Interview mit Westfalens Zuchtleiter Thomas Münch nach der Körung

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Westfälische Hauptkörung

Thomas Münch bei der Westfalen-Körung 2020 (© Sabine Wegener/Equitaris)

In den letzten vier Tagen blickten die zuchtinteressierte Pferdewelt nach Münster-Handorf zur Hauptkörung der Reitpferdehengste. Da war dieses Jahr einiges anders als gewohnt. Wir haben mit Zuchtleiter Thomas Münch über sein Fazit gesprochen, über Selektion und seine Rolle.

Vier Tage lang wurde in Westfalen geschaut und gekört, erst die Dressurhengste, die letzten zwei Tage dann die Springer. Neben den im Vorfeld bereits angekündigten Maßnahmen, etwa dass Gamaschen und Glocken vom Verband gestellt werden, gab es weitere Neuerungen. So wurde die Pflastermusterung gestrichen und die Hengste stattdessen auf der Dreiecksbahn zum Auftakt gezeigt. Am gespanntesten war man aber wohl auf den geänderten Freispring-Modus. Am ersten Tag absolvierten die Springhengste wie gewohnt eine Reihe, am zweiten Tag wurden sie mit einem Einzelsprung in der Mitte der langen Seite konfrontiert, den sie nach kurzem Abstoppen durchs Bodenpersonal an der kurzen Seite selbstständig taxieren mussten. Zuchtleiter Thomas Münch hat uns berichtet, wie die Veranstaltung aus seiner Sicht gelaufen ist. Und noch ein bisschen mehr.

St.GEORG: Herr Münch, wie lautet ihr Fazit nach diesen vier Tagen Körung?

Thomas Münch: Wir waren ja selbst gespannt ob alles so funktioniert, wie wir es geplant und geübt haben, aber wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf und auch den Bildern beim Freispringen. Am Einzelsprung konnten wir wirklich viel erkennen – die guten Hengste haben sich hier noch besser gezeigt. Hengste, bei denen wir in der Reihe schon Zweifel hatten, haben diese Einschätzung am Einzelsprung noch einmal bestätigt – zum Beispiel, was Einstellung, Vermögen oder Technik angeht.

St.GEORG: Trotzdem haben Sie ja eine Menge Hengste gekört …

Thomas Münch: Das ist richtig. Aber ich würde schätzen, von den 19 Hengsten, die wir gestern gekört haben, gehen vielleicht vier in den Deckeinsatz. Letztendlich entscheidet doch der Markt, ob und wie der Hengst genutzt wird.

St.GEORG: So gesehen, bräuchte man dann ja gar keine Körung mehr.

Thomas Münch: Diese Frage kann man in der Tat stellen. Ich denke aber, dass eine Körung nach entsprechender Vorauswahl durch die Körkommission wichtig ist, um ein Spiegelbild des Jahrgangs zu erhalten. Da kören wir doch lieber etwas großzügiger, wissend, dass die Aussteller sonst sowieso zum nächsten Verband gehen würden, und sei es im Ausland. Irgendwo bekommen sie ihren Hengst gekört. Aber die letztendliche Selektion übernimmt doch ohnehin der Markt und der Züchter, nicht der Zuchtleiter oder die Körkommission. Nehmen wir zum Beispiel Sir Heinrich. Die Kommission bei seiner Körung wurde beschimpft, wie sie so ein Pony zulassen können. Aber seine Nachkommen finden sich zuhauf auf den Reitpferdeauktionen wieder. Weniger allerdings bei den Körungen. Trotzdem brauchen wir solche Vererber, denn für seine Reitpferde gibt es einen Markt. Dasselbe mit Comme il faut – auch hier wurde geschimpft, wie man einen so kleinen Hengst kören kann. Heute ist er aus der Springpferdezucht nicht wegzudenken.

St.GEORG: … weil er ja auch noch andere Eigenschaften mitbringt, die ein Springpferd benötigt. Halten Sie den Einzelsprung denn nun für generell aufschlussreich, was jene Eigenschaften angeht? Und besteht nicht auch hier die Gefahr der Manipulation, wenn die Ausbilder wissen, was sie üben müssen?

Thomas Münch: Ich halte eine Reihe für sehr viel „programmierbarer“ als den Einzelsprung. Auf den letzten 20 Metern bis zum Hindernis passieren so viele Unwägbarkeiten, dass die Anfälligkeit für Manipulation aus meiner Sicht hier sehr gering ist. Aber wir können gut erkennen, wie ein Hengst damit umgeht, wenn er ein bisschen zu dicht oder zu weit kommt, ob er von alleine anzieht usw. Aber auch für uns ist das hier ein Lernprozess. Wenn die Hengste, die wir gestern gekört haben, in zwei Jahren nicht durch eine Springpferdeprüfung der Klasse A kommen, haben wir die falschen Entscheidungen getroffen.

