Peder Fredricson ist seit dieser Europameisterschaft der neuen Nationalheld Schwedens. Mit All In siegte er im Finale vor mehr als 15.000 Zuschauern im Ullevi Stadion von Göteborg vor dem Niederländer Harrie Smolders und dem Iren Cian O’Connor. Deutschland hatte drei Reiter im Finale. Marcus Ehning wurde Sechster, Philipp Weishaupt sackte in einer komplett verkorksten letzten Runde auf Rang zwölf ab.
Bei den Europameisterschaften im schwedischen Göteborg unterlief Peder Fredricson und All In erst am vorletzten Hindernis im sechsten Springen innerhalb von fünf Tagen ein Springfehler. Die Stange über dem überbauten Wassergraben, dem zweiten Hindernis einer dreifachen Kombination, flog. Doch am Sieg von Peder Fredricson änderte das nichts.
Seit dem ersten Zeitspringen hatte er die Führung inne und er sollte sie behalten. Sein Triumph hat auch etwas mit seiner Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Rio zu tun. „Ich war ein bisschen angefressen, dass ich in Rio nicht schnell genug im Stechen war. Ich hab trainiert, ein schnellerer Reiter zu werden. Ich habe in diesem Jahr mehr Springen gewonnen als jemals zuvor“, verriet der 45-Jährige. Unter anderem jüngst in Villach, Österreich, und Rotterdam, Niederlande.
Europameister aus Pferdefamilie
Fredricson hat eine bewegte Reiterbiographie. Sein Vater, Professor der Veterinärmedizin, war Zuchtdirektor des weltberühmten schwedischen Staatsgestüts Flyinge. Sein fünf Jahre älterer Bruder Jens ist ebenfalls Springreiter. „Mein Vater hat uns beide immer unterstützt. Er ist eine wichtige Person für den Erfolg heute“, sagte der frischgebackene Europameister mit leicht brüchiger Stimme.
Fredricson war lange Vielseitigkeit geritten, sogar Olympische Spiele und Weltmeisterschaften und 1992 hatte er mit Hilly Trip die große Vielseitigkeitsprüfung von Luhmühlen gewonnen. „Aber dann habe ich mehr mit meinem Bruder Springen trainiert, dann meine Frau Lisen Bratt kennengelernt, eine Springreiterin, da wollte ich dann noch mehr Springen reiten.“
All In, einer für alles
All In hatte nach den Olympischen Spielen eine Auszeit, er hatte sich einer Kolikoperation unterziehen müssen. Im März war er in Arezzo das erste Mal an den Start gegangen und dann gezielt aufgebaut worden (mehr zu dem Thema im Allgemeinen finden Sie hier). Fredricson hatte den heute elfjährigen Sohn von Kashmir van Schuttershof-Sohn siebenjährig erworben nachdem er ihn bei der Weltmeisterschaft der jungen Springpferde in Zangersheide gesehen hatte.
Ich bin wirklich glücklich, dass ich meinem Pferd diese Goldmedaille geben kann.
Europameister Peder Fredricson, Schweden
Die beiden Konkurrenten auf dem Podium zollten nicht nur dem Reiter, sondern auch seinem Pferd Respekt:
All In ist ein nahezu unschlagbares Pferd.
Silbermedaillengewinner Harrie Smolders, Niederlande
Peders Pferd ist das beste in der Welt.
Bronzemedaillengewinner Cian O’Connor, Irland
Für Schweden war es der zweite Europameistertitel in der Einzelwertung nach dem Triumph von Rolf-Göran Bengtsson und Ninja la Silla im Madrid 2011. Königin Silvia überreichte die Medaillen, die Sonne schien und das Stadion war komplett aus dem Häuschen.
Toller Parcoursaufbau!
Lob gab es von den Medaillenträgern auch für die Leistung von Parcourschef Louis Konickx. Der habe, so Cian O’Connor, das Feld perfekt auseinander bekommen: „Mein Pferd war in diesem Jahr in jedem Großen Preis platziert, in dem es gegangen ist. Harries Pferd hat mehr Nullfehlerritte als jedes andere weltweit, das zeigt die Statistik, und Peders Pferd ist das beste in der Welt. Gratulation, Parcourschef Louis!“
Der gab sich bescheiden: „Perfekter Wettkampf, perfekte Sieger.“ Vor allem sein Team habe ihn fantastisch unterstützt, darum nutzte Konickx die Chance, sich bei seiner kompletten Mannschaft zu bedanken: „Ohne mein Team hätte ich es nicht in die dritte Runde geschafft“, scherzte er. Gerade die heutigen Parcours für die besten 25, bzw. in der letzten Runde die Top 12, hatten es in sich. Maximal Höhen, ein paar knifflige Distanzen und das alles in der großdimensionierten Arena des Fußballstadions Ullevi.
