Pferdesportliches Highlight am kommenden Wochenende ist das Turnier in ’s-Hertogenbosch, Niederlande, mit Dressur-Weltcup-Etappe und einer weiteren Station des Rolex Grand Slam. Mit dabei ist Titelanwärter Richard Vogel, der im Vorfeld über seine Karriere, seine Pferde und seine Erfolge gesprochen hat.
Das Interview ist auf der Website des Rolex Grand Slam of Showjumping erschienen.
Frage: Wie fühlen Sie sich vor den „Dutch Masters“?
Richard Vogel: Ich bin aufgeregt und ich freue mich, bei den Dutch Masters an den Start zu gehen. Meine Ausgangslage hat sich seit dem CHI Genf drastisch verändert, denn dort zählte ich nicht zu den Favoriten. Ich wurde als junger Reiter betrachtet, der versucht Erfahrung in diesen Prüfungen zu sammeln. Ich bin da mit der Einstellung angetreten, mein Bestes zu geben. Von daher war es ein unglaubliches Ergebnis für uns, den Rolex Grand Prix beim CHI Genf zu gewinnen. Wir werden diese Prüfung, diesen Tag und dieses Turnier nie vergessen. Das war und wird immer ein ganz besonderer Moment für uns sein.
Jetzt sind wir auf dem Weg zu den Dutch Masters und ich denke, unsere Situation hat sich ein wenig verändert. Ich würde nicht sagen, dass ich einer der Favoriten bin. Aber die Leute haben jetzt größere Erwartungen an uns. Wir werden so stark wie möglich sein, und unser Ziel ist es, wieder zu gewinnen. (Wobei Vogel diesmal nicht mit United Touch S antreten wird, der in den USA bleibt, wo er in Wellington gerade einen Großen Preis gewonnen hat, sondern mit Cepano Baloubet, s.u., Anm. d. Red.)
Wenn Sie an Ihren Sieg im Rolex Grand Prix beim CHI Genf zurückdenken, wie besonders war dieser Sieg für Sie?
Das war etwas ganz Besonderes. Wahrscheinlich sogar noch besonderer, weil der CHI Genf einer der Höhepunkte der vergangenen Saison war und wir unser Jahr darum herum geplant hatten. Vor dem CHI Genf habe ich zwei Monate lang in Mexiko trainiert. United Touch hatten wir nicht mit nach Mexiko genommen, sondern ihn zuhause gelassen und ein Trainingsprogramm für ihn und seine Reiterin und Pflegerin Naomi erstellt. Sie hat ihn in sehr guter Form gehalten, während wir zwei Monate lang weg waren. In diesen Wochen haben wir die Vorbereitungen so weit wie möglich verfeinert und hatten das Gefühl, dass wir vor dem Turnier in einer guten Verfassung waren. Ich habe United Touch mit zum Turnier genommen, während der Rest meiner Pferde von Mexiko aus direkt nach Wellington in Florida geflogen ist.
Für das Team war es ein ungewohntes Turnier, weil wir nur in zwei Prüfungen am Start waren, der ersten Qualifikation für den Großen Preis und dem Großen Preis selbst. Die Woche fühlte sich lang an. Ich bin lieber beschäftigt. Ich mag es, eine Reihe Prüfungen am Tag zu reiten oder wenigstens ein paar Pferde zu haben, so dass man morgens Dressur reiten kann und nachmittags ein paar Prüfungen springen kann.
Am Tag des Rolex Rolex Grand Prix fühlte sich United Touch S sehr gut an. Wir hatten ein gutes Abreiten und ich denke, das Glück war definitiv auf unserer Seite. Im ersten Umlauf waren wir null und im Stechen habe ich mir gesagt, dass wir nichts zu verlieren haben und es einfach mal versuchen sollten. Wir haben uns extrem glücklich und geehrt gefühlt, dass es geklappt hat.
United Touch S ist ein unglaubliches Pferd. Können Sie uns ein bisschen mehr über ihn erzählen?
