Im Rolex Grand Prix am Sonntag in Genf sollte es einfach sein für Richard Vogel und United Touch S. Mit einem Stechritt von höchster Präzision und größtmöglichem Risiko sicherten sich das Ausnahmepferd und sein Reiter mit Nerven wie Drahtseilen den größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere.
Wer davon noch nicht überzeugt war, der muss es spätestens nach dem heutigen Tag sein: Richard Vogel und sein elfjähriger Hengst United Touch S gehören zur Weltelite. Das demonstrierten sie heute in einem der schwersten Springen der Welt, dem Rolex Grand Prix gegen Europameister Steve Guerdat und Dynamix de Belheme, Weltmeister Henrik von Eckermann und King Edward und viele weitere hochkarätige Paare.
Schon der Normalparcours erwies sich als extrem selektiv. 14 Paare mussten die Zuschauer abwarten, bis sie den ersten Null-Fehler-Ritt erleben konnten. Der Grund war die erlaubte Zeit, die extrem knapp bemessen war. Das resultierte entweder in Zeitfehlern, oder aber in Abwürfen, häufig gesehen am letzten Sprung des Parcours. Bereits hier bewies Richard Vogel als 15. Starter neben einem guten Plan und großem reiterlichen Geschick vor allem gute Nerven. Den wie immer gewaltig springenden Untouched-Sohn United Touch S lenkte der Reiter vom Hofgut Dagobertshausen von Beginn an im Vorwärts angelegten Tempo über die Hindernisse und wählte enge Wendungen immer da, wo es der Parcours möglich machte. Nicht zuletzt die letzte Linie, eine Distanz auf vier Galoppsprünge, spielte diesem Paar beim Gewinnen von Zeit in die Karten. Denn United Touch S konnte die Linie locker mit einem Galoppsprung weniger fehlerfrei absolvieren.
United Touch S: ein Pferd wie von einem anderen Planeten
Den ersten Nullfehlerritt des Tages zu liefern, hatte schließlich zur Folge, dass Vogel auch im Stechen als Erster ran musste. Gebaut mit engen Linien über Oxer, einer Steil-Steil-Kombination mit überbautem Wasser und langen Linien zum Galoppieren holte der Reiter einfach alles aus seinem Pferd heraus. Volles Risiko war angesagt. Denn es sollten noch sechs schnelle Paare hinterher kommen. Richard Vogel verschenkte keinen Zentimeter, United Touch S flog im gestreckten Galopp durch die Arena und verkürzte sich um gefühlt einen Meter in den engen Wendungen auf breite Oxer. Ganz offensichtlich hat der Hengst in den letzten Monaten nochmal an Athletik und Cleverness dazugewonnen. Auf den letzten Sprung ritt Vogel Strich nach vorne, alles oder nichts: alles! United Touch S segelte selbstbewusst wie fehlerfrei über das letzte Hindernis, die Uhr stoppte bei 37,14 Sekunden. Wie schon nach dem Normalparcours galt das Lob und der Dank Vogels seinem Pferd, was er mit einem Fingerzeig auf United Touch S unterstrich. Die Zeit von 37,14 Sekunden war mindestens eine, die schwer zu unterbieten sein würde. Wenn überhaupt.
Und was soll man sagen, die nachfolgenden Paare bissen sich an dieser Zeit die Zähne aus. Als letztes Paar kamen Julien Epaillard und Dubai du Cedre in die Bahn, Vogel war bis dahin noch in Führung. Wenn jemand schnell sein kann, dann sind es der Franzose und seine Baloubet du Rouet-Stute, EM-Silbermedaillengewinner dieses Jahres. Aber das Risiko von Epaillard sollte heute nicht belohnt werden. Eine Stange fiel. Damit stand fest: Richard Vogel und United Touch S sind die Sieger dieses Rolex Grand Prix! Es ist der größte Erfolg bisher für sowohl Pferd als auch Reiter. In dieser Form sind dem Paar auch olympische Parcours sehr gut zuzutrauen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ins Auge fasst Vogel nun aber die nächste Station des Rolex Grand Slam, die Dutch Masters in s‘-Hertogenbosch im März 2024.
