EM Vielseitigkeit: Silber für deutsches Team, Bronze für Sandra Auffarth

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HARAS DU PIN – FEI Eventing European Championship 2023

Silber für Team Deutschland, Bronze für Sandra Auffarth in der Einzelwertung bei der Vielseitigkeits-Europameisterschaft in Haras du Pin 2023. (© sportfotos-lafrentz.de)

Was für ein Tag im Haras du Pin! Das deutsche Team gewinnt Vielseitigkeits-Silber, Sandra Auffarth die Bronzemedaille vor Christoph Wahler. Dazu beendet Jérôme Robiné sein Championats-Debüt im Seniorenlager auf Platz sieben. Gold geht an die Briten, Europameisterin ist Rosalind Canter.

Silber für die Deutsche Vielseitigkeitsmannschaft, drei Deutsche unter den Top Ten mit Sandra Auffarth als strahlender Gewinnerin der Bronzemedaille. Dass es ein guter Tag für die deutsche Vielseitigkeit werden könnte, hatte sich schon bei der morgendlichen Verfassungsprüfung abgezeichnet. Beeindruckend, wie sich die nach dem Ausscheiden von Michael Jung und Chipmunk sowie Nicolai Aldinger und Timmo noch vier verbliebenen deutschen Pferde präsentierten.

Sandra Auffarths Viamant du Matz gebärdete sich wie ein Junghengst auf der Körung – einer für den Prämienring. Die Energie, die er am Morgen an den Tag gelegt hatte, zeigte er auch im Parcours. An Sprung sechs (den Parcours im Abschlussspringen haben wie hier kurz vorgestellt), einem überbauten Graben, wackelte eine Stange etwas. Vielleicht ein kleines „Hallo, wach!“, dessen der französische Fuchswallach eigentlich nicht benötigt hätte. Mit räumender Galoppade und gespitzten Ohren ging er in der mit Abstand schnellsten Zeit von 69 Sekunden über die 15 Sprünge. Die erlaubte Zeit von 75 Sekunden sollte sich neben der luftig gebauten zweifachen Kombination als eine der größten Schwierigkeiten herausstellen.

Sandra saust durch den Parcours aufs Podium

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Bronze für Sandra Auffarth und Viamant du Matz in der Einzelwertung bei der Vielseitigkeits-Europameisterschaft in Haras du Pin 2023. (© sportfotos-lafrentz.de)

Das Viamant du Matz „an“ war, sah man schon in der Vorbereitung. Der Abreiteplatz lag, wie auf einem Dorfturnier, direkt hinter der Bande des Prüfungsplatzes. Bei der Stimmungsmache des französischen Ansagers kam einiges an Atmosphäre dort an. Auch bei „Mat“. „Ich glaube, er war so aufgeregt, weil er es auch richtig gut machen wollte, weil er wusste, heute ist irgendwie wichtig. Und das hat er gut gemacht“, sagt die Bronzemedaillen-Gewinnerin strahlend.

Geliebäugelt hatte sie schon mit dem Podium, sagt sie. Hier, wo sie 2014 den Grundstein für den Weltmeistertitel legte, auf Opgun Louvo, „Wolle“. „Es war schon ehrlich gesagt mein Ziel. Ich konnte mir schon vorstellen, dass es hier ein anspruchsvolles Gelände wird. Mat ist im Gelände einfach eine so eine sichere Bank geworden, und weil er ein guter Springer ist, war das schon meine Zielsetzung. Aber ich wusste, dass das ein sehr hochgestecktes Ziel ist, umso schöner ist es wirklich, dass wir das geschafft haben und somit ist da echt ein Traum in Erfüllung gegangen.“

Verschmitzt grinsend ergänzt sie: „Cool, jetzt neben Wolle, noch ein Einzelmedaillen-Pferd im Stall zu haben“. Doch sie will gar nicht so viel von sich sprechen. „Ich finde, wir hatten ein richtig cooles Team. Also alle, die dazu beigetragen haben. Und wir sind ja doch eine größere Gruppe vom Trainingslager an. Jeder hat sein Bestes gegeben und wollte, dass wir hier eine Mannschaftsmedaille holen. Das haben wir geschafft und da sind wir stolz drauf!“

„Alle ziehen an einem Strang“

Bundestrainer Peter Thomsen könnte, wenn es mal mit der Trainertätigkeit vorbei sein sollte, immer noch eine Rolle im Märchen vom Hasen und Igel ausfüllen. Der schlanke Nordfriese war gefühlt überall zur Stelle. Helfend, unterstützend, besprechend. Omnipräsent, „ick bün all da“, wie der Igel sagen würde.

