Für einen optimalen Sprung braucht ein junges Pferd das richtige Tempo und einen gleichmäßigen Galopp. Unter Turnierbedingungen eine doppelt schwierige Aufgabe, die eine St.GEORG-Leserin mit Christian Kukuk trainiert hat.
Im Rahmen des Pikeur Talents Club hatten St.GEORG Leserinnen und Leser die Möglichkeit, bei namhaften Reiterinnen und Reitern zu trainieren. 2017/2018 bekam eine Leserin in Riesenbeck Tipps von Christian Kukuk für das Training mit ihrem jungen Pferd. Wir haben sie begleitet.
Tipp 1: Mit langem Hals lösen
Lösungsphase: Bei richtiger Kopf-Hals-Haltung arbeitet das Pferd über den Rücken
Nachdem die Reiterin ihren vierjährigen Capriano die Umgebung und den Platz gezeigt hat, beginnt sie ihn im Trab auf dem Zirkel zu lösen. Der junge Wallach geht fleißig vorwärts, kommt aber tendenziell zu weit hinter die Senkrechte. Hin und wieder lässt er sich von der Umwelt ablenken und wirft unerwartet den Kopf mit gespitzten Ohren nach oben.
„Wenn er irgendwo guckt, ist das gar nicht schlimm“, beruhigt Christian Kukuk. „Das ist bei einem jungen Pferd ganz normal und wird sich von ganz allein legen. Beachte das einfach nicht weiter und behalte eine konstant weiche Zügelverbindung. Aber du musst aufpassen, dass er nicht zu eng wird. Dein Pferd sieht unheimlich leicht aus in der Hand. Versuche vorsichtig, an ihn heran zu kommen, ihn vor deinen treibenden Schenkel zu bekommen, so dass er sich entspannt und den Hals fallen lässt. Reite am Anfang mit etwas längerem Zügelmaß und lasse ihn im Hals lieber etwas freier. Er muss anfangen, auf seinen eigenen Füßen zu laufen.“
Die Reiterin verlängert die Zügel etwas und bemüht sich, konstant mit ihren treibenden Hilfen durchzukommen. Capriano wird zunächst eiliger, aber nach ein paar Zirkelrunden beginnt er, sich vermehrt von hinten nach vorne herantreiben zu lassen, den Rücken aufzuwölben und den Hals fallen zu lassen. Um ihn noch mehr in Dehnung zu reiten, lässt die Reiterin schließlich die Zügel aus der Hand kauen. „Lass den Zügel nicht zu lang werden“, ermahnt der Ausbilder. „Capri fängt sonst nur an, mit dem Kopf zu spielen. Er soll sich aber langmachen und muss das Gebiss mitnehmen. Bleibe mit den treibenden Schenkel dran und lasse die Zügel nur so viel herauskauen, wie er den Hals dehnt.“
Olympiasieger 2024: Christian Kukuk arbeitet seit 2012 in Riesenbeck bei Ludger Beerbaum. Er kümmert sich vor allem um die Ausbildung der Nachwuchstalente. Er ist siegreich und hoch platziert in Großen Preisen, bei der Global Champions Tour und in Nationenpreisen. Bei der EM 2021 gewann er Teamsilber.
Tipp 2: „Leicht“ durchparieren
Übergänge: im entlastenden Sitz vom Trab zum Schritt
Nun soll die Reiterin mit Capriano Übergänge reiten, zunächst vom Trab in den Schritt. So leicht wie sich der Wallach im Trab in der Anlehnung zeigt, umso mehr geht er beim Durchparieren zum Schritt gegen die Hand und sträubt sich gegen die Einwirkung. „Du darfst dich im Übergang nicht so mit deinem Oberkörper reinhängen. So wirst du zu stark und Capriano rennt vor dem Druck im Rücken weg. Bleib etwas vor der Senkrechten sitzen. Dann kann sich dein Pferd entspannter bewegen und sperrt sich nicht so dagegen. Versuche vor dem Übergang erst an sein Maul und sein Hinterbein heranzukommen und reite dann die Parade zum Schritt.“
Die Reiterin macht sich leichter im Sattel und kommt mit der Hand nach dem Annehmen schnell wieder zum Nachgeben. Schon der erste Übergang klappt besser und Capriano bleibt losgelassen.
Im Anschluss soll die Reiterin Trab-Galopp-Übergänge absolvieren. Dabei soll sie darauf achten, nicht an der offenen Zirkelseite anzugaloppieren, weil das einem jungen Pferd oft schwerfällt. Lieber soll sie den Halt der kurzen Seite als Hilfe nutzen, dann auf die offene Zirkelseite abwenden.
