Kein Vielseitigkeitsturnier in Haras du Pin 2024

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HARAS DU PIN – FEI Eventing European Championship 2023

Sandra Auffarth und Viamant du Matz auf dem Weg zur Bronzemedaille bei der EM Vielseitigkeit 2023 in Haras du Pin. (© sportfotos-lafrentz.de)

„Le Grand Complet“ die Vier-Sterne-Vielseitigkeit im französischen Nationalgestüt Haras du Pin war in den vergangenen Jahren regelmäßig Station des FEI-Nationenpreises. In diesem Jahr findet das Turnier gar nicht statt.

Hintergrund der Entscheidung ist eine Auseinandersetzung zwischen dem Veranstalter des Turniers, dem Verein Ustica, und dem gastgebenden Regierungsbezirk in der Region Orne.

Hinter Ustica verbirgt sich die Familie Le Goupil. Ihren Namen verdankt die Organisation der Stute, auf der die vier Brüder reiten gelernt haben. Pierre Le Goupil wird die Geländestrecke bei den Olympischen Spielen 2024 konzipieren. André Le Goupil, Olympiareiter von 1968, war lange Vorsitzender des Vereins. Damals fand das Turnier noch auf der heimatlichen Anlage in Martinvast statt. 2010 siedelte es um ins Haras du Pin. Das war der Moment, in dem Le Goupil Valérie Moulin die Zügel aushändigte.

Finanzierung und Refinanzierung

Die gesamte Anlage auf dem französischen Nationalgestüt Haras du Pin war seit Beginn 2022 bis kurz vor Beginn der letztjährigen Europameisterschaften modernisiert und zu einem modernen Pferdesportzentrum ausgebaut worden. Rund 24 Millionen Euro habe das gekostet, das zum Teil vom Steuerzahler, zu anderen Teilen von franzözischen und EU-Geldern finanziert wurde.

Nun berichtete Valérie Moulin, die Präsidentin des Veranstalters Ustica, dass man nach diesen Neuerungen Vorauszahlungen für die Nutzung des Geländes verlangt hat. Am 31. März 2023 sie dieser Beschluss gefallen. Demzufolge sollte Ustica im Vorfeld des Turniers 80.000 Euro entrichten, 60.000 Euro für die Nutzung der Anlage und jeweils 10.000 Euro für Material- und Personalkosten bzw. als Ausgleich für die ausbleibenden Einnahmen durch die Touristen in der Zeit des Turniers.

Darüber hinaus sollte der Gastgeber weitere Kosten tragen, etwa die Verlegung der Ladenstraße auf einen Geländeabschnitt, der derzeit noch nicht ans Stromnetz angeschlossen und nicht befestigt ist.

Auch habe man Ustica die Lagerflächen gekündigt, die vor 13 Jahren eingerichtet wurden, um die Organisationskosten zu senken. Ustica habe bereits Anfang 2023 gegen diese Maßnahmen protestiert, aber daraufhin sei gedroht worden, die Europameisterschaften abzusagen.

Absage 2024

Am 27. Dezember 2023 hätte Ustica die besagten 80.000 Euro für das Turnier 2024 entrichten sollen. Doch die Veranstalter befürchteten, dass sie dann ihre Vertragspartner nicht würden zahlen können, die „treu zur Durchführung des Turniers beitragen“ – und von denen die meisten aus der Region stammen. Darum habe man das Turnier absagen müssen.

„Wir bedauern, dass unser Verein, der sich seit Jahren für die Entwicklung des Sports eingesetzt hat, von einem Veranstaltungsort verdrängt wird, zu dessen Entwicklung er maßgeblich beigetragen hat, da das Le Grand Complet nachweislich die einzige Veranstaltung ist, die so viele Besucher nach Haras du Pin lockt“, so Moulin.

15.000 Zuschauer würden jährlich Le Grand Complet besuchen. Das Turnier sei die größte Touristenattraktion des Haras du Pin. Jährlich werden dort rund 40.000 Besucher insgesamt gezählt. Moulin: „Der sportliche, mediale und wirtschaftliche Nutzen des Turniers scheinen von der Geschäftsführung bewusst ignoriert zu werden, denn die Beziehungen haben sich verschlechtert, als Ustica es aus wirtschaftlichen und hygienischen Gründen vorzog, nicht mehr mit den Gastronomen zusammenzuarbeiten, die das ganze Jahr auf dem Gelände ansässig sind, sondern mit anderen Caterern des Orts.“

Moulin weiter: „Nachdem nun 24 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln investiert wurden, wird das Ergebnis zu einem Gewinnbringer, dessen Nutzung für die Veranstalter dieser Branche unerschwinglich ist. Diese Entscheidung ist nicht nur schädlich für externe Organisatoren, sondern vor allem für die ganze Branche und die Region.“

„Der Verlust des Turniers wird schädlich sein für die Region und die Gemeinde. Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Eigentümer versuchen, das Turnier zu stoppen. Aber wir hoffen, dass unser Rückzug in 2024 die Weiterentwicklung des Complet an diesem ikonischen Ort nicht aufhält. Die Leidenschaft der Mitglieder von Ustica ist ungebrochen und wir hoffen, dass wir 2025 von der Rückkehr nach Haras du Pin berichten oder die Verlegung an einen anderen Ort bekannt geben können.“

Das sagt die andere Seite

Das Haras du Pin hat einen Tag nach Veröffentlichung der Absage seitens Ustica selbst eine Presseerklärung abgegeben. Darin wird zunächst ebenfalls der Ausbau der Anlage beschrieben. Weiter heißt es:

„Dieses neue Reitsportzentrum von internationalem Standard und diese neuen Räumlichkeiten bringen natürlich neue Aufgaben und wirtschaftliche Ziele mit sich. Das Haras du Pin hat daher die Anforderungen für Turnierveranstalter überarbeitet, um ihnen einen maßgeschneiderten Auftritt zu ermöglichen und gleichzeitig, die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wurde Ustica eine Vereinbarung über die Buchungsvoraussetzungen vorgeschlagen.“

Da Ustica sich darauf nicht eingelassen hat, sei man gezwungen gewesen, eine Entscheidung zu treffen. Man habe mit der Saisonplanung vorankommen müssen. Unter anderem sei ein CSI im Sommer geplant. Daher habe man das von Ustica vorgeschlagene Wochenende an einen anderen Veranstalter vergeben.

Man bedauere diese Situation. „Denn auch wenn die Beziehungen mit Ustica auf administrativer Seite immer kompliziert waren, war der sportliche Teil unter der Leitung von Pierre Le Goupil und Guillaume Blanc doch immer gegeben.“ Das Haras du Pin sei „bereit, Ustica 2025 wieder aufzunehmen“.

Klingt nicht so, als sei für 2025 schon alles in trockenen Tüchern für das Vielseitigkeitsturnier auf dem Schauplatz der Weltmeisterschaften 2014 und der Europameisterschaften 2023.

 

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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