St.GEORG: Wie war denn das Feedback der Aussteller?

Thomas Münch: Die sind mit großer Skepsis angereist. Es hatte im Vorfeld viele Diskussionen gegeben. Aber am Ende gab es großes Lob. Und die anschließende Auktion sehe ich auch als Bestätigung. Wir haben gut verkauft. Und ich denke, keiner der Kunden kann sich beschweren, ein manipuliertes Pferd gekauft zu haben.

St.GEORG: Eine weitere Neuerung war die Dreiecksbahn statt Pflastermusterung. Wie kam es dazu?

Thomas Münch: Auf dem Pflaster sehe ich die Pferde ja nur einmal von vorne und einmal von hinten. Vielleicht bin ich da old fashioned, aber wir wollten die Hengste von allen Seiten sehen. Aber die Dreieckbahn war eigentlich erst für nächstes Jahr angedacht gewesen. Doch aufgrund der Corona-Pandemie hatten wir uns entschlossen, auch diese Änderung schon dieses Jahr durchzuführen. Ursprünglich hieß es ja mal, wir dürften draußen 1000 Zuschauer zu lassen und sehr viel weniger in der Halle. Auf dem Dreieck wollten wir den Zuschauern die Möglichkeit geben, möglichst viel von den Hengsten zu sehen.

St.GEORG: Aber die Pflastermusterung im Trab dient ja auch dazu, zu schauen, wie treten die Hengste auf hartem Boden zu und wie fußen sie …

Thomas Münch: Ganz ehrlich, hier reist keiner mit einem jungen Pferd an, das unter der Anspannung nicht zutritt.

St.GEORG: Wie kam es denn zu den vielen Ausfällen im Dressurlot?

Thomas Münch: Naja, bei zwei bis drei Pferden hatten wir tatsächlich das Gefühl, dass sie nicht so richtig hart zutreten. Die habe ich untersuchen lassen und dann gemeinsam mit den Ausbildern beschlossen, sie zurückzuziehen.

St.GEORG: Wie geht es denn nun weiter? Bleiben die Neuerungen?

Thomas Münch: Die Dreiecksbahn und der Einzelsprung bleiben auf jeden Fall. Der geänderte Ablauf über vier Tage war ja vor allem Corona geschuldet. Wie wir das im nächsten Jahr handhaben, müssen wir noch überlegen.

St.GEORG: Und wie geht es für Sie persönlich weiter? Noch sind Sie ja „nur“ Interims-Zuchtleiter. Gibt es da schon eine Entscheidung?

Thomas Münch: Ich habe ja einen festen Vertrag als Vermarkter und bin eher sozusagen aus Versehen Zuchtleiter. Wir haben noch nicht darüber gesprochen, ob es dabei bleibt. Ich hatte auf dieser Körung auch ganz schönen Druck, den Zuchtleiter und den Vermarktungsleiter unter einen Hut zu bringen. Aber am Ende ist es ja unsere Aufgabe Pferde zu selektieren und zu züchten, die der Markt braucht. Vielleicht legt man als Vermarktungsleiter mehr Wert auf Pferde, die sich auch verkaufen lassen, als ein Zuchtleiter, der sich vor allem mit genomischer Selektion auseinandersetzt.

St.GEORG: Demnach bräuchte es ja eigentlich gar keinen Zuchtleiter …

Thomas Münch: Am Ende entscheiden nicht die Körkommission oder der Zuchtleiter, welche Hengste genutzt werden, sondern die Züchter. Es ist ihre Aufgabe, sich zu informieren, welcher Hengst auf ihre Stute passt. Sie sind ja selbst mündig. Natürlich ist es falsch, einen Hengst aufgrund eines 20 Sekunden-Clips im Internet für seine Stute auszuwählen. Aber das können wir als Zuchtleiter bzw. als Körkommission sowieso nicht verhindern. Wenn die Fohlen geboren sind, erlebt der Züchter, ob seine Entscheidung richtig war oder nicht. Wir können nur unsere Eindrücke wiedergeben, entscheiden müssen andere. Und wenn wir die Hengste nicht kören, gehen die Aussteller woanders hin und erhalten da das Go. So geschehen mit Hengsten, die wir als nicht zu beurteilen in der Vorauswahl nach Hause geschickt haben.

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Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

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