Einmal im Jahr öffnet Queen Elizabeth II. den privaten Teil ihres Schlossparks und lädt ein zur ROYAL WINDSOR HORSE SHOW. Eine einzigartige Veranstaltung, viel mehr als nur ein Turnier. Hier ist Britain great, darauf etwas Tee und Erdbeeren.
Eine St.GEORG-Reportage aus dem Mai 2016, zum „Diamond Jubilee“ der Queen, als vom „Brexit“ noch keine Rede war.
Da steht sie also bei der Royal Windsor Horse Show. Von der Statur her nicht eben groß, aber aufrecht verfolgt sie vom Zaun neben dem Bauwagen, der als Richterhäuschen fungiert, das Geschehen auf dem Grasplatz. Heller Mantel, Gummistiefel, ein helles Kopftuch auf dem sicherlich auch heute perfekt frisiertem schneeweißen Haar. Als das Fellpony, schwarzbraun, reichlich Schopf und noch mehr Behang an den Beinen, das gerade an der Hand im Ring ist, gewendet wird, beugt sie sich über die Rails: Keinen Moment will sie sich entgehen lassen. Denn die ältere Dame, die da mit zwei anderen Gästen fachsimpelnd am Zaun steht, ist die Besitzerin der Stute Murthwaite Dawn Chorus: Her Majesty, Queen Elizabeth II., 90 Jahre jung. Die sieht man der Königin wirklich nicht an. Konzentriert schaut sie zu. Hier ist sie ganz Pferdefrau, hier darf sie es sein.
Seit 1943 gibt es die Royal Windsor Horse Show. Keine Auflage dieses selbst für britische Verhältnisse außergewöhnlichen Turniers hat sich die Queen entgehen lassen. Bei der Premiere 1943 schnappte sich ein Lurcher, ein Windhundmischling, ein Hühnerbein vom Teller des damaligen Monarchen, König Georg VI. Deswegen, so die Legende, sind seitdem Hunde verboten. In den kommenden Jahren nahmen die Prinzessinnen Elizabeth und Margaret aktiv teil, unter anderem im Pony-Einspänner. Auch Prinzessin Anne, die älteste Tochter der Queen und ehemalige Europameisterin in der Vielseitigkeit, „The Princess Royal“, saß hier im Sattel. Und deren Vater Prinz Philip hätte einmal fast die Viererzugprüfung auf seiner Hausstrecke gewonnen, doch dann brach eine Achse kurz vor Schluss des Marathons.
Nur für die Windsor Horse Show wird der private Teil des Parks zu Füßen von Schloss Windsor einmal im Jahr geöffnet. Die weitläufigen Wiesen, unterbrochen von Baumgruppen, das temporäre Stadion und die Bachläufe, die Teil der Geländestrecke der Viererzugfahrer sind, erstrecken sich zwischen dem Hügel, auf dem seit knapp 7000 Jahren trutzig der „Round Tower“ von Windsor Castle thront, und der Themse. Die Flussnähe hat den Organisatoren der diesjährigen Show buchstäblich kalte Füße beschert. Nach Dauerregen und Hochwasser waren die Richtung Themseufer gelegenen Stallzelte und Parkplätze überflutet. Landunter – Tag eins des Events musste abgebrochen werden, ausgerechnet in diesem Jahr!
Zur Geburtstagsfeier sind vier Showabende geplant, 560 Pferde wirken mit. Der erste ist am – schon wieder trockenen –Donnerstag, Sonntag singt die unvergleichliche Shirley Bassey „Diamonds are forever“. Doch die Generalprobe am Mittwoch muss ausfallen. „Wir konnten mit dem Kanu über das Stadion rudern“, erzählt die Ehefrau von Simon Brooks-Ward, dem Organisator. Aber der hatte schon vorher gesagt, „our ground here is very forgiving“, der Boden hier verzeiht einiges. Am Dienstag Kanu, am Donnerstag der erste reguläre Turniertag, optimaler Boden. Royal Windsor findet statt. Wäre doch gelacht. Schon der Duke of Edinburgh, Schirmherr Prinz Philip, schreibt in seinem Grußwort, er freue sich, dass dank der neuen Böden noch mehr Vielfalt geboten werde. Noch mehr Zuschauer, Teilnehmer und Aussteller sowie Richter könnten so die Erfahrung „Royal Windsor“ genießen –„whatever the weather“, egal, wie das Wetter auch sein mag.