Tipp 3: Wendungen optimal anlegen
Anreitephase: leicht bleiben und Rhythmus halten
Pferd und Reiterin sind aufgewärmt. Nun absolvieren sie ein paar Kreuzsprünge und kleinere Steilsprünge, erst aus dem Trab, dann aus dem Galopp. Capriano bleibt entspannt in seinem Sprungablauf und meistert die Aufgaben problemlos. Das Lob des Ausbilders folgt prompt: „Das sieht gut aus.“
Erst als die Reiterin einen Oxer als Einzelsprung aus einer Wendung heraus absolviert, kommt der Youngster aus dem Rhythmus und springt zu früh ab. Der Sprung wird unkoordiniert und Capriano überspringt sich. „Dein Pferd ist sehr sensibel“, erklärt Christian Kukuk. „Wenn du in Wendungen vor einem Sprung deine Knie etwas zu viel schließt und in der Anreitephase zu schwer einsitzt, sucht er sofort die Flucht nach vorn, weil ihm der Druck unangenehm ist. Und dann fehlt ihm die Erfahrung, trotzdem noch die richtige Distanz zu treffen.“
Die Reiterin soll, wie schon bei den Übergängen zuvor, alles etwas entspannter reiten und leichter im Oberkörper bleiben. „Versuche außerdem, den Rhythmus durch die Wendung hindurch bis zum Absprung mitzunehmen. Auch wenn er einen Fehler macht, ist das nicht schlimm, solange er einen gleichmäßigen Galopp hat – das ist erst einmal das Wichtigste. Immer daran denken: Je enger die Wendung ist, umso mehr musst mit deinen treibenden Hilfen darauf achten, dass das Tempo erhalten bleibt.“
Tipp 4: Das richtige Parcourstempo wählen
Parcours reiten: Besser vorwärts galoppieren, als zu viel versammeln
Um einen Parcours unter Turnierbedingungen üben zu können, gehen Reiterin und Pferd nach den Aufwärmsprüngen auf dem Außenplatz in die Reithalle, wo ein kompletter Kurs auf A-Niveau aufgebaut ist. Die Reiterin zeigt ihrem jungen Wallach ein, zwei Hindernisse und springt dann einen Steilsprung und einen Oxer. Landet Capriano im falschen Galopp, korrigiert sie ihn über den Trab.
„Das ist richtig, dass du nicht versuchst einen fliegenden Galoppwechsel zu reiten“, betont Christian Kukuk. „Wenn du über den Trab neu angaloppierst, bleibt mehr Ruhe im ganzen Ablauf.“ Pferd und Reiterin absolvieren schließlich den ganzen Parcours. Mit den Abmessungen hat Capriano keine Schwierigkeiten, jedoch geht der Rhythmus im Laufe des Kurses verloren, der Wallach unterläuft einige Sprünge, in der Kombination passt die Distanz nicht und er überspringt sich. „Du musst auf das Gleichmaß im Galopp achten. Das Problem ist: Dein Pferd ist nicht vor deinem Schenkel, er reagiert nicht sofort und tritt nicht nach vorne an. Dabei ist es mit einem jungen Pferd immer einfacher, vorwärts als rückwärts zu reiten. Lieber mit Rhythmus einen Galoppsprung weniger machen, als dass du zu viel im Maul machst.“
Für die zweite Parcoursrunde wählt die Reiterin ein höheres Grundtempo. „Das war eine ganz andere Welt, weil du selbst viel entschlossener warst und beherzter und konsequenter geritten bist. Wenn du schüchtern wirst, ist dein Pferd auch schüchtern. Wenn du aber selbstbewusst reitest, macht er toll mit. Und er ist immer im richtigen Galopp gelandet. Das ist oft bei jungen Pferden so: Wenn sie sich entspannen, passt der Galopp von allein.“
Für die Zukunft rät Christian Kukuk der Reiterin, Tempo und Rhythmus zu festigen, um ihren Youngster dann mehr und mehr zu setzen, so dass er an Kraft gewinnt und sich mehr versammeln lässt. Das Ziel ist, in Distanzen einen Galoppsprung mehr fordern zu können, bevor die Sprünge schließlich ein bis zwei Löcher höher gebaut werden können.
Dieser Beitrag ist erschienen in der St.GEORG Ausgabe 1/2018.
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