United Touch S ist ein unglaubliches Pferd. Ich habe noch nie und werde wahrscheinlich auch nie wieder auf einem Pferd mit so viel Potenzial sitzen. Er hat unglaubliches Vermögen und einen großen Galoppsprung. Auch hat er so einen Spaß am Springen und einen kraftvollen Absprung – ihn reiten zu können, ist ein ganz besonderes Gefühl. Ich bin seinem Züchter und Besitzer (Julius-Peter Sinnack, Anm. d. Red.) sehr dankbar, dass ich ihn reiten darf.
Anfangs hatten wir ein paar Probleme mit den technischen Linien. Ich musste einen Weg finden, die technischen Linien so zu reiten, dass sie zu seinem Galoppsprung passen, weil der so groß ist. Es ist schwer für ihn, seinen Galoppsprung zu verkürzen, aber er wird immer besser und wir arbeiten weiter daran.
Anfangs habe ich mir zu viele Gedanken darüber gemacht, wie ich ihn reite und wie ich die Distanzen und Linien reite. Ich habe immer versucht, mich an die Distanzen zu halten, wie sie im Parcoursplan eingezeichnet sind. Wenn das kurze sieben Galoppsprünge waren, habe versucht, sieben kurze Galoppsprünge zu reiten. Wir haben aber festgestellt, dass es einfacher ist, einen Galoppsprung weniger zu machen. Es hat eine Weile gedauert, bis wir herausgefunden hatten, wie wir es ihm im Parcours einfacher machen können. Ich würde sagen, wir sind zusammengewachsen und haben uns zu einem starken Team entwickelt.
United Touch S hilft uns sehr, und ich versuche, das meinige dazu zu tun. Ich versuche, die Linien im Parcours so weit wie möglich ihm anzupassen, indem ich zum Beispiel eine engere Wendung reite oder einen Galoppsprung weniger. Ich kenne seine Stärken und Schwächen und versuche, mit diesem Wissen im Hinterkopf den Parcours zu reiten.
Wie ist United Touch S zuhause?
Wenn man mit United Touch S im Parcours ist, ist er ziemlich angespannt und sensibel. Er hat auch viel Blut. Wenn er keine Prüfung geht und er auf dem Turnier oder zuhause im Stall ist, ist er sehr entspannt und ruhig. Er ist ein entspanntes Pferd. Er ist zwar Hengst, aber er benimmt sich nicht wirklich wie einer. Man kann problemlos neben Stuten her reiten. Er hat sehr gute Manieren und ist ein eifriger Arbeiter. Wie ich schon sagte, arbeiten wir an seinem Galoppsprung. Das machen wir vielleicht drei oder viermal die Woche. Die anderen Tage geht er beispielsweise ausreiten. Die Arbeit an seinem Galoppsprung ist anstrengend für ihn, aber es macht ihm Spaß und er will sich verbessern. Ich kann wirklich spüren, dass er selbst die Verbesserungen erkennt und dass er den Weg und die harte Arbeit mag, die dafür notwendig ist.
Wie haben Sie sich auf die Dutch Masters vorbereitet? Spüren Sie nun zusätzlichen Druck, da Sie als Anwärter an den Start gehen?
Wir haben unsere Vorbereitungen nicht allzu sehr verändert. Meiner Meinung nach ist ein bisschen zusätzlicher Druck gut – dadurch ist die Konzentration höher. Wir haben uns seit Genf auf die Dutch Masters fokussiert und versucht, einen guten Plan für das Turnier auszuarbeiten.
Ich werde nicht United Touch S mit zu den Dutch Masters nehmen, sondern ein anderes meiner sehr guten Pferde, Cepano Baloubet. Die Halle in ’s-Hertogenbosch ist kleiner als die in Genf und ich denke, dass sie besser zu ihm passt.
Er (Cepano Baloubet) war Ende vergangenen Jahres in Mexiko und in den letzten Monaten in Wellington. Ich habe ihn bei drei Turnieren geritten, vor allem in Qualifikationen für die Großen Preise, um sicherzugehen, dass er vor dem Turnier frisch und ausgeruht ist. Er ist letztes Wochenende nach Europa geflogen und ist derzeit in unserem Stall in Deutschland. Von hier aus werden wir dann zusammen nach ’s-Hertogenbosch reisen.
