Es waren ganz unterschiedliche Pferde, die heute im Finale der sechsjährigen Dressurpferde die Top drei bildeten. Der neue Bundeschampion heißt Zum Glück, vorgestellt wurde er von dem Niederländer Robin van Lierop. Als einziges Pferd konnte der Oldenburger Hengst den Richtern die Wertnote 10,0 entlocken.
Und die gab es für Zum Glück im Galopp. „Da war ein Galoppsprung wie der andere“, lobte Dr. Dietrich Plewa im anschließenden Kommentar. Zweifelsohne ist der Zonik-Nachkomme aus einer Florestan I-Mutter in allen Gangarten bereits sehr gut ausbalanciert, lässt zudem viel Versammlungsbereitschaft erkennen. Insgesamt zeigte er heute die souveränste Runde aller Finalisten.
Die vier geforderten fliegenden Galoppwechsel gelangen sicher und über viel Boden. Auch in den Seitengängen präsentierte sich Zum Glück schon recht erhaben. Im Trab vergaben die Richter für die mit viel Schulterfreiheit und Schubkraft vorgetragenen Verstärkungen und sauber herausgearbeitete Übergänge zwischen den verschiedenen Tempi eine 9,0. Auf der Diagonalen kam der Hengst großzügig zum Schreiten, blieb dabei stets im Takt (Schritt: 9,5).
Bis auf das erste Halten, bei dem der Hengst ein wenig die Hinterbeine vergaß, unterliefen dem Paar keine größeren Patzer. Das Publikum applaudierte wohlwollend – aber nicht laut genug, wie Dr. Plewa befand. Wermutstropfen war das nicht immer geschlossene Maul des Hengstes. Besonders in den Rückführungen sperrte der Oldenburger mehrfach. Das schlug sich auch in der mit einer 8,5 bewerteten Durchlässigkeit nieder – heute die niedrigste Note für Zum Glück. Für den Gesamteindruck und die Perspektive als Dressurpferd vergaben die Richter eine 9,5, damit lautete die Endnote für das Paar 9,3. Im Vergleich zur Qualifikation, die der Hengst mit einer 8,7 für sich entschieden hatte, war das noch einmal eine deutliche Steigerung.
Zum Glück stammt aus der Zucht von Ullrich Kasselmann. 2017 wurde er über die P.S.I. Auktion für 850.000 Euro an die niederländische Besitzergemeinschaft RS2 Dressage Center de Horst verkauft. Seitdem sitzt Robin van Lierop in seinem Sattel. 2018 waren die beiden schon einmal in Warendorf am Start, belegten im Finale Platz drei. In diesem Jahr durfte Zum Glück die deutsche Pferdezucht auch bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde vertreten, wo er im Finale Neunter wurde.
Platz zwei für ein Pferd „made by Schulze Sutthoff“
Den Vize-Titel gewann ein Pferd, dass körperlich sicherlich noch nicht so gereift ist wie der neue Bundeschampion – dafür aber ebenfalls ganz viel Bewegungsqualität mit sich bringt: Rock Revolution. Das entging auch dem fachkundigen Warendorfer Publikum nicht, das sich lautstark mit Reiter Lars Schulze Sutthoff freute, als die Noten für den Rock Forever-Sohn bekannt gegeben worden. Auch der Westfale konnte sich heute im Vergleich zur Qualifikation (8,3) noch einmal deutlich steigern, erhielt die Gesamtnote 8,8.
Bei den ersten Runden im Viereck schien Rock Revolution noch recht beeindruckt angesichts der nicht ganz einfachen Kulisse, konzentrierte sich dann aber während der Prüfung vorbildlich auf seinen Reiter. „Er ist ein bisschen schüchtern, aber im Viereck immer voll bei mir“, bestätigte dieser dann auch im Anschluss. Eine 9,0 für die Durchlässigkeit war der Lohn. In schöner Anlehnung, ausdrucksstark und mit viel natürlicher Kadenz präsentierte sich der Wallach im Trab: 8,5. Die gleiche Note gab es auch im Schritt, wo sich Rock Revolution vertrauensvoll an die Hand heran dehnte und guten Übertritt zeigte.
Stärkste Gangart war der immer im Bergauf angelegte Galopp, der schon viel Bereitschaft zur Lastaufnahme erkennen ließ (9,0). Auch die gelungenen fliegenden Galoppwechsel und die in guter Stellung und Biegung vorgetragenen Seitengänge bewiesen: Hier reift ein Dressurpferd mit der Perspektive für mehr heran. Für Gesamteindruck und Durchlässigkeit gab es demnach auch zweimal die 9,0.