2020 muss die Royal Windsor Horse Show wegen der Corona-Epidemie ausfallen. Die Macher haben sich aber etwas besonderes einfallen lassen: Ein virtuelles Turnier, mit allem, was dieses Event so besonders macht. Briten können Bilder und Videos ihrer Pferde einschicken, die dann bewertet werden, und auch die vielen Stände, die das besondere Flair ausmachen sind online vertreten. Hier kann man einen Eindruck gewinnen. 2021 soll die Royal Windsor Show vom 12. bis 16. Mai stattfinden.
Die besondere Mischung
Ruth findet es schade, dass der Mittwoch ins Wasser gefallen ist. Die Rentnerin sitzt am Donnerstagmorgen im zarten Blümchenkleid bei 12 Grad Außentemperatur im Bus nach Windsor. „Mittwoch ist der Eintritt frei, wirklich schade“, findet sie. Dass die Dressurwettbewerbe dadurch ausgefallen sind, ist ihr herzlich egal. „Oh that is when the horses do the funny movements, isn’t it“ – das wo die Pferde die putzigen Bewegungen machen? Genau! Dressur. Die Disziplin, in der die britische Equipe vor vier Jahren olympisches Gold gewonnen hat, ist längst noch nicht das erste, was Briten mit Pferdesport verbinden. Da stehen ganz andere Dinge vorne an. Eventing, natürlich, die Vielseitigkeit. Aber die klassischen Disziplinen sind es nicht unbedingt, die das besondere Flair von Royal Windsor ausmachen. Der US-Amerikaner Kent Farrington gewinnt den Großen Preis, der Brasilianer Rodrigo Pessoa ist gekommen. Die US-Amazone Beezie Madden auch, beides Kandidaten für die olympische Einzelentscheidung in diesem Jahr in Rio. Doch das ist eine halbe Weltreise entfernt. Bei der Royal Windsor Horse Show regieren Tweedsakkos und Melone.
Im Stadion stechen die „Armed Forces“, Reiter aus den Streitkräften, mit Lanzen nach Luftballons. Aus dem Sattel versteht sich. Erst dann wird der Parcours aufgebaut mit einem großen Oxer mit Federkiel und Tintenfass links und Shakespeares Konterfei als Ständer rechts – der Todestag des britischen Nationaldichters jährt sich zum 400. Mal. Doch viele der Zuschauer, die übrigens zu recht moderaten Eintrittspreisen zu Füßen des ältesten aller durchgängig bewohnten Schlösser der Welt das Turnier genießen, zieht es ganz woanders hin. Frogmore (Froschmoor) Arena, Copper Horse und Adelaide Arena sind das Ziel – letztere Grasplätze, eingezäunt von Holzlatten auf Metallständern, die im Boden stecken. Aus den Megaphon-Lautsprechern tönen die Namen der Pferde. Bei der Royal Windsor Horse Show herrscht Atmosphäre wie auf einem ländlichen deutschen Reitturnier in den 1970-er Jahren.
Alle Rassen Großbritanniens auf der Royal Windsor Horse Show
Die Queen steht an der Copper Horse Arena, bei den Fell Ponys. Murthwaite Dawn Chorus v. Murthwaite Look at Me gewinnt. „Züchter: T.P. Capstick, Besitzerin: Her Majesty The Queen“. So steht es im Programmheft. Der Name des Gestüts ist dem eigentlichen Namen nach britischer Sitte vorangestellt. Balmoral Royal und Balmoral Fashion sind zwei weitere Eisen im Feuer. Sie sind – der Name des im britischen Königshaus beliebten Feriendomizils Balmoral in Schottland verrät es – in den Stallungen der Königin zur Welt gekommen.
