Parcours reiten: der Weg zum Ziel

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Springen_Doering

Rhythmische, fleißige Galoppade, Konzentration, Übersicht und optimale Linien: Dann klappt‘s im Parcours. (© Toffi)

Wie und warum Wendungen ausreiten, den Rhythmus finden und optimal gegen die Uhr reiten? Antworten darauf hat Springexperte Marcus Döring. Außerdem gibt er Tipps für das Lesen eines Parcours

Am Anfang steht ein Plan. Nicht nur in Form einer Parcours-Skizze, die für die Allgemeinheit in der Nähe des Einritts aushängt. Sondern vor allem ein Plan, der individuell auf das Teilnehmerpaar zugeschnitten ist. Denn der richtig angelegte Weg im Parcours entscheidet am Ende über Sieg und Platzierungen.

Damit der Reiter sein Pferd möglichst ideal über die Abfolge von Hindernissen steuern kann, hilft es, sich im Vorfeld einige Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Welche Art von Prüfung steht an? In der LPO existieren 16 Ausschreibungsvarianten für Springprüfungen. Neben dem klassischen Stilspringen gibt es auch verschiedene Versionen von Fehler-/Zeitprüfungen. Da sich die Anforderungen in den einzelnen Springen unterscheiden, bildet die Art der Prüfung eine Entscheidungsgrundlage für die Einteilung des Rhythmus.

Es hängt vom Aufbau des Parcours ab, wie viel Zeit für die Vorbereitung der einzelnen Sprünge bleibt. Welche Galoppfrequenz sinnvoll ist und wie die Wendungen angelegt werden sollten. Beim Ablaufen der Linienführung ist deshalb volle Konzentration gefragt.

Marcus Döring, Co-Bundestrainer der Springreiter, rät seinen Schülern, bei der Parcoursbegehung das eigene Pferd im Blick zu haben: „Bei Pferden mit kleinem Galopp werden beispielsweise gebogene Distanzen schnell weit. Da ist es sinnvoll, auf der Innenbahn zu bleiben und seinen Rhythmus zu halten. Während sich bei einem großen Galoppsprung die äußere Linie aus einem geschlosseneren Galopp anbietet.“

Abgehen – aber richtig

Generell ist es wichtig, sich einen ersten Überblick über die abgefragten Distanzen zu verschaffen. Unerlässlich beim Abgehen ist eine gleichmäßige Schrittlänge. Zwar sind die Kombinationen und Distanzen in den Anfängerklassen noch im Standardmaß aufgebaut, aber Übung macht auch hier den Meister. Um schneller Sicherheit für die eigene Schrittlänge zu gewinnen, hilft es beispielsweise, Markierungen im Abstand von einem Meter auf dem Boden zwischen Sattelkammer und Putzplatz anzubringen. Rasch entwickelt man ein Gefühl für das richtige Maß und kann es auch ohne optische Orientierungshilfe einsetzen.

Zudem empfiehlt Marcus Döring beim Parcoursabgehen, die Unsicherheiten des eigenen Pferdes zu kennen: Für den einen oder andere Vierbeiner macht es einen großen Unterschied, ob der erste Sprung weg vom Ausgang angelegt ist. Auch kann die normalerweise passende Steil-Oxer-Kombination mit einem Abstand von acht Metern plötzlich weit werden, wenn das Hindernis auf die Zuschauertribüne oder das Bewirtungszelt zu angelegt ist. Sind die Pferde noch jung oder unerfahren, können unbekannte Unterbauteile schon dafür sorgen, dass sie sich nicht in der gewohnten Frequenz zum Sprung reiten lassen.

Findet die Prüfung in der Halle statt, kommen die Anforderungen meistens schneller als draußen auf den oft großzügiger angelegten Außenplätzen. Bei all diesen äußeren Einflüssen ist es enorm wichtig zu wissen, wie sich der richtige Galoppsprung des eigenen Pferdes anfühlt. Nur dann lässt sich ein guter Rhythmus für den Parcours finden. Doch was ist ein guter Rhythmus und wie lässt sich das passende Grundtempo finden?


Zur Person
Marcus Döring
Pferdewirtschaftsmeister, Jahrgang 1974, unterstützt Otto Becker als Co-Trainer im Springen und Spezialtrainer für die Disziplin Springen für die Vielseitigkeits­reiter und -reiterinnen.

Springexperte Marcus Döring (Foto: v. Hardenberg)


Passendes Grundtempo

Marcus Döring fasst es in einem prägnanten Satz zusammen: „Der Galopp hat Optionen.“ Ein gut galoppierendes Pferd fußt auch im Springsattel unter den Schwerpunkt, ist fleißig im Hinterbein, gut in der Anlehnung und vor den treibenden Hilfen seines Reiters. Hat der Galopp eine hohe Frequenz, muss die Absprungdistanz nicht immer optimal getroffen werden. Aus dem passenden Grundtempo ergeben sich für das Pferd verschiedene Optionen. Aus einem zu dichten oder zu weiten Abstand zum Hindernis kann mit dem richtigen Grundtempo noch ein sicherer Sprung mit gleichmäßigem Abdruck aus beiden Hinterbeinen entwickelt werden. Zudem kann der Reiter die Distanz zum Sprung viel früher erkennen, am Hindernis ruhig bleiben und muss in den letzten drei Galoppsprüngen nicht mehr hektisch etwas verändern.