Es gab einen, der sich am Viereckrand ganz besonders für Pferd und Reiter freute: Bernard Schulze Sutthoff, Vater von Lars Schulze Sutthoff und Züchter sowie Besitzer des Vize-Champions. Mutter Donatella v. Davignon I-Der Clou brachte neben Rock Revolution übrigens schon mehrere erfolgreiche Pferde, darunter auch Emotion, mit der sich Lars Schulze Sutthoff das Goldene Reitabzeichen erritt. „Rock Revolution lernt sehr schnell, auch die fliegenden Wechsel liegen ihm, deswegen bin ich die Saison auch eher ruhig mit ihm angegangen“, erzählte der 25-Jährige. Der letzte Turnierstart des Paares vor dem Bundeschampionat war in Münster-Handorf Ende Juli, wo Rock Revolution zum Westfalenchampion der sechsjährigen Dressurpferde gekürt wurde.
Der sympathische Exot
Einen Holsteiner mit der Abstammung Chin Champ-Calido I würde man naturgemäß eigentlich eher im Parcours vermuten. Dass der bildhübsche Schimmelhengst Caracciola sich aber auch ohne bunte Stangen sichtlich wohl fühlt, bewies er heute einmal mehr unter seiner Reiterin Melanie Tewes. Damit avancierte er nicht nur zum Publikumsliebling, sondern wusste auch die Richter von sich zu überzeugen. Mit der Wertnote 8,6 konnte er den dritten Platz im Finale belegen.
„Es muss nicht immer spektakulär sein, wenn alles stimmt“, eröffnete Dr. Plewa den Richterkommentar – und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn so wie Caracciola stellt man sich ein zufriedenes, losgelassenes und korrekt gerittenes Pferd vor. Immer sicher vor den Reiterhilfen, ganz zufrieden im Maul und fehlerfrei in den Lektionen absolvierte der Hengst die Prüfung. Dementsprechend gab es für die Durchlässigkeit auch ein glattes „sehr gut“ (9,0). Für den raumgreifenden, durch den ganzen Körper fließenden Schritt erhielt der Schimmel ebenso eine 8,5, wie für den Gesamteindruck. Dazu gab es zweimal die 8,5 für Trab und Galopp.
„Es ist schön, dass die Rittigkeit wieder mehr anerkannt wird“, freute sich Melanie Tewes, die den Hengst für das Gestüt Vorwerk vorstellte. Im nächsten Jahr wolle sie mit Caracciola dann in der Klasse S angreifen. „Eigentlich dachte ich, dass ich ein Springpferd gezogen habe“, rief die stolze Züchterin Miriam-Kathleen Haak ihr vor der Siegerehrung noch schnell zu. Springen kann der gekörte Hengst übrigens auch: seinen 14-Tage Test in Neustadt (Dosse) schloss er 2016 als Springsieger ab. Außerdem war auch er in diesem Jahr bei den Weltmeisterschaften der jungen Dressurpferde in Ermelo dabei.
Ballando und Da Costa auf Platz vier
Gleich als erstes Paar hatten Janina Tietze und Da Costa v. Dimaggio-Coriander (Z.: Ludger Budde) das Finale eröffnet. „Ein verheißungsvoller Auftakt“, ließ Dr. Plewa verlauten. Der gekörte Westfale steht im Besitz des niedersächsischen Landgestüts Celle. Für seine Vorstellung, die mit viel Grundschwung und Gleichmaß bestach, vergaben die Richter die Gesamtnote 8,4.
Die drei Grundgangarten und auch der Gesamteindruck wurden jeweils mit einer 8,5 bedacht. Auf eine ausbalancierte Trabtour mit fließenden Seitengängen folgte ein taktsicherer Schritt mit gutem Übertritt. Im versammelten Galopp wünschten sich die Richter noch mehr Lastaufnahme der Hinterhand. Da die fliegenden Wechsel nicht ganz spannungsfrei waren und Da Costa einmal in der Ecke scheute, gab es in der Durchlässigkeit kleine Abzüge: 8,0. Janina Tietze wurde heute zudem mit den Tierschutzpreis für pferdegerechtes Abreiten ausgezeichnet.
Ebenfalls die Gesamtnote 8,4 erzielten Ballando v. Benicio-Le Primeur (Z. u. B.: Hermann-Jürgen Rump) und Eva Möller. Der schicke Hannoveraner wurde 2016 in Verden gekört und hat seitdem erst eine Handvoll Turniere absolviert. Für den „bombensicheren“, durch den ganzen Körper gehenden Schritt zückten die Richter die 9,0. Auch die Bergaufgaloppade mit bedeutenden fliegenden Wechseln erhielt ein sehr gut.
Eine 8,0 gab es für den leichtfüßigen Trab, wobei der Hengst in den Verstärkungen noch etwas mehr unter den Schwerpunkt fußen dürfte. In die 7,5 für die Durchlässigkeit floss mit ein, dass Ballando sich teilweise im Genick verwarf und nicht immer die gewünschte Selbsthaltung zeigen konnte. Darüber hinaus nahm er seiner Reiterin den letzten fliegenden Wechsel nach dem Außengalopp vorweg. Im Gesamteindruck vergaben die Richter noch einmal die 8,5.
Morgen ab 13 Uhr fällt dann die Entscheidung im Finale der fünfjährigen Dressurpferde.
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