Es ist ein Gewusel von Pferden und Ponys in allen nur erdenklichen Größen, Farben und Haarlängen, das sich in den „Private Grounds“ von Windsor Castle zum jährlichen Vergleich trifft. Geritten oder an der Hand, im Damensattel, in der Führzügelklasse – die Kriterien sind so vielfältig wie die Rassen und ihre Verwendungszwecke. Wer die Karikaturen des Zeichners Thelwell kennt von dicken Ponys und Reitern mit großen Helmen und Jodphur-Reithosen kennt und schätzt, der stellt schnell fest: Der Zeichner mag, was die Gesichtsausdrücke seiner Vierbeiner anbelangt, manchmal künstlerisch etwas nachgeholfen haben, aber in Sachen Leibesumfang ist seine Darstellung doch recht realistisch. Nicht nur, was die Vierbeiner anbelangt.
Die Pferde in den einzelnen Prüfungen, „Classes“, werden lediglich rangiert, ob nun „Ridden Dartmoor“, „Novice Hack“ oder „Amateur Ladies Hunter“. Sogar einen Preis für „the best turned out trooper“, den am besten herausgebrachten berittenen Soldaten aus den Reihen der Household Cavalry, die man mit den weit über die Knie reichenden Stiefeln als Garde der Queen von den Paraden auf Londons Straßen kennt, gibt es. Noten hingegen nicht. Nur Sieger und Zweitplatzierter, Champion und Reserve Champion – „that’s it“ bei der Royal Windsor Horse Show.
Außer Farben und Verwendungszweck, es gibt zum Beispiel eine Springprüfung für ehemalige Rennpferde, Miniaturpferde an der Hand oder gescheckte Reitpferde unter dem Sattel, spielen auch Typen und Gewichtsklassen eine Rolle. Ach ja, und ob sie nun in Großbritannien geboren sind oder nicht, ist auch relevant.
Und dann sind da die Cobs. Ein gescheckter Cob kann zum Beispiel auch bei den bunten Reitpferden gehen, aber keineswegs ist jeder Schecke auch gleich ein Cob, erläutert Lucy Killingbeck, begeistert, dass sich ein Deutscher für diese Pferde interessiert. „Mein Mann war einer der Tierärzte in Badminton. Oh dieser Michael Jung, sie als Deutsche müssen sehr stolz sein!“ Ja, sind wir. Aber nun zu den Cobs. Das sind kurzbeinige, dicke Pferde mit Ramsköpfen, die Mähnen sind abgeschoren, die Schweifrüben schmal verzogen, die Schweife sind kurz, enden knapp oberhalb des Sprunggelenks. Ein schlichter Sattel, dazu eine Kandare aus flachem Leder, keinerlei Bling-Bling, nicht einmal Ziernähte, oben drauf Reiterinnen und Reiter in gelben Reithosen, Tweedsakko und Plastron oder Krawatte. „Cob ist ein Typ, keine Rasse. Sie sollen vor allem charakterlich einwandfrei und dicht am Boden sein (also kurzbeinig). Man wünscht sie sich rund aber nicht fett.“ Viele Cobs führen das Blut des Irish Draught, des irischen Kaltblüters in sich. An den Beinen sieht man aber keinerlei Behang. „Das ist das Schlimmste“, stöhnt Kelly. „Die Haare werden verzogen, eine Heidenarbeit.“
Zwei Richter, er in Anzug und Bowler, sie vielleicht in Gummistiefeln, aber auf jeden Fall im Kleid und niemals ohne Hut, beurteilen von unten. Ein „Riding Judge“ schwingt sich außerdem in den Sattel: 30 Meter Trab, einmal links einmal, einmal rechts angaloppieren, fertig! „Next please!“ Hunderte säumen die Arena und schauen genau hin. Die Gemeinde der Cob-Fans feiert sich mit dem typisch britischen Humor gerne selbst, etwa bei der Namensgebung: It‘s Abracobdabra, Cob in Hood (schnell gesprochen klingt das wie Robin Hood), The Cobmander und Bling Cobsby sind am Start.
