Seit gut einem Jahr ist die Gebührenordnung für Tierärzte 2022 (GOT) in Kraft. Aufgrund der extremen Kostenerhöhungen, die für viele Tierhalter nicht tragbar sind, gibt es nun zwei Petitionen, die auf das Problem aufmerksam machen.
Die GOT 2022 sorgte in den vergangenen Monaten für Preisexplosionen auf Tierarztrechnungen. Viele Tierhalter können die in die Höhe geschossenen Kosten nicht mehr tragen. Daraus resultiert, dass Vereine sich ihre Schulpferde nicht mehr leisten können oder der Tierarzt gar nicht mehr gerufen wird. Auf lange Sicht würde die Gebührenordnung für Tierärzte damit eine Gefährdung für das Tierwohl und die gesamte Pferdebranche bedeuten.
Aus diesem Grund startet die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) eine Petition, in der sie – gemeinsam mit 60 Pferdesport- und Zuchtverbänden sowie weiteren Vereinen und Betrieben – auf die durch die GOT auftretenden Probleme aufmerksam machen möchten. Die Aktion läuft vom 30. November bis zum 30. Januar. In dieser Zeit müssen möglichst viele Unterschriften gesammelt werden, bevor die Petition an den zuständigen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir übergeben wird.
Hier finden Sie alle Informationen rund um die Petition der FN und können unterschreiben.
Parallel führt auch die Vereinigung Deutscher Tierhalter eine Unterschriftenaktion durch, die sich wiederum an den Bundestag richtet. Darin werden die sofortige Evaluierung der GOT, die Überarbeitung der Gebührensätze, die Schaffung von Transparenz und Verbraucherschutz wie in der Gebührenordnung für Ärzte und ganzheitliche Lösungen für die Versorgungssicherheit gefordert.
Für alle Tierhalter und interessierte Menschen, die die Überarbeitung der GOT fordern, empfiehlt es sich, sich mit beiden Petitionen auseinanderzusetzen.
Die wohl größte Gefährdung des Tierwohls der Pferde scheint mir eher, wenn es im Notfall gar keinen Tierarzt in erreichbarer Entfernung mehr gibt. Oder zumindest keinen, der nachts und am Wochenende Dienst tut. Das ist leider keine düstere Zukunftsvision sondern selbst im Pferdeland Schleswig-Holstein keine Seltenheit mehr.
Wer bessere Ideen hat, für mehr tierärztlichen Nachwuchs in der Pferdepraxis zu sorgen, der soll sie gern in den Raum stellen. Ohne mehr Geld im System und damit bessere Arbeitsbedingungen wird es nicht gehen, dann sterben gerade die kleineren, inhabergeführten, rund um die Uhr erreichbaren Pferdepraxen aus.
Ganz zu schweigen davon, wie viele Pferdetierärztinnen wir immer wieder an mentalen Erkrankungen und Suizid verlieren.
Aber darüber denken all die aufgeregten Petitionsunterschreiber natürlich nicht nach, während sie den Druck auf die verbleibenden Tierärzte immer weiter erhöhen.
Seit Monaten schreibt der St. Georg gegen die Tierärzte und unterstützt jetzt die Hetzkampagne der FN gegen eine Berufsgruppe, die wir alle doch dringend brauchen. Vielleicht wäre es sinnvoller mal mit den Tierärzten in Praxen und Kliniken zu reden. Wie schwierig sich die Gewinnung von Nachwuchs-Tierärzten darstellt. Wie viele Stellenangebote in den Fachzeitschriften zu finden sind. Dass die Übergabe der Praxis an einen Nachfolger schon wie ein Sechser im Lotto ist. Dass die Aufrechterhaltung eines Notdienstes inzwischen mit immensen Kosten verbunden ist, da auch hier das deutsche Arbeitszeitgesetz gilt.
In dieser Situation ist es absolut hilfreich, Tierärzte durch das andauernde Bashing in Industrie und Behörden zu treiben.
Wer diese Petitionen unterschreibt, der unterstützt die Schließung von Tierarztpraxen und die Verschlechterung des Notdienstes!!!
Schade, dass das Niveau in dieser wichtigen Diskussion verloren hat. Der Begriff „Hetzkampagne“ passt nicht zu den Menschen, die sich dazu entschieden haben ihre Zeit und Energie für eine maßvolle Anpassung der Kostensätze in der Behandlung von Tieren zu opfern.
Es geht nicht um Notfälle, Nachtdienste oder Wochenend Dienste. Im Notfall ist jeder Tierhalter bereit für sein Tier einzustehen und auch die Kosten zu tragen.
Warum aber die „Preise“ für die normalen Anwendungen explodiert sind und einfache Behandlungen oder Untersuchungen im Umfang plötzlich aufgeblasen werden, ist mir unverständlich.
Gut wäre ein gemeinsamer runder Tisch an dem beide Parteien unter Berücksichtigung und Einbeziehung der tatsächlich Betroffenen ihre Punkte darlegen und begründen können.
Ich finde es sehr schade und bedrückend auf welchem Niveau die Diskussionen um die GOT geführt werden und bin sehr erschrocken, wie viel Hass einem als Pferdebesitzer und / oder Reiter in den sozialen Medien entgegen schlägt. Die Argumentationen finde ich auf beiden Seiten oft fragwürdig und sehr emotional. Ein bisschen mehr Verständnis von beiden Seiten wäre hier doch sehr hilfreich, schließlich brauchen wir einander dringend. Das die Patientenbesitzer bei derartigen Erhöhungen erstmal Schnappatmung bekommen und das Preismodel in Frage stellen, sollte jetzt auch niemanden wundern. Ich weiß in meinem Umfeld, zum Glück, von keinem Tierarzt, der oder die sich das Leben genommen haben und die finanziell besonders schlecht dazustehen scheinen, aber ich kann ihnen weder in die Bücher noch hinter die Stirn schauen. Und genau deswegen sollten wir gesprächsbereit bleiben und die Sorgen und Nöte beider Parteien aufnehmen und berücksichtigen.
Ich hoffe die Vertreter beider Seiten finden den richtigen Ton und einen vernünftigen Umgang miteinander.
Der richtige Ton und ein vernünftiger, respektvoller Umgang miteinander, das wäre das tatsächlich schön.
Ich bin Tierärztin (in eigener Pferdefahrpraxis, also diejenige, die man anruft, wenn einem das eigene Pferd akut Sorgen macht und die auch kommt, egal ob abends, am Wochenende oder feiertags) und in meinem direkten Umfeld hat sich eine ebensolche Kollegin (Anfang 30, eigene Pferdefahrpraxis, zwei angestellte Tierärztinnen) im Frühjahr das Leben genommen. Bereits im Studium war bei uns der Druck so hoch, dass eine Kommilitonin sich aus ihrem Wohnheimfenster im 10. Stock gestürzt hat.
Wer nicht an die hohe psychische Belastung des Tierarzt-Seins glaubt, der soll einmal die Statistik zur Suizidrate in verschiedenen Berufen lesen. Oder eine Woche mit seiner Pferdetierärztin (sind ja in der Regel Frauen) mitfahren und sich den Praxisalltag anschauen.
Ich liebe meinen Beruf, aber es wäre wirklich schön, wenn uns das von den Leuten, für deren Pferde wir tagtäglich (und nächtlich…) unsere Arbeit machen auch ein klein wenig gesehen werden würde und wir uns nicht permanent rechtfertigen und rumdiskutieren müssten über Bürokratie und Kosten und was für garstige Abzocker wir bösen Tierärzte doch sind.