EM Vielseitigkeit: Michael Jung stürzt, Sandra Auffarth und Team Deutschland auf Medaillenkurs

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HARAS DU PIN – FEI Eventing European Championship 2023

Sandra Auffarth und Viamant du Matz auf dem Weg zur Bronzemedaille bei der EM Vielseitigkeit 2023 in Haras du Pin. (© sportfotos-lafrentz.de)

Bei der EM Vielseitigkeit liegt Deutschland auf Rang zwei nach dem Gelände. Nachdem Michael Jung bei einem Rumpler vom Pferd gefallen war, sind nun nur noch drei Teamreiter übrig. Zwei von ihnen liegen unter den Top sechs, Sandra Auffarth ist Dritte. Die Briten führen in Einzel- und Mannschaftswertung. Einschätzungen zu einem Tag, der mit der Verkürzung der Geländestrecke begann.

Die nüchternen Fakten lesen sich gut bei der EM Vielseitigkeit: 38 Pferd/Reiter-Kombinationen haben die Geländestrecke beendet. 28 von ihnen bleiben dabei ohne Hindernisfehler, was sicherlich einzig und allein der Entscheidung geschuldet ist, dass der Kurs um einen guten Kilometer verkürzt wurde. Der Entschluss dazu war am Morgen gefallen, nachdem der Regen vom Freitag sich auch noch in der Nacht fortgesetzt hatte. Zu viel Wasser für die schweren, lehmhaltigen Böden am Nationalgestüt Haras du Pin. „Der Veranstalter hat sich viel Mühe gegeben, zu retten, was zu retten ist“, zollt Bettina Hoy, Aktivensprecherin beim Weltreiterverband (FEI) ihren Respekt. (Änderungen und Streckenverbesserung haben wir hier zusammengefasst). 13 Reiter schieden aus, drei gaben auf, zwei traten nicht zum Gelände an.

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Ein Sturz hielt die Veranstaltung etwas auf. Die Niederländerin Elaine Pen kam dabei unter das Pferd, das über sie abrollte. „Das Pferd war auf viel zu groß abgesprungen. Nach dem Sturz hat sie sich aber selbst die Weste geöffnet“, kann Dr. Annette Wyrwoll als Augenzeugin berichten. Nach einem kurzen Check im Krankenhaus war die Verunglückte noch am Abend wieder in ihrem Hotel.

Parcoursdesigner Pierre Le Goubil, der einen schweren aber schönen Cross Country-Kurs entworfen hatte, dankte den Reitern, dass sie die verkürzte Strecke mit Verstand und Gefühl geritten hätten. „Am Morgen, als ich den Boden sah, habe ich für einen Moment überlegt, ob wir abbrechen müssen“, gestand der Franzose, der auch die olympische Strecke rund um Versailles 2024 bauen wird.

EM Vielseitigkeit über 4700 Meter

Die deutsche Equipe steht nach dem Gelände auf Position zwei (126 Strafpunkte) deutlich hinter Großbritannien (98,7) und hauchdünn vor den Franzosen (126,2). Team Germany ist nur noch zu dritt. Ausgerechnet Olympiasieger Michael Jung kam zu Fall und ist morgen nicht mehr dabei (im Liveticker haben wir heute Nachmittag berichtet).

Sandra Auffarth liegt auf einem aussichtsreichen dritten Platz (34,6). Mit 21,3 ist die Britin Rosalind Canter mit ihrem Badmintonsieger Lordships Graffalo, „Walter“, weit vor ihren Verfolgern. Selbst Teamkollegin Kitty King und Vendredi Biats, Zweite in der CCI5*-L Luhmühlen in diesem Jahr, sind mehr als zwei Abwürfe entfernt (30,8).

Viamant du Matz hatte eine kurze Schecksekunde bei der Landung im vorderen Teil der Strecke. Nachdem er das mental verdaut hatte, steigerte er sich bis zum Ende der Strecke und kam frisch ins Ziel. Das konnte man von den wenigsten Pferden behaupten.

