Olympia 2024: Briten gewinnen zweites Teamgold vor USA, Deutschland Fünfte

Von
Olympic Games 2024

Mit 25 Jahren nimmt der Brite Harry Charles bereits an seinen zweiten Olympischen Spielen teil und gewinnt endlich auch seine erste Medaille – Team-Gold! Sein Vater war 2012 Olympiasieger mit Team GB. (© Pauline von Hardenberg)

Die Springreiter aus Großbritannien haben nach der Vielseitigkeitsmannschaft das zweite Teamgold bei den Olympischen Spielen von Paris gewonnen. Silber geht an die USA, Bronze an Frankreich. Die zweifache Kombination kurz vor Schluss des Parcours ließ Deutschland auf Platz fünf landen.

Keinen Abwurf, nur zwei Reiter mit lediglich einem Zeitfehler! Souverän hat die britische Springreiter-Equipe die Mannschaftsgoldmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris gewonnen.

Ben Maher war als erster mit einem Zeitfehler von Dallas Vegas Batilly gestartet. Harry Charles ritt auf Romeo große Bögen und kam mit dem gewissen Quäntchen Glück, das es braucht, über den Aussprung der dreifachen Kombination, in der Zeit ins Ziel. Trotz seines verletzten Handgelenks lieferte er den Nuller, der dem britischen Team die Führung sicherte. Sein Vater Peter Charles hatte 2012 Gold mit Team GB in London gewonnen. Harry Charles betreibt übrigens Ausgleichsport, er golft gelegentlich, „das hilft, die Gedanken zu sortieren.“

Vor den dritten Teamreitern gab es eine kurze Unterbrechung und die Startreihenfolge wurde dem aktuellen Punktestand angepasst. So will das Internationale Olympische Komitee (IOC) sicherstellen, dass das Drama, sprich die Spannung, aufrechterhalten wird bis zum letzten Reiter. Der war Scott Brash mit Jefferson. Auch diese Kombination ließ alle Stangen in den Auflagen. Ein Zeitfehler veränderte nichts am Sieg. Das Vereinigte Königreich gewann die Goldmedaille. Ein zweites Mal erklang „God save the King“ im Park Louis XIV.

USA: Silber vor Frankreich

Die routinierte Laura Kraut, 58, für die Paris ihre vierten Olympischen Spiele sind, war mit Baloutinue als erste Teamreiterin im Parcours. Das Paar musste einen leichten Springfehler am Einsprung der dreifachen Kombination in Kauf nehmen. Beim Anreiten sah man keinen Anlass dafür, dass die Stange des Steilsprungs (Höhe: 1,55 Meter) fallen musste.

Karl Cook und die französische Stute Caracole de la Roque fraßen die Sprünge förmlich – unwahrscheinlich geschickt und schnell im Bein über den Hindernissen, flink unterwegs nach der Landung. Das Resultat: fehlerfrei und einer der schnellsten Ritte des olympischen Mannschaftsfinales. Cook war als Reservist nach Paris gereist. Ursprünglich hätte Kent Farrington reiten sollen. „Ich habe alles so gemacht, wie auf jedem Turnier, weiße Reithose eingepackt, weißes Hemd angezogen. Als ich dann hörte, dass ich reiten würde, habe ich gesagt, OK jetzt machen wir das, wofür wir trainiert haben.“

McLain Ward und Ilex sicherten mit einer makellosen Nullrunde die Mannschaftssilbermedaille für die Vereinigten Staaten. Für McLain Ward ist es die fünfte Medaille bei der sechsten Olympiateilnahme und für Laura Kraut die dritte. Beide zählten zu dem Team, das in Tokio 2021 ebenfalls Silber gewonnen hatte. Für Cook war es das Debüt bei Olympia.

Auch interessant

Franzosen knapp vor den Niederlanden auf dem Podium

Ausgerechnet Julien Epaillard, der Reiter, der Cooks Caracole de la Roque bis Ende 2022 geritten hatte, ließ Frankreichs Hoffnungen auf eine Silbermedaille platzen. An einem Oxer blieb seine Fuchsstute Dubai du Cedre, Dritte der Europameisterschaften 2023, mit dem Hinterbein hängen – aus der Traum vom Silber.