Dann kommen die Show Classes, in denen Hacks starten. „Hack“ heißt eigentlich nichts anderes als Reitpferd, meint aber auf Turnieren (Shows) viel mehr. Elegante, nicht zu bewegungsstarke Pferde, häufig Vollblüter mit schönen Gesichtern, gehen hier. Im Sattel trägt man nicht Tweed, sondern Tiefblau, „navy is a must“, erläutert Heather, die an ihrem Stand Sakkos, Krawatten und Blusen in allen Größen anbietet. Dressur? Ja, schon mal gehört. Aber „Showing is really big in the UK“, großes Kino. Die Pferde sollen „ooze elegance“, vor Eleganz triefen. Eineinhalb Minuten hat jeder Reiter, um seinen Hack zu präsentieren auf der Royal Windsor Horse Show.
Ein anderes Bild bei den Rassen Großbritanniens. An der Hand und unterm Sattel werden hier jeweils die Champions ermittelt. Dartmoors, Connemaras, Welsh in allen Größen, Shetland, Dales, Moorland, Fell … – alles. Selbst für Haflinger gibt es Prüfungen. Die Queen siegt noch in einer anderen Kategorie, bei den „umfunktionierten Ex-Rennpferden“. Dem Besitzer des Gewinner-Pferdes steht ein Gutschein zu: Majestät kann bei Tesco, dem großen Discounter im Vereinigten Königreich, nun für 50 Pfund einkaufen. Mehr als nur ein royales Lächeln soll Ihrer Königlichen Hoheit beim Öffnen des Briefumschlags entfleucht sein, wird kolportiert. Ganz Great Britain ist „amused“. Und begeistert. „Amazing!“
Happy Birthday, her Majesty
Abends dann ändert sich das Bild der Zuschauer. Immer mehr Damen mit Fascinator, den kleinen Minihütchen mit reichlich Federn kommen. Der 90. Geburtstag ihrer Majestät soll in einer 90-minütigen Show (die natürlich am Ende deutlich länger, aber nie langweilig ausfällt) gefeiert werden. Die drei Themen, die die Queen begeistern, die Streitkräfte, der Staatenbund Commonwealth und natürlich Pferde stehen im Mittelpunkt. Und das Leben der jungen Prinzessin Elizabeth, deren Vater doch eigentlich nie hatte König werden wollen. Die erste strenge Reitlehrerin der Prinzessinnen erteilt zwei Mädchen auf Ponys Unterricht, später das Kriegsende, berittene Polizei aus Kanada, die berühmten Mounties, die königliche Kavallerie aus dem Oman – mit Klarinette spielenden Frauen im Sattel! – Musical Ride der Household Cavalry, eine Militärband von den Fidschi Inseln in Röckchen, von Pferden gezogene Kanonen, die Prunkkutschen aus den Marställen und immer wieder Erinnerungen an Pferde, die der Queen besonders am Herz lagen, u.a. ihre hoch erfolgreichen Rennpferde.
Dazu geben sich Entertainment-Größen wie Shirley Bassey, Take That Sänger Gary Barlow und Kylie Minogue die Ehre. Die Monarchin sitzt in der ersten Reihe und genießt den immensen Aufwand. Mehr als 500 Pferde und über 1000 Akteure sind im Einsatz. Ob es ihr gefallen hat? Sicherlich. Wenn nicht, würde sie das allerdings nie sagen. Ihr Handeln unterliegt auch nach mehr als 60 Jahren auf dem Thron dem von ihrer Mutter, Queen Mum, übernommenen Motto: „Never complain, never explain“ – beschwere dich nie und erkläre dich nie. Doch ganz sicher freut sie sich schon jetzt auf die Royal Windsor Horse Show 2017. Und auf die Stunden mit Kopftuch inmitten der Fells, Dales, Connemaras oder umfunktionierten Rennpferde. Vielleicht ist sie ja wieder erfolgreich und gewinnt einen weiteren Einkaufsgutschein für Tesco.Axel Arigato Men's Bird Tape Sneakers in Cremino, women and kids • Hanbags and accessories | cheap air jordans 1 low
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar