Julia Krajewski wird Deutsche Meisterin in Luhmühlen vor Wahler und Schaaf

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LUHMÜHLEN – Longines Horse Trail 2023

Julia Krajewski und Ero de Cantraie als Sieger der Deutschen Meisterschaften der Vielseitigkeit 2023. (© sportfotos-lafrentz.de)

Dritter deutscher Meistertitel in der Vielseitigkeit für Julia Krajewski in Luhmühlen. In einem spannenden und bis zum Ende offenen Parcoursspringen erringt Christoph Wahler die Silbermedaille. Bronze gibt es für Anna Lena Schaaf und Fairytale, das Pferd, mit dem sie einst E-Springen geritten ist.

Zum dritten Mal nach 2018 und 2019 ist Julia Krajewski Deutsche Meisterin in Luhmühlen. Das abschließende Springen im CCI4*-S, der Prüfung, in dem es auch um die Deutsche Meisterschaft 2023 ging, brachte das Tableau noch einmal durcheinander. Julia Krajewski störte das am wenigsten, wenngleich auch sie betroffen war. Sie hatte nach dem Gelände mit zwei Pferden in Führung gelegen.

Gold für Krajewski in Luhmühlen

Mit dem nach dem Cross an zweiter Stelle rangierenden Ero de Cantraie war sie als elfte der 31 Starter in den Parcours geritten. Nach einem fehlerfreien Ritt und 0,4 Zeitstrafpunkten stand da bereits fest: Julia Krajewski ist auf jeden Fall die Deutsche Meisterin 2023! Mit 30,6 hatte sie ihr Dressurergebnis damit fast makellos über die drei Prüfungstage bewahrt. Makellos ist das Adjektiv, das das Auftreten von Julia Krajewski und ihren beiden neunjährigen Nachwuchspferden in Luhmühlen auf den Punkt brachte.

Selbst wenn Nickel, der Holsteiner, einst „Spaßpferd“ im Stall der Olympiasiegerin, letztendlich als Führender zwei Abwürfe hatte. Damit kam er auf 36,3 Strafpunkte und rutschte auf Platz drei in der CCI4*-S-Wertung ab. Für die Deutsche Meisterschaft wird nur ein Resultat pro Reiterin oder Reiter gezählt.

Was Ero und Samourai du Thot gemeinsam haben

„Es war ein merkwürdiges Gefühl null zu sein, deutscher Meister zu sein“, sagt die Vize-Weltmeisterin. Ihr Pferd weise ein paar Ähnlichkeiten mit ihrem internationalen Erfolgspferd Samourai du Thot auf. „Ero – das ist Wahnsinn, was das Pferd für eine Entwicklung gemacht hat. Der sah ein bisschen aus wie ein Mäuschen als ich ihn im Dezember angeguckt habe in Frankreich. Ero erinnert mich an meinen Sam (Samourai du Thot), hat das hier ganz entspannt weggesteckt in der Siegerehrung“ Samourai du Thot habe ihr irgendwann das Gefühl gegeben, verstanden zu haben, „dass der Applaus Anerkennung seiner Leistung ist.“

Es sei seltsam gewesen, als letzte Reiterin in den Parcours zu kommen und schon Deutsche Meisterin zu sein, aber nach dem Abwürfen von Nickel den Titel irgendwie auch gefühlt dennoch verloren zu haben. „Pechvogel im Stall ist Nickel. In der Wendung zu 5a, kam er hinter mich, dann musste ich ihn anschieben“, daraus wären die Fehler resultiert. „Er hätte die Schärpe auch verdient“, zollt sie dem Holsteiner Respekt. Platz drei im CCI4*-S – das ist mehr, als Krajewski erwartet hätte im Vorfeld, sagt sie.

Auch wenn die Europameisterschaften für die neue Deutsche Meisterin in diesem Jahr kein Thema sind, blickt sie gelassen nach vorn. Auch, oder gerade, was ihre beiden Nachwuchspferde anbelangt. „Sie sind beide gute Reisende, mal sehen, was die Zukunft bringt.“

Silber für Christoph Wahler

Christoph Wahler hatte mit dem Hannoveraner D’Accord v. Diarado nicht nur das größte Pferd der Turniertage in Luhmühlen gesattelt. Er hat es auch als einziger geschafft, sein Dressurergebnis ins Ziel zu bringen: 34,4 Strafpunkte (Dressur: Platz 24) blieben es nach fehlerfreiem Gelände(Platz 4) und Parcours. Damit Zweiter im CCI4*-S, Silber für den Chef des Klosterhofs Medingen und Mannschaftsweltmeister 2022. „Die Woche hat, Gott sei Dank, über die Tage noch an Fahrt aufgenommen“ resümierte er nach einer Dressur, die schlechter war „als wir beide das können“. Dem Gelände hatte der junge Vater gelassen entgegengeblickt. „Mein Pferd ist grundschnell, hatte in vier Prüfungen noch keinen Zeitfehler.“ Im Springen sei der vermögende Hannoveraner „besser als sein ,record‘ (Ergebnisbilanz) das vermuten lässt“, so Wahler. „Dass er nun seine erste Vier-Sterne-Nullrunde springt, war glaube ich ganz passend“, fügt er mit einem schelmischen Grinsen hinzu.