Der äußerst konsistente Zweite: Harrie Smolders
Harrie Smolders hatte im Zeitspringen mit dem gewaltigen Fuchs Don VHP Z noch nicht unbedingt wie ein Kandidat fürs Podium ausgesehen, 4,52 Strafpunkte, dank eines Abwurfs, Platz 31. Die Erklärung dafür ist einfach: „Mein Pferd hat zwar Blut, aber einen großen, etwas langsamen Ablauf. Die niedrigsten Springen sind für ihn immer die schwierigsten.“
Der Niederländer stand vor einem Luxusproblem. Seine zwei Toppferde, Emerald und Don, waren beide gut unterwegs in der Saison. „Es hat sich eher so ergeben, dass Emerald eher an den Global Champions Tour-Wochenenden so wie in Chantilly in Schuss war und Don an denen mit Nationenpreisen“. Eines hatte er sich aber vorgenommen, „ich wollte diesem Championat meinen Stempel aufdrücken“, so Smolders.
Die spielerischen Sätze, mit denen sich Don fehlerfrei auf die Silberposition hechtete, waren beispiellos. Die Zuschauer, mehr als 15.000 am Finaltag, goutierten das. Mit dem Publikum hat Smolders gute Erfahrung. Beim Weltcupfinale im Scandinaveum vor zwei Jahren war er ebenfalls Zweiter. „So gesehen sind meine Leistungen hier immer sehr konsistent.“
So ganz damit gerechnet, einen Treppchenplatz zu ergattern, hatte der 37-Jährige wohl nicht. Gerade als die Pressekonferenz nach der Medaillenzeremonie begann, dürfte es auf dem Göteborger Flughafen geheißen haben: „Last call for passenger Smolders, please proceed to the gate immediately“ – „Ja, um 18 Uhr sollte der Flug gehen, aber unter diesen Umständen lasse ich ihn gerne verstreichen.“
Eine mögliche Silbermedaille verspielten der Ire Cian O’Connor und sein Pferd Good Luck im letzten Springen an Sprung fünf. Ein Vorderhandfehler machte Bronze perfekt für den belgischen Hengst v. Canturo-Furioso II. „Das war ein teurer Fehler.“
Zwei Schimmelreiter im Pech
Den größten Einbruch erlebte Philipp Weishaupt, dessen Holsteiner Hengst Convall in der ersten Runde die vielleicht souveränste aller Leistungen gezeigt hatte. Es habe sich wie eine Springpferdeprüfung angefühlt, sagte Weishaupt nach dem Ritt, der ihn auf Platz fünf hatte vorrücken lassen. Einen richtigen Kurs hatte er sich gewünscht für die Schlussrunde, Bronze war theoretisch gar nicht so weit entfernt. „Ich bin mir sicher, dass ich im Leben noch nicht solch ein Pferd geritten habe,“ sagte Weishaupt. Aber dieses Pferd ist eben auch nur ein Pferd und zwar ein unkastriertes …
Im Abschlussspringen führte der Weg vom ersten Hindernis zu Sprung 2, einem Steilsprung von Sponsor H&M – ausgerechnet mit dem Konterfei des späteren Champions auf dem Fangständer – in einer Rechtskurve am Einritt vorbei. Convall stoppte, drängte zum Einritt zurück. Weishaupt war ohne jede Chance. „Er ist halt Hengst mit eigenem Charakter. Er hat das früher schon mal als junges Pferd gemacht. So etwas kommt dann natürlich auf einem Championat wieder.“ Zumal danach auch noch drei Stangen fielen – „ich musste halt drücken, und er hat dicht gemacht.“
Aber so richtig ärgern wollte sich Weishaupt dennoch nicht über sein Championatsdebüt. Das Ende misslungen, davor aber viele gute Runden und lediglich ein leichter Fehler, „Netzroller“, wie Weishaupt sagt – Premiere also gelungen, schlussendlich Platz zwölf.
Unter den Zuschauern war übrigens auch Isabell Werth, mit drei Goldmedaillen die erfolgreichste Reiterin dieser Meisterschaften. Gemeinsam mit Sohn Frederik drückte sie Philipp Weishaupt die Daumen.
Armer Martin Fuchs!
Riesenpech hatte der Schweizer Martin Fuchs, dessen Clooney v. Cornet Obolensky in der ersten Runde am heutigen Sonntag gleich zwei Stangen mitnahm und als Dreizehnter damit den Start im Finalparcours versäumte. Das Paar hatte an zweiter Position gelegen und auch mit dem ungeliebten Wassergraben diesmal keine Probleme gehabt. Bleibt als Trost die Bronzemedaille in der Teamwertung.
Der neue Leitwolf
Das berühmte Quäntchen Glück fehlte Marcus Ehning und Pret a tout. Jede Runde harmonisch, leider insgesamt zwei Abwürfe. Einen davon im ersten Finalspringen, der Mittelsprung der Dreifachen Kombination. Ehning bilanzierte knapp und präzise: „Gut, aber nicht gut genug“, sei er geritten. Rang sechs in der Einzelwertung als bester Deutscher und eine neue Rolle innerhalb der Equipe. Er habe vielleicht den Jungen „ein bisschen Ruhe geben können, gerade im Nationenpreis“, in dem er als erster Starter in die Arena gegangen war.
