Weltmeisterin Yasmin Ingham siegt vor Michael Jung im Busch von Aachen

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CHIO AACHEN 2023

Michael Jung und Chipmunk, Zweite in der Vielseitigkeit beim CHIO Aachen 2023 (© von Hardenberg)

Die Zeit war knapp, das Wetter schlecht, trotzdem wurde das CCIO4* in der Soers für die deutschen Vielseitigkeitsreiter zu einem triumphalen Tag. In der Einzelwertung musste ein Olympiasieger einer Weltmeisterin den Vortritt lassen.

Bundestrainer Peter Thomsen hatte den Erfolg auch nach der Siegerehrung noch nicht realisiert, zu sehr war er damit beschäftigt, die einzelnen Ritte seiner Schützlinge im Geiste noch einmal durchzugehen. Immer auch mit dem Auge dessen, der hier vor ein paar Jahren noch selbst unterwegs war und weiß, wie sich das Gelände am Rande des Turnierplatzes in der Aachener Soers anfühlt. „Richtig begreifen werde ich das erst heute Abend, wenn wir feiern“, sagte er.

Klasse Teamleistung

Immerhin kann er nach der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr gleich zu Beginn seiner Trainerlaufbahn nun den nächsten beachtlichen Erfolg einfahren, Aachen ist ein Meilenstein auf dem Weg zum jeweiligen Championat. Mit 104,9 Punkten stand das Gasteberteam aus Michael Jung auf Chipmunk (27,2, Platz 2), Christoph Wahler auf Carjatan (35,2, Platz 4. ), Malin Hansen-Hotopp auf Quidditch (42,5, Platz 12) und Sandra Auffarth auf Viamant de Matz 48,3, Platz 17) an der Spitze der acht Teams, die durchweg hochklassig besetzt waren. Zweite wurden die USA (108,2) vor Großbritannien (136,6).

von Hardenberg

Malin Hansen-Hotopp und Quidditch waren das erste Mal im Aachen Team. Sie hatten sichtlich Spaß im Gelände (© von Hardenberg)

Yasmin Ingham, amtierende britische Weltmeisterin, legte auf dem zwölfjährigen Banzai du Loir den Grundstein für ihren Sieg bereits in einer sauberen sicheren Dressur, kassierte im Springen lediglich zwei Zeitfehler und ritt auch im Gelände zusammen mit Christoph Wahler mit nur 1,6 Zeitfehlern in 6:59 Sekunden eine Zeit, die niemand unterbieten konnte. Wahler trat mit der Hypothek einer Dressur unter Wert an, 33,6 Minuspunkte, das kann der 14-jährigen Holsteiner Clearway-Sohn besser. Der Parcours war makellos, im Gelände zog Carjatan unbeirrt seine Bahnen, selbst als beim Aufsprung auf einen Wall mit trockenem Graben davor der Holsteiner mit den Hinterbeinen etwas hängen blieb. Ein Weltklasse-Eventer und sicherer Kandidat für die Europameisterschaft in sechs Wochen im französischen Haras du Pin.

Knappe Zeit

„Wir wussten von Anfang, dass die Zeit extrem schwer zu erreichen sein würde“, sagte Wahler nach seinem Ritt. „Und am Ende muss man sagen, dass wir unsere Pferde über viele Jahre dafür ausbilden, dass wir an so einem Tag auch ein gewisses Risiko eingehen können. Es ist Aachen und wir wollten natürlich mit der Mannschaft nach vorne kommen. Deswegen bin ich heute ein, zwei Risken eingegangen, in dem Wissen, dass mein Pferd unheimlich erfahren ist. Und wie er dann mein Vertrauen rechtfertigt, das ist unheimlich schön und macht mir ganz viel Spaß.“