Thomsen ist „super zufrieden“: „Die Reiter haben sich total konzentriert, haben super gearbeitet, die Pferde haben einen tollen Job gemacht und, ja, wir hatten das Glück auf unserer Seite . Jetzt haben wir zwei Medaillen, drei Reiter unter den Top Ten“. Mit neuen Gesichtern. Schließlich, „und das muss man ja sagen, ohne einen Michi und auch noch mit einer Julia (Krajewski) zu Hause“.

Der Mannschaftsgeist, der in Deauville im Trainingslager aufgebaut wurde – ein wichtiger Erfolgsfaktor, findet Thomsen: „Alle ziehen an einem Strang, Michi hilft beim Abreiten. So kann man auch die Qualität dieser Reiter nutzen, die Informationen mitnehmen und am Ende Medaillen gewinnen“.

Vielseitigkeits-Silber für deutsches Team mit Wahler auf Platz vier

Acht der 37 Reiter/Pferd-Kombinationen gelangen fehlerfreie Parcoursrunden in der Zeit. Zwei davon gingen auf das deutsche Konto. Neben Sandra Auffarth lieferten auch Christoph Wahler auf dem Holsteiner Carjatan S v. Clearway ab. Der Niedersachse wurde Vierter (41,5), sein bestes Einzelergebnis bei der vierten Championatsteilnahme. Der Schimmel mit der großen Galoppade, der gestern wie alle Pferde mit dem Boden der Geländestrecke zu kämpfen hatte, schien die Schlammschlacht gut weggesteckt zu haben. So wie er heute über den Parcours galoppierte, hätte dieser wohl auch 300 Meter länger sein und die Stangen deutlich höher hängen können.

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Christoph Wahler und Carjatan S, null im Parcours der EM Haras du Pin 2023 (© sportfotos-lafrentz.de)

Professor Jens Adolphsen, Vorsitzender des Vielseitigkeitsausschusses des Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR), bringt es auf den Punkt: „Mit Platz vier hat Christoph sich in der Weltspitze etabliert“.

U25 unter den Top Ten

Souverän meisterten auch Jérôme Robiné und der Ire Black Ice ihre Premiere in einem Seniorenteam. Auf der Geländestrecke war das Paar angehalten worden, weil die Niederländerin Elain Pen gestürzt war. Für Robiné war das eine neue Situation, aber er kam gut damit klar. Der Rappe, wie alle anderen deutschen Pferde von Disziplintrainer Marcus Döhring ideal begleitet, sprang eine sichere Runde, erhielt lediglich 1,6 Zeitstrafpunkte. Sein siebter Platz unterstreicht, wie erfolgreich Bundestrainer Peter Thomsen mit seinem Konzept ist, neue, junge Gesichter in den Topsport zu bringen.

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Jérôme Robiné und Black Ice schlossen auf Platz sieben ab beim Debüt. (© sportfotos-lafrentz.de)

Malin macht’s spannend

Als erste deutsche Starterin war Malin Hansen-Hotopp an Position 19 rangierend in den Parcours gegangen. Ihr Holsteiner Schimmel Quidditch K ist kein Pferd, das in kugelrunder Idealmanier über die Sprünge geht. Aber die Runde war zu 97 Prozent rhythmisch und sicher. Nur vor der zweifachen Kombination gab es eine Unsicherheit, die in einen Abwurf mündete. „Der eine Galoppsprung mehr“, war es, so die Mutter dreier Jungen aus Mecklenburg-Vorpommern, der ihr letztendlich auch noch 1,2 Zeitstrafpunkte bescherte (55,1).

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Malin Hansen-Hotopp und Quidditch K – Platz 19 und eine Mannschafts-Silbermedaille (© sportfotos-lafrentz.de)

Der Abwurf des Quiwi Dream-Sohns ließ die deutschen Fans kurz die Luft anhalten. Das französische Team lag nur 0,2 Punkte hinter den Deutschen zum Auftakt des Parcoursspringens. Damit rutschte Team GER kurzfristig auf die Bronzeposition ab.

Vive la bronze!

