Die Serie „Die Pferdeprofis“ auf VOX wird nach elf Jahren eingestellt. So lange wie es die Sendung gab, gab es auch schon Kritik an ihr von Seiten vieler Pferdeleute. Zu diesem Anlass können Sie hier nochmal unser Dossier aus der April-Ausgabe 2023 nachlesen.
Nach einer Folge im Februar war die Kritik so deutlich aufgebrandet, dass sich auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) dazu bemüßigt sah, Stellung zu nehmen. Auch St.GEORG berichtete über die Episode vom 26. Februar in der Printausgabe. 0,91 Millionen Zuschauer hatten die erste Folge „Die Pferdeprofis“ auf VOX am 26. Februar um 19 Uhr gesehen. Das war an diesem Tag der Tagesbestwert des Privatsenders.
Wie es mit. TV-Sendungen rund ums Thema Pferd auf VOX nun weitergeht, hält sich der Sender noch offen. Die Entscheidung, „Die Pferdeprofis“ nicht mehr weiter fortzusetzen, begründet der Sender wie folgt: „Nach 11 erfolgreichen Jahren haben wir uns gemeinschaftlich mit Mina TV dazu entschieden, ‚Die Pferdeprofis‘ nicht fortzusetzen. Wir danken unseren Pferdeprofis und dem gesamten Team für die tolle Zusammenarbeit. Inwiefern wir uns gemeinsam mit Mina TV künftig anderen Aspekten des Themas Pferdehaltung und Pferdesport im VOX-Programm widmen, prüfen wir derzeit.“
Nachfolgend können Sie noch einmal das Dossier zur Folge vom 26. Februar samt FN-Stellungnahme und Kommentar nachlesen.
Schlechte (TV-)Vorbilder
Manchmal wird es problematisch, wenn ein komplexes Thema zu weit heruntergebrochen wird. Uwe Weinzierl machte Stute Sierra mit seiner Methode gefügig. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und die Aufbereitung dessen in der Fernsehsendung „Die Pferdeprofis“ tut ihr Übriges.
Ponybesitzerin Julia ist überfordert. Längst ist die Kommunikation zwischen Ponystute Sierra und ihr gestört, das ist sofort zu sehen. Sierra tut und lässt, was sie will. Wenn sie sich an Julia vorbeidrängeln und wegrennen will, dann tut sie das. Besonders fällt die Problematik dann auf, wenn Sierra – stets ohne jeglichen Beinschutz – auf den Pferdeanhänger gehen soll. Das ist in Notfällen aber unverzichtbar. Deshalb sucht sich Julia Hilfe bei „Pferdeprofi“ Uwe Weinzierl.
Um die Stute intensiv zu arbeiten, muss sie zunächst mal auf den Anhänger von Weinzierl steigen. Der Horsemanship-Trainer übernimmt das Kommando. Minutenlang steigt die Ponystute an seiner Hand, gibt dem Druck durch das Seil des Mannes nicht nach, springt mal auf die Ladeklappe, mal aber auch rechts oder links an ihr vorbei. Vom Gefahrenpotenzial lässt sich Weinzierl nicht beirren, wedelt weiter mit dem Bodenarbeitsseil in Richtung der Hinterhand von Sierra, während er beinahe frontal vor ihr steht. Details wie das einmalige Umwickeln seiner Hand mit dem Bodenarbeitsseil fallen negativ auf, denn Sierra bringt immer wieder reichlich Druck auf das Seil, und damit auf ihr schmales Knotenhalfter. Irgendwann steht sie im Hänger und wird zu Weinzierls „Bootcamp“ gefahren.