Die Zeit erwies sich als eine der schwersten Hürden für die 44 Starter. Kein Reiter blieb innerhalb der geforderten 6:55 Minuten, das mag am Boden gelegen haben, der bei Regen während des Tages gerade in den Wendungen zunehmend rutschiger wurde. Es sei vielleicht auch etwas knapp gemessen worden, mutmaßte Michael Jung, der auf dem 15-jährigen Hannoveraner Contendro I-Sohn Chipmunk 7:02 Minuten brauchte, genauso lange wie die Dritte, die beste US-Reiterin, Tamra Smith auf dem 17-jähringen DSP- Wallach Mai Baum v. Loredano. Das bessere Dressur- und Springergebnis von Jung gab hier den Ausschlag. „Chipmunk hatte ein Eisen verloren, wohl schon nach dem ersten Wasser,“ sagte Jung, „Das war sehr ärgerlich, weil es natürlich dann schwer wird, bei so einem Boden schnell zu reiten. Trotzdem hat alles super geklappt.“

Top-Teampremiere für Hotopp

Malin Hansen-Hotopp auf dem elfjährigen Holsteiner Quidditch v. Quiwi Dream war vor vier Jahren zwar schon in der Soers zu Gast gewesen, ritt aber nun zum ersten Mal in der Team-Verantwortung. Nach guter Dressur, leider zwei Springfehlern und einer zügigen Geländerunde erfüllte sie fast alle Erwartungen. Durch exzellente Erfolge, unter anderem den Sieg im CCI-L4* in Blenheim in der vergangenen Saison, hat sich die Mutter dreier Söhne, die jetzt in Mecklenburg-Vorpommern lebt, bereits nachhaltig ins Visier des Bundestrainers geritten, sodass die Berufung ins EM-Team keine Überraschung wäre. „Mein Pferd ist einfach mega. Ich habe heute nicht ganz so toll auf die Tube gedrückt und gedacht, ich will die technischen Aufgaben gut absolvieren und das hat zum Glück alles gut geklappt.“

Blick nach Frankreich

Überraschend lange hingegen brauchte Sandra Auffarth, eine der erfolgreichsten deutschen Buschreiterinnen der letzten zwölf Jahre, für ihren Geländeritt. 17,2 Zeitfehler schlugen zu Buche für einen Ritt, der von Anfang an nicht auf letztes Risiko und Tempo angelegt war. Es war nach dem vierten Platz beim Fünfsterne-Event in Kentucky im Frühjahr 2023 der erste Start für den 14-jährigen Franzosen Viamant du Matz v. Diamant de Semillly. „Mein Pferd fühlte sich sehr gut an, es war sehr konzentriert. Zeitlich wäre heute überall etwas drin gewesen, aber ich habe es von Anfang an ruhiger angehen lassen nach der Pause. Logischerweise, denn das nächste Ziel sind ja die Europameisterschaften“.

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Sandra Auffarth und Viamant du Matz mit einem Riesensatz über den Graben des Coffin, Sprung 4a, beim CCIO4* in Aachen 2023. (© von Hardenberg)

Als beste deutsche Einzelreiterin konnte sich Anna Siemers auf der 16-jährigen Nobre xx -Tochter Avondale nach einer flotten Geländerunde mit nur 4,4 Zeitfehlern, insgesamt 46,2 Minuspunkten, auf Platz 16 setzen. Zwei Abwürfe im Springen am Abend zuvor hatten noch ein paar Plätze gekostet.

Tolle Debütantinnen

Auch Aachen-Debütantin Rebecca Juana Gerken auf der zehnjährigen Trakehnerstute Solara v. Windfall-Grafenstolz, also Tochter und Enkelin zweier international erfolgreicher Buschhengste, gelang eine schnelle hindernisfehlerfreie Geländerunde, Platz 20 mit 50,8 Punkten. Drei Abwürfe im Springparcours vereitelten ein besseres Endergebnis.
Eine weitere Debütantin in der Soers, die 22-jährige Libussa Lübbecke, kassierte an Sprung 18B, einer schmalen Buschhecke, 15 Strafpunkte, für eine „Missed Flag“, (58.1, Platz 27,).