Nur zwei Reiter schafften einen Nullfehlerritt in der Zeit im Parcoursspringen am Sonntag.

Das Bronze-Märchen: Anna Lena Schaaf – vom E-Springen aufs Senioren-Podium

Über die Bronzemedaille und zusätzlich den U25 Förderpreis des Club deutscher Vielseitigkeitsreiter (CDV) freute sich Anna Lena Schaaf. Die Geschichte von ihr und ihrer 16 Jahre alten „Fiene“, Fairytale v. Fidertanz, kann man nicht schöner erfinden: Gezogen hat die Fuchsstute ihr Großvater. Anna Lena Schaaf ist mit Fiene E-Springen geritten, hat mit ihr fünf Medaillen, davon drei goldene, bei den Europameisterschaften der Junioren und Jungen Reiter gewonnen. Ihr Onkel hatte einmal gefragt, ob sie mit Fiene tatsächlich ein L-Springen reiten wolle, erinnert sich Anna Lena Schaaf noch heute. Die Frage dürfte nun nicht mehr gestellt werden.

Nach der Dressur lag die Sportsoldatin auf Rang fünf (30,2): „Ich hätte besser reiten können in der Dressur, da waren zwei Fehler drin, die ich hätte verhindern können“, schließlich sei die Rheinländer Stute ja „auf dem Papier ein Dressurpferd“.  Auch was die eigene Cross Country-Leistung anbelangt, geht sie mit sich selbst hart ins Gericht: „Im Gelände hätte ich von Anfang an mehr Rhythmus haben können“. Als sie den nach den ersten Sprüngen gefunden hatte, sei es „perfekt“ gewesen. Die Bilanz in der Pressekonferenz fällt der 21-Jährigen nicht einfach. „Ich kann nicht lange reden, weil ich weinen muss“, schluchzt sie. Da haben auch einige hartgesottene Berichterstatterinnen einen Kloß im Hals.

„Unerwartet“ sei der Nullfehlerritt im Abschlussparcours gewesen, den sie beim Abgehen als „wirklich schwer“ empfunden habe. „Sie kann null springen, sie reagiert super auf mich“, sagt die Bronzemedaillengewinnerin, dann versagt ihre Stimme erneut. Als Fiene zur Welt kam, war Anna Lena Schaaf fünf Jahre, nun messen sie sich mit der Weltspitze.

Pechvogel Calvin Böckmann

Weil seinem Holsteiner The Phantom of the Opera zwei Abwürfe, einer gleich an Sprung zwei, unterliefen, wurde Calvin Böckmann Fünfter in der DM-Wertung (39,8/6.). Nach dem Gelände hatte er noch an dritter Stelle hinter Julia Krajewski in Luhmühlen gelegen. Das wäre die Silbermedaille gewesen. Der BWL-Student, der in Warendorf trainiert, nahm es äußerlich gelassen. Platz vier bei der Deutschen Meisterschaft gab es für Nadine Marzahl, die mit der Valentino-Tochter Valentine FRH (38,9/5.) einen Abwurf im Parcours verzeichnete.

Peter Thomsen: „der beste Platz der Welt, um reiten zu lernen“

Bundestrainer Peter Thomsen zieht ein absolut positives Fazit: „Ich habe mehrfach Freudentränen gesehen, auch gestern nach dem Geländeritt.“  Die jungen Reiter im CCI5*-L, die Leistungen in der Deutschen Meisterschaft – so kann es weitergehen. „Drei Medaillengewinner aus der Perspektivgruppe“, zollt Thomsen auch Trainerin Julia Krajewski Respekt. „Ich sage immer, das ist der beste Platz der Welt, um reiten zu lernen“.

Der nächste Zwischenhalt auf dem Weg zu den Europameisterschaften in Haras du Pin ist nun der Nationenpreis im Rahmen des CHIO Aachen. Dort werden unter anderem Michael Jung und Sandra Auffarth am Start sein. Christoph Wahler wird sein WM-Pferd Carjatan S reiten, auch Anna-Katharina Vogel und Quintana, die sich an das Abenteuer Badminton herangewagt hatten, werden in der Soers sein. Die Liste aller deutschen Starter soll morgen von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) veröffentlicht werden.

Fazit Luhmühlen 2023

Knapp 27.000 Zuschauer vermeldeten die Veranstalter über die vier Tage. Diejenigen, die vor Ort waren, erlebten Vielseitigkeitssport von seiner schönsten Seite. Spannende Entscheidungen, faire Anforderungen, neue Gesichter und Routiniers, die Reitkunst demonstrierten. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Ergebnisse der CCI4*-S, Deutsche Meisterschaften Vielseitigkeit 2023 in Luhmühlen, finden Sie hier.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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