Die Hannoveranerin Doris Day ist neue Bundeschampionesse der dreijährigen Stuten und Wallache. Allerdings ging ihr Erfolg etwas unter angesichts einer Richterentscheidung im ersten Final-Teil, die für große Empörung beim Publikum sorgte.
Als Damon’s Delorange, die Vollschwester zu Damon’s Divene, die gestern Bundeschampionesse bei den Vierjährigen wurde (v. Damon Hill-Rubin-Royal), mit ihrer Reiterin Helen Langehanenberg das Viereck betrat, um sich den Richtern für das abschließende Vormustern zu präsentieren, wurde sie mit großem Applaus begrüßt. Der Kommentar von Dr. Dietrich Plewa gab dem Publikum zunächst Recht. Er lobte die Westfalenstute für ihren hocheleganten, charmanten und imponierenden Typ sowie für ihre große Qualität. Das schlug sich in einer Gebäudenote von 8,5 nieder.
Aus der Traum vom Finale
Dann kam er zu der Trabnote. „Leider war die Stute nicht immer losgelassen, zeigte ein etwas exaltiertes Hinterbein und kreuzte die Hinterbeine auch bisweilen. Das ist sicherlich das Resultat noch mangelnder Balance und fehlender Kraft. Note: 7,0.“
Ab diesem Moment konnte Plewa sein Mikrophon erst mal ausstellen das Publikum übernahm die Kommentierung durch empörtes Pfeifen. Erklärungsversuche: „Vielleicht sehen die Richter direkt am Vierecksrand das etwas besser, wenn sie die Bewegungen von hinten sehen.“ Dafür erntete er gleich den zweiten „Anpfiff“. Worte wie „Frechheit“ und „Unverschämtheit“ waren auf den Rängen zu vernehmen.
Ein bisschen Wiedergutmachung leistete die Jury, die sich aus Peter Holler, Dr. Carsten Munk sowie Reinhard Richenhagen zusammensetzte, bei der Bewertung der restlichen Kriterien. Für den Galopp gaben sie eine 9,0, für den Schritt auch. Der Ausbildungsstand und der Gesamteindruck mit Temperament und Harmonie wurde dann mit 8,0 beurteilt. Machte im Schnitt eine 8,25 bzw. 49,5 Punkte und das Ende der Final-Träume, die nächsten Pferde betraten die Bahn. Vom Richterturm hieß es: „So meine Damen und Herren, jetzt haben sie noch einige Minuten, um sich auszutauschen.“ Was auch geschah. Mit diesem Ergebnis war das Warendorfer Publikum am Reitpferde-Viereck nicht einverstanden.
Das sagt der Besitzer
Empört war auch der Züchter und Besitzer von Damon’s Delorange, Christian Becks. Er hatte wenig Verständnis dafür, dass sein Pferd in der Qualifikation eine 8,0 im Trab erhielt (wo die Stute mit insgesamt 8,5 Zweite wurde, Anm. d. Red.), und dann von einer neuen Richtergruppe um eine ganze Note im Trab heruntergestuft wurde. Das empfand er als „Frechheit“! Becks räumte ein: „Sicherlich fehlt es der Stute noch an Kraft. Sie hat hier ihren dritten öffentlichen Auftritt und wurde erst im Mai angeritten.“
In einer ähnlichen Situation befand Becks sich vor einigen Jahren schon einmal, als er Damon’s Deloranges Vater, Damon Hill, bei den Reitpferde-Hengsten präsentierte. „Der hat es auch nicht ins Finale geschafft. Ihn haben sie schlicht übersehen.“ Ein paar Jahre später wurde Damon Hill zweimal hintereinander Weltmeister der Jungen Dressurpferde und holte sich aktuell den zweiten Platz beim Mediencup-Finale. Insofern können sich alle, die mit dem heutigen Richterurteil nicht einverstanden sind, mit dem guten alten Spruch trösten: „Immer langsam mit den jungen Pferden!“
Damon’s Delorange und ihre ein Jahr ältere Schwester haben jetzt jedenfalls erst mal acht Wochen Weidepause.
Die Siegerin
Angesichts dieses Vorfalls ging der Auftritt der späteren Bundeschampionesse, der Hannoveranerin Doris Day v. Desperados-Brentano II (Z.: Heinrich Ramsbrock, Menslage), fast ein wenig unter. Dabei ist die Braune sehenswert. Ihren Körperbau ein „idealtypisches Modell mit wunderbaren Proportionen“, bewerteten die Richter mit 9,0.
Im Trab lobten sie die große Elastizität und die sichere Balance auch in den Wendungen sowie den unerschütterlichen Takt. In den Verstärkungen hätten sie etwas mehr Geschlossenheit gewünscht, so dass sie „nur“ eine 8,5 gaben.