Frankreichs Equipe Tricolore brachte zwei Reiter fehlerfrei durch’s Springen. Darunter allerdings Karim Florent Laghouag, der mit Triton Fontaine und 46,9 Strafpunkten, Platz zehn, das Streichergebnis lieferte. Nicolas Touzaint und der Grafenstolz-Sohn Absolut Gold waren das zweite Nullerpaar. Damit wurden sie Fünfte in der Einzelwertung (43,3). Stephane Landois hatte mit dem Schimmel Ride for Thais Chaman Dumontceau nach dem Gelände an vierter Stelle gelegen. Ein Abwurf ließ ihn als Sechster die Europameisterschaft Vielseitigkeit abschließen (44,6). Am Ende lagen zwischen Vielseitigkeits-Silber für Deutschland (131,2) und der französischen Bronzemedaille (134,2) gerade einmal drei Strafpunkte.

Doppelgold für Großbritannien

Die Briten haben einmal mehr ihre Vormachtstellung in der Vielseitigkeit unter Beweis gestellt. 103,9 Strafpunkte addierten sich für das Quartett, das mit Rosalind Canter und Lordships Graffalo den unangefochtenen Europameister stellte. Kitty King und Vendredi Biats gewann Silber. Damit lagen die beiden Pferde ganz vorne, die neben Viamant du Matz noch richtig frisch im Ziel nach der Geländestrecke angekommen waren. Von diesen Bildern hätte man dem Sport deutlich mehr gewünscht.

Rosalind zu Gast in „Walters Welt“

Rosalind Canter war schon Weltmeisterin, hat Badminton gewonnen und ist nun Europameisterin. Erfolge, die sie vor allem „Walter“ verdankt, dem Halbtrakehner Graffalo. Es sei so ein bisschen „Walter’s World”, in der es ihr erlaubt sei, zu leben, sagt die zierliche Engländernin. Fragen nach Olympia 2024 beantwortete sie galant. Sie hoffe, dabei zu sein. „Es kann immer etwas passieren, es sind ja immer nur kleine Abstände, Olympia ist ein Traum, an dem ich ab jetzt arbeiten werde“. So viel steht fest, bleibt der Grafenstolz-Sohn gesund, ist er das Pferd, das es zukünftig zu schlagen gilt. Er ist geboren für diesen Sport, eben als Zentrum von „Walters Welt“.

„God save the king” für Kitty King

Während die Europameisterin noch etwas nüchtern ob des Erfolgs schien, war Teamkollegin Kitty King deutlich euphorischer. Mit ihrem Vendredi Biats, „Froggie“, hatte sie sich selbst nicht als potenzielle Kandidatin für eine Einzelmedaille gesehen: „Ich dachte, weil ich die herausragende Qualität der britischen Pferde ja kannte, dass ich hier als guter Pathfinder fürs Team reiten würde. Eine Medaille, egal welche Farbe, ist eine Ehre, die ich meinem fantastischen Pferd verdanke“. Einem Pferd übrigens, das als Youngster wie ein Wanderpokal herumgereicht wurde. Als der Winnigmood-Sohn in Kitty Kings Leben trat, war es dann Liebe auf den ersten Blick. Die Fitness des 14-Jährigen begeisterte, lediglich 1,2 Zeitstrafpunkte kamen zum Abschluss hinzu (32,0).

Deutschland, glücklich Vaterland!?

Bei allem Respekt für die Leistung der Briten, verdient die Leistung der deutschen Reiterinnen und Reiter eine besondere Erwähnung. Dieses Vielseitigkeits-Silber ist eben nicht unter normalen Bedingungen erzielt worden. Es wurde weniger gewonnen als im Wortsinn errungen. Die Bodenverhältnisse und der wuchtige Bau der Hindernisse waren an der Grenze. Ohne die Streckverkürzung hätten diese Europameisterschaften dem Vielseitigkeitssport einen Bärendienst erwiesen. Das hörte man recht unverhohlen von vielen Nationen, selbst aus dem britischen Lager, in dem die Haudegen-Fraktion ja noch immer eine starke Lobby hat.

Umso höher ist der zweite besondere Faktor, der hinter der Silbermedaille des deutschen Teams steht, einzuschätzen: Michael Jung, der „Anchor“ der deutschen Erfolge, erwischte im Gelände einen schwarzen Tag. Diesmal profitierte „Michi“ von der Leistung der anderen. Und unter diese anderen waren eben keine Julia Krajewski, keine Ingrid Klimke. Eine Landwirtin aus Mecklenburg, eine Sandra Auffarth und ein junger Mann unter 30 verhalfen dem Doppel-Olympiasieger zu seiner 20.(!) Championatsmedaille seit 2009.

Ergebnisse

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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