In der Ferienzeit steht für viele die Frage im Raum: Wer kümmert sich um mein Pferd, wenn ich verreist bin? So war es auch bei einer Stutenbesitzerin aus Bayern, die eine pferdeerfahrene Frau damit beauftragt hatte, sich während ihres Urlaubs um ihr Pferd zu kümmern. Doch dann kam es zu einem Unfall, der vor Gericht landete.
Die Halterin der Stute wollte in den Sommerferien verreisen und bekam über eine ihr bekannten Tierärztin, die selbst mehrere Pferde besaß, den Kontakt zu Frau A. Frau A hatte bei der Tierärztin bzw. dessen Lebensgefährten als Stallhilfe im Rahmen der Minijob-Regelung gearbeitet. Der Stall, in dem die Tierärztin ihre Pferde stehen hatte, lag nur ein paar hundert Meter entfernt von dem Stall, in dem die zu betreuende Stute stand. Frau A übernahm die Urlaubsbetreuung der Stute, nachdem sie sich mit deren Besitzerin getroffen und das Pferd einmal probeweise geführt hatte.
Konkrete Angaben für die Urlaubsbetreuung des Pferdes
Über eine Bezahlung der Urlaubsbetreuung des Pferdes hatten die beiden Frauen im Vorfeld nicht ausdrücklich gesprochen. Aber sie legten genau fest, was Frau A mit dem Pferd machen sollte: Die Urlaubsbetreuung sollte das Pferd mehrmals pro Woche (etwa zwei- bis dreimal) ausführen. Dabei war es ihr freigestellt, wann und wie lange sie das Pferd ausführen werde. Zur Auswahl standen eine kleinere und eine größere Runde. Die Pferdebesitzerin stellte ausdrücklich klar, dass Frau A ihr Pferd nicht reiten sollte und dass dem Pferd Trense und Hufschuhe angelegt werden sollten. Beide Parteien gingen stillschweigend davon aus, dass zum Ausführen auch das vorherige Putzen des Pferdes dazugehöre.
Urlaubsbetreuung mit Pferde-Erfahrung
Frau A war gut geeignet für die Urlaubsbetreuung, brachte etwa 30 Jahre Pferde-Erfahrung mit und ist selbst geritten. Der Umgang mit Pferden mache ihr Spaß und Freude. Insofern konnte sie auch gut die Situation einschätzen, die letztendlich zu dem Unfall führte.
Unfall durch Mähdrescher
Die Urlaubsbetreuung ging mit der Stute einen asphaltierten Weg entlang, der als Radweg ausgewiesen war und auch für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge freigegeben war. Als dort aus einer Unterführung ein Mähdrescher auftauchte, blieb Frau A stehen und ging mit dem Pferd auf den grasbewachsenen Fahrbahn-Rand. Der Mähdrescher fuhr zunächst relativ langsam vorbei. Dann gab der Fahrer jedoch wieder Gas und das Pferd erschrak durch das Geräusch. Die Stute stieg und sprang über einen Graben. Dabei zog das Pferd Frau A mit, sodass diese stürzte. Außerdem trat das Pferd Frau A auf das rechte Bein.
Die Klägerin erlitt Verletzungen im Bereich des rechten Beins sowie des linken Kniegelenkes. Sie stellte sich noch am Unfalltag in der Notaufnahme vor, wo sie stationär aufgenommen und die Ärzte eine „Unterschenkelkontusion rechts“ sowie eine „vordere Kreuzbandruptur Knie links“ diagnostizierten. Bei einem Krankenbesuch übergab die Besitzerin der Stute Frau A eine kleine Flasche Prosecco, an der ein 50-Euro-Schein befestigt war – diese Geste sollte vor Gericht noch eine Rolle spielen.
