil sie nicht nur sehr viele, sondern auch stets sehr gute Auszubildende zu den Abschlussprüfungen senden konnte, erhielt sie 1992 den Titel Reitmeister verliehen.
Aber sie ritt auch selbst Turniere: Neunmal war sie Bayerische Meisterin. Als Auktionsreiterin bekam sie einen äußerst schwierigen Holsteiner Wallach in Beritt, der mehr als nur Flausen im Kopf hatte. In Krech fand er seine erste Meisterin, in der Schweizerin Christine Stückelberger anschließend seine zweite: Granat, Dressur-Olympiasieger 1976 in Montreal.
Dagmar Krech und das Gestüt Mooswiese
Ab 1977 war ihr Domizil das Gestüt Mooswiese in Neumarkt in der Oberpfalz. In den kommenden 15 Jahren war der Stall eine der Top-Adressen für Dressur und Dressurausbildung in Süddeutschland. 1992 beendete Krech ihre Turnierkarriere. Später wohnte sie dann mit zwei ihrer alten Pferde, beide jenseits der 25, bei ihrer Schwester in Baden-Württemberg. Erst Anfang vergangenen Jahres war sie dann in eine Seniorenresidenz gezogen. Voll selbstständig und nicht nur voller Tatendrang, sondern auch noch voller Wissensdurst. Immer wollte sie informiert sein, was in Sachen Pferden und Berufsreiterei gerade passierte.
Noch ein paar persönliche Worte an dieser Stelle: Dagmar Krech habe ich als Student Anfang der 1990er Jahre kennengelernt. Ich arbeitete damals in den Semesterferien bei den Oldenburger Auktionen. Dagmar Krech hat mehrfach Pferde dort ersteigert und sie erfolgreich ausgebildet.
Als ich dann meine ersten Texte im Pferdejournalismus schrieb, war es Dagmar Krech, über die eine meiner ersten Homestories entstand. Sonst war ich eher im norddeutschen Raum unterwegs, für diesen Text fuhr ich von Turnier in München kommend in die Oberpfalz. Wie gut der Text war, weiß ich nicht mehr. Frau Krech aber hat er gefallen und sie war ganz sicherlich niemand, der so etwas einfach nur so dahingesagt hätte, um freundlich zu sein. Dafür war sie zu geradlinig. Wir haben uns dann ab und zu auf Veranstaltungen getroffen, viel Zeit für Gespräche war da leider selten. Aber dass der St.GEORG sich für die gute Reiterei, für das „richtige Reiten“ wie es Paul Stecken genannt hat, einsetzte, das war ihr wichtig. Sie war (oder vielleicht tat sie auch nur kokett so) stets überrascht, dass ich mich noch an sie erinnern konnte. Aufhebens um ihre Person, das war nicht ihre Art. Wichtig waren bis zum Schluss die Pferde und der ordentliche Umgang mit ihnen.
Wie ihre wachen, blauen Augen noch mehr strahlten, wenn sie über Pferde sprach, das wird für mich immer in Erinnerung bleiben, wenn ich den Namen Dagmar Krech höre oder lese. Eine Grande Dame – ohne Allüren, aber mit dem Herz auf dem richtigen Fleck.
Jan Tönjes
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