Nicolai Aldinger auf dem 13-jährigen Holsteiner Timmo v. Timolino xx wurde mit 58,8 Strafpunkten 29., auch hier schlugen drei Abwürfe im Springen zu Buche. Der 22-jährige Calvin Böckmann, auch er ein Aachen-Neuling, schied nach Sturz an Sprung 10 A aus. Sein Pferd Altair de la Cense kam an der schmalen Buschkombination im Wasser ins Straucheln, Reiter und Pferd blieben unverletzt. Das gilt auch für alle anderen Stürze auf der Geländestrecke.

Während die Deutschen mit vier ordentlichen Ergebnissen nach Hause kamen, lief in den anderen Teams nicht alles nach Wunsch. Der britische Silbermedaillengewinner von Tokio 2021, Tom McEwen ging auf dem zwölfjährigen Holsteiner Diarado-Sohn Dublin als Führender und damit letzter Reiter auf die Strecke. Alles sah super aus, bis ihm an Sprung 16C im „Turkish Airline Komplex“, einer Kombination genauso schmaler wie weiter Hindernisse, der Schwarzbraune ohne ersichtlichen Grund an dem schmalen Sprung vorbeiwischte. Ohne das Missgeschick, dass auch noch 13,6 Zeitfehler nach sich zog, hätte es fürs deutsche Team eng werden können.

Etwas viele Ecken und schmale Sprünge

Parcourschef Rüdiger Schwarz war am Ende nur teilweise zufrieden mit seinem Kurs und dem Ergebnis der Prüfung. „Ich würde heute weniger schmale Sprüngen hinstellen“, sagte er selbstkritisch. „Aber ich habe versucht, alle Aufgaben einzubauen, die auch bei Championaten abgefragt werden.“ Die gedrängten Hinderniskomplexen, in denen bereits die verwirrenden Holzlabyrinthe für die Vierspänner standen, boten TV-spannende Bilder. Aber bei vielen Pferden ging der Rhythmus verloren. Die vielen sehr schmalen Sprünge und Ecken, manche bergab und in Wendungen, einmal beides zugleich, erforderten maximale Konzentration bis zum Schluss. Manche Pferde, die ansonsten willig sprangen, hatten irgendwann die Nase voll. „Ich würde heute den Pferden ein paar mehr Erholungssprünge einbauen“, sagte Schwarz. Er wehrte sich allerdings gegen den Vorwurf, die Strecke sei zu knapp gemessen worden. „Viele Reiter vergessen, dass die Pferde im Wasser automatisch langsamer werden, das kostet halt Zeit“, sagte er.

Fakten und Zahlen

Die Statistik meldete am Ende elf erste Verweigerungen, sechs „Missed Flags“, also eine Pferdeschulter war nicht innerhalb der Flaggen geblieben (wohl aber Kopf und Hals, sonst wäre es eine Verweigerung, die nicht nur mit 15, sondern mit 20 Punkten geahndet wird), zwei Reiterstürze, ein Pferdesturz, fünf Eliminierungen wegen Stürzen oder mehrfachen Verweigerungen, einmal wegen Auslassens eines Hindernisses.
Frankreich ruft zweifach
Nach dem vorletzten EM-Test, der allerletzte ist in Jardy (Frankreich) in zwei Wochen, können Peter Thomsen und seine Mannschaft jedenfalls zuversichtlich Richtung Frankreich auf die EM von 10. bis 13. August blicken. Dort dürfen sechs Reiter pro Nation starten, also doppelt so viele wie im nächsten Jahr nach Paris zu den Olympischen Spielen reisen werden. Und für alle eine vorolympische Bewährungsprobe.

Die Einzelergebnisse des Vielseitigkeits-Nationenpreis in Aachen 2023 finden Sie hier. Und hier das Mannschaftsresultat.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

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