Dritte Goldmedaille – Deutschland stellt alle Olympiasieger in der Einzelwertung der Reitwettberwerbe bei den Olympischen Spielen von Paris. Christian Kukuk und Checker werden im Stechen Olympiasieger vor dem Schweizer Steve Guerdat und Maikel van der Vleuten (NED).
Acht Sprünge und 310 Meter trennten Christian Kukuk, Steve Guerdat (SUI) und Maikel van der Vleuten (NED) vom Einzelgold. Ihnen war es als einzigen gelungen, den Finalparcours ohne Fehler zu bestreiten. Kukuk war der erste, der mit null Fehlern ins Ziel gekommen war. „Der schwerste Parcours, den ich je geritten habe“, so der 34-Jährige nach der Runde mit dem Westfalen Checker, der immer genau so hoch gesprungen war, wie notwendig. Die Ohren gespitzt, die Galoppade energisch – so war das Paar über den Kurs galoppiert. „Ich habe noch nie so einen Parcours gesehen, mit 15 Nummern und 19 Hindernissen am Ende. Das ist wirklich irre und ich bin nur unfassbar glücklich und einfach nur stolz auf Checker, wie einfach er sich das auch gemacht hat. Es hat sich am Ende gar nicht so schwer angefühlt, wie es tatsächlich ist. Das zeichnet ihn aus, das macht er seit einem Jahr einfach schon, jedes Wochenende gefühlt, und ich bin unglaublich stolz, dass er es heute auf den Punkt gebracht hat“.
In Checkers Adern fließt olympisches Blut satt: Seine väterliche Großmutter Ratina Z war Olympiasiegerin, der Muttervater Come On ging international und der Urgroßvater mütterlicherseits, Baloubet du Rouet, war unter Rodrigo Pessoa Olympiasieger in Athen 2004. Vom Genpool her also ideale Voraussetzungen.
Stechen, Einzelgold, Olympiasieger Christian Kukuk
Christian Kukuk musste als erster in Stechen. Wie schon im Umlauf ritt er den ersten Sprung aus einer engen Linkswendung an. Was dann folgte, war eine Demonstration idealen Stechreitens. Vorwärts, aber konzentriert, Risiko mit Rhythmus. Pferd und Reiter in perfekter Übereinstimmung. Fehlerfrei, 38,34 Sekunden.
„Christian hatte keinen Wackler in seinem Ritt, auch nicht im Stechen“, sagte Otto Becker. „Da zahlt sich natürlich aus, dass er dieses Pferd seit vielen Jahren in- und auswendig kennt“. Es ist 24 Jahre her, dass Deutschland eine Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen hat. Damals ritt der Bundestrainer noch in der Equipe, die in Sydney Olympiasieger wurde. Damals ritt Ludger Beerbaum, Christian Kukuks Chef, gemeinsam mit Becker, der sich über den Abschluss der Spiele von Paris 2024 freut.
Alle Pferde mit Superrunden in Paris
Man meint, ihm etwas Genugtuung anzuhören, wenn er darauf verweist, wie gut eigentlich alle deutschen Pferden in den Kursen unterwegs waren im Stadion vor Versailles. Und die Bilanz des deutschen Pferdesports liest sich beeindruckend: Die Goldmedaillen in allen drei Disziplinen gehen an deutsche Reiterinnen und Reiter! So etwas kann nicht jede Nation von sich behaupten – historisch, da ist das Wort schon wieder! Mit vier Gold- und einer Silbermedaille wird die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) ihrem Ruf des Medaillengaranten im Deutschen Olympischen Sport Bund (DOSB) gerecht.
Viel Druck auf Olympiasieger Christian Kukuk
Kukuk hielt nicht nur dem Druck stand, als erster Reiter ins mit 16.000 euphorischen Zuschauern ausverkaufte Stadion zu müssen, er setzte mit seinem Nullfehlerritt auch die beiden Konkurrenten unter Druck. So routiniert der Schweizer Steve Guerdat, Olympiasieger von 2012, und der Niederländer Maikel van der Vleuten, der in Tokio 2021 und 2022 bei der WM in Herning auch Bronze gewonnen hatte, auch sein mögen.
„An dieser Goldmedaille hat Ludger Beerbaum großen Anteil“, sagt Kukuk später. „Er ist da für mich, er pusht mich, wenn ich es brauche.“ Auch in der Vorbereitung in den vergangenen Wochen sei Beerbaum immer da gewesen. Fürs Stechen gab er Kukuk nur eins mit auf den Weg: „Du bist der Favorit, mach es!“
Guerdat mit Schreckmoment nach drei Sekunden
Das zweite Hindernis im Stechen war der Bistrot-Oxer, 1,54 Meter hoch, 1,60 Meter breit. Der Schweizer Steve Guerdat, letzter im Stechen, hatte die Europameisterin Dynamix de Belheme extrem eng in die Rechtskurve geschickt und erwischte keine ideale Distanz. Die französische Stute schraubte sich in die Luft, blieb aber ohne Abwurf. Aber der Rhythmus war erstmal gestört. Der stellte sich erst später wieder ein. Doch an einem rot-schwarzen Steilsprung, 1,64 Meter hoch, im Umlauf der Aussprung der zweifachen Kombination bekam die Stute dann doch zu intensiven Stangenkontakt. Guerdat kommt vier Hundertstelsekunden langsamer als Kukuk ins Ziel.
Zuvor hatte der Niederländer Maikel van der Vleuten an einem Oxer im Design der historischen Metrostationen einen Fehler mit dem Wallach Beauville Z kassiert. Damit gewann die Kombination nach Tokio 2021 ihre zweite Bronzemedaille im Olympischen Einzelspringen. „Er gibt in der Arena immer alles für mich. Das war ein langer Weg, am Anfang haben wir es mit ihm behutsam angefangen, das zahlt sich jetzt aus“, sagt der Niederländer im Anschluss.