Im Siegerinterview sagte der 26-Jährige über seinen Hengst: „Es war wieder der Fall, dass ich einfach überwältigt war von dem, was United Touch S zu leisten im Stande ist.“ United Touch S habe schon im Umlauf gezeigt, wie sehr er es gut machen will und dort und auch im Stechen alles gegeben. Umgerechnet rund 390.000 Euro Preisgeld sind der materielle Lohn für diesen spektakulären Auftritt am heutigen Tag in Genf. Aber der immaterielle Wert dieses Sieges liegt sicherlich bei Weitem höher.
Christian Kukuk und Checker werden Dritte
Maßarbeit leistete in diesem schweren Springen heute noch ein anderer deutscher Reiter: Christian Kukuk vom Stall Beerbaum, der für den Rolex Grand Prix den Comme il faut-Sohn Checker gesattelt hatte. Der quittierte die Aufforderung zu frischerem Tempo im Normalparcours zunächst mit zweimal Ausschlagen, aber dann waren die beiden im Rhythmus und galoppierten fehlerfrei und in der Zeit ins Ziel des Umlaufs. Auch im Stechen gelang eine harmonische Runde auf den Punkt. Der flinke Schimmelwallach ließ alle Stangen liegen und passierte nach 41,74 Sekunden die Lichtschranke. Am Ende bedeutete das Rang drei für die beiden – auch das ein Ergebnis, das allen Grund zur Freude bietet.
Zwischen Kukuk und Vogel wusste sich ein Vertreter aus Irland zu schieben. Mark McAuley und GRS Lady Amaro blieben auch im Stechen null und kamen auf 39,77 Sekunden.
Es war alles in allem ein hervorragender Tag für den Springsport in Deutschland. Mit einer kleinen Makulatur von einem Zeitstrafpunkt ritt auch Hans-Dieter Dreher mit Elysium noch ins Geld. Jana Wargers und Dorette hatten im Umlauf einen Abwurf bei schneller Zeit zu verzeichnen. Philipp Weishaupt entschied sich bei Coby nach einem Abwurf dazu, den Wallach zu schonen.
Zweiter Samstagssieg am späten Abend für Henrik von Eckermann
Henrik von Eckermann hatte am Samstag die Siegerhosen an. Erst ritt er mit Iliana im Coupe de Genève zum Sieg, und dann stand am Abend noch die Credit Suisse Challenge an, ein 1,55 Meter-Springen gegen die Uhr. Hier wusste der Schwede mit seiner Speed-Spezialistin Glamour Girl aufzutrumpfen und nahm der Konkurrenz mit der fehlerfreien Runde in 68,31 Sekunden rund anderthalb Sekunden ab. Am nächsten an dieses Bestergebnis heran kam Italiens Lorenzo de Luca mit Don Vito (0/69,88 Sekunden), gefolgt von Anthony Bourquard für die Schweiz im Sattel von Ecuador de la Cense (0/71,78). Zwei deutsche Reiter schafften es ebenfalls in die Schleifenränge. Daniel Deußer belegte mit dem neunjährigen Otello de Guldenboom, einem Sohn seines Erfolgspferdes Tobago Z, Rang sieben (0/76,01). Jana Wargers sattelte für das Springen die ebenfalls neunjährige irische Stute Rockwell RC v. Kannan und wurde mit der schnellsten Vier-Fehler-Runde (68,34 Sekunden) Zehnte.
Weltcup Fahren wird zur Beute von Bram Chardon
Spannung geboten wurde den Zuschauern schon in der Prüfung vor dem Rolex Grand Prix. Das war die Weltcup-Etappe der Vierspänner, bei der sechs Gespanne an den Start gingen. Kein Vorbeikommen gab es an dem Niederländer Bram Chardon und seinen vier Sportpartnern Conversano Mara, Dreef Kapitany, Favory Farao und Kendi. Das Gespann hatte schon im Umlauf die mit Abstand schnellste Runde gezeigt und entschied dann auch das Stechen mit der Zeit von 141,97 Sekunden klar für sich. Belgiens Dries Degrieck wurde Zweiter, das Podium komplettieren konnte Koos de Ronde, ebenfalls aus den Niederlanden.
Für den einzigen deutschen Starter Georg von Stein lief es heute nicht so rund. Nach Fehlern kam er im Umlauf auf die Zeit von 216,07 Sekunden und war damit als Sechster nicht mehr an der Entscheidung beteiligt.
Alle Ergebnisse vom Rolex Grand Prix in Genf 2023 finden Sie hier.
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