In der Organisation der Bundeschampionate hat es Reformen gegeben. Und bei den Springpferden ist zahlenmäßig die Untergrenze erreicht. Aber Quantität ist ja nicht unbedingt Qualität
Zum ersten Mal zeichnet die Vermarktungsagentur En Garde gemeinsam mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und dem Deutschen Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) verantwortlich für das Konzept der Bundeschampionate. Mit großem Erfolg: Besucher und Teilnehmer sind voll des Lobes über die Verbesserungen. Breitere Wege in der deutlich erweiterten Ladenstraße, mehr hochwertige Angebote im Ausstellungsbereich, vielseitiges und qualitätvolles Angebot im Catering. Statt Schützenfest-Charakter Holzstühle und -tische mit Blumenschmuck, niveauvolles Ambiente sogar am Abreiteplatz für Pfleger und Reiter. Das strahlende Sommerwetter tut sicher ein Übriges dazu, dass die Zuschauerzahlen (nach rückläufigen Zahlen in den vergangenen zwei Jahren) wieder deutlich im Aufwärtstrend liegen.
Deutlich abwärts gehen hingegen die Starterzahlen bei den Springpferden. 131 sechsjährige und 115 fünfjährige Pferde absolvierten am Mittwoch die Qualifikationsprüfungen. Weniger sollten es nicht werden, sagt Springrichter Joachim Geilfuß, Vorsitzender der Deutschen Richtervereinigung. Ursachenforschung ist angesagt und bereits im Gange. Sicher ungünstig, aber vom Veranstalter nur bedingt zu beeinflussen, ist die Terminüberschneidung mit anderen Veranstaltungen. In diesem Jahr z.B. mit der Global Champions Tour in Rio de Janeiro. Marco Kutscher und Philip Weißhaupt sind eigentlich Stammreiter bei den Bundeschampionaten, jetzt aber in Südamerika. Andreas Kreutzer aus dem Stall Schockemöhle ist bereits auf dem Weg nach Calgary, auch er hatte etliche Pferde qualifiziert. Im nahe gelegenen Arnsberg findet ein attraktives Turnier statt, mancher Springreiter, gerade aus dem zahlenmäßig immer stark vertretenen Westfalen startet auch gern am Wochenende mit mehreren Pferden an drei Tagen in verschiedenen Prüfungen als nur mit den Youngstern für fünf Tage in Warendorf zu sein und die anderen im Stall stehen zu lassen. Außerdem günstiger, Bundeschampionat reiten ist teuer.
Allerdings bringen viele Reiter auch das Argument, die Ansprüche an die fünfjährigen Pferde seien beim Bundeschampionat zu hoch, möchten ihren Youngstern die anstrengende Vorbereitung nicht zumuten. Bei dem einen oder anderen mag das eine Schutzbehauptung sein, Tatsache ist, dass die Anforderungen für diese Gruppe überdacht werden müssen. Wir kennen die Einwände der Reiter und haben bereits reagiert, berichtet Joachim Geilfuß. Die Qualifikationsprüfung war deutlich freundlicher als in den vergangenen Jahren, auch die Finalqualifikation war nicht an der Obergrenze. Das ist schon mal gut angekommen. Überdacht werden soll auch die Trostrunde für die Paare, die nicht die Finalqualifikation geschafft haben. Hier gab es unverhältnismäßig viele Ausschlüsse und Aufgebende, eindeutig überforderte Paare. Es ist eine Überlegung wert, hier erheblich mehr darauf einzugehen dass es selten Pech war, wenn die Paare in der Qualifikationsprüfung nicht zu den sechzig Prozent zählen, die zur Teilnahme an der Finalqualifikation berechtigt sind. Die Trostrunde soll eigentlich darüber hinwegtrösten, dass man diese Aufgabe nicht geschafft hat und eine weitere Chance bieten das Kleine Finale zu erreichen. Müssen aber stattdessen Reiter und Pferde anschließend getröstet werden, läuft irgend etwas ganz falsch.