Zur Person: Uwe Weinzierl Jahgang 1958, ursprünglich im Kabarett und Theater beruflich tätig, bezeichnet sich als „selbstständigen Horsemanship-Trainer“ und wurde von der Pferdezeitschrift „Cavallo“ im Jahr 2011 zum „Verladekönig“ gekürt – das „Applausometer“ bescherte ihm diese Auszeichnung für sein Verladen reitend in einen fahrenden Hänger auf einer Reitsportmesse. Hat den „Weinzierl Online Campus“ gegründet (Kosten ab 29 Euro pro Monat), bei dem er Mitglieder in seiner Form der Bodenarbeit coacht. |
Beim zweiten Besuch wärmt Weinzierl die Stute über Trail-Hindernissen auf. Dann geht es zum Anhänger. „Ich würde jede Wette halten, dass sie keine 30 Sekunden mehr braucht, um willig, vertrauensvoll und respektvoll vor allen Dingen hier einzusteigen“, kündigt Weinzierl an. Und in der Tat, Sierra bleibt in der Zeit. Aber auf dem Weg in den Anhänger geht die Stute mindestens viermal rückwärts, zeigt Ansätze zum Steigen und quittiert die Hilfengebung in Richtung ihrer Hinterhand, indem sie diese anhebt und Ansätze zum Ausschlagen zeigt. Schließlich gibt sie dem gleichbleibend hohen Druck nach und bewegt sich in den Transporter. Nachdem Sierra dann zweimal nach Diskussionen auf den Anhänger gegangen ist, holt Weinzierl die Stute wieder heraus, stellt die Trennwand um und will sie als nächstes rückwärts die Rampe hinaufschicken. Dafür versucht der Pferdeprofi anscheinend, die Ponystute auf der Rampe direkt wenden zu lassen. Doch noch auf der Rampe sucht Sierra die Flucht nach vorne und stößt mit ihrem Kopf Uwe Weinzierl, der neben der Rampe steht, zur Seite, um an ihm vorbei zu flüchten. Das quittiert Weinzierl neben Rucken am Seil auch mit einem Schlag in Richtung Hals und zwei Gertenschlägen auf die Hinterhand der Stute, die daraufhin zackig im kleinen Kreis um ihn herumtrabt. Also wieder nachsitzen, erstmal in einer voltenartigen Bewegung quer über die Anhängerrampe. Irgendwann klappt es, Sierra steht andersherum im Anhänger. Beim dritten Besuch wird sie sogar trabend in einen fahrenden Hänger geritten. Besitzerin Julia ist überglücklich.
In den sozialen Medien haben vor allem diese Methoden von Uwe Weinzierl in der ersten Folge der neuen Staffel „Die Pferdeprofis“ hohe Wellen geschlagen. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) bekam wohl reichlich Post, konnte das Gezeigte nicht gutheißen. Die Einwirkung auf den Kopf des Ponys sei teils „grob und schmerzhaft“, die Peitsche „überflüssig“, da ja das lange Seil bereits als treibende Hilfe fungiere. „Diese Art des Trainings entspricht nicht unserer Vorstellung von pferdegerechter Bodenarbeit und kann darüber hinaus gefährlich für Pferd und Mensch werden “, sagt Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung. „Bodenarbeit dient dazu, zwischen Mensch und Pferd eine Partnerschaft auf der Basis von Vertrauen und Respekt zu erarbeiten. Wir distanzieren uns von der gezeigten Methode und raten von der Nachahmung ab.“
Es sind bereits in der ersten Folge nicht artgerechte Trainingsmethoden
sichtbar.
Andrea Mihali, Deutscher Tierschutzbund e. V.
Kommentar: Die Gier nach mehr
„A little bit mooore“, „ein bisschen meeehr”, raunt Uwe Weinzierl Ponystute Sierra zu. Klar – der selbsternannte Horsemanship-Trainer „kann Kamera“, will immer noch ein bisschen mehr. Ein bisschen mehr Unterwerfung, ein bisschen mehr Geschwindigkeit, ein bisschen mehr Show. Er spricht zur Kamera, als Sierras Besitzerin Julia Fuge nach wochenlangem Training direkt hinter dem verladenen Pony auf der Rampe steht, die Stange löst und Sierra ohne Kommando einfach rückwärts geht und die Besitzerin damit in nur eine von vielen gefährlichen Situationen bringt, die in diesem Fall glimpflich ausgeht. Mangelnde Korrektur von Fehlern und Bestandteile der „Me-thode Weinzierl“ sind gefährlich. Sie können das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd zerstören, wenn etwas schief geht. Den Sender scheint das nicht zu stören. Auf der Website der Pferdeprofis steht zu lesen, dass die Pferdetrainer bei sämtlichen Fällen „stets die Philosophie von einem gewaltfreien Umgang mit den sanften und gutmütigen Tieren“ beherzigen würden. Es wäre schön und nötig gewesen, diese Philosophie ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen. Noch vor die Kameraverliebtheit selbsternannter Horsemanship-
Experten.
Nicht zuletzt bleibt die Frage, wie das Gezeigte einzuordnen ist. Nachschlagewerke zum Umgang mit dem Pferd und Abzeichen wie den (freiwilligen) Pferdeführerschein gibt es von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung. Wirklich maßgebende Richtlinien zu „Handlungsempfehlungen von pferdegerechter Bodenarbeit“ existieren von der FN aber nicht.
Wir hatten sowohl den Trainer als auch die Besitzerin um Stellungnahme gebeten, diese erfolgte aber bis zum Redaktionsschluss (und auch bis zum heutigen Tage, 23. Juni 2023, Anm. d. Red.) nicht.
Gloria Lucie Alter
Dieser Artikel erschien in der April-Ausgabe 2023 des St.GEORG.
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