Sönkes Traumpferd
Ohne den Springfehler im ersten Springen am Finaltag hätte auch der Italiener Alberto Zorzi noch Medaillenchancen gehabt. Sein eleganter und geschmeidig springender Wallach Cornetto K. v. Cornet Obolensky hatte viele Bewunderer, darunter einen prominenten: Sönke Rothenberger, hier nur noch von der internationalen Presse als „Europameister der Herzen“ gefeiert, musste keine Sekunde nachdenken, als er gefragt wurde, welches Pferd ihn in Göteborg besonders beeindruckt hätte. „Der Cornet von dem Italiener Zorzi – da bekomme ich Gänsehaut“. Die Fragende war etwas irritiert, sie hatte wohl mit einem Dressurpferdenamen gerechnet.
Zorzi wurde Vierter vor dem Belgier Pieter Devos und Espoir. Dessen Teamkamerad Niels Bruynseels mit Cas de Liberte kam auf Rang acht. Und der erst durch den Ausfall von Olivier Philippaerts ins belgische Team aufgerückte Jérome Guery mit Grand Cru van de Rozenberg wurde Elfter – eine starke Teamleistung, leider etwas zu spät, in der Mannschaftsabrechnung waren die Belgier unter Teamcoach Peter Weinberg mit weniger als einem Punkt Rückstand Vierte hinter den Schweizern geworden.
Laura Klaphake hofft auf nächste Chance
Platz 17 beim Debüt im Seniorenlager und das mit einem gerade erst neunjährigen Pferd. Laura Klaphake hatte ein tolles Wochenende und ritt am Finaltag ein weiteres Mal so, dass einem das Herz aufgeht: Stilistisch hervorragend, die gehfreudige Stute Catch Me If You Can immer auf ihrer Seite. Einen Zeitfehler addierte Klaphake ihrem Ergebnis hinzu, am Endresultat änderte das nichts, Rang 17 und damit nicht mehr in der Abschlussrunde der besten Zwölf. „Ich habe vielleicht manchmal etwa weit ausgeholt, aber ich wollte lieber null reiten, da war mir die Zeit nicht ganz so wichtig.“
Die Studentin, die mit der Erfahrung von acht Championaten aus der Zeit im Nachwuchslager nach Göteborg gereist war, kann mehr als zufrieden sein mit ihren Auftritten. Genau genommen waren es fünf Sekunden im Auftaktspringen, dem Zeitspringen, die nicht optimal verliefen: Der Fehler am Wassergraben und daraus resultierend der Abwurf des folgenden Sprungs. Drei Abwürfe in vier schweren Springen – das macht Lust auf mehr. „Wir nehmen hier aus Göteborg ganz viel Erfahrung mit und die kann ich dann das nächste Mal einbringen, wenn ich die Chance bekommen sollte.“
Bundestrainer Otto Becker: „hoffentlich im nächsten Jahr ernten“
Wer Bundestrainer Otto Becker in diesen Tagen erlebt hat, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es eine solche Chance geben könnte. Immer vorausgesetzt, die Pferde bleiben gesund und im deutschen Besitz. Das gilt auch für Simone Blum, von deren Stute Alice die ganze Welt spricht. Und das nicht erst seitdem sie in Göteborg die Rahmenspringen dominierte. Angeblich sind für die Askari-Tochter schon Summen jenseits der Totilas-Dimensionen geboten worden. Das wollen zumindest viele Insider so wissen.
Otto Becker sagt, ja, man fahre ohne Medaille nach Hause. „Aber wir haben mit einem super Team viele gute Runden gesehen. Wir wussten vorher, dass wir hier nicht zu den Favoriten gehören. Hier haben sich einige durch Leistung empfohlen. Dass es dem ein oder anderen Reiter oder Reiterin an Erfahrung gefehlt hat, das wussten wir vorher. Man muss die Dinge erlebt haben. Die Erfahreneren waren dann ja heute auch im Finale dabei. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr die Früchte ernten werden.“
Maurice Tebbel erwischte nicht das erhoffte Championatsdebüt, das sich nach den Nullrunden im Aachener Nationenpreis so viele erhofft hatten. Er wurde 57. in der Einzelwertung, rangierte damit zehn Plätze hinter seinem Vater Rene, der für die Ukraine am Start war.
Beste der Familie war Junge Reiter-Vizeuropameisterin Justine, die im U25-Rahmenprogramm gemeinsam mit Vanessa Borgmann Dritte im Teamspringen wurde (zwei Reiter bildeten ein Team). Dafür gab es pro Nase 1000 Euro, immerhin.
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