Eines stand bei den Weltmeisterschaften der Dressurreiter in Herning nicht zur Debatte: dass der KWPN-Hengst Glamourdale, der mit Charlotte Fry Gold in Special und Kür gewann, ein außergewöhnliches Pferd ist. Zeit, diesen Rappen einmal im Detail vorzustellen.
Im Jahr 2011 brachte die Stute Thuja v. Negro im Stall von Joop Rodenburg in Ouderkerk an der Ijssel ein schwarzes Hengstfohlen vom Rheinländer Hengst Lord Leatherdale zur Welt. Auf dem Fohlen ruhten große Hoffnungen. Sein Vater ist der Rheinländer Lord Leatherdale v. Lord Loxley-Ferragamo. Er ist bis Grand Prix ausgebildet und stationiert bei Van Olst Horses – dort, wo auch Glamourdale Karriere machen sollte und wo mit Everdale sein auch sein olympischer Halbbruder wirkt.
Glamourdale war zehn Tage alt, als Gertjan van Olst ihn das erste Mal sah. Er sagt, er habe die Qualitäten des Rappen schon damals erkannt und der habe ihn nicht enttäuscht. Kann man wohl sagen. Doch bis es so weit war, dauerte es noch etwas.
Glamourdales Ahnen
Nicht nur von Vaterseite hat Glamourdale Leistungsgene vererbt bekommen. Muttervater Negro, der ebenfalls bei Van Olst wirkt, ist bekanntlich Vater des dreifachen Olympiasiegers und Weltrekordlers Valegro, Auch der Weltmeister der jungen Dressurpferde 2021, Kjento, der ja ebenfalls von Charlotte Fry für Van Olst Horses präsentiert wird, stammt von ihm ab.
Mutter Thuja wurde vom KWPN mit dem Titel „preferent“ für eine besonders gute Stute geadelt. Ihre Mutter wiederum, Jasmijn v. Ahorn, brachte mit Negro einen Bruder zur Thuja, der bis Grand Prix erfolgreich war. Die dritte Mutter, Clementine v. Ulft (der auch Muttervater von beispielsweise Parzival ist), stellte mit Wolfgang den international 1,50 Meter erfolgreichen Händel von Michael Whitaker.
Geballtes Leisungsblut also bei Glamourdale nach bewährtem niederländischen Rezept, mit einem Schuss Springblut Kraft und Saft in die Linien zu bringen. Dass er von beidem reichlich mitbringt, hat Glamourdale nicht erst in Herning bewiesen.
KWPN-Siegerhengst
Als Glamourdales Züchter, der verstorbene Joop Rodenburg, 2021 die erste Jazz-Trophy für eine Leistungen erhielt, verriet seine Enkelin Jasmijn van der Velden, dass es immer ein Traum ihres Großvaters war, einmal einen gekörten Hengst zu züchten. Bei der KWPN-Hauptkörung 2014 erfüllte Glamourdale ihm diesen Traum. Mehr noch, schon damals erwies er sich als „Overachiever“, denn er wurde nicht nur gekört, er wurde zum Siegerhengst ernannt – übrigens vor dem Totilas-Sohn Governor aus der Parzival-Vollschwester, der später zu Adelinde Cornelissen ging.
Wim Ernes, der inzwischen ebenfalls verstorbene Bundestrainer der niederländischen Dressurreiter, war damals Vorsitzender der Körkommission und begründete die Entscheidung der Kommission so: „Glamourdale stammt aus der bewährten Kombination Lord Leatherdale x Negro und ist ein Hengst, der sich jederzeit sehr kraftvoll zeigte. Er hat große Linien und seine Bewegungen sind korrekt und kraftvoll mit tollem Raumgriff.“
Sechs Jahre später wurde Glamourdale zum KWPN „Pferd des Jahres“ ernannt, ein Titel, den er sich auf verschiedene Weise verdient hatte. Die Körung war erst der Anfang. Im Jahr darauf belegte Glamourdale Rang zwei bei seiner Hengstleistungsprüfung, die er mit 85,5 Punkten abschloss. Sein Schritt wurde damals mit 8,0 bewertet, der Trab mit 8,5, der Galopp mit 9,0. Auch Balance und Selbsthaltung waren den Richtern die 9 wert. Für Rittigkeit und Einstellung gab es eine 8,5, ebenso wie Elastizität und Perspektive. Schon damals hieß es im Protokoll, der Hengst gebe seinem Reiter ein „sehr gutes Gefühl“.
