Olympia 2024: Team Deutschland auf Medaillenkurs nach Vielseitigkeits-Dressur

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Olympic Games 2024

Laura Collett (GBR) und London liegen in Führung nach der Dressur. (© Pauline von Hardenberg)

Mit einem zweiten Platz nach der Dressur hat sich das deutsche Vielseitigkeitsteam noch alle Chancen auf einen hohen Medaillenplatz gewahrt. Die Briten haben souverän die Führung übernommen. Mit 76,10 Minuspunkten liegen Michael Jung auf Chipmunk (17,80, Platz zwei), Julia Krajewski auf Nickel (26,90, Platz 15) und Christoph Wahler auf Carjatan (29,40, Platz 21) auf Teamplatz zwei hinter den hochfavorisierten Briten (66,68). Dritter nach der Dressur sind Frankreich (80,3) vor Neuseeland (83,00), Japan (87,40) und USA (88,90)

Julia Krajewski auf Nickel hatte als erste Starterin des Tages den schwersten Job. Das Bodenpersonal war noch nicht so eingespielt, wie man es bei Olympischen Spielen erwarten könnte. Der Countdown von 45 Sekunden lief nicht, als die Glocke zum Einreiten bimmelte war da Viereck noch nicht offen, als Nickel schon fast davor stand. Sie lieferte einen hochprofessionellen, sicheren Ritt ab, ließ keinen Punkt liegen, alle schweren Lektionen wie Traversalen gelangen vorzüglich und auf den Punkt. Der zehnjährige Holsteiner v. Numero Uno – im Vergleich zu anderen mit der geringsten internationalen Erfahrung – verspannte sich nur kurz in einer Ecke, wo eine offenbar furchterregende Kamera aufgebaut war. Einigen späteren Pferden ging es genauso. Krajewski spielte ihre ganze reiterliche Qualität und Erfahrung aus und freute sich über ihr kooperatives ehrliches Pferd. „Nickel will immer alles richtig machen“, sagte sie. Aber die Noten waren strenger als bei Paaren später am Tag.

Hervorragend fing auch der zweite deutsche Reiter, Christoph Wahler auf dem 15-jährigen Holsteiner Carjatan v. Clearway an, das sah zunächst nach einem neuen persönlichen Bestergebnis aus. Der gangstarke Schimmel imponierte mit ausdrucksvollem Trab, kadenzierten Traversalen, guten Verstärkungen. Auch der starke Schritt war gut, doch dann heizte sich Carjatan auf, der versammelte Schritt fand quasi nicht statt. Wahler blieb bei dem Aussetzer ganz ruhig, klopfte sein Pferd kurz am Hals. Zum Angaloppieren im Außengalopp an der kurzen Seite war die Harmonie wieder hergestellt und die Galopptour wieder sehr gut. Aber sowas kostet natürlich Punkte.

Es lag jetzt an Michael Jung als drittem Reiter, sich selbst und das deutsche Team so weit wie möglich nach vorne zu bringen. Und das gelang dem dreifachen Olympiasieger hervorragend. Der 16-jährige Hannoveraner Chipmunk v. Contendro I schwang in wunderarer Silhouete durchs Viereck, in leichter Anlehnung, das Genick immer der höchste Punkt. „Chipmunk war phantastisch zu reiten heute, er hat sich so groß gemacht, war die ganze Zeit bei mir. Ich bin sehr happy, wie er gegangen ist. Es lief alles perfekt nach Plan. Ich glaube wir haben in der Vorbereitung und in der Prüfung alles richtig gemacht.“

Die vorläufige Führung übernahm die Britin Laura Collett, Mannschaftsolympiasiegerin von 2021 in Tokio, mit dem 15-jährigen Holsteiner Landos-Sohn London (17,50). Das routinierte Paar bot eine reife, sichere Vorstellung, auf den Punkt genau, manchmal etwas eng im Hals. Nur sie und Jung blieben unter 20 Minuspunkten und man hätte sich die Reihenfolge auch umgekehrt vorstellen können.

Zweitbeste Britin wurde die amtierende Europameisterin Rosalind Canter auf dem Grafenstolz-Sohn Graffalo mit 23,40 Minuspunkten auf Platz sechs. Ein sicherer Ritt, aber mit wenig Elastizität und deutlicher Spannung bei zwei Galoppwechseln. Tom McEwen, der als erster britischer Reiter auf dem Holsteiner Dublin v. Diarado einritt, war mit seinen 25,80 Punkten gut bedient. Das Pferd ging zwar deutlich vor der Senkrechten, aber gelegentlich auch über dem Zügel und ohne schwingenden Rücken.

Auf Platz drei rangieren zurzeit die Gastgeber aus Frankreich (80,3) vor Neuseeland (83,00) und Japan (87,40). Da das Pferd des italienischen Reiters Emilio Portale wegen Blutes im Maul nach dem Ritt eliminiert wurde, liegt sein Team nun auf dem letzten Rang 16. Er kann zwar im Cross starten, weil die FEI darin kein tierschutzrelevantes Verhalten sieht, bekommt aber 100 Minuspunkte, und reitet nur noch fürs Team nicht mehr um einen Einzelplatz.

Aussichtsreiche Plätze unter den Top Ten erkämpften sich der Hongkong-Chinese Alex Hua Tian auf dem Belgier Jilsonne van Bareelhof, ein besonders elegantes Paar, und der Australier Christopher Burton auf Shadow Range, mit 22,00 Punkten gemeinsam auf Rang drei.

Doch allen ist klar: Morgen im Gelände werden die Karten neu gemischt. Eine Gleichung mit einigen unbekannten ist der Boden, präparierte Graspiste wechselnden Sandstellen. „Wir kennen den Boden, hier gab es noch nie ein Turnier,“, sagt Christoph Wahler. Ausgiebiger Regen in der Nacht zum Samstag auch den ganzen Tag über, könnten die Piste aufweichen, und ein Problem für die späteren Reiter werden. Und auf einmal ist die Startnummer eins von Julia Krajewski vielleicht gar nicht mehr so schlecht.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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