Julia und das Vereinigte Königreich – Mit Weile, das heißt mit 11,1 Fehlern Abstand, gewannen die britischen Buschreiter in Zweitbesetzung den Vielseitigkeits-Nationenpreis, das CCIO4* in Aachen. Das Gastgeberteam wurde ohne die erste Garde der Paris-Aspiranten Vierte, dazwischen schoben sich US-Reiter und Iren. Juli Krajewski nutzte die Chance, ihren zehnjährigen Nickel in Szene zu setzen, gewann zum zweiten Mal vor einem überglücklichen Calvin Böckmann auf The Phantom of the Opera. Beider Chancen für eine Paris-Reise sind steil gestiegen.
Wie in Springen und Dressur wehte auch in der Vielseitigkeit eine frische Brise direkt aus Paris und drückte der Prüfung den Stempel auf. Kaum eine Nation hatte ihre Olympiakandidaten in das gut dotierte CCIO4*-S, 37.000 Euro für den Sieg, geschickt. Auch die deutsche Paris-Vorauswahl hatte Dispens fürs Gelände erhalten. Michael Jung brauchte den 16-jährigen Chipmunk v. Contendro I (Hann.) nach siegreicher Dressur (22,5) und fehlerfreiem Springparcours am Freitag zum Cross am Samstag gar nicht aus dem Stall zu ziehen.
Christoph Wahler hörte auf Carjatan absprachegemäß nach einer 28er-Dressur und Nullparcours vor Hindernis 16 a auf. Bis dahin sah der 15-jährige Holsteiner Schimmel v. Clearway sehr gut aus. Vorjahrssiegerin Sandra Auffarth, mit einer streng bewerteten Dressur (29,9) und Nullparcours beendete die Reise ebenfalls vor Hindernis 16. Ihr 15-jähriger Selle Français Viamant du Matz v. Diamant de Semilly, schrammte ihr vorher noch an Sprung 10b, einem sehr schmalen Buschoxer, vorbei, blitzschnell und ohne Vorwarnung. Beim zweiten Versuch sprang er ohne Wenn und Aber. „Aber ich werde so eine Situation nochmal üben“, sagte sie.
Krajewski setzt mit Nickel ein kleines Ausrufezeichen
Die Helden des Tages waren andere. Julia Krajewski, die olympische Titelverteidigerin von 2021, gewann mit einer Glanzleistung des erst zehnjährigen Holsteiner Numero-Uno-Sohnes Nickel, mit der zweitbesten Dressur (23,9) einem Nullparcours und einem flüssigen mühelos wirkenden Cross mit 6,4 Zeitfehlern, insgesamt 30,9 Minuspunkte. Sie wäre vermutlich noch etwas schneller gewesen, hätte das Pferd nicht schon früh im Kurs vorne links ein Eisen verloren. „Ich fürchte, das hat mich ein paar Sekunden gekostet“, sagte sie. „Aber ich glaube, er hat schon kleines Ausrufezeichen gesetzt und gezeigt, dass man sich auf ihn verlassen kann. Er ist ein total ehrliches Pferd.“
Zwei in der Zeit
Der 23-jährige Calvin Böckmann mit dem 13-jährigen Holsteiner Fuchswallach The Phantom of the Opera v. Quo Vados wurde nach ordentlicher Dressur im Mittelfeld (30,9/ 12.), einem Nullparcours und in der zweitschnellsten Geländezeit (6:48 Minuten) Zweiter. Zwar wirkte der Fuchs manchmal etwas maulig und vorderlastig, aber Calvin verlor nie die Kontrolle. „Das Pferd und ich sind in den letzten beiden Jahren zusammengewachsen. Ich vertraue ihm blind, er vertraut mir blind“
Nur der viertplatzierte Australier Christopher Burton auf dem blütigen Holsteiner Cyrkon xx-Sohn Clever Louis war eine Sekunde schneller. Außer diesen beiden blieb keiner innerhalb der Bestzeit von 6:50 Minuten, nur sie beendeten die Prüfung mit ihrem Dressurergebnis.
Zwischen die beiden schob sich die beste britische Mannnschaftsreiterin Laura Collett mit dem 15-jährigen Diarado-Sohn Dacapo auf Platz drei. Mit dem Landos-Sohn London gehört sie zur britischen Paris-Equipe. Das ist eben der Unterschied zwischen den Briten und dem Rest der Welt: Bleibt das erste Team zu Hause ist auch das zweite noch gut genug, die Konkurrenz in Schach zu halten.
Das sah bei den Deutschen in Aachen anders aus. Sowohl Michael Jung als auch Christoph Wahler wurden mit ihren Zweitpferden, dem Iren Kilcandra Ocean Power bzw. dem Diarado-Sohn D’Accord fürs Team eingeteilt. Mit bereits 12 Fehlern für drei Parcoursabwürfe belastet gingen beide ins Gelände, Wahler wurde eliminiert, er hatte Sprung 10b ausgelassen und bei 18a noch eine Verweigerung kassiert. „Das war eine Runde zum Vergessen“, sagte er nach seinem Ritt. „Wir haben heute von Anfang nicht den richtigen Rhythmus gefunden.“
Michi Jung wurden wegen eines gebrochenen MIM-Sicherheitssystems an 15a elf Strafpunkte für einen ansonsten flotten Ritt aufgebrummt.
Malin Hansen-Hotopp auf dem zwölfjährigen Holsteiner Carlitos Quidditch hatte im Springen wie schon bei der EM im vergangenen Jahr zwei Abwürfe kassiert, wurde nach einem Cross ohne Zwischenfälle 18.
Bester deutscher Teamreiter war Jérôme Robiné auf dem Iren Black Ice, am Ende 13. Als dritter Deutscher beendete Dirk Schrade auf dem 14-jährigen Holsteiner Casillas-Sohn Casino die Prüfung in den Top Ten, 10.
Der langjährige Aachen-Aufbauer Rüdiger Schwarz, der nach 20 Jahren zum letzten Mal an den Cross in der Soers Hand anlegte, hatte mit allerlei technischen Herausforderungen das Feld auseinanderdividiert. Das Ergebnis war perfekt: Kein Pferd stürzte, kein Reiter fiel herunter, vor allem an technischen Schwierigkeiten, verteilt an vielen verschiedenen der 23 Hindernissen kassierten 16 Reiter Verweigerungen, von denen etliche „Vorbeiläufer“ waren. Vier Sprünge waren gemimt, das System wurde nur einmal durch Jungs Mannschaftspferd Kilcandra Ocean Power ausgelöst.
Wer am Ende des Tages die Koffer für eine Reise an die Seine packen kann, will der Vielseitigkeitsausschuss nach einem weiteren Vetcheck am Sonntagmorgen entscheiden. „Dann werden wir alle Ergebnisse nochmal genau analysieren und auch die Videos der Ritte anschauen“, sagte Bundestrainer Peter Thomsen.
Ergebnisse CCIO4*-S Aachen 2024
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