Weiter hieß es im Protokoll: „Glamourdale ist ein ehrlicher und zuverlässiger Hengst mit einem sehr guten Temperament. Er ist äußerst arbeitswillig und verfügt über eine gute Rittigkeit. Der Schritt ist sehr taktsicher und hat guten Raumgriff. Der Trab hat guten Raumgriff und eine exzellente Balance. Der Galopp ist bergauf angelegt, sehr kraftvoll und mit sehr viel Raumgriff. Glamourdale bewegt sich mit viel bis sehr viel Elastizität, Selbsthaltung und Balance. Er hat reichliche bis sehr reichliche Veranlagung für die Dressur.“
Explizit erwähnt wird auch das gute Fundament des Hengstes.
Lottie meets Glammy
Die Einschätzung kann Charlotte „Lottie“ Fry nur bestätigen. Als Glamourdale sechsjährig war, übernahm sie ihn. Fry ist zwar Britin, lebt aber in den Niederlanden beim Ehepaar van Olst. Der Hintergrund ist ein trauriger. Ihre Mutter Laura Fry, selbst eine internationale Dressurreiterin, verstarb viel zu früh an Brustkrebs. Sie war gut befreundet mit Carl Hester, mit dem sie bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona zusammen im Team ritt. Hesters Anlage liegt unweit von der, auf der früher die Frys tätig waren und so sah der britische Championmacher Charlotte Fry quasi aufwachsen. Seit ihrem 14. Lebensjahr hatte sie Unterricht bei ihm, verdiente sich die Stunden später durch Mitarbeit in seinem Betrieb. Laura Fry bat ihren Freund, sich nach ihrem Tod Lotties anzunehmen. Doch Carl Hester hatte auch Charlotte Dujardin bei sich im Stall. Er schlug vor, dass Anne van Olst Lottie unter ihre Fittiche nehmen sollte. Und so geschah es. Fry zog um in die Niederlande und traf dort auf ihr Traumpferd, Glamourdale.
WM-Pferd Glamourdale
Damals hatte Glamourdale seinen ersten WM-Einsatz schon hinter sich. Fünfjährig vertrat er das KWPN bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde in Ermelo. Im Sattel saß zu dem Zeitpunkt Benjamin Maljaars. Richtig durchgestartet ist Glamourdale aber erst, als Charlotte Fry ihn übernahm.
Zwei Jahre nach ihrem Kennenlernen ging Glamourdale erneut in Ermelo bei der WM junger Dressurpferde, diesmal bei den Siebenjährigen, also auf Prix St. Georges-Niveau. In der Qualifikation wurde er Dritter. Sieger waren hier Isabel Freese und der ehemalige Bundeschampion Fürsten-Look. Und Platz zwei ging an Carina Cassøe Krüth und Heiline’s Danciera, die beiden Mannschaftsweltmeister dieses Jahres …
Dann kam das Finale. Unser Eindruck damals: „Glamourdale ist der Typ Kraftprotz, mit einem energisch abfußenden Hinterbein bei gleichzeitig enormer Schulterfreiheit. Charlotte Fry ist es gelungen, die Kraft des Hengstes in die richtigen Bahnen zu lenken. Er trägt sich bereits sehr gut. Die Übergänge gingen sämtlich durch den Körper mit sehr guter Lastaufnahme. Und ob in den Seitengängen oder beim Zügel aus der Hand kauen lassen – stets hielt der Hengst den Rhythmus, trat willig an die Hand heran, war schon sehr gut ausbalanciert – und das bei diesen enormen Bewegungen.“
Das hat das Paar sich bewahrt. Allerdings muss man sagen, damals strahlten die beiden mehr Leichtigkeit aus.
2019 ging der nun achtjährige Glamourdale zwei internationale Turniere mit jeweils Prix St. Georges und Intermédiaire I. Erst räumte er in Compiègne ab, dann reiste er nach Aachen. Wo andere Pferde sich von der Stadionatmosphäre einschüchtern lassen, wuchs er schon damals über sich hinaus: Sieg im Prix St. Georges mit 77,971 und in der Intermédiaire I mit 80,412 Prozent. Was Charlotte Fry schon damals sagte, was Glamourdale ausmacht: „Er liebt es einfach, sich zu präsentieren.“
„Richtiger“ Weltmeister
Davon konnte man sich auch in Herning überzeugen. Seinen ersten internationalen Grand Prix ging der Hengst 2021 in Hagen. 74,456 Prozent im Grand Prix, 76,404 Prozent im Special, Platz sieben und fünf – so begann die Karriere des heutigen Doppelweltmeisters in der Königsklasse.