Können Sie uns etwas über Ihre anderen Pferde erzählen? Glauben Sie, dass eines von ihnen die Qualität hat, einen Rolex Grand Slam of Showjumping Major zu gewinnen?
Ich habe großes Glück. Ich habe eine Reihe sehr guter Pferde wie United Touch S und Cepano Baloubet. Cepano Baloubet hat letztes Jahr beim CHIO Aachen gewonnen und ist den Nationenpreis beim CSIO Spruce Meadows Masters Tournament in Calgary gesprungen. Für mich war Cepano Baloubet letztes Jahr mein Zweitpferd, weil er erst neunjährig war. Es waren großartige Erfahrungen für ihn, an den großen Turnieren teilzunehmen und im Nationenpreis zu springen. Nun ist er ein Jahr älter und bereit für den nächsten Schritt. Er ist bereits in mehreren 5* Großen Preisen gesprungen, aber die waren eher klein im Vergleich zu den Grand Prixs des Rolex Grand Slam, den schwierigsten Springen dieses Sports. Er ist bislang noch nie auf diesem Niveau gesprungen, hat aber letztes Jahr zwei Fünf-Sterne-Prüfungen gewonnen, so dass ich guter Dinge bin, dass wir eine echte Konkurrenz sein werden.
Ich habe noch ein anderes sehr vielversprechendes zehnjährige Pferd, Cydello. Er ist noch neu für mich. Aber wir setzen große Hoffnungen in seine Zukunft. Er ist wahrscheinlich das genaue Gegenteil von United Touch S. Er ist klein und schmal, aber genau wie United hat er einen unglaublichen Willen zu springen. Er ist sehr motiviert und clever. Er hat eine andere Art und einen anderen Stil, aber sein Geist und Wille sind ähnlich. Wir haben große Erwartungen. Er ist noch ziemlich grün und unerfahren, aber ich glaube, dass er auf höchstem Niveau mithalten kann.
Die Dutch Masters sind wie der CHI Genf ein Hallenturnier. Unterscheidet sich die Vorbereitung von denen für Outdoor Veranstaltungen?
Im Allgemeinen bleibt unsere Vorbereitung ziemlich ähnlich. Vor dem CHI Genf bin ich mit United Touch S in der Halle gesprungen und habe einige kürzere Linien geübt, um ihn daran zu gewöhnen. Allerdings ist die Bahn beim CHI Genf größer als mancher Außenplatz, auf dem wir reiten. Es ist keine typische Indoor Halle.
Bei einem weniger erfahrenen Pferd kann es passieren, dass es sich von den Zuschauern ablenken lässt. Sie sind in der Regel viel dichter an der Bande und die Atmosphäre ist eine ganz andere als bei Turnieren im Freien, so dass die Pferde das spüren. Bei einem Hallenturnier ist die Atmosphäre intensiver. Aber die erfahrenen Pferde sind daran gewöhnt und wissen, dass sie sich auf ihre Aufgabe konzentrieren müssen uns sich nicht so leicht von allem ablenken lassen.
Wie wichtig ist das erweiterte Team, zum Beispiel Pfleger, Tierärzte etc. für den Erfolg?
Sie sind so wichtig – jeder einzelne spielt eine entscheidende Rolle. Wenn man eine Person herausnimmt, wird es schwierig. Es ist keine Garantie dafür, dass man einen der Majors gewinnt. Aber ohne die Grundlage, die das Team schafft, gäbe es keine Chance, auf höchstem sportlichen Niveau erfolgreich zu sein.
Ein großer Teil der Verantwortung liegt bei den Pferdepflegern. Felicia ist meine Turnierpflegerin (über die wir in St.GEORG 2/2024 berichtet haben, Anm. d. Red.), die zu allen wichtigen Turnieren mitkommt. Sie fliegt mit mir von Wellington nach Deutschland. Sie ist vielleicht nicht unbedingt dabei, wenn ich an einem Trainingsturnier teilnehme, aber sie verpasst nur ein oder zwei Turniere im Jahr.