Pauline von Hardenberg

Olivier Perreau und Dorai d’Aiguilly waren die beste französische Kombination und freuten sich entsprechend. (© Pauline von Hardenberg)

Simon Delestre war mit I am Melusina zum Auftakt mit drei Zeitfehlern ins Ziel gekommen. Eine der schönsten Runden, zumindest in Sachen Freude über das Erreichte, lieferten dann Olivier Perreau und Dorai d’Aiguilly . Keiner freute sich so wie der 38-Jährige. Nach dem Ziel ließ er die Zügel schießen, galoppierte wild gestikulierend durchs Stadion, reckte die Fäuste gen Himmel und zeigte immer wieder auf seine Stute. Das Publikum feierte das Paar frenetisch. Die Kannan-Tochter hat Perreau selbst gezüchtet. Seine Begeisterung ist nur zu gut zu verstehen. Perreau ritt schon die Mutter seines Olympiapferdes, Bijou Orai v. Toulon, international. Sieben Strafpunkte hatte die Equipe tricolore damit insgesamt, genau so viele wie die Niederländer.

Pech für die Niederlande

Die Niederländer sind wohl die unglücklichsten Viertplatzierten des Olympischen Turniers. Platz vier ist immer undankbar. Aber Bronze nach der Addition dreier Ritte mit gerade einmal 0,57 Sekunden Differenz zu verlieren, das ist richtig bitter.

Der Auftakt von Maikel van der Vleuten und Beauville Z verlief nicht nach Plan. In der dreifachen Kombination fußte der Wallach in den hinteren Oxer, nachdem es am zweiten schon brenzlig geworden war. Sechs Strafpunkt waren es für das Paar in Summe. Kim Emmen und Imagine blieben dann mit einer mühelosen Runde fehlerfrei. Die beiden hatten Willem Greve und Grandorado ersetzt. Der Holsteiner Uricas van de Kattevennen  sprang unter Harrie Smolders um Klassen besser als gestern in der Qualifikation. Wäre er 0,64 Sekunden früher im Ziel gewesen, hätte es für Bronze gereicht.

Deutschland auf Platz fünf

Die Deutschen zählten zu den Favoriten nach ihren drei Nullrunden in der Qualifikation. Auftaktreiter war Christian Kukuk. Dessen Checker warf einmal vergnügt die Kruppe nach dem ersten Sprung hoch. An der Tripple Barre, Hindernis 12, landete der Schimmel leicht auf der hinteren Stange. Die hüpfte daraufhin hoch, landete aber wieder in der Auflage. Am Aussprung der zweifachen „Parfum-Kombination“, 13b, kam der Schimmel dann noch einmal mit der Hinterhand an die Stange. Diesmal war das Glück nicht auf der Seite der beiden – vier Strafpunkte, 76,53 Sekunden, das erste Resultat für Team Deutschland. Das war Platz drei nach der Runde der ersten Teamreiter. Mexiko hatte zurückgezogen, deswegen waren von Anfang an nur neun Mannschaften noch im Rennen. Die Israelis verzichteten auf die nächsten Starts nach einer enttäuschenden Runde ihrer ersten Reiterin.

Pauline von Hardenberg

Kleiner Freudensprung nach Sprung 1: Christian Kukuk und Checker. (© Pauline von Hardenberg)

Christian Kukuk sprach von einem „blöden Flüchtigkeitsfehler“. Zu dem Zeitpunkt war ein eben solcher bereits schon Kukuks Kollegen Richard Vogel mit United Touch S unterlaufen, ebenfalls an der letzten zweifachen Kombination. „Ich hoffe, Philipp tanzt ein bisschen aus der Reihe heute und macht dann für sich die Nullrunde.“ Kukuks Wunsch, mit der Nullrunde, die Weishaupt dann tatsächlich gelang, „die anderen extrem unter Druck“ zu setzen, funktionierte allerdings nicht.

Pauline von Hardenberg

Tolle Hindernisse! Hier das Bistrot Paris, an dem Christian Kukuk und Checker keine Zeit hatten, Platz zu nehmen. (© Pauline von Hardenberg)

Richard Vogel und United Touch – touché an der Zweifachen

Als Richard Vogel mit United Touch S in das Stadion hineingaloppiert kam, war gerade der zweite Teamreiter der USA, Karl Cook, fehlerfrei geblieben. Sprung für Sprung galoppierten Vogel und der westfälische Hengst sicher über den Kurs. Vor der dreifachen Kombination, bei der viele Reiter mächtig drücken mussten, nahm Vogel sogar noch einmal das Tempo etwas heraus. Kein Problem für United Touch. Aber an der letzten zweifachen Kombination wurde der Einsprung, 13a, ein Opfer des Vorderbeins von United Touch.