Wenige Monate später gingen sie in Aachen und belegten Rang zwei im Special mit 77,170 Prozent. Man erwartete, dass die beiden im britischen Olympiateam an den Start gehen würden. Doch so weit war es noch nicht. Die beiden Championate, Tokio wie auch die EM in Hagen, bestritt Glamoudales väterlicher Halbbruder Everdale. Glamourdale hatte seine Saison in Aachen beendet. Erst dieses Frühjahr meldete er sich zurück. Und die 79,435 Prozent im Grand Prix beim Nationenpreisturnier in Compiègne waren schon ein Fingerzeig in Richtung Herning.
Hier übertrafen Fry und Glamourdale alle Erwartungen – dreimal Personal Best, Silber mit der Mannschaft, Einzelgold in Special und Kür, letzteres mit über 90 Prozent. Charlotte Fry: „Glamourdale kam da rein und wusste, was er zu tun hat. Und er konnte die Atmosphäre spüren. Wenn mehr Publikum da ist, macht er eine größere Show. Ich muss einfach nur sitzen. Es fühlte sich so einfach an und er hüpfte einfach durch seine Musik.“
Wofür es dann eben mehr als 90 Prozent gab. „Das ist es, was all meine Vorbilder machen und ich hatte nicht erwartet, dass ich es auch tun würde.“ Wenn es nach ihr geht, gibt es demnächst mehr davon. „Das ist unser erstes großes Championat und ich denke, die nächsten Jahre werden wirklich spannend für ihn. Hoffentlich ist das erst der Anfang.“
Rekorde
In den Gesamtergebnissen hat Glamourdale in Herning keine neuen Rekorde aufgestellt (z. B. den in der Kür hält nach wie vor Charlotte Dujardins Valegro mit 94,30 Prozent beim Weltcup-Turnier in London 2014), wohl aber die Bewertungen einzelner Lektionen, nämlich 9,9 Prozent im Durchschnitt im starken Galopp und 9,71 Prozent für die Zweierwechsel. Lottie:
Galoppieren auf Glamourdale ist wie fliegen!
World’s best Bummler
Okay, wir wissen nun: Glamourdale ist ein Showman, der viel galoppieren kann. Aber wie ist er sonst so? Lottie Fry erzählt, Glamourdale liebt es, ausreiten zu gehen. Und dann nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, Endlich mal Vollgas zu geben im Galopp, sondern ganz im Gegenteil. Gemütliche Schrittrunden mit hingegebenem Zügel. „An der Schnalle“, wie Lottie in Herning erzählte.
Gesprächiger Macho
Wer Glamourdale vor sich stehen sieht, den 1,70 Meter Stockmaß-Kraftprotz, der könnte meinen, er ist durch und durch Macho. Das sei aber nur ein Teil der Wahrheit, sagen Glamourdales Menschen. „Er ist total verkuschelt“, verrät Lottie. Und gesprächig sei er – vor allem, wenn er einen Apfel wittert. Denn Äpfel liebt er über alles.
Macho kann Glamourdale allerdings auch sein. Insbesondere, wenn es zum Vetcheck geht. Darum führt die zarte Lottie ihn hier auch nicht selbst, sondern überlässt das üblicherweise Glamourdales Pfleger.
Glamourdale als Vererber
Glamourdale hat sich auch als Vatertier bereits einen Namen gemacht. Wenig verwunderlich angesichts seiner Auftritte in Herning war, dass bei der parallel ausgetragenen Auktion eine Tochter von ihm aus einer For Romance-Mutter mit Holsteiner Wurzeln den Spitzenpreis erzielte. 71.000 Euro kostete jenes Stutfohlen, dass allerdings einen recht unpassenden Namen hat: Gravity, Schwerkraft.
Glaourdales älteste Nachkommen kamen 2015 zur Welt, sind also siebenjährig. Auch die deutsche FN führt einige Nachkommen, genauer gesagt 18 an der Zahl. Einer davon ist zum Beispiel der sechsjährige Rheinländer Gran Torino der ZG Sahlmann und Schmitz, der der Familie Baumgürtel gehört. Mit Yvonne von Appen und Marion Wiebusch war er mehrfach in Dressurpferdeprüfungen Klasse M siegreich.
Darüber hinaus verzeichnet die FN acht gekörte Söhne des Glamourdale, von denen allerdings nur einer im Hengstbuch eingetragen ist, der vierjährige Westfale Glamourdoc. Die ZG Pleines hat ihn aus einer Vollschwester zu Gestüt Bonhommes Maracanà gezogen.
Horsetelex hat neben gekörten Hengsten auch bereits S- bzw. kleine Tour-erfolgreiche Kinder gelistet. Beim KWPN ist bislang ein gekörter Sohn aufgeführt.Air Jordan 1 Outlet Store | cheap air jordan 1 dior
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