Zuhause in Deutschland habe ich tolle und verlässliche Teammitglieder. Hier in Wellington haben wir derzeit ein neues Mädchen, Maggie, die noch nicht so erfahren ist, aber einen super Job macht. Wann immer wir zu einem Turnier (in Wellington) gehen, bleibt sie zuhause und kümmert sich um die Pferde, die an diesem Wochenende nicht an den Start gehen. Wir fahren hin und her – es ist nur zehn Minuten vom Turnierplatz in Wellington entfernt, so dass wir oft dort sein können.
In Europa ist alles etwas anders, da die Turniere mehrere Stunden von zuhause entfernt sind oder manchmal gar nicht in Europa stattfinden, wie das CSIO Spruce Meadows Masters Turnier in Calgary. Deshalb brauchen wir zuhause ein gutes Team, das die Pferde kennt, sie gut reiten und longieren kann und auch ein Gefühl für die Pferde hat. Sie müssen in der Lage sein, leichte Stimmungsschwankungen der Pferde zu erkennen.
Wir möchten immer einen Schritt voraus sein. Wenn man Probleme erst dann erkennt, wenn sie für alle anderen offensichtlich sind, ist es manchmal schwieriger die Pferde zu behandeln, als wenn die Warnzeichen rechtzeitig erkannt hat. Das ist unser Ziel und deshalb brauchen wir sehr gute Leute. Wir wollen ihnen (den Pferden) die größtmögliche Fürsorge zukommen lassen.
Wir arbeiten mit zwei sehr guten Hufschmieden zusammen. Der eine ist Christian Götz, der sich um die älteren Pferde kümmert. Der andere ist Manuel Black, der auch sehr gut ist und sich um die jüngeren Pferde kümmert. Wann immer wir bei einem Pferd unsicher sind, haben wir zwei Meinungen, aber sie respektieren sich gegenseitig.
Unsere Tierärzte, Shane Fouhy und Ulli Laege, kümmern sich sehr gut um unsere Pferde. Sie haben die gleiche Philosphie wie wir, nämlich dafür zu sorgen, dass wir den Pferden einen Schritt voraus sind. Wir warten nicht bis ein Pferd lahmt, ehe wir reagieren, sondern wir sorgen immer dafür, dass die Pferde so gesund wie möglich sind. Ich meine, das ist unglaublich wichtig, wenn man an der sportlichen Spitze mithalten will.
Die Pferde müssen mental so fit und bereit sein, wie möglich. Deshalb sage ich, dass ein Großteil der Verantwortung bei den Pferdepflegern liegt. Sie müssen wissen, wann die Pferde mehr gearbeitet werden müssen, wann sie mehr Zeit auf der Weise oder einen Ausritt im Wald brauchen. Wir sind überzeugt, dass der Kopf und die mentale Gesundheit einen großen Anteil an der Leistungsfähigkeit des Pferdes haben. Es gibt viele Dinge, die man bedenken und die man im Griff haben muss. Ich habe großes Glück, dass ich ein super Team habe – ohne sie ginge es nicht. Es gibt ein Sprichtwort, „It takes a village“, und ich denke, das stimmt so sehr.
Wenn Sie kein Springreiter geworden wären, was wären Sie dann?
Ich wäre Landwirt auf dem Land meines Großvaters geworden.
Was ist der beste Ratschlag, den Sie je erhalten haben?
Ich denke, der beste Rat, den ich je bekommen habe, war der, weiterzumachen. Auf dem Weg zum Erfolg gibt es viele Misserfolge, aber man sollte sie nutzen, um aus ihnen zu lernen. Es ist auch wichtig, dass man keine Angst hat zu scheitern oder zu verlieren. Wenn man scheitert, sollte man daraus lernen und versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Das habe ich mir gesagt, als ich beim CHI Genf ins Stechen gegangen bin. Ich glaube nicht, dass das die sicherste Nullrunde war, die ich je geritten bin, aber ich sah die Chance, zu gewinnen. Wenn man etwas riskiert, zahlt sich das oft aus. Und wenn nicht, kann man aus dem Fehler lernen.
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