Pauline von Hardenberg

Richard Vogel und United Touch S fliegen an der Freiheitsstatue vorbei, später fiel die Stange am Einsprung der letzten Kombination. (© Pauline von Hardenberg)

Richard Vogel nahm den Fehler auf seine Kappe: „Ich will es nicht schönreden, aber ich glaube, United sprang wieder fantastisch. Er hat mir ein super Gefühl gegeben, hat sich auch super reiten lassen. Der Plan war schon, ihn da (an der zweifachen Kombination) passend aufzunehmen, weil die Kombination eben eng steht für ihn. Sodass er eben innen drinnen genug Platz hat. Für den Aussprung war es auch ganz gut. Für den Einsprung, glaube ich, war der Motor fast ein bisschen aus. Da hatte ich das Tempo fast ein bisschen zu viel rausgenommen. Das ist die einzige Stange, die er berührt hat im Parcours, die ist leider gefallen. So ist unser Sport. Ich glaube, er sprang für eine Nullrunde. Ich hätte es am Ende ein bisschen besser reiten müssen.“

Pauline von Hardenberg

Lila – die letzte Versuchung. Die (Lavendel-)Mauer, die auf die dreifache Kombination folgte, war eine der Klippen des Kurses. Hier meistern Richard Vogel und United Touch S sie mit Bravour. (© Pauline von Hardenberg)

Philipp Weishaupt: Null!

Pauline von Hardenberg

Philipp Weishaupt und Zineday mit der einzigen Nullfehlerrunde für Deutschland. Hier springen sie über eine der Seine-Brücken. (© Pauline von Hardenberg)

Philipp Weishaupt und Zineday kam nach der kurzen Unterbrechung als letzte Starter des deutschen Teams ins Stadion. Zu dem Zeitpunkt lag Deutschland an sechster Stelle, und die Startreihenfolge war noch einmal angeglichen worden. Die Idee dahinter: Wenn der letzte Reiter ohne Abwurf bleiben würde, dann hätte man den Olympiasieger direkt schon im Stadion.

Zineday „sprang abnormal“

Zineday sprang so, wie er sich auch in der Qualifikation am Vortag gezeigt hatte: souverän, nie auch nur in der Nähe der Stange, ehrgeizig und mit gespitzten Ohren den nächsten Sprung suchend. Die größte Klippe des Parcours, die dreifache Kombination, übersprang das Paar mühelos. Auch die zweifache Kombination, die den Teamkollegen zum Verhängnis geworden war, bereitete dem Paar aus Riesenbeck keine Probleme – null! Aber acht Punkte als Endergebnis für die deutsche Equipe bedeuteten Platz fünf.

So recht freuen konnte sich Weishaupt nicht über den Nullfehlerritt. „Mein Pferd springt abnormal. Ich bin zuversichtlich, dass das so weiter geht.“ Aber er sagt auch, dass er gerne eine schlechte Runde von sich in Kauf genommen hätte, „wenn es dann für eine Medaille gereicht hätte.“ Weishaupt zuckt mit den Schultern, „gestern waren wir vielleicht zu gut. Die Engländer gewinnen Gold, die waren alles andere als Favoriten“, sagt er und macht deutlich, dass er von dem olympischen Modus ohne Streichergebnis nichts hält – „einfach brutal“.

Pauline von Hardenberg

Jubel bei der Nullrunde von Philipp Weishaupt: Das deutsche Springteam in der Kiss and Cry-Corner. (© Pauline von Hardenberg)

Bundestrainer Otto Becker fand die Fehler seines Teams „unglücklich“, „zwei Flüchtigkeitsfehler“. Seinen Reitern zollt er Respekt, „alle drei haben ihr Weltklasseniveau bestätigt“, so Becker, der selbst 2000 in Sydney Mannschafts-Olympiasieger geworden war. „Ich bin begeistert von dem Niveau des Springsports hier“, sagt Becker. Für das Einzel gibt er sich optimistisch, „es geht ja wieder von vorne los. Alles ist möglich!“

Die Springpferde haben jetzt erst einmal zwei Tage Pause. Am Montag ab 14 Uhr steht die Qualifikationsprüfung für die olympischen Springwettbewerbe im Einzel auf dem Programm.

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

stgeorg_newsletter_booklet