„Es ist nur wenigen gegönnt, eine Olympische Goldmedaille zu gewinnen.“
Auf Christian Kukuk, von Hause aus eher ein nüchterner Typ, prasseln die Gratulationen ein. Er, der gebürtige Westfale, dessen Großvater Obersattelmeister im Nordrhein-Westfälischen Landgestüt Warendorf war und dessen Mutter in der Abteilung Zucht bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) tätig war, ist keiner, der euphorisch wird in Momenten des größten Erfolgs. In sich gekehrt, eher selbstreflektiert und bestimmt kein Showman – so ist der neue Olympiasieger. Aber auch selbstbewusst, einer der seine Qualitäten und die seiner Pferde einzuschätzen vermag. Eigenschaften, die er mit den beiden anderen Reitern auf dem Podium teilt. „Es ist nur ganz wenigen Menschen gegönnt, eine Olympische Goldmedaille zu gewinnen“, sagt Christian Kukuk nach der Medaillenzeremonie gefasst. Es müsse noch ein wenig sacken, bis er das realisiert habe. „Paris ist ein spezieller Ort für mich. Ich habe hier besondere Erinnerungen mit meiner Mutter, die heute von oben zuguckt“. Viele Familienmitglieder und Freunde hatten dem Olympiasieger 2024 die Daumen gedrückt.
„Unfassbar gute Kurse“
Sein Dank geht auch an den Parcourschef: „Das schwerste, was ich je gesprungen bin. Aber am Ende drei Nuller, die um die Medaillen stechen – das sagt alles. Das Team hat einen unfassbaren Job gemacht, an allen Tagen.“ Mit „diesen Tagen“ meint Christian Kukuk auch die Mannschaftsentscheidung. „Der fünfte Platz – es fühlte sich anders an, so als hätten wir, so wie unsere Pferde sprangen, eigentlich eine Medaille verdient“.
Ratschläge vom Olympiasieger
Einen besonderen Moment gab es vor der Medaillenvergabe. Die Reiter waren schon abgesessen, da nahm Steve Guerdat Christian Kukuk in den Arm und gab ihm einen wichtigen Ratschlag: „Genieße es! Als Olympiasieger hat man wenig Zeit für sich. Ich selbst habe das nach London nicht ausreichend hinbekommen“. „Und“, ergänzt er augenzwinkernd, „als Älterer mit dieser Erfahrung wollte ich ihm diesen Ratschlag geben“. Für Guerdat sind es die achten Olympischen Spiele.
Weltmeister wird Fußgänger
Für Zineday und Philipp Weishaupt enden die Olympischen Spiele auf Platz zwölf. Der Westfale hatte einen Abwurf an einem Oxer. Zwei besondere Momente widerfuhren absoluten Topreitern im Umlauf.
Der schwedische Weltmeister Henrik von Eckermann sah lange gut aus. Er reitet seinen Weltmeister King Edward neuerdings nicht nur mit einem Nasennetz, sondern auch ohne Stirnriemen. Er meint, dass sich der hochsensible Wallach damit besser fühle. Zum Wassergraben ritt der Schwede mit extrem viel Druck. Diesen Schwung musste er im Anschluss wieder zurücknehmen – extrem zurücknehmen, so dass er sehr, sehr dicht an den Sprung sieben, den Eiffelturm, herankam. Vollkommen aus dem Rhythmus gekommen, war auch die nächste Distanz nicht mehr ideal, weil nun der Schwung fehlte. Eckermann drückte den Fuchswallach nach vorn. Der machte auch noch einen Riesensatz über Sprung acht, den Oxer, an dem es Philipp Weishaupt erwischt hattet. Aber danach gab es ein Missverständnis, King Edward meinte, eher nach links zu müssen, die Reise ging aber nach rechts weiter. Beziehungsweise sie endete genau dort, weil der Weltmeister den Sattel ungewollt verlassen musste.
Ohne Bügel über 1,65 Meter
Der Schweizer Martin Fuchs und Leone Jei machten einen Gewaltsatz über 5b. Da wollte der Schimmel in dem Oxer beinahe einfußen, rettete sich irgendwie fehlerfrei auf die andere Seite. Fuchs kam in Bedrängnis, verlor den linken Steigbügel. Er ritt dann den gesamten weiteren Parcours ohne dieses so entscheidende Hilfsmittel. Immer wieder versucht er, ihn in Wendungen wiederzuerlangen, einmal fiel er fast herunter vor der Notre Dame-Mauer. Aber er blieb fehlerfrei, auch über Höchstabmessungen. Am letzten Sprung fiel dann eine Stange – manchmal ist der Springgott gnadenlos.
Der französische Julien Epaillard hätte es als letzter Starter im Normalparcours noch in der Hand gehabt, sich für das Medaillenstechen zu qualifizieren. Über den Aussprung der ersten zweifachen Kombination, 5B, dem Sprung, an dem die meisten Fehler in diesem Olympischen Finale gemacht wurden, rettete sich Dubai du Cedre irgendwie hinüber. Danach war es manchmal etwas eng, aber alle Stangen blieben liegen. Schließlich kam der Fuchs nicht ideal an den Aussprung der zweifachen Kombination, 12B. Die Stange fiel, damit stand fest: 30 Finalritte, drei Reiter, die alle ins Stechen gehen konnten mit dem Wissen, dass sie eine Olympiamedaille aus Paris 2024 mit nach Hause nehmen.
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