Weil niemand sich verantwortlich fühlte, mussten zehn Pferde sterben: Konik-Pferde, die halbwild an Schleswig-Holsteins Nordseeküste als Teil eines Naturschutzprojekts lebten – das allerdings den Schutz der Pferde außen vorließ. Eine Leseprobe aus unserer aktuellen Mai-Ausgabe, für die St.GEORG-Redakteurin Dominique Wehrmann die Retter der Überlebenden besucht hat.
Nummer 3 sieht bemitleidenswert aus. Unter dem struppigen Winterfell zeichnet sich jeder einzelne Knochen ab. Scharf ragt das Becken unter der Haut hervor. Den anderen Stuten, die mit Nummer 3 in einem großen Laufstall auf dem Hof der Familie Wolff ganz in der Nähe des Meldorfer Speicherkoogs stehen, geht es nicht viel besser. Plötzlich gibt es eine Rangelei, Nummer 3 gerät zwischen die Fronten. Sie strauchelt, stürzt und kann nicht mehr aufstehen. Sie ist zu schwach. Tierarzt Dr. Rudolf Schmitt und Landwirt Hauke Wolff versuchen, ihr auf die Beine zu helfen, geben aber auf, als die ersten beiden Versuche scheitern. Die kleine mausgraue Stute pumpt angestrengt. Hektisch hebt und senkt sich ihre Bauchdecke. Die Augen sind weit aufgerissen vor Schreck. „Lassen wir sie besser liegen, dann kann sie sich kurz ausruhen“, ordnet der Tierarzt an. Nicht nur die Erschöpfung sieht man dem Pferd an, auch die Angst vor den Menschen. Denn die kennt sie eigentlich nicht.
Nummer 3 ist eines von 17 Konikpferden aus dem Besitz des NABU (Naturschutzbund Deutschland e.V.), die bei Familie Wolff untergekommen sind, nachdem die teilweise bis auf die Knochen abgemagerten Tiere aus dem Meldorfer Speicherkoog gerettet worden sind. Dort lebten die Pferde bislang größtenteils ohne Kontakt zum Menschen. Ein Halfter haben sie noch nie gesehen, geschweige denn ein Chip-Gerät, Wurmkur oder Hufschmied. Noch zwei weitere Bauernhöfe in Schleswig-Holstein haben sich der – abzüglich der bereits verstorbenen – rund 50 Tiere angenommen. Sie alle werden von Dr. Rudolf Schmitt betreut. Nur elf Stuten, die weniger heruntergekommen waren, sind auf der 460 Hektar großen Freifläche verblieben. Die anderen werden nun sorgsam aufgepäppelt, damit es ihnen nicht so ergeht wie den vier Stuten und sechs Fohlen, die den nassen Winter ohne ausreichend Futter nicht überstanden haben und gestorben sind.
Konik-Pferde weniger wert als Vogelart?
Im Meldorfer Speicherkoog wächst nichts außer dem Gras am Boden. Als das im Herbst abgefressen war, hatten die Pferde nichts mehr. „Früher wuchsen hier vereinzelt Bäume und es gab Buschwerk“, berichtet Dr. Rudolf Schmitt. „Da hatten die Pferde immer genug zu fressen. Aber das wurde abgeholzt, weil die Vögel, die hier brüten sollen, freie Flächen brauchen.“ Für ihn unverständlich: „Man kann doch nicht die eine Art schützen und die andere muss drunter leiden! Das ist ja wie Jesus spielen.“ Der NABU sagt, die Rohdungsmaßnahmen seien ohne ihr Wissen geschehen. Dazu später mehr. Abgesehen davon, dass den Pferden mit dem Buschwerk eine weitere Nahrungsquelle genommen wurde, hatten sie auch keinen Schutz mehr vor dem Wind, der hier mit Macht über die Ebene braust und Dutzende Windräder in der Ferne ordentlich antreibt. In diesem Winter trieb der Sturm zudem riesige Regenmassen vor sich her. Selbst Tiere in gutem Ernährungszustand hätten da Probleme. Für die hungernden Koniks war die nasskalte Witterung ohne Schutz eine Tortur.
Aber wer hat nun Schuld an dem Elend der zehn Konik-Pferde? Wo lagen die Zuständigkeiten für die halbwild lebende Herde? Und wie leben die Koniks, die überlebt haben, heute? Die ganze Reportage mit exklusiven Fotos finden Sie in der aktuellen Mai-Ausgabe des St.GEORG.
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Ich weiß dass ich mich hier sehr unbeliebt machen werde, aber ich möchte hier eine andere Sichtweise erläutern. Ich bin Biologin und sehe das Problem an einem anderen Punkt: mangelnde Populationsbeschränkung.
Ein Gebiet kann immer nur eine bestimmte Anzahl von Pflanzenfresser unterstützen. Dabei gibt es hauptsächlich zwei Faktoren die die Anzahl der Pflanzenfresser steigen lassen: Zuwanderung und Geburten. Das erste könnte in diesem Fall nicht passieren, aber die regelmäßigen Geburten haben stattgefunden.
In einem natürlichen Umfeld würde es auch Faktoren geben, die eine Population reduzieren: Abwanderung, Raubtiere, Wasserknappheit, Nahrungsangebot.
Da aber die ersten drei Faktoren ausgeschlossen wurden, griff der vierte.
Das ist nicht schön anzusehen und für die Tiere eine Qual, aber durchaus natürlich.
Wenn man in Zukunft die Populationsbeschränkung nicht dem Hungertod überlassen möchte, wäre es also sinnvoll entweder Pferde aus der Fläche zu fangen und zu verkaufen, was aber angesichts der ökonomischen Lage sehr schwierig wird, oder einmal im Jahr wenige Individuen zu bejagen. Aus meiner Sicht der logischste Schritt. Und dass gerade weil ich ein Herz für Pferde habe.
Hallo Sophie,
wer sich über die Umstände genauer informiert hat weiß, dass bereits Tiere verkauft waren aber es nicht zur Abgabe kam, weil die Fangvorrichtung abgebaut wurde! Hier streiten sich die Verantwortlichen, wer Schuld hat. Eine sinnvolle Reduktion der Population war geplant, bei der kein Pferd hätte sterben müssen – dies scheiterte aber aufgrund menschlichen Versagens; man könnte es auch Gleichgültigkeit, Ignoranz oder…nennen… Hauptsache uns Menschen geht’s gut :-(.
Na im Grunde wäre auch einschläfern ethischer gewesen, als Mütter und Fohlen qualvoll verr…en zu lassen.
Ich hoffe doch wohl den menschlichen Versagern wird der Prozess gemacht.
Mit verantwortungsvoller Tierhaltung hat das nichts zu tun.
Die Fohlen hätten sogar durch einen Notkaiserschnitt gerettet werden können! Außerdem wäre Schlachten eine Alternative gewesen…