Schmerzensgeld nach Unfall
Nach dem Unfall machte Frau A Ansprüche auf Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeld gegen die Pferdebesitzerin vor dem Landgericht (LG) Bayreuth (Az.: 41 O 372/18) geltend. Das Gericht wies die Klage ab: Eine Haftung der Beklagten, also der Pferdebesitzerin, sei ausgeschlossen. Denn es sei von einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit von Frau A auszugehen. Sie habe mit dem Ausführen des Pferdes die Aufsichtspflicht für das Pferd übernommen und das gehe über eine übliche Gefälligkeit unter Bekannten oder Fremden hinaus. Frau A habe auch keine Sonderbeziehung zu der Pferdebesitzerin gehabt, wie etwa ein Reitbeteiligungsverhältnis. Man könne auch nicht davon sprechen, dass bei der Urlaubsbetreuung des Pferdes ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Verhalten von Reitern vorgelegen hätte.
Gegen dieses Endurteil des LG Bayreuth legte die Urlaubsbetreuung Berufung ein. Parallel dazu beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin bei der Pferdebesitzerin, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Dies lehnte sie ab, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen. Frau A sei schließlich nicht angestellt gewesen. Sie habe die Urlaubsbetreuung des Pferdes aus Gefälligkeit übernommen und weil sie Pferde so gerne habe.
Diese Urlaubsbetreuung des Pferdes war ein Arbeitsunfall!
Der Fall zog sich in die Länge. Schlussendlich entschied das LSG München (Urteil v. 06.12.2022 – L 17 U 168/21): Das Ausführen des Pferdes stellte eine versicherte Tätigkeit dar. Die Klägerin sei zwar nicht als Beschäftigte, jedoch wie eine Beschäftigte tätig geworden. Man spricht hier auch von einer sogenannten Wie-Beschäftigung.
Die Tätigkeit der Klägerin, also das Ausführen des Pferdes, diente objektiv und subjektiv dem fremden Unternehmen der Beklagten (private Reittierhaltung). Frau A hat die Urlaubsbetreuung des Pferdes in Form des Spazierengehens anhand der Vorgaben der Beigeladenen durchgeführt. Allein der Umstand, dass jemand Freude an einer Tätigkeit hat, mache diese Tätigkeit jedoch nicht zu einer (überwiegend) eigennützigen oder unternehmerähnlichen Tätigkeit.
Weiter begründet das Gericht seine Entscheidung: „Es handelte sich um eine Tätigkeit, wie sie auch von Pferde- bzw. Tierpflegern, Pferdewirten oder Stallgehilfen gegen Entgelt erbracht werden kann, und deren Durchführung durch einen Dritten während der zehntägigen urlaubsbedingten Abwesenheit der Beigeladenen (Anmerkung: der Pferdebesitzerin) zumindest sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig gewesen ist. Die Beigeladene hat sich somit mögliche Aufwendungen für anderweitige bezahlte Hilfskräfte erspart. Überdies hat die Beigeladene die Tätigkeit der Klägerin mit insgesamt 50,00 Euro tatsächlich entlohnt. Der Senat ist davon überzeugt, dass es sich bei diesem Betrag um eine Bezahlung für das Ausführen des Pferdes gehandelt hat. Zwar war eine Bezahlung nicht ausdrücklich vereinbart worden, sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene waren jedoch davon ausgegangen, dass sich die Beigeladene finanziell erkenntlich zeigen werde.“
Den gesamten Fall können Sie hier herunterladen.
…und wer zahlt jetzt die Heilbehandlung und mögliche Folgeschäden? Die Berufsgenossenschaft? Die Tierhalterversicherung der Pferdebesitzerin oder die Krankenversciherung der Verletzten?
…und das heisst, die Berufsgenossenschaft zahlt die Behandlung der Verletzten und deren Folgeschäden.
So weit, so gut, aber die Pferdebesitzerin zahlt je keine Beträge zur BG und hat natürlich auch keine Betriebshaftpflichtversicherung.
Ergibt sich da eine mögliche Regressforderung der BG an die Besitzerin? Das würde unter Umständen enorme Folgekosten für die Besitzerin bedeuten.