Über Lösungen wird nachgedacht, und wenn das Ergebnis der Überlegungen ähnlich positiv ist wie die Verbesserungen im Ponybereich, wird es ein gutes. Bei den Ponys gab es in den vergangenen Jahren zu viele schlechte Bilder. Ponys oder Reiter (oder beide) waren den Aufgaben oft nicht gewachsen, Handlungsbedarf ist angesagt. In diesem Jahr nun hatten alle qualifizierten Reiterinnen und Reiter mit ihren Ponys im Vorfeld des Bundeschampionats die Möglichkeit an einem Lehrgang mit Bundes-Ponytrainer Peter Teuwen teilzunehmen und bekamen dort noch wertvolle Tipps. Vor der ersten Prüfung in Warendorf durften alle Paare auf den Turnierplatz, den Parcours noch einmal vom Ponyrücken aus besichtigen und unter Anleitung des Trainers einen Oxer und einen Steilsprung überwinden. Das gab den jungen Reiterinnen und Reitern so viel Sicherheit, dass die anschließende Qualifikationsprüfung erheblich bessere Leistungen gezeigt wurden, sowohl Reiter als auch Ponys sichtbar entspannter waren.
Die erdrückende Dominanz der Holsteiner im Springparcours ist Vergangenheit. In den Finalqualifikationen dominierten die Westfalen und Hannoveraner. Die Tageshöchstnote erhielt Akku 2 unter Maurice Tebbel, ein sechsjähriger westfälischer Hengst von Albatros, MV Pep. 8,9 gaben die Richter dem gekörten westfälischen Handorfer Prämienhengst Cum Laude von Cayetano L Pilot unter Joachim Heyer. Zwei Paare beendeten den Parcours mit 8,8, Pikeur Cole Porter, westfälischer Wallch von Cornet Obolensky Cassini I unter Michael Symmangk und Quite Dark 2 unter Hendrik Sosath, Holsteiner Hengst von Quality Alcatraz. OS gebrannt ist Lord Arbentinus v. Lord Pezi Argentinus unter Thomas Heineking, mit 8,7 qualifizierte er sich fürs Finale. Unter Franz-Josef Dahlmann qualifizierte sich der Ratina Sohn Comme il faut, westfälischer Hengst von Cornet Obolensky. Mindestens die Note 8,2 war für den direkten Einzug ins Finale nötig.
Bei den fünfjährigen Springpferden reichte eine 8,1, eine 9,0, also ein sehr gut vergaben die Richter in dieser Altersklasse nicht. Beeindruckend hier die Bilanz von Eva Bitter, die gleich drei Pferde ins Finale brachte. Die Tageshöchstnote 8,8 erzielte sie mit dem Hannoveraner Wallach Argelith Squid von Salito Gibraltar, platzierte in ihrer Abteilung Stalido, Hannoveraner Wallach von Stakkato Calido mit 8,6 auf dem zweiten Platz und den Celler Landbeschäler Bonaventura v. Balou du Rouet Grannus an dritter Stelle, 8,5. In der zweiten Abteilung stand mit 8,7wiederum ein westfälischer Hengst vorn, der For Pleasure Collin L Sohn unter Henrik von Eckermann. Wonka, die Holsteiner Stute v. Caretino Contender, erhielt unter Peer Zielke die 8,6, Platz zwei.
29 Sechsjährige und 27 Fünfjährige schafften den direkten Einzug ins Finale, dazu kommen die fünf besten der kleinen Finals am morgigen Samstag. Sicher werden am Sonntag in den Finals wieder tolle Leistungen gezeigt. Dennoch stellt sich die Frage, ob in Warendorf. wirklich die besten jungen Springpferde am Start sind oder aus dem einen oder anderen Grund zu Hause geblieben sind. An der Spitze ist immer noch Platz, sagt ein Sprichwort. Diese Spitze kann beim Bundeschampionat getrost wieder breiter werden. Wenn dies das Schaufenster der deutschen Pferdezucht bleiben soll, müssen die Besten in die Auslage. Als Schaufenster muss man es denn auch sehen, vorbei die Zeiten, als auf dem Bundeschampionat ein reger Handel mit Springpferden stattfand.
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar