Michael Jung hat zum dritten Mal die olympische Goldmedaille in der Vielseitigkeit gewonnen. Das gab es noch nie. In einem hochklassigen Finale vor der grandiosen Kulisse des Schlosses von Paris hat Jung mit dem Hannoveraner Chipmunk bis zum letzten Sprung die Nerven behalten. Der Australier Christopher Burton gewann mit Shadow Man Silber vor Laura Collett (GBR) und London. Julia Krajewski und Nickel beenden die Olympischen Spiele Paris auf Rang elf.
Momente, in denen Geschichte geschrieben wird, folgen eigenen Gesetzen. 24 Ritte lang hieß es warten auf diesen einen Moment. Warten, auf weniger als eine Minute, in deren Verlauf aus Michael Jung, dem zweifachen Einzel-Olympiasieger von London und Rio der Mann wurde, der das erste Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele dreimal Gold in der Einzelwertung hat gewinnen können. Eine lebende Legende dank dreimal Gold.
Jung und sein Hannoveraner Chipmunk hatten es spannend gemacht. Im Mannschaftsspringen hatte der Contendro-Sohn mit der Hinterhand einen Abwurf kassieren müssen. Zuvor hatte Konkurrentin Laura Collett mit ihrem Wallach London den letzten Sprung nicht fehlerfrei überwunden. Ein Springen stand aber noch an.
Olympiagold Nummer drei für Michael Jung
In der Entscheidung, dem Parcours für die besten 25 Einzepaare, standen neun Hindernisse mit zwölf Sprüngen. Eine Dreifache Kombination kam früh im Parcours, kurz vor Schluss wartete eine Zweifache Kombination. Fast alle Hindernisse hatten die Maximalabmessung 1,30 Meter. Insgesamt war dieser Parcours etwas leichter als der im Mannschaftsfinale, das die Briten gewannen. 17 Reiter/Pferd-Kombinationen blieben im Einzelspringen ohne Abwurf. Sieben Paare mussten Zeitfehler in Kauf nehmen.
Als Michael Jung ins Stadion ritt, brauste Jubel auf. Ausführlich erläuterte der französische Ansager, dass Michael Jung Geschichte schreiben könnte, Stichwort drittes Olympiagold. Jung nutzte die Zeit, um Chipmunk noch einmal an einige Hindernisse heranzureiten. Dann ging es los, das Stadion verstummte. Nur eine Stimme war zu vernehmen. Die kam aus der Kiss-and-Cry-Corner und gehörte Marcus Döring, dem Disziplintrainer Springen der deutschen Vielseitigkeitsreiter.
Keiner fiebert mit wie Marcus Döring
Als Michael Jung und Chipmunk an der kurzen Seite, hinter der majestätisch die Fassade des Schlosses von Versailles grüßte, abbog und Sprung 6, einen Oxer mit zwei Stangen und unten einem Gatter mit den olympischen Piktogrammen, anritt, konnte Döring nicht anders: „Brrrrrrrrrr“, ließ er seine Lippen flattern. Auf den 20,50 Metern zum folgenden Steilsprung kam ein „hohohohoho“ vom Podest am Einritt. „Chip“ und „Michi“ hörten es vermutlich nicht. Aber sie überwanden den schmalen roten Steilsprung – „Moulin Rouge“, an den Seiten Can Can-Tänzerinnen à la Toulouse Lautrec, die die Röcke lupften – ohne Tadel. Dann noch die Zweifache Kombination und schließlich der einladende Olympia 2028 Oxer, über den der Hannoveraner Chipmunk ins Ziel flog,
Drittes Gold und wacklige Knie
„Ich hab wacklige Knie“, so Jung nach dem Ritt, „und ich bin meinem Pferd so wahnsinnig dankbar. Ich habe nicht alle Linien ideal hinbekommen und dann hat er mich so richtig gerettet auf der letzten Linie, am letzten Sprung“.
Ohrenbetäubender Lärm im Stadion, die knapp 16.000 Zuschauer sprangen von den Sitzen. Jung zückte die Kappe, galoppierte strahlend durch das Rund. Währenddessen machte sich die Spannung in der deutschen Vielseitigkeitsabordnung mit Umarmungen und Freudensprüngen Luft. An einer Seite, aber nicht mittendrin im Tumult: Joachim Jung, strahlend aber beherrscht, der Mann, der das Talent seines Sohns erkannt und immer gefördert hatte. Immer an „Michis“ Seite, wie die gesamte Familie. Bis zu diesem Moment, an dem Michael Jung den Olymp buchstäblich erklommen hat. Wieder einmal.
Nächstes Ziel: Wieder Olympia, 2o28 in Los Angeles. Dort könne er es sich durchaus auch vorstellen, im Springteam dabei zu sein. „Das wäre ein weiterer Traum“.
Grandioses Podium
So wie Michael Jungs heutiger Ritt es nahezu unvorstellbar erschienen ließ, dass er und der Hannoveraner Chipmunk gestern in unter neun Minuten über den fantastischen Kurs von Designer Pierre LeGoupier galoppiert waren, so mühelos auch die Parcoursvorstellungen des Australiers Christoph Burton mit dem Belgier Shadow Man. Im März dieses Jahres hat Burton, der das Pferd nur für diese Saison geleast hat – „ich behalte ihn, wenn ihn jemand für mich kauft“ –, den Wallach in Montelibretti erstmals in einem CCI3*-S geritten.