Generation U30 gut dabei

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Christoph Wahler und Carjatan S (© sportfotos-lafrentz.de)

Christoph Wahler und Carjatan S sind Siebte (41,5). Der große Schimmel ackerte sich durch den Boden, tapfer und treu. Jérôme Robiné und Black Ice rangieren an Position elf (44,4). Als Einzelreiter kann Robiné morgen noch ohne auf das Mannschaftsergebnis achten zu müssen, den Parcours angehen.

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Jérome Rôbiné und Black Ice. (© sportfotos-lafrentz.de)

Malin Hansen-Hotopp, auch einst im Nachwuchsbereich erfolgreich, aber der Altersklasse ihrer Kollegen schon ein paar Jahre voraus, ist 21. (49,9). Ihrem Schimmel sah man die Strapaze an. Am zweiten Coffin hätten sich beinahe die gemeinsamen Wege der beiden kurz vorm Ziel getrennt. An einer Ecke auf einem Hochplateau, von vielen als die schwierigste Aufgabe im Cross Country Kurs bezeichnet, entschied sich Hansen-Hotopp für die Alternative. „Sie hat dann eben auf Sicherheit für die Mannschaft den langen Weg genommen, das toll nach Hause geritten. Aber das kostet dann eben schnell zehn, 15 Sekunden und sehr viel Kraft“, erläutert Bundestrainer Peter Thomsen.

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Malin Hotopp-Hansen (GER) und Quidditch K. (© sportfotos-lafrentz.de)

Als Pathfinder hatte Malin Hansen-Hotopp bei ihrem Championatsdebüt den Kollegen eigentlich nur eines mitzuteilen: Der Boden ist noch kräftezehrender als befürchtet.

Das erste Coffin wurde dem zweiten Einzelreiter aus Deutschland, Nicolai Aldinger und Timmo, zum Verhängnis. Ein glimpflich verlaufener Sturz am letzten Element beendete die EM-Träume.

Fehler im Gelände der EM Vielseitigkeit breit verteilt

Einigkeit herrschte über die Klippen des Kurses beim Abgehen im Vorfeld. Letztendlich aber verteilten sich die Fehler und Probleme gleichmäßig. „Die Sprünge, über die die Leute sich das meiste Kopfzerbrechen gemacht haben, da ist am wenigsten passiert“, bilanziert Dr. Annette Wyrwoll. Unterschätzt wurde Sprung 18, ein Hindernis im zweiten Wasserkomplex. „Da sind einige vorbei, zu weit rechts über die rote Flagge. Das zeigt, dass die gesamte Strecke schwer war“, sagt Wyrwoll.

Auch die Briten, die in einer Klasse für ich unterwegs sind, kamen nicht ungeschoren nach Hause. Weltmeisterin Yasmin Ingham hatte einen Vorbeiläufer am Coffin, Laura Collett sammelte 15 Strafpunkte an der Ecke nach dem Zeltsprung und Einzelreiter Tom McEwen, Zweiter der Olympischen Spiele und Dritter nach der Dressur, beendet das Gelände nicht.

Michael Jung verlässt das Wasser „unhorsed“

Auch Michael Jung ist ohne Pferd nur ein Fußgänger. Das hat die EM Vielseitigkeit bewiesen. Nach einer bis auf einen Rumpler im ersten Wasser sicheren Runde von Chipmunk, kam der Wallach im letzten Streckendrittel zu Fall. Ausgerechnet in einem der ganz wenigen Bereiche, in denen die Bodenverhältnisse gut waren. Bei der Landung des Sprungs zur Einleitung des dritten und letzten Wasserkomplexes landete Chipmunk nicht auf dem Huf, sondern auf dem Fesselgelenk.

„Dass mit Michi ist ein ,one in a million‘ Ding“, sagt Dr. Annette Wyrwoll, Olympiareiterin von 2000. „Chipmunk hat den Hals als Balancierstange benutzt, ist abgetaucht, beinahe mit der Nase auf dem Boden gewesen. Michi hatte gar nichts mehr vor sich. Das hätte kein Mensch in der Welt ausgesessen“, ist sich Wyrwoll sicher. Auch Bundestrainer Peter Thomsen pflichtet ihr bei: „Michi hat alles richtig gemacht, Dressur gewonnen, alles auf eine Karte gesetzt und das Pferd ist einfach in der Landung gestolpert. Wir haben das Hin und Her analysiert, woran das gelegen haben kann, aber so richtig fällt uns da nichts ein. Er war topfit, hat alle Wege sicher gesprungen, ist einfach da hingefallen in der Landung. Das gehört leider dann auch mal zum Geländereiten dazu. Das hat uns natürlich die Führung im Einzel und eine Top-Ausgangsposition in der Mannschaft gekostet. Vor allem tut es mir leid für Michi, der der einfach ein super Wochenende bisher hatte.“