Das passende Grundtempo gilt es zu Hause zu üben. Am besten auf einem großen Platz im leichten Sitz mutig vorwärts galoppieren. „Wenn du denkst, du bist zu schnell, dann hast du dein Grundtempo gefunden“, bringt es der Pferdewirtschaftsmeister aus Westfalen auf den Punkt. Wichtig ist dabei, das Pferd geschlossen zu halten. Genauso im leichten Sitz zulegen zu können, wie auch zurück ins Arbeitstempo zu finden. Am Ende sind die Pferde im Parcours die Schnellsten, die am rittigsten sind.

Wenn du denkst, du bist zu schnell, dann hast du dein Grundtempo gefunden.

Für Döring ist Richard Vogel ein Paradebeispiel rhythmischer Runden. Die aktuelle Nummer acht der Springreiter-Weltrangliste schafft es, in den anspruchsvollsten Kursen zwischen der Start- und Ziellinie das passende Grundtempo zu halten, ohne einen Bruch im Galoppsprung zu erzeugen. Es dauert jedoch Jahre, sich zu trauen, den Rhythmus so konsequent durchzuhalten. Deshalb sind beispielsweise Hunterklassen, wie sie in den USA geritten werden, für Marcus Döring ein idealer Start in den Turniersport: „Es gibt nur lange Distanzen zwischen den Sprüngen. Die Kinder lernen, den Rhythmus zu halten und die Aufgaben kommen zu lassen, ohne in Panik loszuschieben. Das schult das gleichmäßige Reiten ungemein.“

Ab in die Wendung

Ein weiterer Knackpunkt für einen guten Rhythmus im Parcours sind die Wendungen. Steht das Pferd nicht sicher an den treibenden Hilfen, geht schnell mal das passende Grundtempo verloren. Gleichgewicht, Körperspannung und auch die Konzentration auf den nächsten Sprung hängen vom Erhalt der aktiven Galoppade ab. Es geht darum, das Parcourstempo von den geraden Linien mitzunehmen, um ungeplante Beschleunigungen und damit einen Rhythmusbruch zu vermeiden. Wer im Parcours so schnell und effektiv wie Marcus Ehning wenden möchte, muss auch im entlastenden Sitz im Gleichgewicht sein und sein Pferd sicher an den diagonalen Hilfen haben. Spätestens wenn das erste Fehler-/Zeitspringen ansteht, sollten enge Wendungen mit möglichst wenig Aufwand angelegt werden können. Auch das lässt sich im täglichen Training bestens üben. Co-Bundestrainer Marcus Döring macht deutlich: „Gutes Springreiten ist gutes dressurmäßiges Reiten.“

Auch in Wendungen braucht man das passende Grundtempo. Der Blick geht frühzeitig in Richtung des nächsten Hindernisses. (Foto: v. Hardenberg)

Das A und O: Körperbeherrschung

Durchlässigkeit und Losgelassenheit sollten jeden Tag erarbeitet werden. Nicht nur, um das Pferd zu gymnastizieren, sondern auch, um die Grundlagen für einen schnellen und fehlerlosen Parcours schaffen. Jedes korrekt erarbeitete „Durch die ganze Bahn wechseln“ hilft im Parcours, eine Linie aus der Wendung ohne Fehler zu überwinden. Ausschlaggebend ist für Marcus Döring dabei die Körpersprache im Zusammenspiel mit den Schenkel- und Gewichtshilfen. „Je sicherer die Reiter darin sind, ihr Gewicht für eine Wendung in die neue Richtung zu verlagern, ohne dabei aus der Balance zu kommen, desto schneller kann das Pferd lernen, unter dem Gewicht des Reiters zu wenden.“

Eine Grundvoraussetzung ist das Drehen des Kopfes in den Wendungen. Sich also nicht wie beim Motorradfahren in die Kurve zu neigen und damit das Gewicht auf die falsche Seite zu verlagern, sondern die Blickrichtung zum nächsten Hindernis beizubehalten und so dem Auge ein Ziel zu geben, dem der Körper folgt. Dafür hilft es, sich hinter dem jeweiligen Sprung einen festen Punkt für das nächste Hindernis zu suchen, auf den der Blick bis zum Absprung stabil gerichtet bleibt.