Die erhoffte Olympiaqualifikation klappte dann nur auf Umwegen, quasi auf Alternativen, weil es auf dem direkten Weg „Vorbeilaufer“ gegeben hatte. Erst in Strzegom im April war das erforderliche Ergebnis da. Anschließend siegte das Paar in Millstreet beim Nationenpreis. Der Start war verpflichtend, um nominiert zu werden. Der Brite Ben Hobday hat den Fuchs, ein Sohn des Fidjy of Colors (v. Le Tot de Semilly), in den Sport gebracht und sogar in Badminton geritten.
Silber gewonnen, Pferd kurz vor der Abreise
Dem 42-Jährigen gelang das Kunststück, zu seinem Dressurergebnis (22,0) im Mannschaftsspringen lediglich 0,4 Strafpunkte für eine angefangene Sekunde, die er zu spät ins Ziel kam, hinzuzufügen. Burton, der (noch) in Südengland lebt, war lange Zeit einer der erfolgreichsten Vielseitigkeitsreiter der Welt, Fünfter und Team-Bronze bei den Olympischen Spielen von Rio. Dann hatte er sich ausschließlich der Springreiterei gewidmet.
Der Leasingvertrag für Shadow Man läuft nach den Spielen aus. „Es bricht mein Herz“, sagt der sonst immer für sein einnehmendes Grinsen bekannte Australier, „aber nach diesem Event geht er zurück nach Hause“. Kurz hält Burton inne. „Er ist das wunderbarste Geschöpf, das man sich vorstellen kann“. Burton bereitet sich darauf vor, mit seiner Familie zurück nach Australien zu ziehen. Eine Reitanlage ist im Entstehen.
Burton selbst bleibt erstmal noch in Versailles. Er ist auch als Reservereiter der australischen Springmannschaft nominiert. „Meine Stute steht in Jardy“, er wäre bereit einzuspringen, wenn vonnöten.
Die dritte Medaille für Laura Collett
Die Britin Laura Collett und der großrahmige Holsteiner London hatten die Dressur gewonnen (17,5) mit einem Ritt, der Seinesgleichen suchte. So muss eine Vielseitigkeitsdressur aussehen! Auf der Geländestrecke „verbummelte“ Collett, die schon 2021 Teamgold in Tokio gewonnen hatte, ihre Pole Position: Zwei Sekunden über der Idealzeit bedeuteten 0,8 Minuspunkte, zu denen aus dem Teamspringen dann 4,8 für einen Abwurf am letzten Hindernis und weitere Zeitfehler hinzugekommen waren.
Julia Krajewski: „so stolz auf Nickel“
Julia Krajewskis Nickel war vor zwei Jahren noch das Spaßpony. Einer, der mit nach Aachen fahren durfte fürs Jump and Drive. Doch irgendwann fühlte die Olympiasiegerin von Tokio, dass „da mehr drin steckt“. Nickel begann mehr zu galoppieren und revanchierte sich für die Beförderung mit einem Deutschen Meistertitel 2023 und dem Sieg in Aachen 2024. Ein Manko hatte der gerade erst zehn Jahre junge Holsteiner: Das Springen gelang nicht immer ohne Abwurf.
Ein Numero Uno-Sohn wird zur Nummer eins
In Versailles ist der Numero Uno-Sohn Tag für Tag besser geworden: „Ich bin einfach völlig begeistert von Nickel. Also mit jedem Mal, das ich da drauf sitze, habe ich das Gefühl, ist er nochmal besser und nochmal gewachsen. Jetzt die zweite Runde ist er noch besser gesprungen als die erste, obwohl ich eigentlich gar nicht so ideal geritten bin“.
Während es für Michael Jung um das dritte Gold ging, war Krajewski mit anderer Zielsetzung unterwegs. Nach guter Dressur (29,6) und einigen Zeitfehlern auf der Geländestrecke waren die beiden als Pathfinder (31,7) im Parcours nur in der Teamwertung etwas langsam (32,1).
Als Elfter die Olympischen Spiele, die so anders als die Masken-Spiele 2021 waren, abzuschließen – ein Traum! „Ich konnte es auch wirklich genießen, jetzt mal mit so einer Kulisse. Die gab es ja in Tokio nicht und je weiter man dann vorne liegt, desto mehr Druck macht man sich natürlich auch selbst. Aber jetzt konnte ich einfach reinreiten und sagen, okay, das machst du jetzt hier für dich und für dein Pferd, und das war echt cool und hat richtig Spaß gemacht!“
So schön ist der Vielseitigkeitssport
Der Entscheidungstag hätte vom Marketing-Team des Weltreiterverbandes nicht besser erdacht werden können: Athletische Pferde, sensationelle Reiterinnen und Reiter – absolut auf Augenhöhe, natürlich. Es war der Abschluss eines olympischen Vielseitigkeitsturniers, das nahtlos an die Geländeprüfung anschloss, die in Sachen Begeisterung für den Pferdesport Maßstäbe gesetzt hat.
Alles auf einen Blick in Sachen Olympia 2024, Reiten und Zeitplan
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Wenn man nur mal den Sostmeier als Kommentator austauschen würde.
Dann wäre auch vielen geholfen.
Sorry, aber nerviger gehts echt nicht, ich kanns nur ohne Ton anschauen.