Nicht nur Vertreter des deutschen Teams lobten die Entscheidung, den Kurs zu verkürzen, Auch der britische Teamchef Richard Waywood hob darauf ab. Wobei das Gros seiner Pferde noch am frischesten im Ziel ankamen. Es war kein Kurs für schwerfällig, mit hoher Aktion galoppierende Warmblüter. Die blutgeprägten Pferde, die schnell repetieren, kamen mit den Anforderungen besser zurecht. Aber diese Sorte Pferd wird immer seltener. Das sagt auch Tierärztin Wyrwoll, für die es nur zwei Gründe gibt, warum Pferde am Ende ihrer Kraftreserven ins Ziel kamen: „Entweder zu wenig trainiert oder für solche Prüfungen nicht geeignet“, analysiert sie. „Die Reiterin, die mir am besten gefallen hat, die Irin Sarah Ennis, die flog übers Gelände, das Pferd hat repetiert, hat den Boden nur kurz berührt und dann war sie schon wieder weg vom Boden. Bei solchen Wetter und Topographie Verhältnissen brauchst du diese schnell repetierenden Pferden“.

Thomsen hofft auf Medaille

Vor Team GER steht eine kurze Nacht. Um neun Uhr steht die abschließende Verfassungsprüfung an. Peter Thomsen ist optimistisch, was den Abschlusstag auszeichnet: „Also erst mal freue ich mich, dass alle gesund und munter im Stall sind, Pferde sowie Reiter. Wir liegen auf dem zweiten Platz, aber 0,2 Punkte, das ist nun gar nichts. Wir hoffen, dass alle Pferde morgen top in Schuss sind und wollen sehen, dass wir eine Medaille mit nach Hause nehmen.“

Den Zwischenstand nach Dressur und Gelände finden Sie hier.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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  1. Helmold Baron von Plessen

    Man kann Frau Dr. Anette Wyrwoll, bezueglich Ihrer Ansicht, welcher Typ „Eventer“ mit solch einer erfreulicherweise wieder eher traditionellen, gefuehlvoll in die wunderschoene Landschaft des vom Sonnenkoenig dereinst begruendeten Gestuets, gebauten Qu-Strecke, am besten zurecht kommt, nur beipflichten. Neben der Bilderbuchrunde von Grantstown/Sarah Ennis IRL (nach Dressur u. Gelaende 5.), hat mir der DSP Wallach Calmaro/Jackson Murphy IRL ( nach Dressur u. Gelaende 18.) gut gefallen. Auch er entspricht m.E. vom Typ u. von seiner Art sich zu bewegen, weitgehend, dem des geeigneten Eventers, fuer Kurse, wie dem der EM – 2023.

  2. Horst Müller

    Zu dem Thema Einsatz von Vollblut im Vielseitigkeitssport
    Nicht allein wegen der Sprintfähigkeit und Härte des Vollblüters, sondern auch wegen seiner besseren Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit bei der Bewältigung der technischen Elemente wird ein immer höherer Vollblutanteil des Vielseitigkeitspferdes erforderlich.
    Braucht ein hoch im Blut stehendes Pferd keine 100% zu geben, geht das warmblütrige Pferd oft schon am Limit, von der späteren Regenerationsfähigkeit einmal ganz zu schweigen.
    Leider wird der Vollblüter in der Zucht immer weniger benutzt, was auch an den Empfehlungen der pferdehandelnden Obrigkeit in der Vielseitigkeit liegen mag.
    Wie sollen sonst solche offiziellen Äußerungen wie „Heute gibt es viele moderne Vielseitigkeitspferde, die sehr blütig im Typ sind, aber erst weiter hinten im Pedigree ein bisschen Blut führen. Diese Pferde sind jetzt gefragt.“, verstanden werden?


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