Zusätzlich spielt die Balance des Reiters über dem Sprung eine große Rolle. Neben dem sicheren Blick zum nächsten Hindernis bildet der ruhig am Gurt liegende Unterschenkel das Fundament und hilft, den Oberkörper in den einzelnen Phasen stabil über dem Pferd zu halten. Fliegen die Waden im Absprung rückwärts, kommt der Oberkörper vor die Bewegung, und das Pferd kann den Sprung nicht ausreichend nach oben entwickeln. Viele Hindernisreihen mit Rhythmuswechsel helfen dabei, den Reiter zu schulen, auch über dem Sprung im Schwerpunkt zu bleiben. So kann das Pferd den Sprung in Ruhe bewältigen – auch wenn die Zeit, vor allem im Stechen, besonders drängt.

Nur fliegen ist schöner

Eigentlich kennen Pferd und Reiter die einzelnen Sprünge aus dem Umlauf, und doch ist im Stechen alles neu. Angefangen bei der Reihenfolge der Hindernisse. Marcus Döring empfiehlt seinen Schülern, sich die neue Abfolge zu notieren: „Am besten bleibt man bei der Nummerierung aus dem Umlauf, auch wenn Sprung zehn vor Nummer acht kommt. Dann sollte sich der Reiter die neue Linienführung von der Bande aus genau einprägen. Wenn es zeitlich möglich ist, hilft es immer, sich den ersten Reiter anzuschauen. Und dann muss ich wissen, was mein Pferd kann.“

Zum Beispiel sollte das schräge Anreiten von Sprüngen vorher im Kleinen zu Hause trainiert und auch auf dem Abreiteplatz einmal geübt werden. Vielseitigkeitsreiter wie Sandra Auffarth sind es von ihren Geländestrecken gewohnt, Hindernisse in einem sehr spitzen Winkel anzureiten und üben das auch gerne mit ihren Springpferden im täglichen Training. Damit lassen sich erfolgreich wichtige Sekunden sparen. Wer das zu Hause noch nicht probiert hat, sollte diese Taktik nicht plötzlich auf dem Turnier anwenden. Meistens führt es nur zu einem Missverständnis zwischen Pferd und Reiter, und daraus resultiert dann ein Fehler.

Viel wichtiger ist, dass der Rhythmus erhalten bleibt. Selbst unter Druck sollten Wendungen ohne abruptes Einwirken der Zügel möglich sein. „Besonders enge Wendungen vor oder hinter den Sprüngen können Zeit sparen und geben mir die Chance, die erste Einfahrt zum Sprung zu nehmen, statt wie noch im Umlauf den weiteren Weg zu wählen. Aber eben nur, wenn der Reiter im Gleichgewicht sitzt und nicht den Ablauf des Pferdes blockiert“, erläutert Döring weiter.

Übung macht den Meister

Um kurze Wege und schnelle Wendungen bei höherem Grundtempo zu trainieren, genügen zwei Cavalettis auf dem Reitplatz. Auf eine Distanz für fünf Galoppsprünge (21,50 bis 22,00 m, Skizze rechts) gestellt, ist die Aufgabe, es mit sicheren vier zu schaffen. Gelingt das, können durch Pylonen anspruchsvollere Wendepunkte markiert werden. Nur wenn der Reiter die Galoppfrequenz seines Pferdes in den Standardaufgaben einschätzen kann, lassen sich unterschiedliche Varianten in den Distanzen reiten. Viele Wiederholungen im Training der immer wiederkehrenden Anforderungen im Parcours fördern die Routine im Springsattel.

Ein wichtiger Aspekt, der sich aber nicht in kürzester Zeit aufbauen lässt. Es hilft, im Training einzelne Segmente wie z. B. gebogene Linien zu üben. Am Ende lassen sich die Einzelteile zu einem ganzen Parcours zusammensetzen. Im Training ist es oft hilfreich, ein paar Sprünge mehr zu machen, als in der angepeilten Prüfung gefordert sind. So kann sich der Reiter sicher sein, dass die gemeinsame Konzentrationsfähigkeit auch bis hinter die Ziellinie reicht. Das Üben der verschiedenen Elemente eines Parcours sollte jedoch nicht nur auf die technischen Fähigkeiten beschränkt bleiben.

Darüber hinaus spielt das Vertrauen zwischen Reiter und Pferd eine zentrale Rolle. Nur wenn dieses Vertrauen auf beiden Seiten vorhanden ist, kann der Parcours erfolgreich absolviert werden. Wer diese Aspekte kontinuierlich weiterentwickelt und dabei stets das Wohl des Pferdes im Blick behält, hat gute Chancen, im Wettkampf erfolgreich zu sein und das gemeinsame Ziel zu erreichen. Letztlich ist der Weg zum Erfolg eine Kombination aus technischer Präzision, mentaler Stärke. Körperlicher Fitness und einer tiefen Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter.

Marcus Döring ermuntert seine Schüler, im Training fleißig zu sein: „Wenn sie im Einklang mit ihrem Pferd unterwegs sind, dann ist alles möglich. Sollten wir auf dem Turnier feststellen, dass die angepeilte Klasse noch zu schwer ist, ist das nicht schlimm. Dann gehen wir gemeinsam wieder einen Schritt zurück und üben zu Hause fleißig weiter. So kann jeder sein individuelles Ziel erreichen.“ 

Petra Boschen

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