Der Galopp zeichnete sich durch gutes Unterspringen in gleichbleibendem Rhythmus aus. Kleines Manko hier: Gelegentlich kam die Stute etwas auf die Hand. Note: 8,5.
Der Schritt ist „nahe am Ideal, wenn auch zu Anfang nicht ganz losgelassen.“ Weil sich das im Laufe der Prüfung legte, gab es hier eine 9,5.
Dass die Stute sich zu Beginn der Aufgabe auf dem ersten Bogen der drei Schlangenlinien durch die Bahn einmal energisch den Reiterhilfen entzog, indem sie Hermann Burger „die Hand nahm“ und sich frei machte, ahndeten die Richter in der Ausbildungsnote. „Zu Anfang war die Stute noch etwas unzufrieden. Aber das gab sich im Laufe der Vorstellung, so dass es hier eine 8,0 gibt“.
Zusammen mit einer 8,5 für die Harmonie der Vorstellung kam Doris Day auf einen Notendurchschnitt von 8,67 bzw. 52 Punkten die deutliche Führung vor dem Fremdreiter-Test.
Dass die Auftritte vor der besonderen Kulisse der Bundeschampionate mit Übernachtung im Stallzelt usw. nicht spurlos an dreijährigen Pferden vorbeigehen, zeigte sich im Fremdreiter-Test bei allen drei Finalisten.
Doris Day, die ja schon am Vormittag unter Hermann Burger ihrem Unmut einmal Luft gemacht hatte, wirkte lustlos und bekam die niedrigsten Testreiter-Noten aller drei Kandidaten: 17,0 Punkte. Ihr komfortabler Vorsprung von heute Vormittag bescherte der Stute, die in diesem Jahr bereits einige öffentliche Auftritte für sich entscheiden konnte (Hannoveraner Championat, Friedrich Jahncke-Schau, Herwart von der Decken-Schau), zusätzlich den Titel der Bundeschampionesse.
Silber
Platz zwei im Finale ging nach Oldenburg, an den Landeschampion und Vechtaer Auktionskandidaten Diary Dream v. Duino-Rubinstein (Z.: Hans Albers, Emstek) unter Heiko Klausing. Für sein „großliniges, bergauf konstruiertes Exterieur mit schönem Hals“ vergaben die Richter die Note 8,5.
Große Stärken sahen sie auch in Trab und Galopp, die mit 8,5 bzw. 9,0 bewertet wurden. „Deutlich zu erkennen, war das große Potenzial des Pferdes in den Trabverstärkungen.“ Weiteres Lob erntete Diary Dream für seinen unerschütterlichen Takt im Trab mit viel Schub sowie für den runden Bergauf-Galopp. Der Schritt zeichnete sich durch sicheren Takt aus, der etwas mehr durch den Körper gehen könnte 8,0. Zusammen mit einer 8,0 für den Bereich Ausbildung und der 8,5 für den Gesamteindruck kam Diary Dream im Finale Teil B auf 50,5 Punkte Gleichstand mit Rock for Westfalia.
Diary Dream erhielt von den beiden Testreiterinnen die höchste Berwertung: Glatte 18 Punkte. Das bescherte ihm die Silbermedaille mit insgesamt 68,5 Zählern.
Bronze
Das „herrliche, großlinige und trockene Reitpferdemodell“ Rock for Westfalia, Westfalen-Stute v. Rock Forever-Weinberg (Z.: Friedrich Vekens, Welver) unter Henrike Sommer, gewann die Bronzemedaille. Dieser positive Eindruck der Richter schlug sich ein einer 8,5 als Gebäudenote nieder.
Für den geregelten Trab, der sich laut Kommentar durch energisches Abfußen der Hinterhand auszeichnete, aber in den Trabverstärkungen etwas mehr Schub vertragen könnte, gab es eine 8,0.
Die Note im Galopp lautete 8,5. Gelobt wurden der gute Rhythmus und das weite Unterspringen.
Nah am Ideal war auch bei Rock for Westfalia der Schritt, wo die Stute mit großem Raumgriff in unerschütterlichem Takt, „auch in den Wendungen“ durch die Bahn marschierte 9,5 dafür.
Zusammen mit der 8,0 für den Ausbildungsstand man hätte sich etwas mehr Selbsthaltung gewünscht und der Note für Harmonie und Perspektive von jeweils 8,0, kam die Rock Forever-Tochter auf eine 8,42 bzw. 50,5 Punkte.
Anke Unger und Iris Borchers bewerteten ihr Reit-Gefühl mit insgesamt 17,5 Punkte. Damit belegte Rock For Westfalia Platz drei mit einem halben Punkt Abstand zu ihrem Kollegen aus Oldenburg (68.0).
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